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{"created":"2022-01-31T17:00:44.021473+00:00","id":"lit15121","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Goldscheider, Alfred","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 117-122","fulltext":[{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericlit.\n117\nnicht von der Qualit\u00e4t (den \u00c4hnlichkeitsgraden) der T\u00f6ne seihst, sondern nur von Nebenfaktoren abh\u00e4nge (womit also eine Bestimmung der Empfindungsmitte und der Distanzverh\u00e4ltnisse von T\u00f6nen als solchen \u00fcberhaupt ausgeschlossen w\u00e4re), so kann ich dies nicht ohne Widerspruch lassen. Ich verstehe aber hieraus einigermafsen, wie M. doch wieder ein Zungeninstrument w\u00e4hlen konnte, obgleich es ihm seihst nicht das beste Objekt scheint. Ihm sind Ohert\u00f6ne vielleicht eine Komplikation, aber nicht eine Fehlerquelle f\u00fcr solche Versuche, da es eben in Bezug auf Tonempfindungen als solche f\u00fcr ihn weder richtige noch falsche Urteile giebt.\nF\u00fcr neue Arbeiten m\u00f6chte ich, abgesehen von der wiederholten Forderung einfacher Kl\u00e4nge, einen Wunsch hinsichtlich der Untersuchung und Beschreibung der Versuchspersonen aussprechen. Von den Dreien, deren Ergebnisse mitteilensw\u00fcrdig erschienen, sagt M. nur, dafs der eine ein feinmusikalischer ge\u00fcbter Cellist war, die beiden anderen aber \u201eniemals musiziert hatten\u201c. Doch wird ausdr\u00fccklich hei einer bestimmten Versuchsreihe hervorgehoben, dafs da gerade einer von diesen durch musikalische Motive mitbestimmt schien (S. 167). Ein Zeichen, wie wenig man aus dem \u00e4ufseren Umstand, dafs einer musiziert hat oder nicht, \u00fcber das Nachwirken musikalischer Eindr\u00fccke schliefsen kann. Es w\u00e4re k\u00fcnftig wohl erforderlich, die Geh\u00f6rsf\u00e4higkeiten der Versuchspersonen genauer zu beschreiben (Lorenz war hierin ausf\u00fchrlicher) und zwar ganz bestimmte Kriterien zu benutzen, wie Unterscheidungsf\u00e4higkeit, Intervallurteil, Benennungsf\u00e4higkeit u. dgl. Erst danach kann man sich ein Urteil bilden, oh und inwieweit einer musikalisch und unmusikalisch ist; aufserdem bleiben dies allzu unbestimmte Kategorien. Nat\u00fcrlich werden nicht durchgef\u00fchrte Versuchsreihen \u00fcber alle jene Punkte verlangt, die zehnmal so lange dauern w\u00fcrden wie die geplante Untersuchung seihst; eine ziemlich kurze Vorpr\u00fcfung w\u00fcrde schon gen\u00fcgende Anhaltspunkte bieten.\tC. Stumpf.\nMax Dessoir. \u00dcber den Hautsinn. Arch. f. Anat. und Physiol. Physiol.\nAbt. 1892. S. 175\u2014339.\nVerfasser bezeichnet seine umfangreiche Arbeit eingangs als einen Versuch, eine Physiologie des \u201eHautsinns\u201c zu skizzieren, welcher letztere nach seiner Meinung seit E. H. Webers Zeit nicht mehr \u201evon dem Standpunkte systematischer Untersuchung aus\u201c behandelt worden ist. Der experimentelle Teil seiner Arbeiten ist in dem Institute von Hermann Munk ausgef\u00fchrt worden. Verfasser behandelt zun\u00e4chst die Lehre von den Empfindungen \u00fcberhaupt und bespricht allgemein eine Eeihe der hier einschlagenden Fragen, sodann die Lehre von den spezifischen Energien, welche er namentlich in der von Helmholtz ihr gegebenen Form scharf, zum Teil mifsverst\u00e4ndlich, zum Teil mit Ignorierung von physiologischen Beobachtungen, zum Teil mit H\u00fclfe willk\u00fcrlicher Annahmen (ein Schlag auf den Kopf erzeuge m\u00f6glicherweise \u00c4ther-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nLitteraturbericht.\nSchwingungen und damit Lichtempfindung!) kritisiert. Weiterhin bespricht Verfasser die Objektivierung von Wahrnehmungen und die Klassifikation derselben, wobei er eine Reihe von neuen Nomenklaturen vorschl\u00e4gt, deren eine \u00fcbrigens (Pselophesie, Tast- und Muskelsinn) l\u00e4ngst im Gebrauch, wenn auch in etwas anderem Sinne, und wieder obsolet geworden ist, Verfasser wendet sich nunmehr speziell zum Temperatursinn. Hier ist es haupts\u00e4chlich die durch Herzen, Blix, Referenten ermittelte That-sache der Dualit\u00e4t des Temperatursinns, gegen welche er zu Felde zieht. Eine Reihe der von ihm angef\u00fchrten Gegengr\u00fcnde ist dialektischer Natur, wie \u00fcberhaupt auch in dem physiologischen Teil seiner Arbeit eine f\u00fcr heutige naturwissenschaftliche Arbeiten ungew\u00f6hnliche Neigung zu deduktiven Betrachtungen sich kundgiebt. Was nun seine experimentellen Angaben betrifft, so teilt Verfasser mit, dafs es ihm und seinen Mitarbeitern nicht gelungen sei, durch mechanische und elektrische Erregung der K\u00e4lte- bezw. W\u00e4rmepunkte die betreffenden Temperaturempfindungen zu erzeugen ; freilich machten in der That vier der Versuchspersonen in 174 F\u00e4llen positive Angaben; aber da hiervon nur 13 Mal der als kalt- oder warm-empfindlich angegebene Punkt sich mit einem der vorher fixierten Punkte deckte, so h\u00e4lt Verfasser \u201esolche Temperaturempfindungen f\u00fcr Sinnest\u00e4uschungen und ihr Zusammenfallen mit geeigneten Stellen in nur 8V2 \u00b0/o \u2014 soll wohl heissen 772 \u2014 f\u00fcr Zufall.\u201c Er fordert daher eine erneute Pr\u00fcfung \u201evon seiten solcher Experimentatoren, die sich nicht auf die eigene Person beschr\u00e4nken, sondern ihre Forschungen auf Unbefangene ausdehnen.\u201c Verfasser hat n\u00e4mlich die Vorstellung, dafs die von Blix und von mir mitgeteilten Erscheinungen lediglich Selbstbeobachtungen sind, was v\u00f6llig unrichtig ist; vielmehr habe ich diese Dinge an einer grofsen Zahl von Personen, auch Unbefangenen, best\u00e4tigt. Die Thatsache der Existenz der K\u00e4lte- und W\u00e4rmepunkte f\u00fchrt Verfasser seinen Lesern in der Form vor, dafs es sich um Hautstellen handle, \u201ewelche die Ber\u00fchrung mit einer warmen bezw. kalten Metallspitze intensiver warm bezw. kalt als andere Hautstellen empfinden\u201c, w\u00e4hrend es sich doch in Wirklichkeit darum handelt, dafs aufser auf diesen Punkten Temperaturen eben \u00fcberhaupt nicht wahrgenommen werden. Freilich, zwei Seiten sp\u00e4ter, nimmt sich Verfasser doch dieses fundamentalen Faktums an, mit folgenden Worten: \u201eTrotzdem bleibt zu erkl\u00e4ren, wieso der gleichm\u00e4ssige Temperaturreiz an einzelnen Stellen nicht wirkt. Der Hauptgrund ist jedenfalls der, dafs der Reiz in Wirklichkeit nicht gleichm\u00e4fsig ist: die warme Messingspitze k\u00fchlt sich bald ab, die kalte erw\u00e4rmt sich schnell, und auch innerhalb kleinster Felder schwankt die Empfindlichkeit, vielleicht sogar die Dicke der Oberhaut. Dazu kommt, dafs scharfbegrenzte Temperaturreize eine kreisf\u00f6rmige hyper\u00e4sthetische Zone um den Ansatzpunkt herum schaffen\u201c, (soll wohl heifsen hyp\u00e4sthetische, Ref.). \u201eErw\u00e4gt man endlich, dals bei allen derartigen Versuchen die Spitzen sehr ungleich stark aufgesetzt werden, dafs bald hier, bald dort st\u00e4rker eingedr\u00fcckt und somit auch der Temperaturreiz deutlicher gemacht wird, so darf man wohl den Wechsel in der St\u00e4rke der Temperaturempfindungen bei entsprechender Reizung f\u00fcr erkl\u00e4rt ansehen.\u201c Sp\u00e4ter erfahren wir, dafs aufserdem noch peripherisch be-","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"LitteraturbericM.\n119\ndingte Schwankungen der Aufmerksamkeit und Suggestion im Spiele sind. Ich stelle hier den Bedenken des Verfassers einige S\u00e4tze aus meiner Arbeit vom Jahre 1885 gegen\u00fcber: \u201eDieselben (die Punkte) sind v\u00f6llig fixer Natur; hat man ein Punktbild auf die Haut aufgezeichnet, so kann man jederzeit, solange die Punkte zu sehen sind, wenn man bei abgewandten Augen sich von einer anderen Person mit dem Zylinder pr\u00fcfen l\u00e4fst, angehen, wann der Zylinder auf einen Punkt kommt. Dafs etwa zuf\u00e4llig an diesen Punkten ein st\u00e4rkerer Druck mit dem Zylinder stattgefunden h\u00e4tte, oder dafs eine bessere W\u00e4rmeleitung hier vorhanden w\u00e4re, diese Annahmen k\u00f6nnen deshalb gar nicht in Betracht kommen, weil zwischen den Punkten nicht etwa ein schw\u00e4cheres, sondern \u00fcberhaupt gar kein Temperaturgef\u00fchl wahrgenommen werden kann, selbst nicht fl\u00e4chenhafte Temperaturreize, falls sie so klein sind, dafs man damit einen punktfreien Bezirk decken kann. Endlich habe ich die Punkte aber auch hei mir seihst nachweisen k\u00f6nnen, nachdem ich das Stratum corneum mittelst Collodium cantharidatum entfernt hatte.\u201c Ich habe in meiner Arbeit Photogramme von zwei Stellen meines Armes mitgeteilt, an welchen die K\u00e4lte- und W\u00e4rmepunkte bestimmt und mittelst Anilinfarben aufgezeichnet worden waren. Das Verfahren war folgendes (S. 107): \u201eBei den Punktaufnahmen wurden von der umzeichneten Stelle zun\u00e4chst die K\u00e4ltepunkte 3 bis 5 Tage hindurch bestimmt, durch immer erneutes Aufsuchen vervollst\u00e4ndigt, gepr\u00fcft und korrigiert, sodann photographiert und gel\u00f6scht; in derselben Weise folgten dann die W\u00e4rmepunkte.\u201c\nDen sch\u00f6nen HERZEXschen Versuch von dem Erl\u00f6schen der K\u00e4lte-Empfindlichkeit bei fortbestehender W\u00e4rme-Empfindlichkeit im Gebiet eines komprimierten Nerven kann Verfasser auch nicht best\u00e4tigen.\nVerfasser bespricht nunmehr die Eigent\u00fcmlichkeiten der Beize f\u00fcr die Temperaturempfindungen und teilt Ergebnisse eigener experimenteller Ermittelungen mit. (\u201eVon mehreren aufeinander folgenden gleichen Temperaturreizen werden die ersten gleichm\u00e4fsig, die folgenden verst\u00e4rkt, die letzten abgeschw\u00e4cht empfunden u. a. m.) Verfasser hat ferner das von anderen und auch von mir behauptete Auftreten von Temperatur-Empfindungen bei elektrischer Beizung der Nervenst\u00e4mme nachgepr\u00fcft. Ein Teil seiner Versuchspersonen gab das Auftreten von W\u00e4rmeempfindungen, niemals aber von K\u00e4lteempfindungen an; ersteres schiebt er auf vasomotorische Vorg\u00e4nge, besonders da er in manchen F\u00e4llen auch ein Botwerden und eine objektive Temperaturerh\u00f6hung des betreffenden Gebietes gesehen hat. Es ist zweifellos, dafs vasomotorische Vorg\u00e4nge sich gleichfalls abspielen, aber ich mufs daran festhalten, dafs ein schnelles Wechseln hezw. ein Wettstreit von K\u00e4lte- und W\u00e4rme-Empfindung auftritt, was durch vasomotorische Vorg\u00e4nge nicht zu erkl\u00e4ren ist. Aber selbst wenn dies richtig ist, so beweist es f\u00fcr den Verf. nichts, denn diese Temperaturempfindungen k\u00f6nnten vielleicht durch die Nervi nervorum und ihre Endapparate am Orte der Beizung erzeugt werden. Nun, das sind physiologische Bedenken vom gr\u00fcnen Tisch! Die Nervenscheide empfindet keine Temperaturen, und wenn\u2019s der Verfasser mir nicht glaubt, so sehe er beim alten E. H. Weber nach. Was","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nLitteraturbericht.\ndas Anatomische betrifft, so berichtet der Verfasser neben anderem auch eingehender \u00fcber die von mir gemachten Angaben, verschweigt jedoch den springenden Punkt derselben, weshalb ich mich hier gen\u00f6tigt sehe, selbst darauf einzugehen. Ich hatte mir eine grofse Anzahl von Haut-.st\u00fcckchen exstirpiert, welche je einen K\u00e4lte- bezw. W\u00e4rmepunkt enthielten. Die Lage des Punktes auf dem Hautst\u00fcckchen war nat\u00fcrlich mit allen Kautelen kontrolliert worden (cfr. meine Arbeit: Uber die Endigungsiveise der Hautsinnesnerven S. 195). Ich fand nun, dafs den Temperaturpunkten in der That Anh\u00e4ufungen von Nerven entsprechen, welche genau gegen den auf der Haut bezeichneten Temperaturpunkt hin aufsteigen, dafs also die diskontinuierliche Anordnung der Sinnesqualit\u00e4ten in empfindlichen Punkten eine nachweisbare nerven-anatomische Grundlage hat. Wenn auch besondere Endorgane nicht gefunden wurden, so war doch damit ein neuer unanfechtbarer Beweis f\u00fcr die anatomische Bestimmtheit der Temperaturpunkte geliefert. Nun lese man Dessoir. Er sagt, dafs leider die von mir angewendeten Methoden nicht einwandfrei seien, und beruft sich in der Anmerkung auf Unna , welcher bem\u00e4ngelt, dafs ich die Goldpr\u00e4parate nicht durch Osmiumpr\u00e4parate erg\u00e4nzt und v. K\u00f6lliker, welcher bedauert, dafs ich nicht auch Fl\u00e4chenschnitte gemacht habe. Aber hier f\u00fchrt den Verfasser die Kunst seiner Dialektik auf Abwege: beide Autoren haben nicht meine positiven Angaben bezweifelt, sondern behauptet, dafs ich hei der angegebenen Vervollkommnung der Methode vielleicht noch mehr gefunden h\u00e4tte! Indem ich Herrn Dessoir die \"\u00dcNNASchen Osmiumpr\u00e4parate zum Geschenk mache, f\u00fchre ich hier die \u00c4ufserung v. K\u00f6llikers an: \u201eBei weiteren Untersuchungen wird es sich vor allem empfehlen, die Druck- und Temperaturpunkte auch an Fl\u00e4chenschnitten zu studieren und hierbei sowohl die Verbreitung der Epidermisnerven als der Tastzellen zu pr\u00fcfen. H\u00e4tte Goldscheider dies gethan, so h\u00e4tten seine verdienstvollen Versuche noch mehr ergeben, als der Fall war.\u201c\nIch kann \u00fcbrigens Herrn Dessoir mitteilen, dafs ich in der That Fl\u00e4chenschnitte gemacht habe, und dafs dieselben bemerkenswerte Bilder zu geben schienen, dafs es mir aber technisch wegen der H\u00e4rte und Spr\u00f6digkeit der Pr\u00e4parate nicht gelang, gute Fl\u00e4chenschnitte zu erhalten. Ich kann gleichfalls nur raten, diesen Modus wieder aufzunehmen. Verfasser berichtet nun \u00fcber eigne anatomische Untersuchungen ; er hat gefunden, dafs die glans penis Temperatur-unempfindlich ist, bezw. nur K\u00e4lte empfindet, was \u00fcbrigens bereits von Herzen vor Jahren mitgeteilt und mit Recht f\u00fcr die Dualit\u00e4t des Temperatursinns ins Feld gef\u00fchrt worden ist. Verfasser hat nun die an der Eichel vorkommenden Nervenendigungen mit denen der temperaturempfindlichen Vorhaut verglichen, jedoch bis jetzt nichts Sicheres ermittelt; er begn\u00fcgt sich vorl\u00e4ufig bescheiden, aber emphatisch mit dem Verdienst, den Weg ins gelobte Land gezeigt zu haben. Im Anschiufs hieran macht Verfasser Mitteilungen \u00fcber die \u00f6rtliche Verbreitung des Temperatursinns am K\u00f6rper und speziell an den Schleimh\u00e4uten, welche im Original nachzusehen sind. Eine von mir gefundene topographische Thatsache ist, dafs es eine ganze Anzahl von Stellen giebt, welche K\u00e4lte empfinden, aber dabei W\u00e4rme-unempfindlich","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n121\nsind. Diese f\u00fcr die Lehre von der Dualit\u00e4t des Temperatursinnes wichtige Beobachtung ist f\u00fcr Herrn Dessoir nicht vorhanden.\nVerfasser hat ferner eigene Experimente \u00fcber die Lokalisation des Temperatursinns im Gehirn hei Hunden gemacht und gefunden, dafs die sog. Vorderbein- und Hinterbein-Begion (Gyrus sigmoides) zugleich die Centren der Temperaturempfindungen f\u00fcr die je gegen\u00fcberliegenden Extremit\u00e4ten enthalte. Aber es geht aus der Darstellung nicht hervor, dafs Temperaturschmerz ausgeschlossen war, und dies ist der springende Punkt. Herr D. verspricht, anderswo auf diese Versuche noch ausf\u00fchrlich zur\u00fcckzukommen. Warten wir dies also ab !\nNach einigen Bemerkungen \u00fcber die Pathologie des Temperatursinns, welche nichts Neues enthalten, berichtet Verfasser \u00fcber Versuche, welche die Unterschieds-Empfindlichkeit f\u00fcr Temperaturen an verschiedenen K\u00f6rperstellen betreffen. Er findet, dafs dieselbe f\u00fcr W\u00e4rme am gr\u00f6fsten in der Streckseitenmitte des Oberarmes, am kleinsten in der B\u00fcckenmitte ist, dafs der Einflufs der normalen Hauttemperatur auf die Temperatur-Empfindlichkeit gering ist, dafs letztere auch in keiner deutlichen Beziehung zur Dicke der Haut steht und anderes mehr, was zum Teil fr\u00fchere Untersuchungen best\u00e4tigt. Die Temperaturreize, bei welchen Schmerz eintritt, hat Verfasser an der Streckseite des Oberarmes und der B\u00fcckenmitte gepr\u00fcft. Ferner f\u00fchrt er die bekannte WEBEKSche Bemerkung n\u00e4her aus, indem er ermittelt, dafs ein gleicher Temperaturreiz nach k\u00fcrzerer Zeit Schmerz hervorbringt, wenn er eine gr\u00f6fsere Fl\u00e4che der Haut betrifft. Bez\u00fcglich der Nachempfindungen findet Verfasser, dafs das Nachbild eines K\u00e4lte - oder W\u00e4rmereizes durch die entgegengesetzte Erregung aufgehoben, durch eine neue gleichartige Erregung verst\u00e4rkt' wird. Eine intermittierende Temperatur-Nachempfindung hat Verfasser beobachtet, wenn er im Zeitraum einer halben Sekunde vier ganz leichte Beize auf dieselbe Stelle wirken l\u00e4fst. Bei st\u00e4rkeren Beizen entsteht ein sofort anschliefsendes stetiges Nachbild, welches im Mittel etwas mehr als eine halbe Sekunde andauert. Ausgedehnte Untersuchungen hat Verfasser \u00fcber die Beaktionszeiten auf K\u00e4lte-, W\u00e4rme- und aufserdem auf Ber\u00fchrungsund Temperaturschmerzreize angestellt. Die Beschreibung der von ihm angewendeten Apparate mufs im Original eingesehen werden. Er ermittelt, dafs Vergr\u00f6fserung der Beizfl\u00e4che Verk\u00fcrzung dar Druckreaktion zur Folge hat. Bemerkenswert sind die Ergebnisse \u00fcber die Untersuchung der Druckreaktionszeiten an verschiedenen K\u00f6rperstellen. Bez\u00fcglich der Temperatur-Beaktionen hat Verfasser besonders das Verh\u00e4ltnis zu den Ber\u00fchrungs- und Schmerz-Beaktionen ber\u00fccksichtigt; auf die zum Teil bemerkenswerten Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Zum Schl\u00fcsse giebt Verfasser eine \u00fcbersichtliche Zusammenstellung der Ergebnisse seiner Forschungen; nicht recht verst\u00e4ndlich ist in derselben dafs bez\u00fcglich der etwaigen peripherischen Endorgane der Temperaturnerven in dem einen Absatz auf die Gef\u00e4fsnerven, in dem anderen auf die sog. freien Endigungen verwiesen wird. Wenn man alle M\u00f6glichkeiten zul\u00e4fst, wird man freilich mit einer derselben Becht haben.\nMan wird meinen Bericht \u00fcber die fleifsige, belesene, mit grofser Gewandtheit und gelehrter Diktion geschriebene Arbeit des Herrn D.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nLitteraturbericht.\nvielleicht nicht wohlwollend genug finden. Aber es ist mir gerade gegen\u00fcber diesen f\u00fcr den Fernerstehenden verf\u00fchrerischen Eigenschaften als Pflicht erschienen, auch auf die hinter dem wissenschaftlichen Faltenwurf verborgenen Bl\u00f6fsen hinzuweisen.\tAlfred Goldscheider.\nA. St\u00f6hr. Zur nativistischen Behandlung des Tiefensehens. Leipzig und Wien. Deuticke, 1892. 30 S.\nVerfasser entwickelt zuerst die Ansicht, dafs der euklidische Baum keine im voraus gegebene Anschauungsform sei, sondern ein komplizierter Begriff, der nur aus der Anschauung des Sehraums erst konstruiert werde. Zur Konstruktion diene eine endliche Zahl wirklich angeschauter Sehr\u00e4ume, die im Leben fortw\u00e4hrend vermehrt wird. Ein Sehraum ist aber die Summe aller gleichzeitig empfundenen Sehpunkte mit ihren zugeh\u00f6rigen Tiefenwerten. Diesen h\u00e4lt er f\u00fcr das zuerst gegebene und wirft nun die Frage auf, ob vielleicht durch ein noch verborgenes Em-pfindungsgesetz jeder gegebene Sehr\u00e4um auch schon eine Anschauung der Tiefenungleichheit enthalte, so dafs man die Aufsendinge in bestimmter Tiefe sehen m\u00fcfste? Die Schicht der St\u00e4bchen und Zapfen hat eine solche Dicke, dafs man aufser dem Gef\u00fchl des Nebeneinander auch ein Tiefengef\u00fchl hineinlegen k\u00f6nnte. Dazu bildet er die Hypothese, dafs der \u201ePlattenapparat\u201c im Aufsengliede eines St\u00e4bchens ein Satz von Hohlspiegeln sei, deren Bildchen in das nerv\u00f6se Innenglied zur\u00fcckgeworfen w\u00fcrden, und zwar je nach der Konvergenz der vorn in das St\u00e4bchen eintretenden Strahlen, also der Brennpunktslage, in ungleiche Tiefen. Diese Tiefenungleichheit k\u00f6nnte die Grundlage f\u00fcr einen unmittelbaren Eindruck des Tiefenwertes der Sehpunkte sein. Die Umkehrung der einzelnen Spiegelbildchen macht nichts aus, weil sie nur kleinste Elemente des Gesamtbildes betrifft (also wie in den Teilaugen des musivischen Auges. Bef.). Diese Hypothese er\u00f6rtert dann der Verfasser nach verschiedenen Bichtungen sehr ins einzelne, wobei freilich die entstehenden physikalischen und physiologischen Schwierigkeiten \u00fcbergangen oder kurz von der Hand gewiesen werden. Als ein Verdienst seiner Hypothese hebt Verfasser u. a. hervor, dafs das Tiefensehen beim monokularen Schauen mit ruhendem Auge sich dadurch erkl\u00e4ren liefse, aber er nennt (pag. 16) dieses Tiefensehen, wenn es ein Zwei\u00e4ugiger versuchsweise \u00fcbt, vom binokularen nicht wesentlich unterschieden, was wohl nur durch M\u00e4ngel, entweder des Binokularsehens \u00fcberhaupt oder der \u00dcbung in subjektiven Versuchen dieser Art, zu erkl\u00e4ren ist. Als \u201eHypothese mit Wahrscheinlichkeitswert\u201c d\u00fcrfte die skizzierte Theorie, was \u00fcbrigens Verfasser selbst zugiebt, unvollkommen und verfr\u00fcht sein. Als sinnreiche Er\u00f6rterung einer der zahlreichen M\u00f6glichkeiten, zwischen denen unsere beschr\u00e4nkte Erkenntnis nicht zu entscheiden vermag, bietet sie einiges Interesse. (Doch ist, wenigstens dem Beferenten, nicht klar geworden, was eigentlich durch die Einschaltung des recht komplizierten Spiegelapparates und die dadurch bewirkte r\u00e4umliche Umkehrung der","page":122}],"identifier":"lit15121","issued":"1893","language":"de","pages":"117-122","startpages":"117","title":"Max Dessoir: \u00dcber den Hautsinn. Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt., 1892, S. 175\u2013339","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:44.021479+00:00"}