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{"created":"2022-01-31T17:03:08.632038+00:00","id":"lit15124","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, Paul","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 125-127","fulltext":[{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n125\nenergien. Schwabz geht dem Ursprung des Reizbegriffes aus den Untersuchungen am motorischen Nerven nach, wo eine qualitative Verschiedenheit der Reizgattungen nicht vorhanden sei, vielmehr das grofse Grundgesetz der Erhaltung mechanischer Kraft gelte. Dies treffe f\u00fcr den sensorischen Nerven nicht zu, man k\u00f6nne mit dem Bewufstsein nicht operieren, wie mit der Zuckung der Muskelfaser. Weiter bek\u00e4mpft Verfasser die Annahme spezifischer Sinnesenergien in den drei von Lotze versuchten Interpretationen desselben, -wonach man darunter eine spezifisch verschiedene Stimmung der verschiedenen Nervenfasern verstehen oder den Sitz der spezifischen Energien in den centralen Ganglien suchen oder endlich eine Anpassung der Nerven an die \u00e4ufseren Reize darunter sich denken sollte. Selbst in der von Helmholtz versuchten erweiterten Fassung, durch welche Stumpf zur Unterscheidung zweier Klassen spezifischer Energien, der qualitativen und der topogenen, gedr\u00e4ngt worden sei, versage das Gesetz, wie Verfasser f\u00fcr den Tonsinn zu zeigen sucht. Ebenso spr\u00e4chen die BLix-GoLDscHEiDERSchen Versuche \u00fcber den Hautsinn nur scheinbar daf\u00fcr, vielmehr h\u00e4tten die Gr\u00fcnde, welche Lotze gegen das Gesetz spezifischer Sinnesenergien anf\u00fchrte, durch die Untersuchungen von Kiesblbach, Pollak, Wreden, Ubban-tschitsch u. a. neue Best\u00e4tigungen erfahren.\nIm dritten, das Wahrnehmungsproblem vom philosophischen Standpunkt aus behandelnden Teil giebt Verfasser, wie er selbst erkl\u00e4rt, wesentlich eine zusammenfassende Darstellung der von Uphues u. a. beigebrachten Gesichtspunkte. Es mag' daher gen\u00fcgen, darauf hinzuweisen, dafs auch die philosophische Analyse den Verfasser nicht n\u00f6tigt, von dem Endresultat seiner bisherigen Betrachtungen abzugehen. Die Naturwissenschaft hatte, wie gezeigt, es nicht vermocht, die drei methodologischen Dogmen des naiven Realismus zu \u00fcberwinden: Die Bevorzugung der Tastdata war in der physikalischen Zeichenmethode stehen geblieben, die Bevorzugung der anormalen vor den normalen Sinnesdatis war in der Physik wieder aufgetaucht, das Prinzip einer durchgef\u00fchrten Wechselwirkung der Dinge, welches die Naturwissenschaft im Gegensatz zur gew\u00f6hnlichen Ansicht betonte, durchbrach sie selbst wieder, indem sie eine Wirkung auf das Bewufstsein annahm, die ohne Gegenwirkung bleibt. Da ferner die Philosophie nichts \u00fcber die Frage nach der Abh\u00e4ngigkeit oder Unabh\u00e4ngigkeit der Sinnesdata vom Bewufstsein zu entscheiden vermag, so kann auch die metaphysische Anschauung des naiven Realismus bestehen bleiben, ja sie darf sogar nicht als eine unwissenschaftliche bezeichnet werden. A. Pilzecker (G\u00f6ttingen).\nP. Weisengr\u00fcn. Das Problem, Grundz\u00fcge einer Analyse des Realen.\nLeipzig, C. G. Naumann, 1892, 196 S.\nEs ist sehr schwer, von einer gedankenreichen Schrift einen kurzen Bericht ihres Inhalts zu geben; ebenso schwer aber ist es aus einem inhaltsleeren, weitschweifigen und gespreizten Gerede einige leitende Gedanken herauszufischen. Zur letzteren Gattung geh\u00f6rt das oben genannte \u201eWerk\u201c. Wenn es hier dennoch Erw\u00e4hnung findet, so geschieht es nur der Vollst\u00e4ndigkeit wegen, nach der diese Zeitschrift strebt.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nLitteraturbericht.\nDas \u201eWerk\u201c will eine \u201eWeltanschauung\u201c geben, als spezifisch ver. schieden von einer \u201eErkenntnistheorie\u201c.\nPsychologisch soll das zweite Buch sein, dessen erstes Kapitel, \u201eGed\u00e4chtnis und Phantasie\u201c \u00fcberschrieben, nichts als ein Spreuhaufen von Gemeinpl\u00e4tzen ohne ein einziges Gedankenk\u00f6rnchen ist. Die Hauptleistung des \u201eBuches\u201c erscheint jedoch im zweiten Kapitel, sie besteht in einem neuen psychologischen Terminus, \u201eder Analogie\u201c. Diese bezeichnet bei Herrn W. das \u201eVerm\u00f6gen, in das Seelenleben anderer sowohl wie in das eigene eindringen zu k\u00f6nnen\u201c. (S. 76.) Wissenschaftliche Peinlichkeit l\u00e4fst die \u201eAnalogie\u201c in der Logik zur Bezeichnung gewisser apperzeptiver Denkprozesse, wogegen sie f\u00fcr die von Herrn W. gemeinten, von jenen durchaus verschiedenen Prozesse die Bezeichnungen : Reproduktion, Selbstbeobachtung und Assoziation festh\u00e4lt. Aber f\u00fcr Herrn W. scheint diese wissenschaftliche Tugend keinen Reiz zu haben. W\u00e4hrend ferner andere Sterbliche das Fr\u00fchere prim\u00e4r, das Sp\u00e4tere sekund\u00e4r nennen, gef\u00e4llt sich Herr W. darin, den Sinn dieser Worte umzukehren. Die Selbstbeobachtung, obgleich die notwendige Voraussetzung und Unterlage f\u00fcr die psychologische Erkenntnis anderer, ist ihm die sekund\u00e4re Analogie, \u00fcber welche er S. 109\u2014116 platte, oft unsinnige Phrasen aussch\u00fcttet, z. B. folgende zwei, sich dazu noch widersprechende, S\u00e4tze (S. 111): \u201eEs geh\u00f6rt also weniger psychische Aufmerksamkeit zur Selbstanalyse, als zur prim\u00e4ren Analogie (d. h. zur Erkenntnis anderer), das Mitvibrieren der Seele ist hier (also bei der\nSelbstanalyse) auf ein Minimum beschr\u00e4nkt..................Es ist oft\nschwieriger, sich in sich seihst hineinzuversetzen, als in andre.\u201c Freilich sagt Herr W. konsequent nicht Selbstbeobachtung, sondern \u201eSelhst-analyse\u201c , so dafs man nicht mehr weifs, was er sich darunter denkt, besonders wenn man folgende n\u00e4here Definition liest (S. 77): \u201eUnter sekund\u00e4rer Analogie oder Selbstanalyse verstehe ich die F\u00e4higkeit, das eigene Innere zu erfassen, die inneren Empfindungen (sic !), die man selbst erlebt hat, so umformen und umgestalten zu k\u00f6nnen (sic!), dafs man m\u00f6glichst alle inneren Vorg\u00e4nge wirklich dadurch begreift.\u201c Welcher Wunderth\u00e4ter, dieser Herr W., der innere Empfindungen umformt und umgestaltet! S\u00e4mtliche Wunderdoktoren, die blofs Zahnschmerzen und andere Leiden, also blofs die unangenehmen Empfindungen sofort umgestalten, sind St\u00fcmper gegen ihn ! Beide Analogien, die sekund\u00e4re noch mehr als die prim\u00e4re, werden immer mehr ge\u00fcbt, je mehr sich die \u201esoziale Komplikation\u201c steigert. Ja, vor der sozialen Komplikation, etwa zur Zeit der homerischen Helden, hat es nach Herrn W. gar keine \u201eSelbstanalyse\u201c gegeben. Die damaligen Menschen f\u00fchrten wahrscheinlich ein best\u00e4ndiges Traumleben.\nDiese \u201esoziale Komplikation\u201c ist aber nicht blofs ein neuer Terminus des Herrn W., sondern eine neue \u201eTheorie\u201c, eine grofse Entdeckung. Eine zweite grofse, Herrn W. nicht minder wichtige, aber damit zusammenh\u00e4ngende Entdeckung ist die \u201eUmwandlung von Werten\u201c (S. 83), die, die soziale Komplikation begleitend, an Stelle der unmittelbaren mittelbare \u201ekomplizierte\u201c (sic!) Werte (S. 85) setzt. Beider Entdeckungen Stammbaum geht f\u00fcr Herrn W. auf eine fr\u00fchere Schrift","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n127\nvon ihm (S. 82/83), f\u00fcr andere Leute aber auf Spencer, Schaffle und manchen anderen zur\u00fcck.\nGesteigerte Komplikation und gesteigerte Selbstanalyse ist kein Gl\u00fcck. Ein Opfer der letzteren z. B. ist Hamlet (S. 113/. Dieses Stichwort, wie an anderen Stellen andere Stichworte aus der Litteratur-geschichte, dient nur zur Einf\u00fchrung aneinander gereihter litterarisch-\u00e4sthetischer Phrasen, die an Trivialit\u00e4t und \u00d6de den philosophischen Orakeln des Herrn W. nichts nachgeben und mit dem vorhergehenden meist nur durch den Baum Zusammenh\u00e4ngen.\nVon , der Bereicherung, die die Psychologie durch das oben genannte \u201eWerk\u201c erf\u00e4hrt, glaubt der Beferent eine gen\u00fcgende Vorstellung gegeben zu haben. Die erkenntnis-theoretischen Erleuchtungen, mit denen Herr W. die Menschheit begl\u00fcckt, gehen uns hier gl\u00fccklicherweise nichts an. Man braucht aber in dem \u201eWerke\u201c nur zu bl\u00e4ttern, um ganz eigent\u00fcmliche Lichtstrahlen aufzufangen. So wird S. 21 von Berkeley als dem \u201egrofsen Schotten\u201c gesprochen, S. 125 in gr\u00f6bster\nWeise \u201etranscendental\u201c mit \u201etranscendent\u201c verwechselt etc.......\nP. Barth (Leipzig).\nW. Bormann. Kunst und Nachahmung. No. 5 der Flugschriften gegen den Materialismus, herausgegeben von Schmidkunz. Stuttgart, Krabbe, 1892. 48 S.\nIn dem ersten, mehr allgemein gehaltenen Teil der Brosch\u00fcre geht der Autor von der Thatsache aus, dafs Aristoteles der Erste gewesen, der den Begriff der Naturnachahmung in die Definition der Kunst aufgenommen. Da sich jedoch diese Nachahmung nicht blofs auf Gegenst\u00e4nde der \u00e4ufseren Natur, sondern schon nach Aristoteles selbst auch auf Leidenschaften und Affekte, kurz auf Erscheinungen des Mikrokosmos bezieht, sieht Bormann sich veranlafst, an dieser Stelle eine knappe \u00dcbersicht der Prinzipien der idealistischen Philosophie von Descartes bis Kant und Fichte einzuschalten, welche bekanntlich ihren Schwerpunkt im Seelenleben des Menschen gesucht hat. Nach dieser Abschweifung wendet er sich zur Untersuchung des Verh\u00e4ltnisses zwischen dem Nalur- und dem Kunstsch\u00f6nen.\nEr bespricht die Ansichten Schellixgs, Hegels und einiger sp\u00e4terer \u00c4sthetiker, welche alle den Sch\u00f6nheitsgehalt der Natur mehr oder weniger untersch\u00e4tzen, und f\u00fchrt zuletzt im Gegens\u00e4tze zu Hartmann seine eigene Meinung aus, die in dem Satze gipfelt: \u201eDas einzelne Natursch\u00f6ne, wenn wir es nur sinnlich und begrenzt auffassen, ist dem Kunstsch\u00f6nen untergeordnet; doch ist eben eine solche enge Auffassung dem Wesen der Natur zuwider, die in allen ihren \u00c4ufserungen zum grofsen Allgemeinen und zum Geistigen hinstrebt.\u201c Er steht hierin ganz auf dem Standtpunkt Schillers, auf den man in \u00e4sthetischen Fragen \u00fcberhaupt immer wieder zur\u00fcckzugehen gen\u00f6tigt ist. \u2014 Im zweiten Teile scheitert der Verfasser an der unl\u00f6sbaren Aufgabe, eine Analyse s\u00e4mtlicher K\u00fcnste auf den engen Kaum von ca. 20 Druckseiten zusammenzudr\u00e4ngen. Doch enth\u00e4lt gerade dieser Teil eine F\u00fclle einzelner geistvoller Bemerkungen, wie etwa jene \u00fcber den Unterschied zwischen","page":127}],"identifier":"lit15124","issued":"1893","language":"de","pages":"125-127","startpages":"125","title":"P. Weisengr\u00fcn: Das Problem, Grundz\u00fcge einer Analyse des Realen. Leipzig, C. G. Naumann, 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:08.632044+00:00"}