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{"created":"2022-01-31T17:00:55.314777+00:00","id":"lit15130","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 130-131","fulltext":[{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nLitteraturbericht\naufs neue als ein v\u00f6llig fremder, w\u00e4hrend im \u00fcbrigen ihr Ged\u00e4chtnis intakt bleibt. Eine Amn\u00e9sie localis\u00e9e dagegen liegt in den F\u00e4llen vor, in welchen ein ganz scharf begrenzter Zeitabschnitt aus dem Ged\u00e4chtnis der Patienten gleichsam herausgeschnitten ist. Sehr selten kommt es vor, dafs die Amnesie sich auf die gesamte Vergangenheit des Kranken erstreckt und alle neuen Eindr\u00fccke von Augenblick zu Augenblick vergessen werden (Amn\u00e9sie g\u00e9n\u00e9rale). Von diesen untersch\u00e9iden sich gewisse andere F\u00e4lle nur dadurch, dafs die Amnesie nicht die gesamte Vergangen-heit, sondern, vom Moment ihres Auftretens zur\u00fcckgerechnet, nur einen bestimmten Zeitabschnitt umfafst (Amn\u00e9sie continue).\nEie vielberufenen Charaktereigenschaften der Hysterischen, ihre Indifferenz, Unstetigkeit, Launenhaftigkeit, sollen nach J. zum grofsen Teil auf eine derartige Ged\u00e4chtnisst\u00f6rung, die auch in milderer Form als blofse Ged\u00e4chtnisschw\u00e4che auftreten kann, zur\u00fcckzuf\u00fchren sein.\nDie Perception und Aufspeicherung der Sihneseindr\u00fccke geht hei all diesen Formen in ungest\u00f6rter Weise vor sich. Das wird dadurch bewiesen, dafs alle Kranke in gewissen Stadien der Hypnose, manche auch im nat\u00fcrlichen Schlafe \u00fcber alles das verf\u00fcgen, was im wachen Zustande dem Ged\u00e4chtnis entschwunden war. Aber auch die Reproduktion der aufgespeicherten Eindr\u00fccke ist hei der hysterischen Amnesie nicht beeintr\u00e4chtigt. J. schliefst dies aus folgenden Experimenten: Eine mit exquisiter hysterischer Amnesie unter der Form der Amn\u00e9sie continue behaftete Patientin wird in ein Gespr\u00e4ch verwickelt. Der Experimentator schiebt ihr w\u00e4hrenddessen einen Bleistift in die Hand \u2014 die Kranke leidet auch an St\u00f6rungen der Hautsensibilit\u00e4t \u2014 und fl\u00fcstert ihr, w\u00e4hrend ihre volle Aufmerksamkeit durch das Gespr\u00e4ch gefesselt ist, Fragen zu \u00fcber Personen und Dinge, die infolge ihrer Amnesie der hewufsten Erinnerung der Patientin g\u00e4nzlich entr\u00fcckt sind. Jetzt aber schreibt sie wie automatisch die richtigen Antworten nieder. Wird ihre Aufmerksamkeit durch Lekt\u00fcre in Anspruch genommen, so wird sie unter gleichen Umst\u00e4nden diese Antworten auch m\u00fcndlich geben. \u2014 Aufser der \u201eConservation des souvenirs\u201c und der \u201eReproduction des images\u201c aber ist zum Bewufstwerd\u00ebn eines Erinnerungsbildes nach Janet noch ein Drittes erforderlich, das er Perception personnelle nennt und worunter er die Herstellung der Verbindung zwischen Erinnerungsbild einerseits und der hewufsten Pers\u00f6nlichkeit andererseits versteht. Auf der St\u00f6rung dieses psychischen Vorganges beruht die hysterische Amnesie.\nAuf die interessanten Beziehungen zwischen Ausfallserscheinungen des Ged\u00e4chtnisses und der Sensibilit\u00e4t, welche Janet in manchen F\u00e4llen gefunden hat, kann hier nicht n\u00e4her eingegangen werden, weil dieselben, wie er seihst hervorhebt, keine allgemeine Bedeutung beanspruchen k\u00f6nnen. :\u2014 Die Lekt\u00fcre der inhaltreichen Arbeit kann nur angelegentlichst empfohlen werden.\tLiebmann (Bonn).\nStr\u00fcmpell. \u00dcber die Entstehung und die Heilung von Krankheiten durch Vorstellungen. Erlangen, 1892. 20 S.\nStr\u00fcmpell ergeht sich in dieser Rede, die er bei Antritt des Prorektorates der Universit\u00e4t Erlangen am 4. November 1892 gehalten-","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n131\nhat, \u00fcber den Einflufs, den die psychischen Vorg\u00e4nge auf Entstehung und Heilung von Krankheiten aus\u00fcben.\nEs ist ein frischer und froher Hauch, der durch das Ganze weht, und der innere Kliniker schreibt mit sicherer Hand und mit \u00fcberlegenem Wissen den unklaren Bestrebungen der neueren Zeit ihre Grenzen vor, die sie nicht zu \u00fcberschreiten haben.\nDafs die Zust\u00e4nde des Bewufstseins von dem eminentesten Einfl\u00fcsse auf unsere K\u00f6rperlichkeit sind, hat man von jeher gewufst, und es kann so zur Entstehung von wirklichen Krankheitszust\u00e4nden kommen, die einem unaufmerksamen Beobachter leicht als rein k\u00f6rperliche Leiden erscheinen, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit die notwendigen k\u00f6rperlichen Eolgen rein geistiger Vorg\u00e4nge sind und mit ihnen auch wieder verschwinden k\u00f6nnen.\nJe leichter erregbar der Mensch ist, um so st\u00e4rker wird sich dieser Einflufs geltend machen, und darum werden wir diese Erscheinungen besonders bei nerv\u00f6sen und hypochondrischen Personen bemerken.\nWie bei der Entstehung von Krankheiten, so gilt es in gleicher Weise f\u00fcr ihre Heilung, und keinem denkenden Arzte ist es verborgen, wie manche Heilung er weniger dem Heilmittel verdankt, als dem Vertrauen, das der Kranke auf dieses Heilmittel gesetzt hat.\nSo war es von je und so ist es auch jetzt, und die Macht der Vorstellungen wird noch heute teils in den alten \u00fcberlieferten, teils in neuen Formen absichtlich oder unabsichtlich tagt\u00e4glich, gebraucht, um den Euhm gewisser Heilk\u00fcnstler zu mehren und den Glauben an gewisse Heilkr\u00e4fte zu unterhalten. Die Modeform heutzutage ist der Hypnotismus und die Suggestion, d. h. das k\u00fcnstliche Hervorrufen eines schlaf\u00e4hnlichen abnormen psychischen Zustandes und die feste Einf\u00fcgung einer bestimmten Vorstellung in das Bewufstsein eines anderen, und wenn Str\u00fcmpell auch keinen Augenblick ansteht, den Wert des Hypnotismus als Heilmittel anzuerkennen, so ist er doch der Ansicht, dafs die Anwendung desselben nicht oder doch nur mit grofser Einschr\u00e4nkung berechtigt und w\u00fcnschenswert sei.\nDie Wirksamkeit der Hypnose setzt den Glauben an ihre besondere Kraft und somit die Unkenntnis ihres Wesens voraus. Ein geistig normaler Mensch, der genau weifs, was Hypnose ist, wird schwerlich von einem anderen hypnotisiert werden, denn gegen wirkliche Erkenntnis haben blofse Vorstellungen keine Macht mehr. Aufserdem aber, und das ist mit das Bedenklichste von der Sache, ist die Hypnose nichts anderes als eine k\u00fcnstlich hervorgerufene schwere Hysterie.\nDa nun durch den Hypnotismus keine Heilerfolge gewonnen werden, die nicht auf anderem Wege auch zu erreichen sind, so wird man sich mit vollem Rechte dagegen erkl\u00e4ren m\u00fcssen.\nEs w\u00e4re auch schwerlich je so weit gekommen, wenn die psychologische Bildung mehr Allgemeingut der studierenden \u00e4rztlichen Jugend w\u00e4re, und darum ist der Wunsch Str\u00fcmpells, den er am Schl\u00fcsse seiner Rede ausspricht, dafs wie die Physiologie auch die Psychologie f\u00fcr jeden Mediziner ein obligatorisches Lehrfach sein solle, mit ganzer Kraft zu unterst\u00fctzen.\tPelman.\n9*","page":131}],"identifier":"lit15130","issued":"1893","language":"de","pages":"130-131","startpages":"130","title":"Str\u00fcmpell: \u00dcber die Entstehung und die Heilung von Krankheiten durch Vorstellungen. Erlangen, 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:55.314783+00:00"}