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{"created":"2022-01-31T16:58:08.957062+00:00","id":"lit15137","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 137-138","fulltext":[{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"LitteraturbericM.\n137\nWissen und Wollen, und mit der Ent\u00e4ufserung tritt an die Stelle der Angst und Not K\u00fche und Erleichterung. Zuweilen verbindet sich mit gewissen Worten die Vorstellung einer drohenden Gefahr, und um der damit verbundenen Angst zu entgehen, vermeidet der Kranke jede Gelegenheit, das Wort zu h\u00f6ren, er weicht jeder Gesellschaft aus, zieht sich von jedem Verkehre zur\u00fcck, liest kein Buch, spricht mit keinem Menschen. Sein ganzes Wesen gipfelt in dem einen Bestreben, dem Worte und seinen Folgen zu entgehen.\nZuweilen finden sie Schutz und H\u00fclfe in einem anderen Worte, einem Satze, mit oder ohne Sinn, den sie alsdann unaufh\u00f6rlich wiederholen und auch wohl mit Bewegungen begleiten.\nSie wissen ganz gut, dafs ihr Verhalten Thorheit ist, und doch m\u00fcssen sie willenlos dem Drange folgen.\nDiese Gef\u00fchle des Unbehagens k\u00f6nnen sogar ganz bestimmte Organe ergreifen. So kann das Wort die Empfindung hervorrufen, als ob es durch Mund und Speiser\u00f6hre in den Magen gelangt sei und dort Beschwerden hervorrufe, denen der Kranke durch K\u00e4uspern und W\u00fcrgen zu entgehen trachtet. Hier f\u00fcgt sich zu der psychischen Angst die physische Not.\nWenn man >die Angst und den vergeblichen Kampf dieser Onomato-manischen gesehen hat und kennt, dann wird man auch den Geisteszustand der an anderen Zwangsvorstellungen Leidenden, der Kleptomanen, Pyromanen u. s. w. erkl\u00e4rlich und entschuldbar finden. Der Unterschied gegen fr\u00fcher ist nur der, dafs jene \u00fcbelberufenen Zust\u00e4nde jetzt fafsbare und nachzuweisende Begriffe geworden sind, die sich nur bei den Entarteten, und auch bei ihnen nur im Zusammenh\u00e4nge mit einer ganzen Keihe anderweitiger Entartungszeichen, finden.\nDie Prognose aller dieser Zust\u00e4nde ist keine besonders g\u00fcnstige, Aussicht auf Genesung nur dann zu erhoffen, wenn die Kranken aus der gewohnten Umgebung entfernt und einem t\u00fcchtigen Arzte \u00fcbergeben werden.\tPelman.\nChr. Ufer. Das Wesen des Schwachsinnes. Langensalza. Herrn.-Beyer & S\u00f6hne. 1892. 22 S. (5. Heft des p\u00e4dagog. Magazins v Fr. Mann.)\nDie kleine Schrift enth\u00e4lt einen Vortrag, den Ufer auf der Versammlung des Th\u00fcringenschen Vereins f\u00fcr wissenschaftliche P\u00e4dagogik zu Weifsenfels gehalten hat.\nEr verfolgt damit den guten Zweck, seinen Fachgenossen einen Einblick in die Seele des schwachsinnigen Kindes zu gew\u00e4hren, und er thut dies an der Hand einer sehr reichhaltigen Litteraturkenntnis und mit vollster Beherrschung seines Stoffes. Ufer weist nach, wie und warum es bei dem schwachsinnigen Kinde nicht zur Ausbildung ethischer Begriffe und Empfindungen kommen kann, und wie man bei der Erziehung diesem Erfahrungssatze Rechnung tragen m\u00fcsse.\nIn der starken Betonung des Satzes, dafs die gew\u00f6hnliche Erziehungsmethode beim schwachsinnigen Kinde nicht ausreiche, nicht weil es dem Unterrichte nicht folgen wolle, sondern weil es ihm auf Grund seiner","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLitteraturbericht.\nkrankhaft behinderten Gehirnorganisation nicht folgen k\u00f6nne, gipfelt die Beweisf\u00fchrung Ufers, dafs hier nicht von einer Zucht im Sinne Herbarts, sondern nur von einer Dressur die Rede sein k\u00f6nne.\nDie Bef\u00e4higung zu derartigen Untersuchungen hat Ufer schon durch fr\u00fchere Ver\u00f6ffentlichungen nachgewiesen, die sich durch die gleiche Klarheit der Darstellung und dasselbe feine Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die psychischen Zust\u00e4nde des Kindesalters auszeichnen.\tPelm an.\nMagnan. Psychiatrische Vorlesungen, Heft 2 u. 3. \u00dcber die Geistesst\u00f6rungen der Entarteten. Deutsch von M\u00f6bius. Leipzig, Thieme. 1892. 123 S.\nM\u00f6bius hat hier'nach Auswahl Magnans \\ ortr\u00e4ge desselben zusammengestellt und \u00fcbersetzt, welche sich alle mit den Entarteten besch\u00e4ftigen. Magnan h\u00e4lt das Irresein der Entarteten f\u00fcr eine vollkommen abgeschlossene Krankheitsgruppe. Entartete sind . die, welche verm\u00f6ge krankhafter Zust\u00e4nde ihrer Erzeuger mit krankhaftem Geisteszust\u00e4nde auf die Welt kommen. Ein gleicher Zustand kann \u00fcbrigens m\u00f6glicherweise auch bewirkt werden durch Krankheiten in utero oder w\u00e4hrend der ersten Kindheit. Daher passen auch nicht die Ausdr\u00fccke: ererbtes Irrsein und Hereditarier! Die Entartung giebt sich in dem gesamten psychischen Verhalten der Entarteten zu erkennen, und zwar durch das ganze Leben. Der Etat mental ist ein krankhafter, abnormer. M. fafst den Geisteszustand aller Entarteten mit , einigermafsen entwickeltem Geistesleben auf als Disharmonie, als Zerst\u00f6rung des Gleichgewichtes zwischen den einzelnen geistigen F\u00e4higkeiten, als d\u00e9s\u00e9quilibration. M\u00f6bius will daf\u00fcr aus der Physik den Ausdruck Instabilit\u00e4t entlehnen. Die Form der Instabilit\u00e4t ist nat\u00fcrlich bei den verschiedenen Graden der Entartung sehr verschieden. Magnan sagt: \u201eDie wichtigste Erscheinung bei dem heredit\u00e4ren Irresein ist die Disharmonie, der Mangel an Gleichgewicht nicht nur zwischen den intellektuellen und den moralischen F\u00e4higheiten, sondern auch zwischen den einzelnen intellektuellen F\u00e4higkeiten selbst. Ein Hereditarier kann ein Gelehrter, ein ausgezeichneter Beamter ...... sein und dabei in moralischer Hinsicht\nklaffende L\u00fccken zeigen, wunderliche Neigungen, \u00fcberraschende Unregel-m\u00e4fsigkeiten der Lebensf\u00fchrung. In anderen F\u00e4llen tritt das Umgekehrte ein.\u201c Um die Hereditarier richtig zu verstehen, mufs man die Stufen verfolgen, welche von der vollkommenen Leerheit der Idioten zu den leichten Abweichungen der Instablen f\u00fchren. Die tiefststehenden Idioten sind jeder Wahrnehmung unf\u00e4hig, sie f\u00fchren ein rein vegetatives Leben, das eigentlich nur reflektorischer Art ist. Sie leben eigentlich nur mit dem R\u00fcckenmark. Je st\u00e4rker der Intellekt, desto h\u00f6her hinauf die organische Entwickelung im Gehirn bis zum Stirnhirn. Das Stirnhirn ist beim Idioten nicht entwickelt. Dasselbe formt aus den Bildern der Schl\u00e4fen und Hinterhauptslappen seine Schemata und Begriffe, auf denen das geistige Leben beruht. Ist die Th\u00e4tigkeit des Stirnhirns mangelhaft, so herrschen die instinktartigen Triebe vor. In dem Grad, als sich das Stirnhirn dem normalen Zustand n\u00e4hert, erhebt sich der Idiot zu h\u00f6heren Stufen und wird allm\u00e4hlich zum Schwachsinnigen. Sind einzelne Hirn-","page":138}],"identifier":"lit15137","issued":"1893","language":"de","pages":"137-138","startpages":"137","title":"Chr. Ufer: Das Wesen des Schwachsinnes. Langensalza, Herm. Beyer & S\u00f6hne, 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:08.957067+00:00"}