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{"created":"2022-01-31T17:01:37.422168+00:00","id":"lit15138","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 138-139","fulltext":[{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLitteraturbericht.\nkrankhaft behinderten Gehirnorganisation nicht folgen k\u00f6nne, gipfelt die Beweisf\u00fchrung Ufers, dafs hier nicht von einer Zucht im Sinne Herbarts, sondern nur von einer Dressur die Rede sein k\u00f6nne.\nDie Bef\u00e4higung zu derartigen Untersuchungen hat Ufer schon durch fr\u00fchere Ver\u00f6ffentlichungen nachgewiesen, die sich durch die gleiche Klarheit der Darstellung und dasselbe feine Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die psychischen Zust\u00e4nde des Kindesalters auszeichnen.\tPelm an.\nMagnan. Psychiatrische Vorlesungen, Heft 2 u. 3. \u00dcber die Geistesst\u00f6rungen der Entarteten. Deutsch von M\u00f6bius. Leipzig, Thieme. 1892. 123 S.\nM\u00f6bius hat hier'nach Auswahl Magnans \\ ortr\u00e4ge desselben zusammengestellt und \u00fcbersetzt, welche sich alle mit den Entarteten besch\u00e4ftigen. Magnan h\u00e4lt das Irresein der Entarteten f\u00fcr eine vollkommen abgeschlossene Krankheitsgruppe. Entartete sind . die, welche verm\u00f6ge krankhafter Zust\u00e4nde ihrer Erzeuger mit krankhaftem Geisteszust\u00e4nde auf die Welt kommen. Ein gleicher Zustand kann \u00fcbrigens m\u00f6glicherweise auch bewirkt werden durch Krankheiten in utero oder w\u00e4hrend der ersten Kindheit. Daher passen auch nicht die Ausdr\u00fccke: ererbtes Irrsein und Hereditarier! Die Entartung giebt sich in dem gesamten psychischen Verhalten der Entarteten zu erkennen, und zwar durch das ganze Leben. Der Etat mental ist ein krankhafter, abnormer. M. fafst den Geisteszustand aller Entarteten mit , einigermafsen entwickeltem Geistesleben auf als Disharmonie, als Zerst\u00f6rung des Gleichgewichtes zwischen den einzelnen geistigen F\u00e4higkeiten, als d\u00e9s\u00e9quilibration. M\u00f6bius will daf\u00fcr aus der Physik den Ausdruck Instabilit\u00e4t entlehnen. Die Form der Instabilit\u00e4t ist nat\u00fcrlich bei den verschiedenen Graden der Entartung sehr verschieden. Magnan sagt: \u201eDie wichtigste Erscheinung bei dem heredit\u00e4ren Irresein ist die Disharmonie, der Mangel an Gleichgewicht nicht nur zwischen den intellektuellen und den moralischen F\u00e4higheiten, sondern auch zwischen den einzelnen intellektuellen F\u00e4higkeiten selbst. Ein Hereditarier kann ein Gelehrter, ein ausgezeichneter Beamter ...... sein und dabei in moralischer Hinsicht\nklaffende L\u00fccken zeigen, wunderliche Neigungen, \u00fcberraschende Unregel-m\u00e4fsigkeiten der Lebensf\u00fchrung. In anderen F\u00e4llen tritt das Umgekehrte ein.\u201c Um die Hereditarier richtig zu verstehen, mufs man die Stufen verfolgen, welche von der vollkommenen Leerheit der Idioten zu den leichten Abweichungen der Instablen f\u00fchren. Die tiefststehenden Idioten sind jeder Wahrnehmung unf\u00e4hig, sie f\u00fchren ein rein vegetatives Leben, das eigentlich nur reflektorischer Art ist. Sie leben eigentlich nur mit dem R\u00fcckenmark. Je st\u00e4rker der Intellekt, desto h\u00f6her hinauf die organische Entwickelung im Gehirn bis zum Stirnhirn. Das Stirnhirn ist beim Idioten nicht entwickelt. Dasselbe formt aus den Bildern der Schl\u00e4fen und Hinterhauptslappen seine Schemata und Begriffe, auf denen das geistige Leben beruht. Ist die Th\u00e4tigkeit des Stirnhirns mangelhaft, so herrschen die instinktartigen Triebe vor. In dem Grad, als sich das Stirnhirn dem normalen Zustand n\u00e4hert, erhebt sich der Idiot zu h\u00f6heren Stufen und wird allm\u00e4hlich zum Schwachsinnigen. Sind einzelne Hirn-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n139\ncentra der Entartung entgangen, so verraten die Idioten einige Anlagen, die Schwachsinnigen einige Talente. Daher die partiellen Genies Yoisins. Die grofsen Verschiedenheiten der geistigen Entartung lassen sich in drei Klassen bringen: 1. Vorwiegen der intellektuellen Entwickelung hei moralischem Defekte ;\t2. normale Moralit\u00e4t hei intellektuellem\nSchwachsinn ;\t3. Ausfallen oder mangelhafte Entwickelung einzelner\nF\u00e4higkeiten. Magnan selbst teilt die Entarteten in vier Klassen : die Idioten, die Imbecillen, die Schwachsinnigen und die h\u00f6herstehenden oder intelligenten Entarteten. Mit der letzteren Klasse besch\u00e4ftigt er sich im vorliegenden Werke fast ausschliefslich. Auf Grund des zeitlebens bei den Entarteten bestehenden abnormen Etat mental entwickeln sich nun, oder k\u00f6nnen sich entwickeln die sog. Syndrome, Zuf\u00e4lle. Sie sind die psychischen Stigmata der Entarteten, auf welche Magnan mehr Gewicht gelegt -wissen will, als auf die physischen Stigmata oder die Degenerationszeichen. Unter diese geh\u00f6ren die fr\u00fcheren Monomanien, von denen hier nur die Platzangst, Gr\u00fchelsucht, geschlechtliche Verkehrtheiten, Dipsomanie etc. etc. erw\u00e4hnt seien. \u201eDie Hereditarier tragen von vornherein sozusagen ihren Stempel an sich : k\u00f6rperliche und\ngeistige Stigmata, die ihnen eigent\u00fcmlich sind. Fr\u00fchzeitig..k\u00f6nnen\nsich bei den Entarteten Zust\u00e4nde von Besessenheit, krankhafte Triebe, Hemmungserscheinungen, intellektuelle und moralische Abweichungen, Wunderlichkeiten zeigen, die charakteristisch sind und ihren Tr\u00e4gern zweifellos eine Sonderstellung anweisen.\u201c \u201eDiese Zuf\u00e4lle kommen nur hei den Entarteten vor, sie sind ihre psychischen Stigmata.\u201c Magnan geht dann noch auf das f\u00fcr die Entarteten charakteristische Irresein im engeren Sinne ein. Es w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, darauf hier noch n\u00e4her einzugehen. Das oben Gesagte wird gen\u00fcgen, um zur Lekt\u00fcre von Magnans interessanten Vortr\u00e4gen anzuregen. M\u00f6bius sind wir durch Seine \u00dcbersetzung zu grofsem Danke verpflichtet. Umpfenbach (Bonn).\nL. Kirn. Geistesst\u00f6rung und Verbrechen. Festschrift zur Feier des 50j\u00e4hrigen Jubil\u00e4ums der Anstalt Illenau. Heidelberg 1892.\nLombroso hat durch sein Vorgehen eine gewaltige Bewegung in den Gang gebracht, deren endliches Geschick sich mit Sicherheit nicht Vorhersagen l\u00e4fst. Zur Zeit befinden wir uns etwas in der r\u00fcckl\u00e4ufigen Welle, und dem anf\u00e4nglichen Enthusiasmus gegen\u00fcber haben jetzt die besonnenen Elemente das Wort.\nKirn hat sich von Anfang an, wenn auch nicht gerade ablehnend gegen die neue Lehre, so doch immerhin recht kritisch ihr gegen\u00fcber verhalten, und dem gleichen Sinne ist dieser vorliegende Vortrag entsprungen.\nDafs ein gewisses verwandtschaftliches Verh\u00e4ltnis zwischen Geistesst\u00f6rung und Verbrechen besteht, dies in Abrede zu stellen W\u00e4re heutzutage ein th\u00f6richtes Unterfangen, dafs es aber geborene Verbrecher gebe, wie Lombroso behauptet, die infolge eines angeborenen krankhaften Geisteszustandes unvermeidlich und widerstandslos der verbrecherischen","page":139}],"identifier":"lit15138","issued":"1893","language":"de","pages":"138-139","startpages":"138","title":"Magnan: Psychiatrische Vorlesungen, Heft 2 u. 3: \u00dcber die Geistesst\u00f6rungen der Entarteten. Leipzig, Thieme 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:37.422173+00:00"}