Open Access
{"created":"2022-01-31T17:00:33.262008+00:00","id":"lit15142","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 143-144","fulltext":[{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n143\nN ORD au geht nun, seinem Versprechen gem\u00e4fs, auf die Tr\u00e4ger dieser Richtungen n\u00e4her ein, und er pr\u00fcft seine Theorie zun\u00e4chst an den sog\u00ebnannten Pr\u00e4raphaeliten in England und den Symbolisten in Frankreich. Es sind merkw\u00fcrdige Menschenkinder, die uns Nordau hier mit gewandter Hand vorzeichnet, und mehr als einmal wird man an des grofsen Friedrich Ausruf nach der Schlacht hei Z\u00f6rndorf erinnert: \u201eSieh er, mit solchem Gesindel mufs ich mich herumschlagen.\u201c\nDie Bezeichnung \u201el\u00e4cherliche Kr\u00fcppel\u201c, womit Nordau sie beehrt, ist eine wohl verdiente. '\nAuch Tolstoi kommt schlecht weg, da er in Nebel, Unverstand und hohlem Wortschwall aufgeht.\nKeinem aber ergeht es schlechter, als dem \u201eMeister\u201c, als Richard Wagner. \u201eDer eine R. Wagner ist allein mit einer gr\u00f6fseren Menge von Degeneration vollgeladen, als alle anderen Entarteten zusammen, die wir bisher kennen gelernt haben.\u201c\nDie Ausf\u00fchrungen Nord aus wird man mit gemischten Empfindungen hinnehmen, je nachdem man f\u00fcr den Meister schw\u00e4rmt oder ihm mit k\u00fchleren Empfindungen gegen\u00fcbersteht. Von den ersteren meint Nordau, dafs die meisten Wagner-Fanatiker seinen Thorheiten folgten, von seiner Musik verst\u00e4nden sie nichts. Das ist \u00e4ufserst grob, aber, wie ich bef\u00fcrchte, auch \u00e4ufserst richtig.\nDen Parodieformen der Mystik, den Occultisten, einem Sar Peladan, Maeterlink und anderen bl\u00f6dsinnigen Faselh\u00e4nsen gleicher Sorte, wird bei urrs kaum ein Verteidiger erstehen.\nDie Beispiele, die Nordau angeblich in wortgetreuester \u00dcbersetzung anf\u00fchrt, sind doch gar zu entsetzlich, dagegen ist die vielberufene Friederike Kampner doch ein harmloser S\u00e4ugling.\nNordaus Buch enth\u00e4lt reichen Stoff zum Nachdenken, wohl auch zum Widerspruch. Sicherlich wird man von seiner \u201eNaturgeschichte der \u00e4sthetischen Schule\u201c manches abzustreichen haben, wie dies ja auch bei Lombrosos \u201eVerbrecher\u201c unvermeidlich war, die Grundlage aber wird man gelten lassen und dem k\u00fchnen Schriftsteller Dank sagen m\u00fcssen, dafs er es gewagt hat, dem gef\u00e4hrlichsten Feinde, der Mode-thorheit, mit offenem Visier entgegenzutreten. Wer den ersten Band gelesen hat, wird dem zweiten mit Spannung entgegensehen. Pei.man,\nC. Lombroso. Les applications de l\u2019anthropologie criminelle. Paris, F. Alcan. 1892. 224 S. (Biblioth. d. philosophie contemp.)\nLombroso wendet sich hier gegen diejenigen seiner Gegner, die ihm vorwerfen, dafs er mit seinen Ansichten in den Wolken schwebe und keinen festen Boden unter den F\u00fcfsen habe. Es ist ihm um den Nachweis der praktischen Verwertbarkeit seiner Lehre zu thun, und er tr\u00e4gt mit dem an ihm. bekannten Riesenfleifse eine Menge von Material zusammen, das diesen praktischen Nutzen beweisen soll.\nZun\u00e4chst wendet er den von ihm aufgestellten Typus des geborenen Verbrechers auf die Revolution\u00e4re und Anarchisten an, und w\u00e4hrend die ersteren, die Revolution\u00e4re, ihn nur in 0,57% zeigen, weisen ihn letztere in 40% auf. Hierbei ist zu beachten, dafs die Revolution eine physio-","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nLitteraturbericht.\nlogische, die Revolte und Anarchie dagegen eine pathologische Erscheinung bilden; die Revolution\u00e4re sind die Vork\u00e4mpfer eines neuen und besseren Zeitalters und nichts weniger als Verbrecher, deren Natur bei den Anarchisten dagegen in vollstem Mafse zu Tage tritt.\nDafs Lombroso gegebenen Falles nach seinen Grunds\u00e4tzen handelt und einen Verbrecher lediglich auf seine \u00e4ufsere Erscheinung hin als den Schuldigen erkl\u00e4rt, ist \u00fcbrigens mehr ein Beweis f\u00fcr seine \u00dcberzeugungstreue, als f\u00fcr den praktischen Wert der Methode.\nDie folgenden Kapitel suchen den Nachweis zu f\u00fchren, dafs die bisherigen Strafmittel und Systeme, wie Deportation, Reformh\u00e4user u. dergl. mehr, dem geborenen Verbrecher gegen\u00fcber unwirksam sind, und zu gleichem Zwecke f\u00fchrt er die Ansichten einer ganzen Menge von Autoren ins Feld, wie die von Garofalo, Ferri, Tarde, Drill u. a. m.\nEine Best\u00e4tigung f\u00fcr die Richtigkeit seiner Ansichten findet er endlich in Litteratur und Kunst bei Daudet, Dostojewski, Zola und Ibsen, obwohl er mit Zola nicht \u00fcberall zufrieden ist.\nAuch die alten Maler wufsten genau, wie sie einen Verbrecher zu malen hatten, und die Bilder von Rafael, Rubens, Ribera u, a. zeigen in ihren B\u00f6sewichtern, D\u00e4monen und Sch\u00e4chern schon die bekannten Entartungszeichen des geborenen Verbrechers.\nEine Schilderung der verschiedenen anthropometrischen Methoden und Instrumente beschliefst das Buch, das, wie alle Werke Lombrosos, manches Interessante und Beachtenswerte bietet, im \u00fcbrigen aber den Eindruck macht, als ob es aus allerhand Ausschnitten und Ausz\u00fcgen zusammengestellt worden sei und des inneren Zusammenhanges entbehre.\nPelman.\nOelzelt-Newin. \u00dcber sittliche Dispositionen. Graz, Leuschner und Lubensky, 1892. 92 S. A 2.70.\nGegen\u00fcber der empiristischen Lehre, die die sittlichen Qualit\u00e4ten der Menschen von Erziehung und Erfahrung abh\u00e4ngen l\u00e4fst, bem\u00fcht sich der Verfasser, die angeborenen Bestimmtheiten des ethischen Status festzustellen. Doch handelt es sich f\u00fcr ihn nur um Dispositionen zu Affekten, da aus diesen sich erst das eigentlich Sittliche entwickele. Solche Affekte sind: Furcht, Zorn, Mitleid, Liebe, Scham und Stolz. Die Urspr\u00fcnglichkeit der Dispositionen zu denselben wird nachgewiesen auf Grund 1. der individuellen Verschiedenheiten, die nicht durch empirische Einfl\u00fcsse erkl\u00e4rbar sind; 2. der relativen Machtlosigkeit der Erziehung; 3. der k\u00f6rperlichen Korrelate dieser Affekte, die die Dis-poniertheit derselben entweder ausmachen oder beweisen. Als Material der Induktion werden besonders pathologische F\u00e4lle und Erfahrungen an Kindern herangezogen. Eine gewisse Ungewandtheit der Stilisierung einerseits, der Mangel einer Auseinandersetzung mit den erkenntnistheoretischen Standpunkten, die gerade die Fragen der Erblichkeit in so hohem Mafse tangieren, andererseits, machen das Buch weniger erfreulich als es wegen seiner vielen feinen und tiefen Bemerkungen und seiner h\u00f6chst anzuerkennenden, vorurteilslosen Grundtendenz zu sein verdiente,\nG. Simmel (Berlin).","page":144}],"identifier":"lit15142","issued":"1893","language":"de","pages":"143-144","startpages":"143","title":"C. Lombroso: Les applications de l'anthropologie criminelle. Paris, F. Alcan 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:33.262013+00:00"}