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{"created":"2022-01-31T17:00:33.675667+00:00","id":"lit15147","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Peretti","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 4: 150-152","fulltext":[{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nLitteraturbericht.\nklinischen Beobachtungen die Anschauung, dafs man den Sitz der elementaren Sinnesempfindung, sowie der vollkommenen Wahrnehmung und daher auch der Halluzinationen in den betreffenden Zentren der Grofs-hirnrinde zu suchen hat. \u2014 Grob anatomische Rindenherde schliefsen zwar Halluzinationen nicht aus, aber sie scheinen doch eher den Organismus der Wahrnehmung zu zerst\u00f6ren, als die molekularen Ver\u00e4nderungen zu beeinflussen, an die normale Sinneswahrnehmungen und Halluzinationen gebunden sind.\nGanz wie eine normale Sinnesempfindung geht die Halluzination, die durch \u00f6rtliche Reizung des Sinneszentrums entsteht, zahlreiche Assoziationen mit Erinnerungsbildern gleicher oder \u00e4hnlicher Wahrnehmung etc. ein und erg\u00e4nzt sich so aus dem Bewufstseinsinhalte ; andererseits tritt sie, wie auch eine Vorstellung das Endresultat einer Kette von Gedankeng\u00e4ngen ist, als Resultat innerlich bedingter Gedankeng\u00e4nge auf, indem sie die sinnliche Qualit\u00e4t als Halluzination durch die gesteigerte Erregbarkeit des Sinneszentrums erh\u00e4lt.\nNeben der gesteigerten Erregbarkeit des Sinneszentrums kann bei der Halluzination auch eine solche der peripheren Sinnesbahn vorhanden sein, und es scheint, dafs bei rein zentral bedingten Halluzinationen ein zentrifugales Mitschwingen in der peripheren Bahn bis zum Sinnesorgan stattfinden kann.\n2. Halluzinationen im Bewegungsgebiet. Eine normale Bewegung \u201ewird immer nur hervorgerufen durch einen sensiblen Faktor, der ein Bed\u00fcrfnis ausdr\u00fcckt, das Streben erzeugt, ein Lustgef\u00fchl herbeizuf\u00fchren, ein Unlustgef\u00fchl abzuhalten. Erreicht dies Gef\u00fchl eine gen\u00fcgende Intensit\u00e4t, so findet von den sensiblen Rindenzellen aus, als der Grundlage desselben, eine \u00dcberarbeitung statt zu den motorischen Ganglienzellen und von hier aus Ausl\u00f6sung der Bewegung, welche Ausl\u00f6sung als motorische Innervation, Willensimpuls empfunden wird.....\nEine gesteigerte Erregbarkeit und wirkliche Erregung des motorischen Rindenzentrums \u2014 dessen Funktion die Innervation ist \u2014 und krankhafte Reizung f\u00fchrt zu spontan ausgel\u00f6sten Bewegungsimpulsen, welche analog wie bei den sensoriellen Halluzinationen ihren Inhalt r\u00fcckw\u00e4rts aus bewufsten und unbewufsten Vorstellungen erhalten oder ihrer Art und Richtung nach erg\u00e4nzen. Diese sind also die Halluzinationen der psychomotorischen Centra.\u201c Als der Sitz der Innervationen, der Willensimpulse haben wir die Grofshirnrinde anzusehen.\nPeretti (Merzig).\nL\u00f6weneeld. \u00dcber zwei F\u00e4lle von amnestischer Aphasie nebst Bemerkungen \u00fcber die centralen Vorg\u00e4nge beim Lesen und Schreiben.\nDeutsche Zeitschrift f\u00fcr Nervenheilkunde. II, 1. S. 1\u201442. (Dezbr. 1891).\nBei Besprechung eines eigent\u00fcmlichen Falles amnestischer Aphasie hatte Grashey sich zu der Anschauung bekannt, dafs sowohl das Sprechen, als auch das Lesen und Schreiben nur buchstabierend vor sich gehe. Danach w\u00fcrde das gelesene Wort nicht als Gesamtbild perzipiert und von demselben nicht sogleich das ganze zugeh\u00f6rige Klangbild angeregt, sondern die Auffassung erfolgte Buchstabe f\u00fcr Buchstabe, und erst","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Littercdurbericht.\n151\nschliefslich w\u00fcrden die einzelnen Buchstabenklangbilder zum Wortklangbild zusammengefafst ; ebenso w\u00fcrden beim Sprechen und Schreiben die einzelnen gedachten W\u00f6rter nicht in toto, sondern buchstabenweise von dem einen Bindencentrum zu dem anderen \u00fcbertragen. Diese Grashey-sche Theorien wurden von vielen Autoren, so von Wernicke, Mala-chowskj, Caro, Leche, in Bezug auf das Lesen und Schreiben angenommen, das buchstabierende Sprechen dagegen wurde schon von Wernicke verworfen, lernt doch auch das Kind durch Aufnahme von Klangbildern sprechen und erh\u00e4lt die Kenntnis von der Zusammensetzung des Wortes aus Buchstaben erst beim Lesenlernen.\nL\u00f6wenfeld, der in der GRASHEYsehen Arbeit \u201ekeine Thatsachen entdecken konnte, aus welchen in stringenter Weise hervorgeht, dafs das Lesen und Schreiben ausnahmslos buchstabierend geschieht\u201c, kommt an der Hand zweier ausf\u00fchrlich beschriebener F\u00e4lle von amnestischer Aphasie zu dem Schl\u00fcsse, \u201edafs das Lesen keineswegs unter allen Umst\u00e4nden buchstabierend geschieht\u201c, dafs vielmehr \u201edas nichtbuchstabierende Lesen beim Ge\u00fcbten jedenfalls das bei weitem vorherrschende ist\u201c. Die beiden Kranken L\u00f6wenfelds versuchten, wenn sie infolge ihrer Lesest\u00f6rung ein Wort im ersten Leseanlaufe verst\u00fcmmelt herausbrachten, nicht die Schwierigkeit vermittelst Buchstabierens zu \u00fcberwinden, sondern fuhren mit ihren Versuchen, das Wort in einem Zuge auszusprechen, so lange fort, bis die richtige Wiedergabe gelang.\nZur Auffassung bekannter und vielgelesener W\u00f6rter ist bekannter-mafsen ein Buchstabieren nicht erforderlich ; wenn man eine fieihe gleich gedruckter und gleich beleuchteter Namen (Firmenschilder, Namen im Adrefsbuche) in solcher Entfernung vor dem Auge anbringt, dafs man die einzelnen Buchstaben nicht mehr, oder wenigstens nicht mehr deutlich unterscheiden kann, so ist man doch noch im st\u00e4nde, unter den Namen die bekannten, gel\u00e4ufigen abzulesen, weil die Umrisse des Wortes schon gen\u00fcgen, das zugeh\u00f6rige Wortlaut- und Bewegungsbild zu reproduzieren.\nEbenso wie das Lesen, geschieht auch das Schreiben bei den Ge\u00fcbten f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht buchstabierend; das Schreiben z\u00e4hlt zu den sekund\u00e4r-automatischen Akten (Hartley) , bei gen\u00fcgender \u00dcbung im Schreiben spielt sich diese Th\u00e4tigkeit, nachdem sie einmal durch einen Willensakt eingeleitet ist, rein automatisch fort, man kann ein Diktat mechanisch nachschreiben und dabei an Beliebiges denken. Bei Unge\u00fcbten dagegen beschr\u00e4nkt sich die automatische Th\u00e4tigkeit auf die Ausf\u00fchrung der einzelnen Buchstaben, die Zusammensetzung der Buchstaben zum Worte erheischt aber schon eine spezielle Willensth\u00e4tigkeit, der Unge\u00fcbte schreibt also buchstabierend, der Ge\u00fcbte thut dies auch, wenn er kalligraphisch oder ungewohnte W\u00f6rter schreibt.\nGegen ein allgemein anzunehmendes buchstabierendes Schreiben sprechen folgende Thatsachen :\n1. Die Koh\u00e4renz der Bewegungsbilder der einzelnen Schriftw\u00f6rter im Gehirn, die um so gr\u00f6fser ist, je \u00f6fter die zum Schreiben der einzelnen W\u00f6rter notwendigen Kombinationen von Handbewegungen sich abspielen und im Gehirn ihr Bild zur\u00fccklassen, und die, da das niederzuschreibende Wort vor dem Niederschreiben in der Kegel vollst\u00e4ndig","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitteraturbericht.\nals Bewegungs- oder Lautbild oder beides dem Geiste gegenw\u00e4rtig ist,, es unn\u00f6tig macht, dafs die Innervation der Schreibbewegungen von dem betreffenden Bewegungs- oder Lautbild aus Buchstabe f\u00fcr Buchstabe geschieht, vielmehr die Innervation der ganzen entsprechenden Kombination von Schreibwegungen von dem vollst\u00e4ndig vorhandenen Bewegungs- oder Klangbild des Wortes geschehen lassen kann resp. mufs :\n2.\tdie Thatsache der automatischen Orthographie, der wir beim Ge\u00fcbten selbst beim fl\u00fcchtigsten Spontanschreiben und beim mechanischen Schreiben nach Diktat begegnen :\n3.\tdie Fehler und Auslassungen beim fl\u00fcchtigen Schreiben, welche,, wenn alles Schreiben buchstabierend gesch\u00e4he, s\u00e4mtlich oder wesentlich Gedankenfehler sein m\u00fcfsten, w\u00e4hrend in Wirklichkeit oft genug, so in der Auslassung von W\u00f6rtern, Silben, in den falschen Silbenzusammenstellungen, in der Verschiebung oder Auslassung von Buchstaben etc.,, die Inkongruenz des Gedachten und Geschriebenen deutlich ist;\n4.\tdie Thatsachen des automatischen Schreibens bei Hypnotisierten,, die man dazu bringen kann, dafs sie, ohne es zu beabsichtigen oder zu bemerken, Fragen schriftlich beantworten, w\u00e4hrend man sich mit ihnen \u00fcber beliebige Dinge unterh\u00e4lt, und die automatisch Dinge, an die sie sich willk\u00fcrlich nicht erinnern k\u00f6nnen, niederschreiben.\nPeretti (Herzig).\nGuicciardi. \u00dfli Idioti. Rio. di Freniatr. Vol. XVII, F. 1 und 2 i,1B91)\nS.\t172-189.\nG. geht von Solliers Psychologie del'idiot et de l'imb\u00e9cile (Paris 1891)1 aus und stellt mit ihm, im Gegensatz zu anderen Betrachtungsweisen, die-Aufmerksamkeit als die wesentlichste Bedingung f\u00fcr die geistige Entwickelung in den Vordergrund seiner Er\u00f6rterungen. Danach unterscheidet er: absolute Idiotie, wo die Aufmerksamkeit unm\u00f6glich ist, also g\u00e4nzlich fehlt; einfache, wo sie schwierig und gering; Im-bezilit\u00e4t, wo sie unst\u00e4t und fl\u00fcchtig ist. Xahe liegt es, die physischen Zust\u00e4nde mit denen des Kindes, des Wilden zu vergleichen, auch ihr Verh\u00e4ltnis zu den Degenerativformen der Geisteskrankheit zu betrachten, Morel hat f\u00fcr die Degeneration nur die Erblichkeit als urs\u00e4chliches. Moment gelten lassen. Heuere haben die physikalisch-chemischen, biologischen und sozialen Einfl\u00fcsse und die D.uuvixsche Zuchtwahl herangezogen.\nAls antisoziales Wesen (Tonnisi) rangiert der Idiot einerseitsunter den mit psychischem Defekt belasteten Geisteskranken andererseits ist er ein zur\u00fcckgebliebener Urmensch (primitivo). Die Feuerlandsbewohner, Buschm\u00e4nner, Australier u. s. w. gleichen nicht blofs-dem Kinde, sondern auch dem Idioten; sogar die Affen sind (L\u00fcbbock) dem Menschen \u00e4hnlicher als z. B. die Lappen. Kindisch erregbar, unbek\u00fcmmert um den n\u00e4chsten Tag, mitleidslos, ohne h\u00f6here (religi\u00f6se) Idee, gleicht der sogenannte Wilde selbst in der Sprechweise, in Haltung, und Sch\u00e4delbildung dem Kinde und dem Idioten.\n1 Deutsche Ausgabe: \u201eDer Idiot und der Imbecille.'1 \u00dcbersetzt von1 Paul Brie. Hamburg 1891. L. Voss. (Vgl. diese Zeitschr. Bd. III. S. 240,)","page":152}],"identifier":"lit15147","issued":"1893","language":"de","pages":"150-152","startpages":"150","title":"L\u00f6wenfeld: \u00dcber zwei F\u00e4lle von amnestischer Aphasie nebst Bemerkungen \u00fcber die centralen Vorg\u00e4nge beim Lesen und Schreiben. Deutsche Zeitschrift f\u00fcr Nervenheilkunde, II, 1, S. 1\u201342, Dezbr. 1891","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:33.675672+00:00"}