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{"created":"2022-01-31T17:02:38.980751+00:00","id":"lit15151","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Liebmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 4: 155-156","fulltext":[{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n155\nf\u00fcr Tiere. Bei den Imbezillen ist die Geschlechtsliebe nie platonisch, stets lasciv. Sie bilden p\u00e4derastische M\u00e9nages. \u2014 Der hochgradige Idiot ist feig, der Imbezille f\u00fcrchtet in der Erregung nichts ; daher Wagest\u00fccke, sogar Selbstmordversuche, Angriffe auf Personen, w\u00e4hrend der hochgradige in der Wut nur Sachen besch\u00e4digt. \u2014 \u00c4sthetisches Gef\u00fchl. Der Kunstsinn der Idioten beschr\u00e4nkt sich mehr auf Nachahmung als auf erkl\u00e4rende Darstellung der Natur. In der Musik lieben sie die Orgel und die Streichinstrumente, in der Deklamation wie \u00fcberhaupt den Rhythmus, das Kolossale und das Groteske. \u2014 Der Lerntrieb ist bei ihnen sehr gering. Sie sind \u00e4ufserst leichtgl\u00e4ubig, fragen sehr viel, warten aber die Antwort nicht ab. Die Wahrheit gilt ihnen nur insofern, als sie ihr Interesse ber\u00fchrt, das sie meist zur L\u00fcge und T\u00e4uschung verleitet.\nMoralische Gef\u00fchle kennen sie nicht. Mitleid ist ihnen fremd. Die Begabteren \u00e4ffen die Bewegungen der Leidenden nach, zeigen sogar Vergn\u00fcgen, Schadenfreude an dem Ungl\u00fcck ihrer Genossen. Noch fremder ist ihnen (die weiblichen Idioten ausgenommen) die F\u00fcrsorge f\u00fcr andere und das Genossenschaftsgef\u00fchl. Dagegen ist die Liebe am Besitz sehr ausgebildet bei geringer Achtung fremden Eigentums (Neigung zum Stehlen).\nSoziale Gef\u00fchle f\u00fcr Hecht und Pflicht fehlen entweder ganz, sind gering oder werden in verkehrter Weise beth\u00e4tigt. Der Idiot gehorcht nur dem Zwang, ist empf\u00e4nglicher f\u00fcr Z\u00fcchtigung, Schmerz und Tadel als f\u00fcr Belohnung, Vergn\u00fcgen und Lob. Daher die Schwierigkeit, ihn in der Familie zu erziehen. Ebenso fehlt das religi\u00f6se Gef\u00fchl entweder ganz oder \u00e4ufsert sich, oft in excentrischer Weise, in den \u00c4ufserlich-keiten der Kultusgebr\u00e4uche. Die Frauen namentlich betreiben dieselben auf Anregung ihrer Eitelkeit.\nDie Willensth\u00e4ti gkeit , deren Beschr\u00e4nktheit nach S\u00e9guin den Grundzug der Idiotie ausmacht, \u00e4ufsert sich auf den untersten Stufen automatisch beim Ergreifen der Nahrung, bewufster in den Hemmungsbewegungen (Beherrschen der Sphinkteren) und in freiwilliger Aufmerksamkeit. Aber auch die Hemmung geschieht mehr impulsiv als aus vern\u00fcnftiger \u00dcberlegung, instinktm\u00e4fsig. Die Idioten der untersten Stufe sind willenlos, die besseren fehlen entweder in der Wahl der Mittel in folge zu starker Impulse oder wegen Zerstreutheit und Unentschlossenheit. Daher sind die Imbezillen mehr als die anderen suggestionsf\u00e4hig.\nVon einer Pers\u00f6nlichkeit ist bei den hochgradigen Idioten keine Bede ; bei denen milderen Grades ist das Selbstgef\u00fchl, das Ich, bisweilen enorm verkehrt bis zur Selbstverst\u00fcmmelung, bei den Imbezillen hypertrophisch bis zum Gr\u00f6fsenwahn.\tFraenkel (Dessau).\nG. H. Savage. The Influence of Surroundings on the Production of Insanity. Journ. of Ment. Science. Bd. 37. No. 159. S. 529\u2014535. (Oktbr. 1891).\nS. wendet sich mit diesem in der psychiatrischen Sektion der British medical association gehaltenen Vortrage gegen die weit ver-","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nLitter aturbericht.\nbreitete Ansicht, clafs fast die Gesamtheit der Geisteskrankheiten auf direkte neuropathisohe Belastung zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, und hebt im Gegensatz dazu die wichtige Rolle hervor, welche Umgebung und \u00e4ufsere Umst\u00e4nde in der \u00c4tiologie der Psychosen spielen. Er leugnet den Einflufs der Erblichkeit keineswegs; aber es bedarf des sch\u00e4digenden Einflusses \u00e4ufserer Umst\u00e4nde, um die angeborene psychische Anomalie zur Geisteskrankheit zu entwickeln. Andererseits kann eine verkehrte Erziehung und widrige Verh\u00e4ltnisse, auch bei heredit\u00e4r nicht belasteten Menschen, Geisteskrankheit hervorrufen.\tLiebmanx (Bonn).\nMoeli. L\u00fcge und Geistesst\u00f6rung. Ally. Zeitschr. f\u00fcr Psychiatrie. 48. Bd. 1892. S. 258.\nZu dem Kapitel der \u201epathologischen L\u00fcge\u201c1 bringt M., der schon in seinem Buche \u00fcber irre Verbrecher bei Besprechung der Simulation dem \u201eL\u00fcgen\u201c der Gewohnheitsverbrecher und Geisteskranken eine n\u00e4here Betrachtung widmete, einen neuen Beitrag in Gestalt eines Gutachtens \u00fcber einen von ihm beobachteten Fall. Die \u201eL\u00fcgen\u201c des betreffenden, mit nicht unbetr\u00e4chtlichen Kenntnissen ausgestatteten, mit lebhaftem Vorstellungsverm\u00f6gen und gutem Ged\u00e4chtnis begabten Mannes waren zum Teil Folge eines Mangels an klarer Auffassung und gen\u00fcgendem Urteile und eines gesteigerten Selbstgef\u00fchls, Folge einer Oberfl\u00e4chlichkeit des Denkens und einer Ungleichm\u00e4fsigkeit des Empfindens, wodurch je nach der augenblicklichen \u00e4ufseren Lage und Stimmung die Darlegungen, selbst \u00fcber unwichtige Dinge, sich als ganz verschiedene, in sich nicht vereinbare, aber doch ernst gemeinte Anschauungen darstellten. Zum Teil wurden aber auch Behauptungen gegen besseres Wissen vorgebracht und fr\u00fcher entstandene und bereits \u00fcberwundene krankhafte Vorstellungen wurden nachtr\u00e4glich zu \u00fcberzeugt ausgesprochenen L\u00fcgen, wie bekannter-mafsen umgekehrt infolge h\u00e4ufiger Wiederholung einer urspr\u00fcnglichen L\u00fcge das deutliche Bewufstsein f\u00fcr die Unrichtigkeit mehr und mehr schwinden kann.\tPeretti (Merzig).\nC. Lombroso. Nouvelles recherches de psychiatrie et d\u2019anthropologie criminelle. Paris, Felix Alcan, 1892. 177 S.\nDer r\u00fcstige Forscher hat hier wiederum zusammengestellt, was ihm an Untersuchungen anderer, durch die er sich best\u00e4tigt und ermutigt findet, w\u00e4hrend der letzten 18 Monate vorgekommen ist. Die Vorrede enth\u00e4lt einen siegesgewissen Ton: \u201eMan macht mir die kleine Zahl meiner Beobachtungen zum Vorwurf und weifs nicht, dafs sie sich auf mehr als 25000 beziffern.\u201c Dagegen ist er bereit nachzugeben in der Form. Der Titel soll andeuten, dafs er auf dem Begriff der kriminellen\n1 Vgl. Referat \u00fcber Delbr\u00fcck, Die pathologische L\u00fcge und die psychisch abnormen Schwindler im II. Bd. dieser Zeitschrift. Das M.sche Gutachten ist bereits vor Erscheinen, des D.schen Buches fertiggestellt. \u2014 Es mag darauf hingewiesen werden, dafs auch Ibsen in seinem \u201ePeer Gynt\u201c in treffender Weise einen erblich belasteten Menschen schildert, den seine Phantasie zum L\u00fcgner macht. (Ref.)","page":156}],"identifier":"lit15151","issued":"1893","language":"de","pages":"155-156","startpages":"155","title":"G. H. Savage: The Influence of Surroundings on the Production of Insanity. Journ. of Ment. Science, Bd. 37, No. 159, S. 529-535, Oktbr. 1891","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:38.980757+00:00"}