Open Access
{"created":"2022-01-31T14:44:44.761971+00:00","id":"lit15223","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 4: 431-432","fulltext":[{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n431\nin einen Zustand versetzt werden k\u00f6nnen, der die gleichen Krankheits-\u00e4ufserungen darbietet, wie jene Individuen, die durch andere, nicht traumatische, Ursachen nerv\u00f6s geworden sind.\nDie konzentrische Gesichtsfeldeinschr\u00e4nkung findet sich in beiden F\u00e4llen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig h\u00e4ufig, wobei indefs zu beachten ist, dafs geringe konzentrische Gesichtsfeldeinschr\u00e4nkungen von demselben symptomatischen Werte sind wie die hochgradigen, dafs sie im Laufe der Beobachtung wechseln k\u00f6nnen und daher eine einmalige Aufnahme des Gesichtsfeldes nicht immer gen\u00fcgt.\nDie Verfasser schiefsen mit den S\u00e4tzen : Die konzentrische Gesichtsfeldeinschr\u00e4nkung, die kutanen Sensibilit\u00e4tsst\u00f6rungen und die Steigerung und Ungleichheit der Sehnen- und Hautreflexe bilden eine Trias von grofsem diagnostischen Werte. Haben wir dieselbe nachgewiesen, dann unterliegt es keinem Zweifel, dafs das bis dahin gesunde Individuum durch ein Trauma in einen nerv\u00f6sen Zustand versetzt und hierdurch in seinem subjektiven Wohlbefinden und in der Widerstandskraft seines Nervensystems gesch\u00e4digt worden ist.\nVon der Intensit\u00e4t und Extensit\u00e4t der gefundenen Symptome wird es abh\u00e4ngen, ob der Kranke absolut oder relativ arbeitsunf\u00e4hig sei, oder ob er seiner seitherigen Besch\u00e4ftigung wieder obliegen k\u00f6nne.\nDie Verfasser haben mit ihrem Werke einen wertvollen Beitrag zur Entscheidung der vielumstrittenen Frage von der traumatischen Neurose geliefert, und ihre Arbeit wird ebenso wie die des italienischen Gelehrten dazu beitragen, der Untersuchung des Gesichtsfeldes eine gr\u00f6fsere Beachtung zuzuwenden, als dies im allgemeinen bisher zu geschehen pflegt.\tPelman.\nCh\u00e2telain. Das Irresein, Plaudereien \u00fcber die Geistesst\u00f6rungen.\n\u00dcbersetzt von O. Dornbl\u00fcth, Neuch\u00e2tel 1891.\nCh. sagt in seiner Vorrede unter anderem: Das Studium des Irreseins ist die unentbehrliche Erg\u00e4nzung des Studiums der Vernunft. Das letztere zu f\u00f6rdern und die vielen auf dem Gebiete der Geisteskrankheiten noch bestehenden schweren Vorurteile zu bannen. \u2014 sollen die Plaudereien dienen. Ch. schreibt daher haupts\u00e4chlich f\u00fcr die Laien. Wir bekommen zun\u00e4chst einen kurzgefafsten geschichtlichen \u00dcberblick, ausgehend von der biblischen Zeit und endigend bei Pinel und Esquirol. Dann folgt als Einleitung eine knappe Darstellung der Verrichtungen des Gehirns nach Wahrnehmung, Bewegung und Verstand. Das Gehirn ist der einzige ausschliefsliche Sitz des Verstandes, in specie die graue Rinden Substanz, und es kommt nicht auf die Schwere des Gehirns an, sondern auf Zahl und Tiefe der Rindenfurchen, welche eben die Gr\u00f6fse der Gesamtoberfl\u00e4che der grauen Hirnsubstanz bedingt. W\u00e4hrend das Gehirn von Gauss einen bemerkenswerten Reichtum an Windungen und Furchen aufweist, imponieren die untergeordneten Menschenrassen, z. B. die Papuas und Austral-Wilden, durch aufserordentliche Einfachheit. Des weiteren wird dann kurz erw\u00e4hnt, wie der \u00e4ufsere Eindruck zur inneren Wahrnehmung wird (durch H\u00fclfe der Aufmerksamkeit), \u2014 diese zur Vorstellung oder einfachen Idee, welche die Grundlage f\u00fcr jede geistige","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nI\u00c0tteraturbericht.\nTh\u00e4tigkeit abgiebt. Das Neugeborene bat noch keine Vorstellungen, weil bei ihm die Empfindungen noch nicht bewufst werden. Dies geschieht erst sp\u00e4ter mit H\u00fclfe des Ged\u00e4chtnisses. Die Vorstellung bleibt weiterhin nicht allein (Assoziation der Ideen). Der Verstand nimmt also die Empfindungen auf, die durch das Bewufstsein und die Aufmerksamkeit in Vorstellungen verwandelt werden, welche wieder der Verstand mit anderen Vorstellungen vergleicht (Ged\u00e4chtnis, Ideenverbindung); er sucht Beziehungen zwischen sich und der Aufsenwelt etc., er ordnet, sichtet, verkn\u00fcpft etc., \u2014 kurz, es kommt zum Raisonnement, Vernunftschlufs. E\u00fcr dessen Zustandekommen ist es aber notwendig, dafs die Bildung der Vorstellungen geordnet geschieht, d. h. weder zu langsam, noch \u00fcberst\u00fcrzt ist. \u2014 Vorstellungen und Empfindungen k\u00f6nnen ferner von Schmerz, oder Behagen begleitet sein, welche wiederum die Stimmung des Menschen ausmachen, die g\u00e4nzlich von den Vorstellungen abh\u00e4ngig ist. Zu den Gef\u00fchlen geh\u00f6rt nach Ch. auch der Sinn f\u00fcr Moral. Der Verstand giebt dem Willen das Leben, der sich zur Vorstellung verh\u00e4lt, wie die Bewegung zur Empfindung. Der Wille ist das bewegende Element des Geistes, er setzt in die That um, was jener uns lehrt. Jedoch kann er sich auch f\u00fcr das Nichtthun entscheiden (sittliche Freiheit). Ch. erw\u00e4hnt dann kurz Heisroths Ansicht, dafs Irresein, Seelenkrankheit und S\u00fcnde identisch sind, \u2014 Idelees Erkl\u00e4rung, dafs Irresein eine zum \u00dcbermafs gesteigerte Leidenschaft, und Leurets Ausspruch : Der Irre ist ein Mensch, der sich irrt. Alle drei sind Spiritualisten und leugnen, dafs das Irresein eine k\u00f6rperliche Erkrankung ist, dafs das Irresein auf einer organischen Erkrankung des Gehirns beruht. Ch. schliefst sich denen an, die behaupten, dafs das Irresein stets an eine materielle Ver\u00e4nderung des Gehirns gekn\u00fcpft ist, die man freilich nicht immer nachweisen kann, einmal, weil die anatomischen Untersuchungsmethoden noch zu mangelhaft sind, vor allem, weil die Chemie des Gehirns noch zu wenig ausgebildet ist. \u2014 Die zweite H\u00e4lfte des Buches handelt von den Ursachen und den allgemeinen Erscheinungen des Irreseins, den einzelnen Krankheitsformen, Diagnose etc. N\u00e4her auf diesen Teil des Buches einzugehen, liegt aufserhalb des Rahmens dieser Zeitschrift. Die Lekt\u00fcre der Plaudereien ist allen zu empfehlen, es bietet des Anregenden eine grofse F\u00fclle. \u201eVerbindet es doch \u2014 sagt Krafft-Ebing im Vorwort zur deutschen Ausgabe \u2014 mit dem eleganten, man m\u00f6chte sagen, feuilletonistischen Stil des franz\u00f6sischen Schriftstellers das tiefe Wissen deutscher Gelehrsamkeit in selten gl\u00fccklicher Weise!\u201c\tUmpfenbach (Bonn).","page":432}],"identifier":"lit15223","issued":"1893","language":"de","pages":"431-432","startpages":"431","title":"Chatelain: Das Irresein, Plaudereien \u00fcber die Geistesst\u00f6rungen. Neuchatel, 1891","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:44:44.761976+00:00"}