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{"created":"2022-01-31T12:42:13.962709+00:00","id":"lit15230","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stumpf, Carl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 33-43","fulltext":[{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate.\nVon\nC. Stumpf.\nVor einigen Jahren veranlafste ich Hrn. Anton Appunn in Hanau, nach dem Muster der zuerst von seinem Vater Georg Appunn gebauten Tonmesser und Obertonapparate zwei andere Zungeninstrumente herzustellen, die sich von jenen nur durch die Auswahl der T\u00f6ne unterscheiden, sich aber f\u00fcr die Demonstration akustischer Thatsachen so vielseitig brauchbar erwiesen haben, dafs ich manchem Fachgenossen einen Gefallen zu thun glaube, wenn ich darauf aufmerksam mache. Vielleicht regt auch die Mitteilung andere an, in gleicher Weise \u00fcber Hiilfs-mittel, die sie zu irgend welchen psychophysischen Demonstrationen besonders n\u00fctzlich gefunden, hier zu berichten, zumal wenn dieselben auch f\u00fcr Forschungszwecke nutzbar gemacht werden k\u00f6nnen.\nDas Wesentliche in der Konstruktion der AppuNNschen Zungenapparate besteht bekanntlich darin, dafs der durch das Gebl\u00e4se erzeugte Wind zun\u00e4chst in einen oberen mit einem Balg versehenen Windbeh\u00e4lter tritt und dafs in diesem durch eine Ventilvorrichtung der Druck gleiclim\u00e4fsig erhalten wird, solange \u00fcberhaupt Wind darin ist.1 Jede Zunge spricht an, sobald das zugeh\u00f6rige Z\u00e4pfchen an der Aufsenwand des Kastens herausgezogen wird.\nI. Die Zungen des \u201eDreiklangapparates\u201c haben folgende Schwingungszahlen :\n1 Nur in den letzten Momenten, wenn der Blasebalg selbst schon ganz leer und nur die obere Windlade noch gef\u00fcllt ist, ist der Druck schw\u00e4cher. Einzelne Erscheinungen, wie schwache Schwebungen, treten \u00fcbrigens gerade in diesem Stadium besser hervor.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VI.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nG. Stumpf.\na) 100, 120, 125, 150; b) 200, 240, 250, 300; c) 400, 480, 500, 600; d) 800, 960, 1000, 1200; e) 80, 160, 640, 720; f) 700, 900, 1100.\nHieran lassen sich zeigen und studieren :\n1. die Unterschiede im Wohlklang der Dur-und Molldreikl\u00e4nge und der einzelnen darin enthaltenen Intervalle in den gebr\u00e4uchlichsten Tonlagen.\nDie Abteilungen a) bis d) enthalten die Dur- und Molldreikl\u00e4nge nach nat\u00fcrlicher Stimmung in vier aufeinanderfolgenden Oktaven. Durch Kombination verschiedener Abteilungen kann man beide Dreikl\u00e4nge auch in beliebigen Umlagerungen und weiteren Lagen angeben, was ja ebenfalls Unterschiede des Wohlklangs bedingt. Auch sind s\u00e4mtliche konsonanten Intervalle, sowie das kleinste und (nach musikalischen Begriffen) am st\u00e4rksten dissonierende Intervall in den verschiedenen Regionen herzustellen.\nDa Zungen viele Obert\u00f6ne besitzen, l\u00e4fst sich der Einflufs der Obert\u00f6ne und ihrer Schwebungen in allen diesen F\u00e4llen beobachten, besonders in den zwei tiefsten Oktaven a) und b). In den zwei h\u00f6heren c) und d) ist mehr der Einflufs der Differenzt\u00f6ne mafsgebend. Da die \u00dcbung in der Beobachtung von Schwebungen sowie in der gesonderten Wahrnehmung der Obert\u00f6ne und Differenzt\u00f6ne durch die Einrichtung des Apparates unterst\u00fctzt wird (s. unten), so kann man verh\u00e4ltnism\u00e4fsig leicht zu einem Urteil kommen, welche Modifikationen des Gesamtklanges von diesen Einfl\u00fcssen herr\u00fchren; noch besser nat\u00fcrlich, wenn man die n\u00e4mlichen Tonverbindungen aufserdem auch mit ober-tonarmen Kl\u00e4ngen erzeugt. \u00dcberhaupt wird man sich h\u00fcten m\u00fcssen, das an , so ausnahmsweise obertonreichen Kl\u00e4ngen Gefundene zu verallgemeinern, sowie die Unterschiede in der Rauhigkeit mit den \u00e4sthetischen Unterschieden zu verwechseln, die durch den Bau der Accorde und die Leiterstellung der T\u00f6ne bedingt sind. Aber man erkennt und zeigt wenigstens, welchen Einflufs die Beit\u00f6ne und ihre Schwebungen wirklich haben k\u00f6nnen.\nDer Ton 100 ist = Gis f\u00fcr C = 64. Nach der in der Musik jetzt eingef\u00fchrten Stimmung f\u00e4llt er ungef\u00e4hr mit G zusammen (nur ganz wenig h\u00f6her). Die T\u00f6ne der Abteilungen a) bis d) umfassen daher die G-Dreikl\u00e4nge von der grofsen bis zur zweigestrichenen Oktave (endigend mit r\u00df h2 ds), also das Gebiet,","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate.\n35\nwelches zu Mehrkl\u00e4ngen fast ausschliefslich verwendet und \u00fcberhaupt am meisten in der Musik gebraucht wird. Dafs nicht G selbst, sondern der nahe Ton 100 als Ausgangspunkt gew\u00e4hlt wurde, geschah aus R\u00fccksicht auf die arithmetische \u00dcbersichtlichkeit; f\u00fcr die zu beobachtenden Erscheinungen macht es ja keinen Unterschied, wenn die T\u00f6ne sich um eine Kleinigkeit von der musikalisch eingef\u00fchrten absoluten H\u00f6he entfernen.\n2. Schwebungen. Man kann die eigent\u00fcmlichen Unterschiede der Erscheinung beobachten, erstens bei Schwebungen von verschiedener Anzahl in der Sekunde in ungef\u00e4hr gleicher Tonregion (so lassen sich durch Kombination je zweier Zungen zwischen 100 und 200 Schwebungen von 5, 10, 20, 25, 40, 60, 100 in der Sekunde erzielen), zweitens bei Schwebungen von gleicher Anzahl in verschiedener Tonh\u00f6he (vgl. z. B. 120\u2014100 gegen\u00fcber 500\u2014480 oder 240\u2014200 gegen\u00fcber 1000\u2014960: die h\u00f6heren sind angreifender, schriller. Analog sind auch die Differenzen 50, 60, 80, 100, 120 u. s. f. alle mindestens dreimal in der Reihe vertreten). Allerdings hat man hier \u00fcberall nicht blofs die Schwebungen der Grundt\u00f6ne, sondern auch die ihrer Obert\u00f6ne vor sich, weshalb zur genaueren Erkenntnis der Wirkungen von Schwebungen in bestimmter Geschwindigkeit und Tonregion einfache T\u00f6ne benutzt werden m\u00fcssen. Doch \u00fcberwiegt nat\u00fcrlich die Wirkung der Grundt\u00f6ne, und treten die Unterschiede f\u00fcr Demonstrationszwecke gen\u00fcgend hervor.\nAuch kann man ein und dasselbe Intervall, etwa die kleine Sekunde zwischen der grofsen und kleinen Terz (es\u2014e), oder die kleine oder grofse Terz selbst durch alle vier Oktaven verfolgen und den Unterschied in den Schwebungen zeigen, die mit jeder Oktave ums Doppelte schneller werden.\nDafs noch \u00fcber 200 Schwebungen in der Sekunde als Rauhigkeit ganz wohl bemerkt werden k\u00f6nnen, l\u00e4fst sich bei 720\u2014480, 960\u2014720, 1200\u2014960 beobachten, sobald man nur zur Vergleichung einen der beiden T\u00f6ne allein und dann wieder den Zusammenklang sich vorf\u00fchrt: dieser ist unzweifelhaft rauher. (Bei 480\u2014240 wegen der tiefen Lage und der starken Obertonschwebungen jedes einzelnen Klanges nicht deutlich.) Selbst bei 960\u2014600 = 360 Schwebungen ist der Unterschied noch merklich. Doch k\u00f6nnen es hier auch die 240 Schwebungen\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf.\n36\ndes tieferen Prim\u00e4rtons mit dem ersten Differenzton sein, welche den Unterschied machen. F\u00fcr genaueste Bestimmungen \u00fcber die maximale Zahl h\u00f6rbarer Schwebungen sind Zungen wieder nicht zweckm\u00e4fsig. Dazu mufs man Stimmgabeln aus den h\u00f6heren Tonlagen vor das Ohr halten; man wird dann in der vier- und f\u00fcnfgestrichenen Oktave etwa bis 400 kommen, ehe jede Spur der Rauhigkeit verschwindet.\nSehr langsame Schwebungen (unter 5 in der Sekunde) k\u00f6nnen an dem zweiten Apparate erzielt werden.\n3. Differenzt\u00f6ne lassen sich besonders bei den Abteilungen c) und d) beobachten. Sie sind hier nicht blofs an sich gut h\u00f6rbar, sondern k\u00f6nnen dadurch noch leichter wahrnehmbar gemacht werden, dafs man sie durch entsprechende tiefe Zungen abwechselnd auch gesondert erklingen l\u00e4fst. Denn es sind fast alle, die \u00fcberhaupt vernommen werden (die Differenzt\u00f6ne erster Ordnung ausnahmslos), in den \u00fcbrigen Abteilungen durch eigene Zungen vertreten. Besonders stark erklingt ein Differenzton nat\u00fcrlich, wenn er durch zwei Tonpaare gleichzeitig gegeben wird, wie bei dem Durdreiklang 640 : 800 : 960 (\u2014 4:5:6) der Ton 160.\nAufser dem Differenzton erster Ordnung wird man aber auch immer den vorz\u00fcglich vernehmen, der durch die Differenz desselben mit dem tieferen Prim\u00e4rton gegeben ist und mit dem n\u00e4chsttieferen Accordton zusammenf\u00e4llt, z. B. bei 4:5 aufser 5\u20144=1 auch 4\u20141=3; diesen sogar besonders stark.\nAuch f\u00fcr die in e) und f) vertretenen dissonanten Kombinationen wird man die Differenzt\u00f6ne in den tieferen Zungen eigens vertreten finden; z. B. f\u00fcr 700 :900 die Differenzt\u00f6ne 200 und 500. Auch der Unge\u00fcbteste wird sie dann nicht zu schwer im Zusammenklang entdecken, es sei denn, dafs er zur Klanganalyse auch in Bezug auf gleich starke T\u00f6ne ganz und gar unf\u00e4hig ist. \u00dcbrigens wird man den Differenzton zweiter Ordnung 500 in obigem Beispiel wieder st\u00e4rker finden als 200.\nLeicht ist zu best\u00e4tigen, dafs Differenzt\u00f6ne dissonanter Intervalle im allgemeinen nicht schw\u00e4cher sind als die konsonanter. Ob dagegen nicht solche von verstimmten Konsonanzen schw\u00e4cher sind als von reinen (vergl. meine Tonpsychologie II, S. 245 f.), kann man an dem zweiten Apparat, besser noch an den unten zu erw\u00e4hnenden Pfeifen untersuchen.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate.\n37\nAm gegenw\u00e4rtigen Apparat mag man ferner pr\u00fcfen, ob anch Differenzt\u00f6ne vernehmbar sind, die zwischen den Prim\u00e4rt\u00f6nen liegen, wie solche bei allen Intervallen \u00fcber eine Oktave der Rechnung nach resultieren; z. B. ob bei 400:1000 der Ton 600 erscheint. Hier verwechsle man aber nicht den Oberton 1200, der schon in 400 allein enthalten ist, mit seiner tieferen Oktave 600.\nAuch den sog. Summationston (erster Ordnung) kann man kontrollieren, wenn man ihn durch zwei Zungen zwischen 200 und 600 erzeugt (z. B. durch 400 : 500, oder 240 : 400), indem die entsprechenden Summen wieder direkt durch besondere Zungen vertreten sind. Doch ist dieser Ton sehr schwach, und man wird durch danebenliegende Obert\u00f6ne leicht irre gemacht. Das Gleiche gilt von denjenigen Differenzt\u00f6nen, die durch Mitwirkung von Obert\u00f6nen gebildet werden (wohin man ja ohnehin, zum mindesten vom arithmetischen Gesichtspunkt, auch den Summationston rechnen kann), z. B. dem Ton 1100 bei Verbindung von 800 und 500 (da 800.2 \u2014 500= 1100).\nVorz\u00fcglich von Interesse und Bedeutung sind die Differenz-t\u00f6ne des Mollaccords, weil auf ihnen sicherlich der Unterschied in der Annehmlichkeit gegen\u00fcber dem Duraccord zum grofsen Teil beruht. Dafs die Differenzt\u00f6ne hier nicht durchweg, wie beim Dur, mit tieferen Dreiklangst\u00f6nen zusammenfallen, ist der Hauptgrund f\u00fcr die Beif\u00fcgung der Abteilung e). Der Mollaccord 800:960:1200 (=10:12:15) liefert zun\u00e4chst die Differenzt\u00f6ne 160, 240, 400 (=2, 3, 5); sodann, wenn wir die Differenzen dieser T\u00f6ne mit den tieferen Prim\u00e4rt\u00f6nen bilden, 640, 720, 400 (=8, 9, 5). Daher die Zungen 160, 640, 720.\nDie Differenzt\u00f6ne des obigen Mollklanges in Verbindung mit den Obert\u00f6nen haben etwas Verwirrendes, und man wird einige Zeit gebrauchen, sich darin zurechtzufinden, dann aber auch die schrecklichsten Tonzusammenst\u00f6fse entdecken. Namentlich der Ton 640 (zweiter Ordnung, Verh\u00e4ltniszahl 8, durch 10 \u2014 [12 \u2014 10]) ist stark und st\u00f6rt, weil er mit 1200 eine grofse Septime bildet. Man glaubt seltsamerweise, wenn man l\u00e4nger hinh\u00f6rt, den Prim\u00e4rton 1200 verstimmt zu h\u00f6ren. Ebenso macht auch die kleine Terz 960 einen verstimmten Eindruck, wahrscheinlich, weil auch 1040 (Verh\u00e4ltniszahl 13 = 15 \u2014 [12 \u2014 10]) geh\u00f6rt und nicht deutlich von 960 unterschieden wird.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nC. Stumpf.\nDa es eine theoretisch nicht unwichtige Frage ist, ob auch zwei Differenzt\u00f6ne untereinander weitere Differenzt\u00f6ne liefern, wodurch in jedem Fall die ganze Zahlenreihe nach unten (bei Reduktion auf die einfachsten Verh\u00e4ltniszahlen) sich erg\u00e4nzt, so ist unter die Zusatzzungen auch der Ton 80 aufgenommen, der der Verh\u00e4ltniszahl 1 f\u00fcr obigen Mollklang entspricht. Um nicht den zweifellos geh\u00f6rten ersten Differenzton 160 mit seiner tieferen Oktave 80 zu verwechseln, wird man gut thun, beide sich immer dazwischen an den entsprechenden Zungen gesondert zu vergegenw\u00e4rtigen. Auch ist es n\u00fctzlich, sich durch die Verbindung von 400 imd 480, die den Differenzton 80 wirklich giebt, sich das eigent\u00fcmliche Brummen desselben klar zu machen, gegen\u00fcber 160 (durch 800 und 960), welcher glatt oder wenigstens viel glatter ist. Dann wird man auch bei der Beobachtung am Dreiklang der Verwechselung nicht so leicht ausgesetzt sein, kann \u00fcberdies auch w\u00e4hrend des Erklingens sich den Ton 80 als Differenzton durch vor\u00fcbergehendes Beif\u00fcgen von 400 mit 480 ins Bewufstsein rufen, um dann zu vergleichen.1\n4.\tTeilt\u00f6ne. Der Apparat giebt s\u00e4mtliche Teilt\u00f6ne f\u00fcr den Orundton 100 bis zum zw\u00f6lften. Man kann daher, w\u00e4hrend 100 konstant schwingt, die Wahrnehmung derselben durch kurzdauerndes Herausziehen der entsprechenden Z\u00e4pfchen unterst\u00fctzen. Aufserdem sind auch die Teilt\u00f6ne des Tons 80 bis zum zehnten fast vollz\u00e4hlig (aufser dem vierten und siebenten) vertreten.\n5.\tIntervalle und Distanzen. Man kann alle Intervalle hersteilen, deren Verh\u00e4ltniszahlen unter 12 liegen, aufserdem 15:16, 24:25 (die beiden Halbtonstufen), 32:45 (Tritonus),\n1 In manchen Beziehungen, wenn auch nicht durchweg, sind zur Wahrnehmbarmachung von Kombinationst\u00f6nen noch zweckm\u00e4fsiger Labialpfeifen mit stetig ver\u00e4nderlicher Stimmung (verschiebbarem Deckel). Ich benutze 4 solcher Pfeifen mit folgendem Tomunfang: 370\u2014700, 670\u2014870, 760\u20141360, 1024\u20142048. Da durch Ver\u00e4nderung Empfindungen \u00fcb\u00e8rhaupt merklicher werden und die Differenzt\u00f6ne sich \u00fcberdies mit Notwendigkeit immer st\u00e4rker ver\u00e4ndern als die Prim\u00e4rt\u00f6ne, so sind die Bedingungen besonders g\u00fcnstig. Zugleich ist man durch Obert\u00f6ne viel weniger gest\u00f6rt. Auch die in meiner Tonpsycliol. II, S. 252 erw\u00e4hnten Fragen und Erscheinungen k\u00f6nnen hiermit nachgepr\u00fcft werden.\nDafs schliefslich, auch wenn es sich um Kombinationst\u00f6ne handelt, bei wissenschaftlichen Untersuchungen Gabeln- oder Flaschent\u00f6ne mit verglichen tverden m\u00fcssen, bedarf wohl nicht der Erinnerung.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate.\n39\n16:25 (\u00fcberm\u00e4fsige Quinte). Zur Vergleichung damit auch nichtmusikalische Kombinationen, wie 32:35, 35:36 u. s. f. Doch liegen die verschiedenen Intervalle oft in sehr ungleichen Regionen, und ist dieser Apparat f\u00fcr Intervalldemonstrationen nur nebenher zu brauchen.\nDa sowohl gleiche Verh\u00e4ltnisse als gleiche Differenzen in sehr, verschiedenen Tonregionen vertreten sind, so k\u00f6nnte man wohl daran zeigen, dafs die-H\u00f6hendistanz f\u00fcr unsere Empfindung weder mit dem Verh\u00e4ltnis noch mit dem Unterschied der Schwingungszahlen zusammenf\u00e4llt, wenn nicht die Obert\u00f6ne und das Intervallbewufstsein hier geradezu als Fehlerquelle wirkten. Doch kann eben die Art und Richtung dieser Einfl\u00fcsse durch Vergleichung mit einfachen T\u00f6nen erl\u00e4utert werden.\nII. Der Intervallapparat (27 Zungen) enth\u00e4lt als Hauptbestandteil die diatonischen Dur- und Mollintervalle innerhalb der (musikalisch am meisten gebrauchten) Oktave 400\u2014800, und zwar die beiden Terzen in je dreifacher Abstimmung: nat\u00fcrlicher, pythagoreischer und temperierter,\" die Quinte in nat\u00fcrlicher und temperierter, die kleine Septime dreifach: als sog. nat\u00fcrliche (7 :4, Ton \u201e7\u201c), als Quarte der Quarte (16: 9) und als kleine Terz der Quinte (9:5). Quarte und Sexten, sind nur in nat\u00fcrlicher Stimmung aufgenommen, weil man sie als Umkehrung der Quinte bezw. der Terzen ebenfalls in der verschiedenen Stimmung erzeugen kann. Dagegen ist noch die kleine Sekunde, und zwar in doppelter Stimmung (eis = 25/ai und des \u2014 16/ib), aufgenommen, und die \u00fcberm\u00e4fsige Quarte, diese als grofse Terz der grofsen - Sekunde gedacht (45 : 32), nicht, wie sie meist als Glied der chromatischen Leiter verzeichnet wird, \u2014 25/24.4/\u00e4, weil sie in ersterer Stimmung den \u00dcbergang zur Dominante bildet und darum dem Geh\u00f6r am n\u00e4chsten liegt.\t\u2022\nDiese Auswahl, die ja an sich? nur einen Teil des musikalischen Intervallenvorrates innerhalb der Oktave darstellt, hat den Zweck, durch eine m\u00f6glichst geringe Anzahl von Stufen, die eine leichte \u00dcbersicht und Vereinigung in einem handlichen Apparat gestatten, doch alles Wesentliche der Intervallenlehre zur Anschauung zu bringen: die sehr merkliche Verschiedenheit der Wirkung nat\u00fcrlicher gegen\u00fcber pythagoreischen und temperierten Konsonanzen, die nicht minder merkliche von enharmo-nisch verschiedenen Intervallen {des\u2014a gegen\u00fcber eis\u2014a ist ein","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nG. Stumpf.\nv\u00f6lliger Mifsklarig), auch den Unterschied der verschiedenen kleinen Septimen (die sog. nat\u00fcrliche Septime mit dem Durdreiklang verbunden = 4 : 5 : 6 : 7 wirkt physisch ohne Frage angenehmer, als die musikalische), und den Unterschied im Wohlklang der kleinen und grofsen Sexte bei so obertonreichen Kl\u00e4ngen (die kleine n\u00e4hert sich hier, wenn die T\u00f6ne zusammen angegeben werden, in der That, wie Helmholtz lehrt, den \u00dcbelkl\u00e4ngen1). Dafs der Molldreiklang auf der zweiten Stufe unrein ist (weil die grofse Sexte mit der grofsen Sekunde keine reine Quinte bildet \u2014 eines der Motive zur Temperatur \u2014) wird selbst einem wenig musikalischen Ohr sofort deutlich: dieser Dreiklang ist untemperiert ein entschiedener Mifsklang.\nFeinere Ohren k\u00f6nnen sich an der Pr\u00fcfung der Frage versuchen, ob melodisch (bei blofser Aufeinanderfolge) andere Terzen intoniert werden m\u00fcssen als harmonisch (bei gleichzeitigem Erklingen), wie dies immer wieder zu Gunsten der pythagoreischen Stimmung von einzelnen behauptet wird, u. s. f. Allerdings kann man nicht wie auf dem \u201eEnharmonium\u201c (nat\u00fcrlichem mathematischem Harmonium) Chor\u00e4le spielen; aber die Realit\u00e4t der von Aufsenstehenden so oft bezweifelten oder f\u00fcr allzu fein gehaltenen Unterschiede l\u00e4fst sich mit diesem einfacheren Instrument leicht sinnenf\u00e4llig erweisen.\nAuch dieser Apparat enth\u00e4lt einige Zusatzzungen, n\u00e4mlich 800,5, 801, 802, 803, 805, 810. Sie*sollen die ungleiche Empfindlichkeit unseres Geh\u00f6rs gegen\u00fcber den verschiedenen Konsonanzen zeigen. Bei der Oktave oder Quinte kann es schon merklich werden, wenn man den oberen Ton statt mit 800 mit 800,5 oder 801 angiebt ; bei der Terz wird eine gr\u00f6fsere Verstimmung n\u00f6tig sein. Zur Untersuchung dieser Verh\u00e4ltnisse w\u00fcrden diese wenigen und festen T\u00f6ne nat\u00fcrlich nicht hinreichen und Zungen \u00fcberhaupt unzweckm\u00e4fsig sein ; zur ersten Demonstration m\u00f6gen sie gen\u00fcgen. Auch zu Erl\u00e4uterungen und zu Vorstudien \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit gegen\u00fcber Einzelt\u00f6nen : denn diese Region gestattet ungef\u00e4hr die feinste Unterscheidung, und der Unterschied einer halben Schwingung liegt nahe der \u00e4ufsersten bis jetzt erreichten Grenze.\n1 woraus man aber wieder nicht schliefsen darf, dafs ihr diese Eigenschaft allgemein zukomme; am Klavier ist schon durch die Temperatur auch dieser Unterschied verwischt.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate.\n41\nDa 80:81 das Verh\u00e4ltnis eines (diatonischen) Kommas darstellt, so kann durch die Zungen 800 und 810 dieser wichtige Begriff illustriert werden. Dazu k\u00f6nnen aber auch schon die nat\u00fcrliche und die pythagoreische grolse Terz dienen, die ja um diesen Betrag voneinander abstehen. Eben darum l\u00e4fst sich der Zusatzton 810 auch zur Erzeugung weiterer pythagoreischer Intervalle neben den nat\u00fcrlichen benutzen (die kleine Sexte 640 mit 800, dann mit 810 verbunden u. s. f.).\nSollten die Zusatzzungen nicht blots zur Demonstration, sondern zu Untersuchungen \u00fcber Reinheitsurteile verwendet werden, so m\u00fcfsten mindestens ebensoviele von gleicher Differenz nach unten von 800 beigef\u00fcgt werden.\nUrspr\u00fcnglich hatte ich bei den Zusatzzungen nur die Unterschieds-empfindlichkeit f\u00fcr Einzelt\u00f6ne im Auge und liefs sie daher so stimmen, dafs sie zwischen 800 und 801 nur um ein oder zwei Zehntel einer Schwingung abgestuft waren (800 ; 800,,; 800,s; 800,4; 800,6; 800,801) Vielleicht ist die Anf\u00fchrung einiger damit gemachten Erfahrungen anderen n\u00fctzlich, die auch an solche Verfeinerung denken. Es zeigte sich, dafs zwar die St\u00e4rke der Kl\u00e4nge sehr gleichm\u00e4fsig, aber schon die Klangfarbe \u2014 f\u00fcr diesen Zweck wenigstens \u2014 nicht gleichm\u00e4fsig genug war. Manche Zungen sind, wenn man recht genau hinh\u00f6rt, etwas milder als die \u00fcbrigen. Leicht wird nun einer einen eben merklichen H\u00f6henunterschied angeben, w\u00e4hrend das, was er bemerkt, vielmehr ein Unterschied der Farbe ist; und soll er sagen, welcher Ton h\u00f6her ist, so wird er leicht den sch\u00e4rferen f\u00fcr h\u00f6her halten. Erkennt er aber den Farbenunterschied als solchen, so kann ihn dieser durch Ablenkung der Aufmerksamkeit in der H\u00f6henvergleichung st\u00f6ren. Nun kann man zwar die Farbe beeinflussen durch die Art, wie man das Z\u00e4pfchen behandelt : wenn man es n\u00e4mlich nach dem Herausziehen (es mufs stets vollst\u00e4ndig herausgezogen sein) nicht losl\u00e4fst, sondern nach oben dr\u00fcckt, wird der Klang sch\u00e4rfer, wenn nach unten, milder. Aber hierbei wird auch die H\u00f6he ge\u00e4ndert, der Ton geht im ersten Fall hinauf, im zweiten hinunter( und nicht blofs scheinbar, wie die Schwebungen mit einer anderen Zunge lehren. Eine weitere Frage war, inwieweit sich- die Stimmung h\u00e4lt. Die vorz\u00fcgliche Genauigkeit Ai'Pi'NNScher Instrumente ist bekannt. Aber wo es sich um Zehntel einer Schwingung handelt, und zwar bei T\u00f6nen, die 800 Schwingungen in der Sekunde machen, sind Verschiebungen doch unvermeidlich und zeigten sich denn auch bei wiederholten innerhalb eines Vierteljahres und sp\u00e4ter vorgenommenen Durchpr\u00fcfungen. Es ist daher im allgemeinen zweckm\u00e4fsiger, f\u00fcr Schwellenuntersuchungen Stimmgabeln anzuwenden (deren Stimmung man auch mit Leichtigkeit regulieren und stetig, d. h. um beliebig kleine Betr\u00e4ge, ver\u00e4ndern kann), wie dies bereits E. Luft und Schischmaxow gethan haben. Freilich bleibt dann wieder die Regulierung der Tonst\u00e4rke, wenn man die Gabeln durch","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nG. Stumpf.\nStreichen oder Schlagen in Schwingung setzt, blofs manueller Geschicklichkeit und \u00dcbung anheimgegeben.\nNoch m\u00f6chte ich einer Erscheinung an jenen so wenig verschiedenen Zungen Erw\u00e4hnung thun, die nach anderer Richtung Interesse bieten k\u00f6nnte. Die Zunge 800 gab niemals mit 800,!, auch nicht mit 800,\u201e und 800,4 irgendwelche Schwebungen. Ferner schwebte 801 mit keiner der vier n\u00e4chsttieferen Zungen. Dafs die Zungen nicht wirklich gleiche H\u00f6he hatten, liefs sich an der Verschiedenheit der Schwebungen mit etwas entfernteren Zungen, vielfach auch durch das Ohr bei successivem Erklingen, erkennen. Es fand also eine Accommodation (erzwungene Schwingung) statt. Die Erscheinung ist nat\u00fcrlich eine objektive, physikalische. Aber sie dient mit anderen bereits fr\u00fcher angef\u00fchrten dazu, die von mir angenommene physiologische Accommodation der specifischen Energien innerhalb enger Grenzen des Reizes (Tonpsych. II, 111 f, 484 f, 561) durch objektive Analogien zu erl\u00e4utern.\nAuffallend ist aber auch die gleichzeitige Schw\u00e4chung der Grundt\u00f6ne; die Klangfarbe wird viel d\u00fcnner. Da ich mich erinnerte, fr\u00fcher bei einem Tondifferenzapparat in Jena, der Zehntelschwingungen angiebt, beoachtet zu haben, dafs die Grundt\u00f6ne der Zungen 500 und 500,, sich gegenseitig v\u00f6llig vernichteten, bat ich Herrn Professor Biedermann dortselbst, die Erscheinung zu kontrollieren. \u201eIhre Beobachtung\u201c, schreibt er, \u201eist vollkommen zutreffend gewesen. Ich habe den Versuch nachgemacht, und es zeigt sich in der That, dafs beim Anblasen von 500 und 500,, der Grundton vernichtet wird und der erste Oberton rein hervortritt. Je gr\u00f6fser das Intervall wird (500,2; 500,3 u. s. w.), desto deutlicher macht sich daneben wieder der Grundton geltend. Dieselbe Erscheinung tritt \u00fcbrigens auch bei h\u00f6heren Schwingungszahlen (1000\u20141000,j) auf. Schwebungen konnte ich erst bei gr\u00f6fseren Intervallen (500\u2014500,7) h\u00f6ren.\u201c\nDie Konstanz der Stimmung habe ich auch bei den gegenw\u00e4rtigen, weniger fein abgestuften Zusatzzungen nach vier Monaten gepr\u00fcft, und zwar bei 17 UR., w\u00e4hrend sie bei 13\u201415 \u00b0R. eingestimmt worden waren. 800, 800,5 waren noch genau, 802 um ein Zehntel, die folgenden um drei bis sechs Zehntel einer Schwingung verstimmt, aber die richtige Reihenfolge auch da nicht verschoben. Durch vorsichtiges Abschaben kann man die gew\u00fcnschte Stimmung wiederhersteilen; Abschaben am \u00e4ufseren Ende erh\u00f6ht, am inneren Ende vertieft. Die Pr\u00fcfung erfolgt am besten, indem man 800 mit einer Gabel von ebensoviel Schwingungen, dann 805 mit 800, hierauf die \u00fcbrigen mit 805 vergleicht, endlich durch beliebige andere Kombinationen der Zungen das Ergebnis kontroliert.\nSchliefslich m\u00f6chte ich, wenn die obigen Instrumente etwa in neuzugr\u00fcndende Sammlungen aufgenommen werden, empfehlen, auch f\u00fcr die zu einer jeden Sammlung erforderlichen Stimmgabeln auf Resonanzk\u00e4sten den Ton 100 mit seinen Multiplis zu Grunde zu legen. Herr App\u00fcnn hat mir eine Serie solcher Gabeln geliefert, die den Dur- und Moll-Accord f\u00fcr alle Oktaven vom Grundton 100 bis zum Grundton 3200 (also bis zur Dominante 4800) angeben, einzelne mit Laufgewichten zu beliebiger Verstimmung, die Intensit\u00e4t und Dauer des Klanges bei benachbarten Gabeln mit besonderer Sorgfalt m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsig","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkunyen \u00fcber zwei akustische Apparate.\n43\ngehalten. Der Klang weist bei nicht zu starkem Streichen keine Spur von Obert\u00f6nen auf, auf welche Weise man ihn auch untersuche. So ist die Vergleichung aller Erscheinungen bei einfachen T\u00f6nen von gleicher H\u00f6he erm\u00f6glicht und zugleich die Kontrole der Stimmung f\u00fcr die Zungen erleichtert. Ferner ist eine m\u00f6glichst umfangreiche Sammlung freischwingender Gabeln aus dem ganzen Tongebiet f\u00fcr subjektive Beobachtungen, zumal mit Verteilung der Gabeln an beide Ohren, n\u00fctzlich. Im \u00fcbrigen l\u00e4fst sich aber auch mit Flaschent\u00f6nen, die ohne M\u00fche und Kosten in jeder beliebigen H\u00f6he erzeugt werden k\u00f6nnen, das Verhalten der Empfindung bei einfachen T\u00f6nen in vielen Beziehungen gut demonstrieren.","page":43}],"identifier":"lit15230","issued":"1894","language":"de","pages":"33-43","startpages":"33","title":"Bemerkungen \u00fcber zwei akustische Apparate","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:42:13.962714+00:00"}