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Ziehen: Über Störungen des Vorstellungsablaufes bei der Paranoia. Arch. f. Psych., XXIV, 1. u. 2. Heft

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{"created":"2022-01-31T17:03:46.820181+00:00","id":"lit15276","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 302-304","fulltext":[{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nLitteraturbericht.\neigenen Begeisterung eine Lanze f\u00fcr den Hypnotismus ; was er giebt, ist immer interessant und anregend, wenn auch nicht immer \u00fcberzeugend. Leider eignet sich der Vortrag nicht zu einem kurzen Referat. Es folgen dann Beitr\u00e4ge von Li\u00e9beault, Dei.boeuf, Schrenck-Notzing, Freund, von Uden etc. etc. Man h\u00f6rt \u00fcber \u201eHypnotismus und Suggestionstherapie\u201c, \u2014 \u201e\u00dcber k\u00fcnstlich verl\u00e4ngerten Schlaf\u201c, \u2014 \u201eGrundz\u00fcge der Psychotherapie\u201c \u2014 \u201ePsychologische Betrachtungen \u00fcber den Hypnotismus\u201c \u2014 \u201eEine Geburt in der Hypnose\u201c \u2014 etc. etc. Schon die vorliegenden Hefte bringen viel Interessantes, auch f\u00fcr den, der bisher nicht Anh\u00e4nger des Hypnotismus ist. Und mit den nicht anfechtbaren Thatsachen mufs sich schliefslich jeder auf diesem oder jenem Wege abfinden, auch auf die Gefahr hin, hier oder dort seine bisherige Ansicht vielleicht korrigieren zu m\u00fcssen. Es wird von Interesse sein, auf einzelne Abhandlungen, sobald sie abgeschlossen sind, des n\u00e4heren einzugehen.\nUmpfenbach (Bonn).\nH. Schmidkunz. Psychologie der Suggestion (mit \u00e4rztlich-psychologischen\nErg\u00e4nzungen von F. 0. Gerster). Stuttgart, Ferdinand Enke, 1892. 425 S.\nVerfasser steht der Suggestion mentale und dem Occultismus sehr wohlwollend gegen\u00fcber. Dichter werden zum Beweise seiner S\u00e4tze fast ebensooft citiert, wie Psychologen und Naturforscher, und unter letzteren die unzuverl\u00e4ssigen entschieden bevorzugt. Das Verdienst Li\u00e9beaults wird dem \u201eeines Newton oder eines Leibniz\u201c an die Seite gestellt. Die Halluzinationen der Hypnose aus einer \u201emateriellen Projizierung durch K\u00f6rperausstr\u00f6mungen\u201c zu erkl\u00e4ren, erscheint dem Verfasser eine \u201edurchaus nicht so ungeheuerliche Hypothese\u201c. \u2014 Nach diesen S\u00e4tzen, sowie nach nach der wohlberechtigten Kritik, welche Wundt neuerdings (Hypnotismus und Suggestion. Philosoph. Studien. Bd. 8, H. 1) an der ganzen, auch von Schmidkunz vertretenen Richtung einer gewissen \u201eExperimentalpsychologie\u201c ge\u00fcbt hat, d\u00fcrfte es \u00fcberfl\u00fcssig sein, auf den Inhalt des ScHMiDKUNzschen Buches trotz des unleugbar auf dasselbe verwandten Fleifses n\u00e4her einzugehen.\tZiehen (Jena).\nZiehen. \u00dcber St\u00f6rungen des Vorstellungsablaufes bei der Paranoia.\nArch. f. Psych., XXIV, 1. u. 2. Heft.\nVerfasser macht darauf aufmerksam, dafs bei der Paranoia neben den beiden Hauptsymptomen, den Wahnvorstellungen und Sinnest\u00e4uschungen, die formalen St\u00f6rungen des Vorstellungsablaufes bisher fast ganz unbeachtet geblieben sind, obwohl solche nicht nur oft interkurrent Vorkommen, sondern auch mitunter eine durchaus dominierende Rolle spielen. Solche formale St\u00f6rungen im Gange der Ideenassoziation, d. h. in den Beziehungen der successiven Vorstellungen untereinander, sind die Beschleunigung der Ideenassoziation und die Verlangsamung oder Hemmung derselben. Dazu kommt nach Ziehen noch eine dritte St\u00f6rung, die er als Inkoh\u00e4renz des Vorstellungsablaufes bezeichnen m\u00f6chte. Zum n\u00e4heren Verst\u00e4ndnis geht Ziehen erst auf die Ideenassoziation der geistig Gesunden n\u00e4her ein. An eine Empfindung kn\u00fcpfen sich successive so und soviele Vorstellungen. Bestimmend f\u00fcr die Succession dieser Vorstellungen in der Ideenassoziation ist die sogenannte assoziative Ver-","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Li iterator bericht.\n303\nwandtschaft, deren zwei Gesetze sind: 1. Zwei inhaltlich gleiche oder \u00e4hnliche Vorstellungen reproduzieren sieh gegenseitig. 2. Zwei Vorstellungen, die entweder selbst oder deren zugeh\u00f6rige Empfindungen oft gleichzeitig aufgetreten sind, reproduzieren sich gegenseitig. Also \u00c4hnlichkeitsassoziation und Gleichzeitigkeitsassoziation. Die erstere spielt im normalen Denken fast gar keine Rolle. (Dahin geh\u00f6rt die Assoziation nach Assonanz.) Doch erkl\u00e4rt die assoziative Verwandtschaft nicht hinreichend die enorme Mannigfaltigkeit unseres Denkens; noch andere Faktoren wirken bestimmend auf die Reihenfolge der Vorstellungen ein. Dahin geh\u00f6rt vor allem die Intensit\u00e4t der verschiedenen in Betracht kommenden Erinnerungsbilder, dann der Gef\u00fchlston, d. h. Vorstellungen, die von lebhaften Gef\u00fchlst\u00f6nen begleitet sind, werden eher obsiegen. Als viertes Moment bezeichnet dann Ziehen die sogenannte Konstellation. Er nimmt an, dafs die zahllosen latenten Erinnerungsbilder der Hirnrinde untereinander in einem komplizierten Verh\u00e4ltnis gegenseitiger Anregung oder Hemmung stehen. So kann eine vorzugsweise von Anregungen getroffene Vorstellung trotz geringerer assoziativer Verwandtschaft, Intensit\u00e4t und Gef\u00fchlston doch in den Vordergrund treten. Die Konstellation verdient nach Ziehen auch bei der Erkl\u00e4rung pathologischer Denkvorg\u00e4nge die gr\u00f6fste Beachtung.\nDie genannten vier Momente (assoziative Verwandtschaft, Intensit\u00e4t, Gef\u00fchlston und \u2022 Konstellation) bestimmen im normalen Vorstellungsablauf die Beziehung einer Vorstellung zu der vorausgehenden und zu der nachfolgenden. In der Regel bedient sich \u00fcbrigens unser Denken nicht dieser einfachen Assoziationsform, sondern der Urteilsassoziation. In der Verbindung der successiven Vorstellungen zu Urteilen spricht sich der h\u00f6chste Grad assoziativer Verwandtschaft aus.\nJede St\u00f6rung der oben festgesetzten Beziehungen unter den aufeinander folgenden Vorstellungen bezeichnet Ziehen als Inkoh\u00e4renz des Vorstellungsablaufes. Diese Inkoh\u00e4renz kann eine prim\u00e4re und eine sekund\u00e4re sein. Sekund\u00e4r z. B., wenn die Inkoh\u00e4renz bedingt ist durch hochgradige Beschleunigung der Ideenassoziation, wo eben zahlreiche verbindende Zwischenvorstellungen \u00fcbersprungen werden. Starke Affektst\u00f6rungen k\u00f6nnen ebenfalls eine Inkoh\u00e4renz machen, auch gelegentlich bei geistig Gesunden; ebenso massenhafte Sinnest\u00e4uschungen, massenhafte Wahnvorstellungen. Der Vorgang der Assoziation als solcher ist hier nicht gest\u00f6rt, sondern sie operiert mit unbrauchbarem Material.\nAnders bei der prim\u00e4ren Inkoh\u00e4renz. Bei ihr ist das Vorstellungsmaterial brauchbar, aber der assoziative Vorgang als solcher gest\u00f6rt. Die Folge davon ist, dafs nicht verwandte Vorstellungen aneinandergekn\u00fcpft werden, ohne dafs es zur Urteilsassoziation kommt. \u00c4hnlicherweise giebt es eine prim\u00e4re Beschleunigung und Hemmung der Ideenassoziation, z. B., wo diese vergesellschaftet ist mit prim\u00e4ren positiven oder negativen Gef\u00fchlst\u00f6nen, unabh\u00e4ngig von Wahnvorstellungen und Sinnest\u00e4uschungen.\nDiese prim\u00e4ren formalen St\u00f6rungen allein behandelt Ziehen, und zwar nur deren Vorkommen bei der sogenannten Paranoia. Er zeigt an zahlreichen passenden Beispielen, dafs diese drei St\u00f6rungen sowohl inter'","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nLi it\u00e9ra turbericht.\nkurrent bei Paranoia Vorkommen, als auch in manchen F\u00e4llen dauernd eine dominierende Rolle spielen. N\u00e4her auf seine weiteren Ausf\u00fchrungen einzugehen, liegt aufserhalb des Rahmens dieser Zeitschrift. Ziehen kommt zum Schlufs, dafs die Paranoia, d. h. die durch eine prim\u00e4re Ver\u00e4nderung der intellektuellen Vorg\u00e4nge gekennzeichnete Psychose, nach drei Hauptrichtungen hin, oder in drei Dimensionen ihre Symptome entwickelt: 1. in der Richtung prim\u00e4rer Wahnvorstellungen; 2. in der Richtung von Sinnest\u00e4uschungen ; 3. in der Richtung prim\u00e4rer Inkoh\u00e4renz. Ziehen schl\u00e4gt vor, die verschiedenen Formen der Paranoia, wo die formalen St\u00f6rungen dominieren, je nach der St\u00f6rung als: ideenfl\u00fcchtige Form, stupor\u00f6se Form und inkoh\u00e4rente oder dissoziative Form zu bezeichnen. Freilich hat Ziehen dabei schon auf der 64. Versammlung deutscher Naturforscher und \u00c4rzte in Halle Widerspruch gefunden.\nUmpfenbach (Bonn).\nH. Kurella. Cesare Lombroso und die Naturgeschichte des Verbrechers. Hamburg. Verlagsanstalt, A.-G. 1892. 51 S.\nKurella hat es unternommen, in der Sammlung gemeinverst\u00e4ndlicher wissenschaftlicher Vortr\u00e4ge dem grofsen Publikum eine \u00dcbersicht \u00fcber die gewaltige und umfassende Th\u00e4tigkeit Lombrosos zu geben.\nLombrosos Name ist in aller Munde, seine Werke werden sofort bei ihrem Erscheinen in das Deutsche \u00fcbersetzt, aber es ergeht ihm, wie seinerzeit Darwin und anderen, die meisten von denen, die \u00fcber ihn schimpfen und abf\u00e4llig urteilen, haben ihn kaum je in der Hand gehabt, geschweige denn gelesen. Es ist daher kein m\u00fcfsiges Unterfangen, wenn ein so kompetenter Urteiler wie Kurella das reiche Material in gedr\u00e4ngter \u00dcbersicht zusammenfafst und es versucht, weiteren Kreisen ein Bild von Lombroso und seiner Wirksamkeit zu entwerfen. Dafs es nicht zu Ungunsten des italienischen Gelehrten ausf\u00e4llt, versteht sich bei dem Standpunkte K\u00fcrellas ganz von selbst, und entspricht im \u00fcbrigen nur den Anforderungen der Gerechtigkeit und Wahrheit.\nSelbst wenn man die Werke Lombrosos kennt, erstaunt man \u00fcber die Masse der Einzelforschungen, die uns in einer gedr\u00e4ngten Zusammenstellung um so wirkungsvoller entgegentreten, und wenn Lombroso in seinen Schl\u00fcssen hie und da zu weit oder auch daneben geht, so wird man ihm wohl den Vorwurf einer allzu regen Phantasie, nicht aber den eines leichtfertigen oder der Unterlagen entbehrenden Urteiles machen d\u00fcrfen. Wer demnach nicht in der Lage ist, die ziemlich umfangreichen Werke des aufserordentlich produktiven Turiner Forschers selbst zur Hand zu nehmen, und andererseits doch den Wunsch hegt, sich einen Einblick in diese Gebiete zu verschaffen, die das wissenschaftliche Interesse unserer Tage in Beschlag nehmen und noch auf lange Zeit hinaus an der Spitze der Tagesfragen stehen werden, dem wird die kleine Schrift K\u00fcrellas eine willkommene Aush\u00fclfe sein.\nEin Auszug aus der an und f\u00fcr sich schon sehr gedr\u00e4ngten Wiedergabe der ausgedehnten Werke w\u00fcrde zu einer reinen Inhaltsangabe herabsinken und kaum einen Zweck haben. Um so mehr kann die Brosch\u00fcre selber empfohlen werden.\tPelman.","page":304}],"identifier":"lit15276","issued":"1893","language":"de","pages":"302-304","startpages":"302","title":"Ziehen: \u00dcber St\u00f6rungen des Vorstellungsablaufes bei der Paranoia. Arch. f. Psych., XXIV, 1. u. 2. 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