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{"created":"2022-01-31T17:03:41.644746+00:00","id":"lit15295","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 340-343","fulltext":[{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nLi tter\u00e4turbericht.\nE.\tW. Scripture. Tests on school children. Educational Bevieiv (New York). Vol.V. No. 1. S. 52-61. (1893.)\nF.\tQfeyrat. L\u2019imagination et ses vari\u00e9t\u00e9s chez l\u2019enfant. \u00c9tude de psychologie exp\u00e9rimentale appliqu\u00e9e \u00e0 r\u00e9duction intellectuelle. Paris, Alcan 1893. 162 S.\nDer amerikanische Psycholog Scripture, der sich u. a. auch durch eine in deutscher Sprache erschienene Arbeit \u00fcber die Assoziation der Vorstellungen bekannt gemacht hat, gieht in der oben genannten Abhandlung einen wertvollen Beitrag zu der Frage, wie die Individualit\u00e4t des Kindes zu erforschen sei. Er zeigt, wie durch leichte und ohne kostspielige Apparate anzustellende Experimente \u00fcber Ged\u00e4chtnis, Umfang des Bewufstseins, Sehen, H\u00f6ren, Hautempfindlichkeit und Suggestionsf\u00e4higkeit zuverl\u00e4ssige Kunde zu erhalten ist.\nAuf die Individualit\u00e4t bezieht sich auch das Buch von Quetrat, welches zu den besseren Erscheinungen auf dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psyschologie gerechnet werden mufs, obschon es einen eigent\u00fcmlichen wissenschaftlichen Wert kaum besitzt. In der Hauptsache beschr\u00e4nkt sich der Verfasser darauf, aus anderen psychologischen Werken f\u00fcr den p\u00e4dagogischen Leser das zusammenzutragen, was man \u00fcber die sogenannten CHARCoTschen Typen weifs oder zu wissen glaubt, und zeigt alsdann unter Bezugnahme auf bekannte p\u00e4dagogische Werke die Verwertung f\u00fcr die Erziehungspraxis. Eine deutsche \u00dcbersetzung des Buches' w\u00e4re aus p\u00e4dagogischen Gr\u00fcnden immerhin w\u00fcnschenswert.\nUfer (Altenburg).\nFr. Goltz. Der Hund ohne Grofshirn. Siebente Abhandlung \u00fcber die Verrichtungen des Grofshirns. Pfl\u00fcger's Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 51, H. 11 u. 12. S. 570\u2014614. (1892.)\nNach vielen vergeblichen Versuchen ist es Goltz gelungen, 3 Hunde am Leben zu erhalten, denen fast das ganze Grofshirn mit dem Messer entfernt worden war. Das erste Tier lebte 51 Tage, das zweite 92 Tage, und das dritte wurde 18 Monate nach der letzten Operation bei voller Gesundheit get\u00f6tet.\nDer Zustand des letztgenannten Tieres war kurz vor der T\u00f6tung folgender: Aus dem Schlafe war der Hund nur durch ein anhaltendes, starkes Ger\u00e4usch zu wecken. Leisere Ger\u00e4usche und selbst das Bellen benachbarter Hunde weckten ihn nicht. Rascher wirkten Tastreize: Fafste man das Tier irgendwo derb an, so wachte es auf und knurrte. Versuchte man das erwachte Tier aus dem K\u00e4fig herauszuheben, so strampelte es und bifs um sich. Im K\u00e4fig wanderte das Tier unerm\u00fcdlich umher, in der Regel nach rechts herum. Mitunter aber wendete es sich pl\u00f6tzlich ohne erkennbaren Grund nach links, um alsbald wieder die Reitbahnbewegungen nach rechts aufzunehmen. Auf glattem Boden glitt es leicht aus, erhob sich aber von selbst wieder ohne Unterst\u00fctzung. Vor der Kotentleerung und im Hungerzustand wurden die Gangbewegungen besonders lebhaft. Die gr\u00f6fsere Unruhe","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n341\n\u00e4ufserte sich gelegentlich auch darin, dais das Tier sich auf den Hirtter-f\u00fcfsen emporrichtete und die Vorderf\u00fcfse auf den Rand der 74 cm hohen, seinen K\u00e4fig umgebenden Schranke setzte.\nJedem Versuch einer Verlagerung seiner Gliedmafsen setzte es sofort den lebhaftesten Widerstand entgegen und begleitete dies oftmals mit \u201estimmlichen \u00c4ufserungen des Unwillens\u201c. Gelingt es dem Hund nicht, von einer ihn fassenden Hand sich zu befreien, so beifst er zu, nach links, wenn die linke, nach rechts, wenn die rechte Hinterpfote ergriffen war. Dabei trifft er jedoch selten die ihn fassende Hand, sondern streift sie nur mit den Z\u00e4hnen oder beifst vollst\u00e4ndig in die Luft. \u2014 Niemals tritt er mit dem Fufsr\u00fccken auf. Bei dem Fallth\u00fcrversuch folgt der Fufs eine Weile der sinkenden Th\u00fcr, dann aber wird er wieder aus der Versenkung herausgehoben. Als wegen einer Verletzung das Tier das wunde Bein nicht brauchen konnte, hinkte es unter freiwilliger dauernder Hebung des wunden Beines auf den drei gesunden herum. \u2014 Aus einem Napf mit kaltem Wasser zieht es die Pfote sofort wieder heraus. Anblasen der Haut des Fufsr\u00fcckens und der Nase f\u00fchrt zu keiner Reaktion. Anblasen des Inneren der Ohrmuschel oder der Conjunctiva wird mit Sch\u00fctteln des Kopfes und der Ohren resp. Lid-schlufs und Abwendung des Kopfes beantwortet.\nDie von Goltz bereits fr\u00fcher nach partiellen Exstirpationen beobachteten Reflexbewegungen (z.B. das rhythmische Vorstrecken der Zunge und Beifsen bei Kratzen an der Schwanzwurzel) waren s\u00e4mtlich vorhanden.\nAuf Anruf reagiert das Tier gar nicht, den st\u00e4rksten L\u00e4rm beantwortet es nur mit Sch\u00fctteln der Ohren und des Kopfes.\nRichtete man im Finstern pl\u00f6tzlich das grelle Licht einer Blendlaterne auf den Hund, so schlofs er die Augen ; selten wendete er auch den Kopf zur Seite. Hindernissen, welche man ihm in den Weg stellte, wich er nicht aus. \u2014 Ob Geruchsreize Bewegungen veranlafsten, blieb zweifelhaft.\nWar der Hund l\u00e4ngere Zeit nicht gef\u00fcttert worden, so streckte er ohne jeden nachweisbaren Reiz die Zunge rhythmisch heraus ; oft gesellten sich zu diesen Leckbewegungen auch Kaubewegungen. Hielt man ihm nun eine Sch\u00fcssel mit Milch und Fleischst\u00fccken vor das Maul, so verschlang er beides ann\u00e4hernd wie ein unversehrtes Tier. Als ihm ein in Chininl\u00f6sung eingetauchtes Fleischst\u00fcck gereicht wurde, verzerrte er das Maul und spie es aus. Selbst\u00e4ndig suchte das Tier niemals seine Nahrung auf. Auch war nie von einer Mitwirkung der Vorderpfoten bei der Nahrungsaufnahme die Rede. Es fand die Nahrung selbst dann nicht, wenn sie sich leicht erreichbar an seinem eigenen K\u00f6rper befand.\nDer Geschlechtstrieb schien (ebenso wie die \u00e4ufseren Zeichen der Brunst) v\u00f6llig zu fehlen.\nDie hochinteressanten Angaben, welche Goltz \u00fcber die allm\u00e4hliche Wiederkehr der einzelnen Funktionen bis zum Eintritt des soeben geschilderten Zustandes macht, sind im Original nachzulesen, ebenso auch die k\u00fcrzeren Mitteilungen \u00fcber die Beobachtungen an den beiden anderen","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nLitteraturbericht.\noperierten Tieren. Die Sektion ergab bei dem Tier, welches 18 Monate ohne Grofshirn gelebt hatte, dafs von der Mantelsubstanz des Grofshirns nur die basalen Eeste des Schl\u00e4fenlappens erhalten geblieben waren, aber in dem \u201eZustande h\u00f6chster Atrophie\u201c. Von den Streifenk\u00f6rpern und Sehh\u00fcgeln war nur noch ein Teil vorhanden, und dieser befand sich im Zustand braungelber Erweichung. Auch der linke vordere Vierh\u00fcgel war entschieden erweicht, und der linke hintere zeigte Spuren der gleichen Ver\u00e4nderung.\nAus den obigen Beobachtungen und diesem Sektionsbefund zieht Goltz folgende Schl\u00fcsse: Hunde ohne Grofshirn nehmen freiwillig Nahrung aus der Aufsenwelt auf und verzehren sie. Das Vorhandensein mannigfaltiger Stimm\u00e4ufserungen deutet darauf, dafs das grofshirnlose Tier noch Empfindungen und Stimmungen hat. Die Neigung zu spontanen Bewegungen ist gesteigert. Das Tier heult und beifst, wenn es gequetscht wird; es ist weder taubstumm noch gel\u00e4hmt. Das Sehverm\u00f6gen w\u00e4re vermutlich viel deutlicher wiedergekehrt, wenn Zwischen- und Mittelhirn v\u00f6llig unversehrt geblieben w\u00e4ren. Die Geschmacksempfindung war erhalten. Alle Aufserungen, welche auf \u201eVerstand, Ged\u00e4chtnis, \u00dcberlegung und Intelligenz\u201c schliefsen lassen, sind weggefallen. Freude, Neid, Gefr\u00e4fsigkeit werden nicht mehr beobachtet.\nMit dieser Formulierung der Resultate kann sich Rezensent nicht v\u00f6llig einverstanden erkl\u00e4ren. Zun\u00e4chst ist doch h\u00f6chst auff\u00e4llig, dafs bei dem operierten Tiere gerade die Geschmacksempfindlichkeit intakt ist (wenigstens f\u00fcr Bitter), und dafs bei der Exstirpation gerade derjenige Teil des Hirnmantels stehen geblieben ist (n\u00e4mlich der Uncus des Schl\u00e4fenlappens), welcher vonseiten der Gegner des Verfassers als centrale Endstation der Geschmacksfasern bezeichnet worden ist. Auf die Versicherung von Goltz, dieser stehengebliebene Rest m\u00fcsse funktionsunf\u00e4hig gewesen sein, da er atrophiert und braungelb erweicht war und jede nerv\u00f6se Verbindung zwischen ihm und dem \u00fcbrigen Gehirn fehlte, ist nicht zu viel zu geben, solange nicht mikroskopisch die Abwesenheit intakter Elemente nachgewiesen ist. Gerade bei der speziellen Lage des Uncus zum Zwischenhirn m\u00f6chte Rezensent das Sektionsprotokoll f\u00fcr unzureichend halten, um zu entscheiden, ob der Uncus noch Verbindungen zum Zwischenhirn hatte oder nicht. Die Beobachtungen \u00fcber Geschmacksempfindungen des Tieres w\u00e4ren also besser unverwertet geblieben.\nDas wichtigste und zweifellos richtige Ergebnis der Arbeit ist, dafs\n1.\tgrofshirnlose Hunde noch motorische Akte ausf\u00fchren, welche so hoch koordiniert sind, wie z. B. Gehen, Stehen, Fressen, Kauen;\n2.\tdafs intensive Schallreize noch leichte motorische Effekte (Kopfsch\u00fctteln, Ohrsch\u00fctteln) ausl\u00f6sen;\n3.\tdafs taktile Reize und Reize im Gebiet des Muskelsinns noch sehr komplizierte, zum Teil sogar dem Ort der Reizung bis zu gewissem Grade angepafste Bewegungen ausl\u00f6sen (Strampeln, Beifsen nach der Seite der Reizung);\n4.\tDafs die oben genannten motorischen Th\u00e4tigkeiten (Gehen etc.) durch taktile Reize (und Reize im Gebiet des Muskelsinns) in ihrem Ablauf zweckm\u00e4fsig modifiziert werden; und endlich","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n343\n5. dafs die Ausdrucksbewegungen des Schmerzes erhalten sind.\nFormuliert man die Resultate in dieser Weise, so reihen sie sich widerspruchslos an andere sichere Beobachtungen (bei partiellen Exstirpationen) an, ohne irgendwie an Bedeutung f\u00fcr die Erweiterung unserer Erkenntnisse und f\u00fcr die Korrektur fr\u00fcherer unsicherer Beobachtungen zu verlieren. \u2014 Das Umherwandern des Tieres \u201efreiwillig\u201c zu nennen, erscheint Rezensent unzweckm\u00e4fsig. Es liegt im Hinblick auf andere Versuchsreihen und auf den Sektionsbefund viel n\u00e4her, das Umherwandern auf die Reizung infrakortikaler Centren durch den fortschreitenden Er-weichungsprozefs zur\u00fcckzuf\u00fchren. Die Frage endlich, ob die Reaktionsbewegungen und Ausdrucksbewegungen, \u00fcber welche das Tier noch verf\u00fcgt, dahin zu deuten sind, dafs das Tier noch empfand und f\u00fchlte, oder ob dieselben lediglich als komplizierte, des psychischen Parallelprozesses entbehrende Reflexe (automatische Akte im Sinne des Rezensenten) aufzufassen sind, l\u00e4fst sich \u00fcberhaupt nicht sicher entscheiden. \u00dcber solche Fragen kann nur das Selbstbewufstsein mit Sicherheit Auskunft geben. Die Argumente, welche Goltz zu Gunsten der ersten Alternative beibringt, sind nicht stichhaltig. So beweist z. B. die Intaktheit der Ausdrucksbewegungen gar nichts. Kennen wir doch Krankheitszust\u00e4nde bei dem Menschen, wo die kompliziertesten Ausdrucksbewegungen unwillk\u00fcrlich und ohne den geringsten begleitenden Affektvorgang stattfinden (Maladie des tics).\nZiehen (Jena).\nFr. W. Mott. Results of hemisection of the spinal cord in monkeys.\nPhilosophical Transactions of the B. Soc. of London. Vol. 183 [1892], B., S. 1\u201460.\nVerfasser experimentierte ausschliefslich an Affen (meist Macacus Rhoesus). Die Heilung der Operationswunde geschah stets per primam. Die halbseitige Durchschneidung fand meist im Dorsalmark statt.\nDie motorische L\u00e4hmung war stets gleichseitig. Die Muskulatur der Brust und des Abdomens liefs \u00fcberhaupt eine L\u00e4hmung nicht deutlich erkennen. Durchschnittlich kehrten nach 3 Wochen Bewegungen im H\u00fcft- und Kniegelenk des gel\u00e4hmten Hinterbeins wieder zur\u00fcck, und zwar in der Regel in Gestalt assoziierter Beuge- und Streckbewegungen. Beim Gehen, Klettern und Springen waren dieselben mit Beuge- und Streckbewegungen des Fufses verbunden. Isolierte Bewegungen des Fufses , also z. B. Greifen (abgesehen vom Klettern) stellten sich erst viele Monate nach der Operation wieder ein. Die faradische Erregbarkeit der paretischen Muskeln blieb stets erhalten. Auch ergab ihre mikroskopische Untersuchung einen normalen Befund.\nDie Sensibilit\u00e4t schien bei den gew\u00f6hnlichen Pr\u00fcfungen (Hitze, Stich, faradischer Strom) beiderseits intakt. Nur reagiert das Tier auf gleichseitige Reize (d. h. auf Reizungen des gel\u00e4hmten Beines) in der Regel langsamer, und es vergingen einige Wochen, bis das Tier gleichseitige Reize richtig lokalisierte. Wurde hingegen die von Schiff vorgeschlagene Pr\u00fcfung mittelst einer Klemme vorgenommen, so ergab sich stets, dafs das Tier, wofern die Augen verbunden waren, die Klemme","page":343}],"identifier":"lit15295","issued":"1893","language":"de","pages":"340-343","startpages":"340","title":"Fr. Goltz: Der Hund ohne Gro\u00dfhirn, Siebente Abhandlung: \u00dcber die Verrichtung des Gro\u00dfhirns. Pfl\u00fcgers Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. 51, H. 11 u. 12, S. 570\u2013614, 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:41.644751+00:00"}