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{"created":"2022-01-31T17:04:42.107016+00:00","id":"lit15297","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Frankl-Hochwart, von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 345-347","fulltext":[{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n345\nwidersprechen k\u00f6nnen; nur d\u00fcrfte es vorteilhafter sein, statt der \u201eEmpfindungen\u201c \u00fcberall die sie verursachenden Reize resp. \u201eErregungen\u201c einzusetzen. Dem zweiten Satz vermag hingegen Referent in dieser Form nicht beizustimmen. Die Lokalisation eines Hautreizes beruht doch im wesentlichen darauf, dafs eine bestimmte, d. h. an einem bestimmten Punkt der Hautoberfl\u00e4che endigende sensible Faser ganz bestimmte, ihr eigent\u00fcmliche Verbindungen mit motorischen Elementen hat. Diese letzteren liegen teils im R\u00fcckenmark, teils in der Hirnrinde, teils vielleicht in den grofsen Ganglien. Verm\u00f6ge solcher kortikalen Verbindungen f\u00fchrt das Tier z. B. die Pfote richtig an die ber\u00fchrte Stelle. Zur Erkl\u00e4rung der Versuchsergebnisse des Verfassers gen\u00fcgt es nun, vollst\u00e4ndig, anzunehmen, dafs taktile Erregungen jeder Art im R\u00fcckenmark vorzugsweise ungekreuzt aufw\u00e4rts geleitet werden und erst in h\u00f6heren Ebenen (z. B. in der Oblongata) zur gekreuzten Hemisph\u00e4re hin\u00fcber geleitet werden, eine Annahme, die Mott selbst zu teilen scheint, und dafs nur dieser in h\u00f6heren Ebenen sich kreuzenden Hauptbahn der taktilen Erregungen die erw\u00e4hnten assoziativen Verkn\u00fcpfungen mit motorischen Rindenelementen zukommen, w\u00e4hrend die sofort nach dem Eintritt in das R\u00fcckenmark sich kreuzende Nebenbahn solcher Verbindung entbehrt. Auch die Allochirie w\u00fcrde sich so ohne Schwierigkeit erkl\u00e4ren. Die unklare Annahme lokalisatorischer Erregungen, wie 'sie der zweite Satz des Verfassers zu involvieren scheint, wird so ganz \u00fcberfl\u00fcssig. (Vgl. auch die Formulierung, welche Mott S. 50 unten seinen Resultaten giebt.)\nDen Schlufs der Arbeit bildet eine Auseinandersetzung des Verfassers mit den experimentellen Resultaten fr\u00fcherer Untersucher, sowie mit den klinischen Beobachtungen \u00fcber die sog. Brown-S\u00c9QUARDSche Halbseitenl\u00e4hmung. Das ohnehin auf schwachen F\u00fcfsen ruhende klinische Bild, welches man von letzterer zu entwerfen gew\u00f6hnt war, bedarf nach den Versuchen Motts jedenfalls einer gr\u00fcndlichen Revision. Die Kreuzung der sensiblen Fasern unmittelbar nach ihrem Eintritt in das R\u00fcckenmark, wie sie die \u00fcbliche Lehre annimmt, findet weder in den derzeit bekannten anatomischen Thatsachen noch in den exakteren physiologischen Beobachtungen eine Best\u00e4tigung.\tZiehen (Jena).\nDr. Brazier. Du trouble des facult\u00e9s musicales dans l\u2019aphasie. Revue philosophique. Bd. 34, S. 337\u2014368 (1892, No. 10).\nBeobachtungen \u00fcber Verlust des musikalischen Ausdrucksverm\u00f6gens bei Aphasischen sind von grofser Wichtigkeit, da auf diesem Wege das Dunkel, welches noch \u00fcber der Psychologie des musikalischen Vorstellungsverm\u00f6gens herrscht, gelichtet werden k\u00f6nnte. Noch immer ist es zweifelhaft, ob die Centren f\u00fcr Wort und Musikvorstellungen identisch oder getrennt sind. Dar\u00fcber k\u00f6nnten nur pathologisch-anatomische Forschungen Auskunft geben. Vom physiologischen Standpunkte scheint Brazier die Theorie der drei Vorstellungsformen die plausibelste. Am h\u00e4ufigsten d\u00fcrften diejenigen Menschen sein, welche sich Musik durch Geh\u00f6rsvorstellungen vergegenw\u00e4rtigen; bei vollkommen ausgebildeten Musikern scheinen die motorischen und die Gesichtsvorstellungen eine gewisse Rolle zu spielen.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nLitteraturbericht.\nDer Form nach unterscheidet Brazier totale und einfache Amusien. Letztere k\u00f6nnen sich entweder im Mangel des Musikverst\u00e4ndnisses \u00e4ufsern (eentripetale Form) oder im musikalischen Ausdrucksverm\u00f6gen (centrifugale Form). Bei den ersteren handelt es sich um Tontaubheit und um Notenblindheit (musikalische Alexie). Beim Mangel des musikalischen Ausdrucksverm\u00f6gens handelt es sich um den Verlust der motorischen Vorstellungsbilder beim Ges\u00e4nge (motorische Stimmamusie) oder beim Spielen von Instrumenten (Amimie von Wallaschek). Mehr Formen zu unterscheiden, wie dies Wallaschek auf Grund von theoretischen \u00dcberlegungen gethan hat, scheint Brazier \u00fcberfl\u00fcssig.\nWenn auch die Amusie meist nur eine Begleiterin der Aphasie ist, so kann sie auch bisweilen davon unabh\u00e4ngig erscheinen.\nWenn man die Musik nicht als ein unteilbares Ganzes betrachtet, sondern als ein Produkt aus einer Anzahl von Elementen (Melodie, Harmonie, Klangfarbe, Rhythmus), so kommt man zu dem Schl\u00fcsse, dafs jedem derselben eine eigene Art des Vorstellungsverm\u00f6gens zukommen d\u00fcrfte. Den Klangfarben haupts\u00e4chlich reine Geh\u00f6rsbilder, dem melodischen Ges\u00e4nge k\u00f6nnen alle drei Arten von Bildern angeh\u00f6ren; der Accord kann auf Gesichts- und Geh\u00f6rsvorstellungen beruhen, der Rhythmus haupts\u00e4chlich auf motorischen.\nDies in kurzen Z\u00fcgen die Schlufsfolgerungen aus Braziers interessanter Arbeit. Dieselben beruhen teils auf theoretischen \u00dcberlegungen, teils auf fremden Beobachtungen. Letzteren f\u00fcgt Brazier vier eigene neue hinzu.\nI. Totale Amusien.\nFall 1. Ein Tenor der komischen Oper wurde pl\u00f6tzlich w\u00e4hrend der Vorstellung von totaler musikalischer Amnesie befallen. Er verstand nicht mehr, was gesungen wurde, und konnte keine Note hervorbringen. In seine Garderobe zur\u00fcckgekehrt, sprach er ziemlich gel\u00e4ufig und antwortete auf Fragen; aber sein ganzes musikalisches Repertoire (Musik und Worte) blieb vergessen. Heilung nach mehreren Monaten.\nDie 2. Beobachtung betrifft einen ber\u00fchmten Pianisten, der eines Tages auswendig mit Orchesterbegleitung spielte. Pl\u00f6tzlich entfiel sein Part seinem Ged\u00e4chtnis, und gleichzeitig schienen ihm die Melodien des Orchesters ein unzusammenh\u00e4ngender L\u00e4rm. Nie ein Zeichen von Aphasie. Heilung nach l\u00e4ngerer Zeit.\nAls Beispiel f\u00fcr II, Tontaubheit, bringt Brazier die Krankengeschichte eines 51j\u00e4hrigen Herrn, der seit dem Jahr 1889 an Migr\u00e4nen litt, die sich mit Paraphasie vergesellschafteten. Brazier beobachtete einen Anfall, in dem zwar die Sprache erhalten blieb, dagegen konnte Patient ihm sonst wohlbekannte Musikst\u00fccke nicht erkennen. Erh\u00f6rte wohl das Ger\u00e4usch der Musik, nicht aber die Melodien. Am anderen Tage war diese Erscheinung geschwunden: Patient benannte alle die Musikst\u00fccke wiederum richtig, die er am Tage vorher nicht erkannt hatte.\nIII. Musikalische Alexie. Dieser Fall betrifft eine 36j\u00e4hrige neurasthenische Musiklehrerin von ausgezeichneter Veranlagung. Als Musikerin bediente sie sich des Gesichts, des Geh\u00f6rs und der motorischen Bilder.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n347\nEines Tages litt sie an linksseitiger Migr\u00e4ne und war gezwungen, am Abend \u00f6ffentlich zu spielen; sie f\u00fchlte sich so unsicher, dafs sie gegen ihre Gewohnheit zur Partitur griff. Sie bemerkte zu ihrem Schrecken, dafs sie die Notenzeichen wohl sah, aber nicht lesen konnte. Lesen von Buchstaben gelang; sie konnte sogar auswendig spielen: nichts destoweniger war ihr Spiel auch dann unsicher, denn die f\u00fcr sie so wichtigen visuellen Vorstellungen hatten sie verlassen. Das musikalische Auffassungsverm\u00f6gen war intakt geblieben.\nAm 3. Tage besserte sich der Zustand insofern, als sie die Noten nach ihrer Dauer unterscheiden konnte; sie erkannte wohl nicht ein c oder ein d, sie wufste aber ganze von halben oder viertel Noten zu scheiden. Nach 5 Tagen \u00dfestitutio ad integrum.\nv. Franki.-Hochwart (Wien).\nJ. H. Lambert. Photometrie. (Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae.) Deutsch herausgegeben von E. Anding. Erstes Heft, Teil I u. II. 135 S. m. 35 Fig. Zweites Heft, Teil III bis V. 112 S. m. 32 Fig. Drittes Heft, Teil VI u. VII u. Anmerkungen, 172 S. mit 8 Fig. {OstwaldsKlassiker der exaktenWissenschaften No. 31\u201433). Leipzig 1892. Engelmann.\nAutodidakten entwickeln oftmals in ihren Werken Gedankeng\u00e4nge, welche ihnen selbst bei der Auffindung viel Schwierigkeit gemacht haben, weitl\u00e4ufig und breit, g\u00e4nzlich unbek\u00fcmmert darum, dafs die Ableitung und Darstellung auf dem gewohnten allbekannten Wege eine viel k\u00fcrzere ist. Dieses ist auch in Lamberts Photometria der Fall. Wir haben dem Herausgeber Dank daf\u00fcr zu sagen, dafs er solche Stellen kurzer Hand gestrichen und nur durch wenige knappe Worte (Paragraphen\u00fcberschriften u. s. w.) den Gedankengang angedeutet hat. In dieser Gestalt halten wir das Buch f\u00fcr eine vortreffliche Einf\u00fchrung in die photometrischen Rechnungsmethoden. Wer Lamberts Photometrie durchgearbeitet hat, weifs, dafs vieles nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wird aber auch nicht bei jeder neu auftauchenden Aufgabe nach neuen Apparaten und komplieierten Vorkehrungen verlangen, hat Lambert doch mit drei kleinen Spiegeln, zwei Linsen, einigen Glasplatten und einem Prisma alle seine zum Teil verwickelten Versuche ausgef\u00fchrt.\nDie vom Herausgeber beigef\u00fcgten Anmerkungen bringen manches Interessante.\tArthur K\u00f6nig.\nE. W. Lehmann. \u00dcber ein Photometer. Dissertation. Erlangen 1892. 24 S. mit einer Tafel.\nDas beschriebene Photometer hat am meisten \u00c4hnlichkeit mit dem JoLYSchen Paraffin-Photometer. Je eine Kathetenfl\u00e4che zweier gleichen rechtwinkligen gleichseitigen Glasprismen ist matt geschliffen. Auf einem Stativ sind beide Prismen in einem geeignet geformten K\u00e4hmen so angebracht, dafs die beiden anderen Kathetenfl\u00e4chen mit der spitzwinkligen","page":347}],"identifier":"lit15297","issued":"1893","language":"de","pages":"345-347","startpages":"345","title":"Dr. Brazier: Du trouble des facult\u00e9s musicales dans l'aphasie. Revue philosophique, Bd. 34, S. 337\u2013368, 1892, No. 10","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:04:42.107022+00:00"}