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{"created":"2022-01-31T17:03:45.192505+00:00","id":"lit15341","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Leppmann, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 382-384","fulltext":[{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nLi tte raturbori ehl.\nvolle Bereicherung unserer psychiatrischen Litteratur; und zwar geh\u00f6ren sie. zu jenen B\u00fcchern, die mit der Zeit an Wert und Einflufs gewinnen.\n1\u2019.KJ.WAN. \u2022\nE\u00e9r\u00e9. La pathologie des \u00e9motions. Paris. 1892.\n\u201eDer Zweck dieser Arbeit ist, die physiologischen Bedingungen der Gem\u00fctsbewegungen m\u00f6glichst genau festzustellen Und zu - zeigen, dafs diese Bedingungen nichts anderes sind, als k\u00f6rperliche Vorg\u00e4nge, ausgel\u00f6st durch die Einwirkung der physischen Agentien, deren Einflufs der Mensch unterworfen ist. Die Gem\u00fctsbewegungen sind k\u00f6rperliche Zust\u00e4nde, begleitet von Bewufstseinszust\u00e4nden, die sich infolge physischer Erregungen entwickeln. Die \u00e4ufseren Beize und die Vorstellungen der \u00e4ufseren Beize, die Gem\u00fctsbewegungen, k\u00f6nnen dieselben allgemeinen\noder lokalen Wirkungen hervorrufen . .......... Diese Gleichheit der\nphysiologischen Bedingungen wird Uns zur Feststellung der physischen Natur, sowohl der normalen, als auch der pathologischen Ph\u00e4nomene des Geistes f\u00fchren. Wir werden prophylaktische, \u2019 hygienische, und therapeutische Mafsregeln Vorschl\u00e4gen, welche sich durch die' Erfahrung als geeignet f\u00fcr ihren Zweck erwiesen haben.\u201c Mit diesen Worten der Vorrede bezeichnet der Verfasser die Aufgabe, die er sich gestellt. Die Verquickung von dogmatischem Materialismus und Naturwissenschaft, resp. praktischer Medicin, welche dieses Programm enth\u00e4lt, kommt in dem Buche selbst in keiner Weise st\u00f6rend zur Geltung ; dasselbe h\u00e4lt sich frei von allen Spekulationen. Mit aufserordentlicheni Pleifse hat E. aus der gesamten Litteratur die Angaben zusammengestellt \u00fcber den Einflufs der Umgebung auf den Menschen, die Wechselwirkungen zwischen psychischen und somatischen Zust\u00e4nden und die k\u00f6rperlichen Symptome psychischer Krankheiten. Unter dem Begriff \u201e\u00e9motivit\u00e9 morbide\u201c fafst er dann die Zwangsvorstellungen, Zwangsfurcht, Gr\u00fcbelsucht, sexti\u00e8lle Perversit\u00e4ten, krankhaften Impulse und dergleichen auf dem Boden erblicher Degeneration beruhenden Zust\u00e4nde zusammen.*^-Das interessanteste in dem Buche sind die zahlreich eingestreuten, zum Teil sehr wertvollen Krankengeschichten.\tLiebmann (Bonn).\n0. L\u00f6mbkos\u00f6 und B. Laschi. Der politische Verbrecher und die Bev\u00f6lutionen in anthropologischer, juristischer und staatswissenschaftlicher Beziehung. Deutsch von B. Kueella, Hamburg, Verlags-Anstalt und Druckerei A.-G. 1892. 2 B\u00e4nde. 280 u. 288 S.\nJe fruchtbarer der Vater des \u201eDeliquente nato\u201c in seinen Arbeiten wird, desto mifstrauischer geht man an das Lesen eines von ihm mit-verfafsten Werkes. Bechtfertigt doch seine wissenschaftliche Stellung den Argwohn, dafs er wieder theoretisch v\u00f6rgefafste Anschauungen zum Ausdruck bringen werde,, welche bei aller Genialit\u00e4t der Blickrichtung den Stempel des Sonderbaren oder \u00dcbertriebenen tragen, und zu deren Beweise eine Menge von Angab\u00e8n zusammengeh\u00e4uft werden, welche von","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n383\nder. Zeitungsnotiz tos zum Klassiker ohne wesentliche kritische Richtung den verschiedenwertigsten Quellen entstammen.\n' Um so angenehmer entt\u00e4uscht vorliegendes Buch durch seine folgerichtige Durchf\u00fchrung origineller Gedanken, durch die erdr\u00fcckende F\u00fclle gen\u00fcgend gest\u00fctzter Thatsachen und durch die Vielseitigkeit der Anregungen, welche es .jedem wissenschaftlich Arbeitenden, welches Gebiet er auch immer beackert, bietet.\n. Der Mensch und die Gesellschaft, so entwickelt Lombroso, h\u00e4ngen,, wenn sie auch jeder neuen Erscheinung eine gewisse neugierige Beachtung schenken und scheinbar sich davon beeinflussen lassen, am. alten, sind \u201eMisoneisten\u201c. Nur wenige treten jeweils mit vollem Begreifen und daraus entspringendem Beth\u00e4tigungsdrang in den Dienst einer neuen Idee und bilden die Keime, durch welche die Neuerung,, wenn sie \u00fcberhaupt lebensf\u00e4hig ist, allm\u00e4hlich in der Mehrheit Verbreitung findet. Nur die langsame Ausgestaltung neuer politischer,: socialer, religi\u00f6ser und \u00e4hnlicher Anschauungen ist physiologisch, jede zu schnelle, zu heftige Fortschrittsbestrebung, welche sich als gewaltsames Attentat gegen den ; Misoneismus der Mehrheit, gegen die ihm entsprechende R\u00e8gierungsform und deren gesetzm\u00e4fsige Vertreter \u00e4ufsert,. bedingt den Begriff des politischen Verbrechens.\nDasselbe kommt in zwei Hauptformen zum Ausdruck, welche aller*' dings durch Mischformen wieder eine gewisse Verkn\u00fcpfung haben :\n1.\tals Revolution, als gewaltsame Umgestaltung bestehender Staatsund Regierungsformen auf Grund einer durch \u00e4ufsere und innere Gr\u00fcnde lange vorbereiteten Notwendigkeit. Hier ist die gewaltsame Ersch\u00fctterung-nur die letzte Stufe zur Ausreifung, nur das Durchbrechen der fertigen Frucht durch die Schale. Deshalb ist das letzte Ende einer revolution\u00e4ren Bewegung der Sieg der Idee;\n2.\tals Revolte, als Rebellion, als Aufruhr, als gewaltsame Auflehnung gegen bestehende Verh\u00e4ltnisse ohne vorherige befruchtende^ Ausbreitung der sie hervorrufenden Anschauungen, sie ist \u201edas \u00fcberst\u00fcrzte, k\u00fcnstliche, in \u00fcberhitzter Temperatur erzeugte Reifen von. Keimen, die dem Tode geweiht sind\u201c.\nDie so umgrenzten Vorkommnisse haben anthropologisch, resp-sociologisch folgende Unterschiede:\nRevolten kommen am h\u00e4ufigsten in hochgelegenen oder heifsen L\u00e4ndern vor, im H\u00fcgelland, in Zeiten der Teuerung, wenn diese nicht zu weitgehend ist, bei brachycephalen V\u00f6lkern mit br\u00e4unlicher Haut. Sie stehen in engster Beziehung zum Alkoholismus und zur warmen. Jahreszeit. Sie sind sehr h\u00e4ufig, lodern pl\u00f6tzlich auf und erl\u00f6schen ebensoschnell. Sie entstehen oft aus unbedeutenden Gelegenheitsursachen. Sie sind barbarischen und abgelebten V\u00f6lkern, welche durch eine Reihe von Kulturepochen ersch\u00f6pft und nicht mehr entwickelungsf\u00e4hig sind, eigent\u00fcmlich. Es beteiligen sich an ihnen gew\u00f6hnlich nur wenige, oder nur eine Klasse, oder eine Sekte. H\u00e4ufig spielen Frauen darin eine Rolle. Verbrecher und Irre beteiligen sich zahlreich, dafs-oft ein epidemischer Einflufs festgestellt werden kann. Geniale Naturen fehlen dabei fast v\u00f6llig.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nLitteraturbericht.\nDie Revolutionen hingegen sind immer selten, am seltensten in heifsen L\u00e4ndern. Sie folgen in vielen Beziehungen den Gesetzen der Genialit\u00e4t, wie auch in ihrer F\u00fchrerschaft die Genies und die leidenschaftlichen Menschen hervortreten. Sie brechen am h\u00e4ufigsten (ebenfalls in warmen Monaten) in L\u00e4ndern mit m\u00e4fsiger W\u00e4rme auf trockenem Boden aus, vor allem auf Berg- und H\u00fcgelland, selten im Flachland und auf vulkanischem Boden. Am allerh\u00e4ufigsten sind sie in Gebieten mit Jurakalkboden oder, in den ans Meer grenzenden L\u00e4ndern, in welchen f\u00fcr den Land- und Wasserverkehr gleichm\u00e4fsig g\u00fcnstige Verh\u00e4ltnisse sind. Sie gehen parallel mit der K\u00f6rpergr\u00f6fse der Rasse, mit ihrer gr\u00f6fseren Sterblichkeit oder Genialit\u00e4t und mit der geringeren Fruchtbarkeit des Bodens. Sie zeigen sich h\u00e4ufiger in industriellen als' in agrarischen L\u00e4ndern, h\u00e4ufiger in den grofsen als in den kleinen Centren. In verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofser Zahl findet man sie bei blonden dolicho-cephalen Rassen, noch mehr bei Mischrassen und bei solchen, bei denen der Wechsel des Klimas \u00e4hnlich wirkt, wie die Vermischung mit einem anderen Stamme. Immer beteiligen sich an ihnen die meisten Klassen der Bev\u00f6lkerung. Sie haben nur eine oberfl\u00e4chliche Beziehung zum Alkoholismus, wohl aber eine direkte zur Zunahme der Geistesst\u00f6rungen, der Neurosen und der Kriminalit\u00e4t, wobei Lombroso nicht entscheidet, ob diese Zunahme aus gleichen Gr\u00fcnden entspringt, wie die Revolutionen, oder nur eine Folge der durch sie geschaffenen unmittelbaren Sch\u00e4digungen ist.\nZum Beweis seiner Behauptungen f\u00fcgt Lombroso eine Reihe statistischer \u00dcbersichten, Diagramme und Landschaften bei, von denen gegenw\u00e4rtig namentlich die orographischen, ethnischen, \u00f6konomischen und politischen Verh\u00e4ltnisse Frankreichs interessieren werden.\nIn der Analyse der geschichtlich bekannteren Helden der Revolutionen und Revolten d\u00fcrfte Lombroso den lebhaftesten Widerspr\u00fcchen begegnen. Da tritt es wieder zu Tage, dafs er den Rechtsbrecher in allzu pathologischer F\u00e4rbung sieht. Dafs sich Geisteskranke und Halbkranke z\u00fc Revolten dr\u00e4ngen, ist eine l\u00e4ngst bekannte Thatsache, ja die Pariser Irren\u00e4rzte schieben, was dem Verfasser trotz seiner grofsen Litteraturkenntnis entgangen zu sein scheint, die Abnahme der Paranoia, nach 1871 dem Umstande zu, dafs viele Kandidaten dieser St\u00f6rungsform bei den Communards zu Grunde, gingen; aber von \u201epolitischer Epilepsie\u201c zu sprechen und Degenerationszeichen, wie z. B. die schiefe Nase Mirabeaus aus Bildern zu diagnosticieren, ist gewagt. Vermifst d\u00fcrfte Kullmann werden, dessen Procefs Heinrich Neumanns geistvolle Feder beleuchtete; auch Blind und Czech k\u00f6nnten der Erw\u00e4hnung lohnen.\nDer zweite Teil des Werkes: die \u00f6konomische, sociale und politische Prophylaxe des politischen Verbrechens r\u00fchrt wohl meist von dem Mitarbeiter, dem Juristen Laschi, her. Er enth\u00e4lt ein v\u00f6lliges socialpolitisches Programm und wird, wie alle Fragen der Tagespolitik, die verschiedenartigste Beurteilung erfahren. Wertvoll erscheint darin besonders die Einleitung, eine allerdings nur skizzenhafte, vergleichende Rechtsgeschichte \u00fcber die Bestrafung des politischen Verbrechens.\nLeppmann (Berlin).","page":384}],"identifier":"lit15341","issued":"1893","language":"de","pages":"382-384","startpages":"382","title":"C. Lombroso und R. Laschi: Der politische Verbrecher und die Revolutionen in anthropologischer, juristischer und staatswissenschaftlicher Beziehung. Hamburger Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:45.192511+00:00"}