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{"created":"2022-01-31T17:02:21.093759+00:00","id":"lit15375","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schaefer, Karl L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 1-9","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der Physiologischen und Anatomischen Anstalt zu Rostock.)\nFunktion und Funktionsentwickelung der Bogeng\u00e4nge.\nVon\nKarl L. Schaeeer in Rostock.\nDie durch, die Fundamentalversuche von Flourens angeregte, von Goltz 1870 zuerst formulierte Frage, ob wir das Ohrlabyrinth als ein statisches Sinnesorgan anzusehen haben, hat man lange Zeit nur durch Experimente an Wirbeltieren zu entscheiden versucht. Erst in den letzten Jahren sind eine Keihe von Untersuchungen auf dem Gebiete der vergleichenden Physiologie der Wirbellosen und der experimentellen Pathologie hinzugekommen und zu gunsten der Existenz eines statischen Sinnes und Sinnesorganes ausgefallen.\nUnter diesen ist wohl diejenige von Yyes Delage zuerst zu nennen. In seiner Experimentalstudie \u201eSur une fonction nouvelle des otocystes comme organes d\u2019orientation locomotrice\u201c 1 lieferte er durch Exstirpationsversuche an Gephalopoden und Crustaceen den Beweis, dafs durch beiderseitigen Verlust der Otocysten die Orientierung im Kaum mehr oder weniger gest\u00f6rt wird und vollst\u00e4ndig aufh\u00f6rt, wenn den Tieren auch noch die M\u00f6glichkeit genommen wird, sich korrigierender H\u00fclfsmittel, wie solche die Augen und Antennenf\u00e4den darbieten, zu bedienen.\nDie Arbeit von Delage wurde Veranlassung, dafs Engelmann2 einige Betrachtungen \u00fcber die wahrscheinlich statische\n1\tArch, de zool. experiment, et g\u00e9n\u00e9rale. II. Ser. Tome Y, 1887.\n2\t\u00dcber d. Funktion d. Otolithen. Zoolog. Anzeiger 1887, No. 258.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nKarl L. Schaefer.\nFunktion der Otolitlien der Ctenoplioren ver\u00f6ffentlichte, zu-denen sp\u00e4ter Max Veewoen in seiner Untersuchung \u201eGleichgewicht und Otolithenorgan\u201c1 2 den experimentellen Beweis erbrachte.\nChronologisch folgt auf die Arbeit von Verwohn die experimental-pathologische Untersuchung von A. Kkeidl3, die sich auf Taubstumme bezieht. Wenn die statische Labyrinththeorie in ihrer gegenw\u00e4rtigen Formulierung richtig ist, wenn also die halbzirkelf\u00f6rmigen Kan\u00e4le wirklich ein sensibles Organ f\u00fcr die Wahrnehmung von Drehbewegungen und die reflektorische Ausl\u00f6sung der dabei typisch auftretenden kompensatorischen Augenbewegungen sind, w\u00e4hrend der Otolithen-apparat ein Sinnesorgan f\u00fcr die Wahrnehmung unserer Lage im Baume darstellt, so m\u00fcssen die meisten Taubstummen einem ver\u00e4nderten Einflufs der Schwerkraft gegen\u00fcber gewisse Anomalien zeigen und sind mithin f\u00fcr die Labyrinththeorie wertvolle Versuchsobjekte, da nach den statistischen Erhebungen von H. Mygind3 etwa zwei Dritteile von ihnen mehr oder weniger pathologische Ver\u00e4nderungen des inneren Ohres aufzuweisen haben. Schon W. James4 hat eine grofse Anzahl von Taubstummen auf ihr Verhalten unter Wasser, wo die sonst ebenfalls orientierenden Gravitationsempfindungen des K\u00f6rpers wegfallen, gepr\u00fcft'und h\u00e4ufig die vollkommenste Unf\u00e4higkeit, sich \u00fcber die Lage des K\u00f6rpers zur Wasseroberfl\u00e4che zu orientieren, gefunden. War somit bereits ein Gegensatz zwischen Gesunden und Taubstummen gegen\u00fcber einer Verringerung der Schwere konstatiert, so ergaben die Botations-versuche von Keeidl einen solchen gegen\u00fcber der Ver\u00e4nderung der Schwerkraftsrichtung \\ und endlich hat ganz neuerdings eine Arbeit von J. Pollak: \u201e\u00dcber den galvanischen Schwindel bei Taubstummen und seine Beziehung zur Funktion des Ohren-\n1\tPfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 50, S. 423. [Keferat dar\u00fcber Bd. IV, S. 120 dieser Zeitschrift.]\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Ohrlabyrinthes auf Grund von Verglichen an Taubstummen. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 51, S. 119. [Beferat dar\u00fcber Bd. IV, S. 120 dieser Zeitschrift.]\n8 \u00dcbersicht \u00fcber die pathologisch-anatomischen Ver\u00e4nderungen der Geh\u00f6rorgane Taubstummer. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. XXX, S. 76.\n4 Sense of dizziness in deafmutes. Harward Univ. Amer.. Journ. of Otology, Oktober 1887.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Funktion und Funktionsentwickelung der Bogeng\u00e4nge.\n3\nlabyrinthes\u201c1 erwiesen, dafs Taubstumme auch auf die galvanische Durchstr\u00f6mung des Kopfes anders reagieren, als normale Menschen.\nDie Versuche von Kreidl und Pollak bedeuten die dankenswerte Ausf\u00fcllung einer wesentlichen L\u00fccke in dem experimentellen Fundament der Labyrinththeorie, wenn man auch den beiden Autoren die als eine besondere St\u00fctze der Labyrinththeorie betonte \u00dcbereinstimmung ihrer Befunde mit denen von Mtgind nicht wird zugeben k\u00f6nnen. Denn w\u00e4hrend Kreidl die Zahl der Taubstummen, deren Horizontalkan\u00e4le beiderseits funktionsunf\u00e4hig sind, mit 50 bis 58% berechnet; f\u00fcr das Fehlen der physiologischen T\u00e4uschung \u00fcber die .Richtung der Vertikalen w\u00e4hrend einer Drehung im Kreise 21% angiebt, und Pollak endlich auf 30 % Taubstummer mit v\u00f6llig unbrauchbaren Vestibularapparaten schliefst, entnehme ich aus derMxGlND-schen Tabelle ganz bedeutend niedrigere Prozents\u00e4tze, selbst mit Hinzunahme einiger zweifelhafter F\u00e4lle. Die MYGiNDschen Protokolle sind \u00fcbrigens f\u00fcr eine exakte physiologische Verwertung recht unzureichend.\nDie physiologischen Schlufsfolgerungen aus seiner Taubstummenuntersuchung best\u00e4tigte Kreidl sp\u00e4ter durch Versuche an Fischen2 und Krebsen.2 Die letzteren sind die wichtigsten. Denn es wird hier nicht nur zum ersten Male ohne vivisektorisehe Eingriffe mit den Otolithen experimentiert, sondern die Untersuchung erweist auch die [Richtigkeit der besprochenen Experimente von Delage und erstreckt sich endlich noch auf [Rotationsversuche an Krebsen.\nDiese Drehversuche f\u00fchren uns nun auf ein neues Gebiet der vergleichenden Erforschung unseres Gegenstandes. Es ist dies das Verhalten wirbelloser Tiere auf der Drehscheibe. Ich glaube, dafs Mach in seinen \u201eGrundlinien der Lehre von den Bewegungsempfindungen\u201c 3 zuerst den naheliegenden Gedanken\n1\tPfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 54, S. 188. [Referat dar\u00fcber Bd. VI, S. 397 dieser Zeitschrift.]\n2\tWeitere Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Ohrlabyrinthes. I. und II. Mitteilg. Wiener Sitzungsber. Math.-Nat. Ol. Bd. CI, Abtlg. III, Nov. 1892, resp. Bd. CII, Abtlg. III, Jan. 1893. [Referat dar\u00fcber Bd. V, S. 356 und Bd. VI, S. 66 dieser Zeitschrift.]\n3\tLeipzig 1875.","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nKarl L. Schaefer.\nausgesprochen hat, es sei f\u00fcr die Labyrinthfrage wichtig, die labyrinthlosen Evertebraten daraufhin zu pr\u00fcfen, ob sie ebenso oder anders als die Wirbeltiere auf Drehungen reagieren. Jedenfalls arbeite ich schon seit vielen Jahren, allerdings mit grofsen Unterbrechungen, an einer m\u00f6glichst umfangreichen Ausf\u00fchrung dieser Forderung, wenn auch meine Versuche erst zum kleinsten Teile ver\u00f6ffentlicht sind.1 Aus diesen Studien geht nun soviel schon mit ziemlicher Sicherheit hervor, dafs die Wirbellosen Schwindelerseheinungen unmittelbar nach der Drehung, wie sie f\u00fcr die Wirbeltiere so charakteristisch sind, durchaus nicht darbieten; dafs sich hierin vielmehr ein scharfer Gegensatz zwischen Vertebraten und Evertebraten, also zwischen Tieren mit und ohne Labyrinth kundthut.\nIn der weiteren Verfolgung dieses Unterschiedes war es f\u00fcr mich von begreiflichem Interesse, wenn m\u00f6glich ein Tier zu untersuchen, das nur w\u00e4hrend eines Teiles seines Lebens Bogeng\u00e4nge besitzt. Da ich keine entwickelungsgeschichtlichen Angaben dar\u00fcber finden konnte, wann die Entwickelung des Labyrinthes bei Froschlarven abgeschlossen ist, so lag die nunmehr durch meine gleich zu besprechende embryologische Untersuchung zur Thatsache erhobene M\u00f6glichkeit vor, dafs die Kaulquappen, wenn sie die Gallerth\u00fclle verlieren und damit ihre volle Freibeweglichkeit im Wasser erhalten, noch unfertige Bogeng\u00e4nge besitzen, physiologisch also den labyrinthlosen Tieren gleichstehen. Der Theorie nach m\u00fcfsten sie dann in diesem Stadium auch drehschwindelfrei sein.\nDafs \u00e4ltere Larven von Kana temporaria dem Drehschwindel unterliegen, habe ich schon im Fr\u00fchling des Jahres 1892 festgestellt. Es ist n\u00f6tig, zun\u00e4chst diese Versuche zu besprechen. Die Centrifuge, die dazu benutzt wurde und die auch zu meinen Versuchen an Wirbellosen diente, ist sehr einfach. Auf beiden Enden der oberen Fl\u00e4che eines daumendicken, 30 cm langen, 5 cm breiten Brettchens befindet sich eine Drehscheibe; beide sind durch einen Schnurlauf verbunden, und die kleinere tr\u00e4gt eine knopff\u00f6rmige Handhabe zum Drehen, w\u00e4hrend auf der anderen eine Pappscheibe, ein Glaskasten oder\n1 S. diese Zeitschrift Bd. Ill, S. 185 ff. und Naturwiss. Wochenschr. 1891, No. 25.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Funktion und Functions entwickelung der Bogeng\u00e4nge.\n5\neine Schachtel, je nach der Art des Tieres und des Versuches befestigt ist. Was nun die Kaulquappen anlangt, so werden sie am besten in einem Papphasten rotiert. Ist das Tier in die gew\u00fcnschte Lage gebracht, nach den anf\u00e4nglichen Fluchtversuchen zur Ruhe gekommen und an die rauhe Unterlage ganz leicht angetrocknet, gerade soviel, dafs die geringe Schwungkraft es nicht abschleudert, so beginnt der Versuch. Die kleine Centrifuge wird mit der linken Hand unmittelbar \u00fcber ein gr\u00f6fseres, am besten ziemlich flaches Gef\u00e4fs mit Wasser gehalten; mit der rechten Hand wird gedreht. Nach einer gen\u00fcgenden Anzahl Dotationen von passender und m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsiger Geschwindigkeit \u2014 letzteres ist besonders wichtig und jedenfalls darf die Geschwindigkeit gegen Ende des Versuches nicht abnehmen \u2014 wird pl\u00f6tzlich angehalten und die Maschine durch eine rasche Pronation der linken Hand umgedreht, worauf das Tier von selbst in das unter ihm befindliche Wasser f\u00e4llt oder, wenn n\u00f6tig, durch einen kurzen Ruck nach unten geschleudert wird. Auf diese Weise wird der sonst so st\u00f6rende Zeitverlust zwischen der passiven und der folgenden aktiven Bewegung des Versuchstieres auf ein Minimum reduciert, und so gelang es denn, nachdem ich durch Vorversuche die notwendige \u00dcbung erlangt, in ca. 75% der Versuche, zu deren jedem nat\u00fcrlich ein frisches Exemplar genommen wurde, sehr deutlichen Drehschwindel zu beobachten. Die Kaulquappen wurden zum Teil um eine ihrer dorsiventralen, zum Teil um eine ihrer L\u00e4ngsachse Parallele gedreht. In den schwierigeren Versuchen letzterer Art, deren Erfolg namentlich von der \u00dcbung des Experimentators abh\u00e4ngt, waren die Tiere auf dem Wege des Antrocknens an den Seitenw\u00e4nden des Kastens befestigt. Die Art des Drehschwindels ist nun genau dieselbe, welche die \u00fcbrigen Vertebraten darbieten: die passive Drehung wird um dieselbe Achse und in demselben Sinne aktiv st\u00fcrmisch fortgesetzt.1 Dabei verleiht das energische, krampfartige Schlagen des Ruderschwanzes der Bewegung unzweideutig den Charakter einer Zwangsbewegung. Alles in allem lassen\n1 Zuweilen kommt es vor, dafs ein im Sinne des Uhrzeigers gedrehtes Tier mit einer Manegebewegung gegen den Uhrzeiger reagiert. Dies sind jedoch, wie wiederholt konstatiert werden konnte, dann solche F\u00e4lle, in denen das Tier auf dem R\u00fccken, statt auf dem Bauche schwimmt.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nKarl L. Schaefer.\ndie gewonnenen Resultate sich einfach in den Satz zusammenfassen: Altere Larvenstadien von Rana temporaria zeigen unmittelbar nach passiven Rotationen genau dieselben Erscheinungen, welche f\u00fcr alle Vertebraten charakteristisch und unter dem Namen der Man\u00e8ge- resp. Rollbewegung bekannt sind.\nF\u00fcr die h\u00f6her organisierten Tiere und den Menschen pflegen auch die Anh\u00e4nger der statischen Labyrinththeorie den sensiblen Vorg\u00e4ngen im Lokomotionsapparat einen gewissen Einflufs auf die Entstehung der Bewegungsempfindungen und der Zwangsbewegungen z uzuschreib en. Mit R\u00fccksicht hierauf stellte ich noch Nebenversuche dar\u00fcber an, ob die G-r\u00f6fse und Richtung, mit der die Centrifugalkraft auf das einzige Lokomotionsorgan der Froschlarven, den Ruderschwanz, einwirkt, etwa von Einflufs auf den Drehschwindel sei. Es erwies sich indessen als ganz gleichg\u00fcltig, ob das Tier mit langgestrecktem Schw\u00e4nze rotiert, oder ob letzterer w\u00e4hrend der Drehung unter dem Bauche oder an der Seite liegt : immer ist di'e Reaktion ceteris paribus die gleiche. Will man also nicht geradezu auf jene \u00e4lteren und unbeliebten Theorien zur\u00fcckgreifen, nach denen die specifische Verteilung des Blutes im Gehirn oder direkt die Zerrung und Pressung der Gehirnmolek\u00fcle infolge der Schwungkraft die Folgen der passiven Drehungen hervorrufen sollen, so bleibt wohl kaum eine andere Erkl\u00e4rung \u00fcbrig, als dafs die Man\u00e8ge- und Rollbewegungen der Froschlarven vom Labyrinth ausgel\u00f6st werden.\nUm nun des weiteren festzustellen, ob der Drehschwindel der Froschlarven schon vor der vollendeten Entwickelung der Bogeng\u00e4nge, oder zugleich mit ihr, oder erst nachher auf\u2019tritt, war es zun\u00e4chst der notwendigen Kontrolle ihres Alters wegen geboten, die Versuchstiere auf dem Wege der k\u00fcnstlichen Befruchtung zu z\u00fcchten. Alsdann waren dieselben nach Erlangung ihrer Freibeweglichkeit im Wasser Tag f\u00fcr Tag auf Drehschwindel zu pr\u00fcfen, und eine gen\u00fcgende Anzahl der Gepr\u00fcften f\u00fcr die sp\u00e4tere anatomische Untersuchung zu konservieren. Dank dem bereitwilligen Entgegenkommen und der vielfachen pers\u00f6nlichen Unterst\u00fctzung seitens der Herren Professor Lanobndorff, Professor von Brunn und Prosektor Dr. Reinke konnte ich in den R\u00e4umen und mit dem Material der hiesigen","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Funktion und Fimktionsentwickelung der Bogeng\u00e4nge.\t7\nPhysiologischen und Anatomischen. Anstalt eine Untersuchung dieser Art ausf\u00fchren.\nDie k\u00fcnstliche Befruchtung wurde am 8. April mittags in der bekannten Weise vorgenommen und die Brut in t\u00e4glich gewechseltem, reinem Leitungswasser aufgezogen. Eine besondere F\u00fctterung der Larven fand w\u00e4hrend der ganzen Zeit nicht statt. Am, 17. April, also am 9. Tage \u2014- die Versuche fanden stets morgens statt \u2014, bewegten sich zuerst Larven spontan im Wasser. Am n\u00e4chsten Tage waren schon die meisten ohne Gallerth\u00fclle und schwammen, wenn auch noch nicht lebhaft, im Beh\u00e4lter umher. Mit diesem Tage, dem 10. also, begannen nun auch die Drehversuche. Da die Versuchstiere noch sehr zart, wurden sie in einem leeren Becherglase gedreht und nach dem pl\u00f6tzlichen Anhalten rasch Wasser zugegossen, oder es wurde nach dem Anhalten der Scheibe das Gef\u00e4fs abgenommen und in eine grofse Wanne mit Wasser so eingetaucht, dafs das Versuchsobjekt sanft herausgesp\u00fclt wurde. Vom 13. Tage an kam folgende Methode zur Anwendung. Auf den Boden des fr\u00fcher benutzten Pappkastens wurde ein schmaler, teilweise feuchter und daher etwas anklebender Streifen Fliespapier gebracht, dessen \u00e4ufseres trockenes Ende den Kastenrand \u00fcberragte. Auf diesen Papierstreifen kam das Tier, dem eine der zu erzielenden Man\u00e8g\u00e9bewegung \u2014 auf die Beobachtung von Rollbewegungen wurde \u00fcberhaupt verzichtet, und also eigentlich nur der horizontale Bogengang in Betracht gezogen \u2014 entsprechende Lage gegeben wurde. Nach der Rotation wurde der Papierstreifen am \u00fcberstehenden Ende gefafst und das Tier rasch und sanft in das Wasser gelassen. Trotzdem somit m\u00f6glichst auf eine vollkommene Technik Bedacht genommen wurde, beobachtete ich erst am 14. Tage ganz vereinzelt, und etwas deutlicher am 15. Tage Bewegungen, die vielleicht schon als Zwangsbewegungen aufgefafst werden konnten. Unzweifelhaft echte Man\u00e8gebewegungen, die auch durch das charakteristische krampfhafte Schlagen des Schwanzes ausgezeichnet waren, wurden zuerst am 16. Tage gesehen und von da an t\u00e4glich in steigender Frequenz beobachtet. Allerdings blieb der Procentsatz stark hinter demjenigen \u00e4lterer Larven zur\u00fcck, was aber wohl in der relativen Zartheit der Objekte und den darum gr\u00f6fseren technischen Schwierigkeiten der Versuche seine Ursache haben d\u00fcrfte.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nKarl L. Schaefer.\nDie an den Versuchsobjekten sp\u00e4ter vorgenommene anatomische Untersuchung ergab nun folgendes:\nAm 10. Tage ist die Geh\u00f6rblase noch von unregelm\u00e4fsig kugeliger Gestalt. Die Gegend, in welcher sich sp\u00e4ter der horizontale Bogengang entwickeln wird, ist aber bereits durch eine leicht angedeutete Ausst\u00fclpung gekennzeichnet.\nAm 11. Tage ist die Wand der Geh\u00f6rblase an der Stelle des sp\u00e4teren horizontalen Kanales bereits deutlich taschenf\u00f6rmig ausgest\u00fclpt. Zugleich zeigt sich bei den besser entwickelten Larven schon jetzt die Labyrinthblase in der L\u00e4ngsrichtung gestreckt und das vordere wie das hintere Ende etwas nach aufsen gebogen, so dafs die ganze Blase eine gewisserma\u00dfen nierenf\u00f6rmige Gestalt mit der Konkavit\u00e4t nach aufsen annimmt, als erste Andeutung. des k\u00fcnftigen Winkels, den die Ebenen des vorderen und hinteren Bogenganges miteinander im fertigen Zustande bilden werden.\nAm 12. Tage ist namentlich bei den besser entwickelten Tieren die horizontale Tasche sehr grofs und deutlich. Die Mitte ihrer oberen Wand senkt sich trichter- oder zapfenf\u00f6rmig der unteren Wand entgegen, die gleichzeitig einen ebensolchen Zapfen aufw\u00e4rts sendet. Diese Zapfen sind sehr deutlich. Analoge Bildungen an der medialen resp. lateralen Wand des vorderen vertikalen Kanales sind in der ersten Entwickelung begriffen.\nAm 13. Tage sind die Zapfen des horizontalen Bogenganges mit einander zu einer soliden Br\u00fccke verschmolzen und der Kanal damit als solcher vom Innenraum abgegrenzt. Die Zapfen des vorderen Vertikalganges sind entweder ebenfalls schon verwachsen, oder stofsen doch wenigstens unmittelbar zusammen. Die Zapfenbildung des hinteren Kanales beginnt.\nAm 14. Tage ist auch der vordere Kanal fertig abgeschn\u00fcrt. Die Zapfen des hinteren stehen bis zur Ber\u00fchrung nahe einander gegen\u00fcber.\nAm 15. Tage ist endlich auch der hintere vertikale Bogengang definitiv geschlossen.\nHinsichtlich der Ampullenbildung finde ich mit Kra\u00fcse,1 dafs dieselbe gleichzeitig mit der Entwickelung der Bogeng\u00e4nge\n1 Entwickelungsgeschichte der h\u00e4utigen Bogeng\u00e4nge. Arch. f. mikrosk' Anat. Bd. 35, S. 287.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Funktion und FunktionsentivicJcelung der Bogeng\u00e4nge.\n9\nstattfindet, und dafs die Cristae aoustieae schon sehr fr\u00fch an der Epithelverdickung kenntlich sind.\nWas ergiebt nun schliefslich die Vergleichung der physiologischen und anatomischen Untersuchung? Sie zeigt, dafs das erste Auftreten von Drehschwindel mit der Vollendung der Bogengangbildung zeitlich zusammenf\u00e4llt, eine Thatsache, die den Forderungen der statischen. Labyrinththeorie vorz\u00fcglich entspricht.","page":9}],"identifier":"lit15375","issued":"1894","language":"de","pages":"1-9","startpages":"1","title":"Funktion und Funktionsentwickelung der Bogeng\u00e4nge","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:21.093767+00:00"}