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{"created":"2022-01-31T16:59:22.515450+00:00","id":"lit15376","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Zwaardemaker, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 10-28","fulltext":[{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\nVon\nDr. H. ZWAARDEMAKEB in Utrecht.\n*\t(Mit 5 Figuren im Text.)\nVor Jahren hat Donders1 darauf hingewiesen, dafs auch f\u00fcr das Ohr die Lokalisation des Reizes der letzte Grund des Unterscheidens ist. Die T\u00f6ne sind keine verschiedenen Qualit\u00e4ten, sondern Empfindungen derselben Art, die nur durch ihre\n1 Donders in der Dissertation von A. H\u00fcysman: ,,I)e afstomping der g\u00e9hoorsenuw door geluidsindrukken 1884.\u201c\nWeil diese Dissertation nur in holl\u00e4ndischer Sprache erschienen, lassen wir die w\u00f6rtliche \u00dcbersetzung folgen.\n\u201eDie gew\u00f6hnliche Auffassung, ist diese, dafs Tonh\u00f6he und Darbe die analogen Energien des Geh\u00f6rs- und des Gesichtssinnes sind. (Helmholtz, Tonempfindung. 1. Aufl. S. 244.).......... Dafs beiden \u2014 den Unter-\nschieden der Farbe wie der Tonh\u00f6he \u2014 Unterschiede der Schwingungsdauer zu Grunde liegen, gab Veranlassung, beide f\u00fcr analog zu halten. Jedoch diese Schwingungen selbst geh\u00f6ren zu ganz verschiedenen Ordnungen. F\u00fcr eine Schwingung der menschlichen Stimme eine Billion Schwingungen des sichtbaren Spektrums! Diese bringen die Molekeln und Atome in Bewegung und rufen photochemische Processe hervor, jene hingegen die kleinen Massen und wirken direkt rein mechanisch. Um die Analogie zwischen Tonh\u00f6he und Farbe zu beweisen, brauchen wir also andere Gr\u00fcnde. Stehen dieselben vielleicht in gleicher Beziehung zu den Nervenfasern? F\u00fcr die Schallempfindungen hat Helmholtz gezeigt, wie Morphologie, Physik und Physiologie in sch\u00f6nster \u00dcbereinstimmung dazu f\u00fchren, die verschiedenen Tonh\u00f6hen mit gesonderten Nervenfasern zu verbinden. Und Thomas Young hat f\u00fcr seine drei fundamentalen Energien des Farbensinnes auf jeder Empfindungsarea der Netzhaut drei Fasern postuliert. Er war dazu ohne Frage berechtigt. Man kannte zu jener Zeit weder die Endigung der Optikusfasern, noch ihre peripherischen","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Ber Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\n11\nLokalzeichen verschieden sind. Sie bilden eine kontinuierliche Reihe und k\u00f6nnen zu gleicher Zeit empfunden werden, ohne sich zu \u00e4ndern oder gegenseitig aufzuheben. Das Ohr besitzt das Verm\u00f6gen, den Totaleindruck in die zusammensetzenden Empfindungen zu zerlegen, von denen jede dann mit ihrem Lokalzeichen zur Wahrnehmung gelangt. Der Reihe der T\u00f6ne entspricht im Ohre nach der HELMHOLTZschen Hypothese eine Reihe von percipierenden Elementen, und wahrscheinlich wird etwas \u00c4hnliches sich im Centralorgane wiederholen.\nWenn diese Vorstellungen richtig sind, ist die Reihe der T\u00f6ne das Analogon des Gesichtsfeldes, denn dort wie hier sind die Sinneselemente nebeneinander zu einem Ganzen geordnet, welches in seiner Umgrenzung und seinen Eigenschaften studiert werden soll. Morphologisch streben wir diesem Ziele durch Nekropsie zu, physiologisch untersuchen wir den Bereich, \u00fcber welchen die Empfindung sich ausdehnt. Wir wollen nun die Reihe der T\u00f6ne, welche wir zu h\u00f6ren im st\u00e4nde sind, die Geh\u00f6rslinie nennen.\nElemente. Nun aber, wo es sich gezeigt hat, dafs nur gleichartige Kegel und St\u00e4bchen, in der Fovea centralis nur gleichartige Kegel zu finden sind, mufs diese Vorstellung aufgegeben werden.......\nAuch positive Gr\u00fcnde von allgemeiner und specieller Art (Annales d\u2019oculistic. T. 87, pag. 205, 1882) n\u00f6tigen uns, in einer Optikusfaser mehr als einen Procefs anzunehmen. Und so mufs unsere Antwort auf die gestellte Frage verneinend sein: W\u00e4hrend jede Tonh\u00f6he, deren Unterscheidung m\u00f6glich ist, ihre eigene Faser hat, besteht kein Grund, die verschiedenen Processe der Farbenempfindung an gesonderte Fasern gebunden zu denken.\nUnd hiermit h\u00e4ngt es zusammen, dafs, w\u00e4hrend die Farben gemischte Empfindungen bilden, die Tonh\u00f6hen selbst\u00e4ndig bleiben; dafs, w\u00e4hrend alle Farben sich aus einer kleinen Zahl fundamentaler Farben bilden, bei den T\u00f6nen so viele Energien zu unterscheiden sind, als es Tonh\u00f6hen giebt; dafs, w\u00e4hrend die Farben sich mit ihren \u00dcberg\u00e4ngen in bestimmter Folge in einen Kreis ordnen lassen, mit typischen Farben und Wendepunkten, die T\u00f6ne hingegen eine Einzelreihe bilden von den h\u00f6chsten bis zu den tiefsten ohne specifischen Charakter; dafs endlich neben den Farben (den verschiedenen partiellen Processen) sich als Totalprocefs das neutrale Weifs zeigt, dessen Analogon bei den T\u00f6nen nicht zu finden ist.\nSo kehren wir zu unserem Ausgangspunkte zur\u00fcck : Die Analogie der Tonh\u00f6he \u2014 nicht mit den Farben, sondern mit den Lokalzeichen Lotzes, und wirklich ist mit jeder Empfindung im Auge oder auf der Haut, abgesehen von Farbe, von Temperatim und vom Drucke, ein Lokalzeichen verbunden. Dem Geh\u00f6rnerv fehlt dieses Zeichen als solches. Urteilen","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nH. Zivaardemalcer.\nNicht alle Schallschwrngungen werden von uns als solche empfunden. Diejenigen, deren Wellen sehr langsam aufeinander-folgen, k\u00f6nnen vielleicht noch durch den Gef\u00fchlssinn zur Wahrnehmung gelangen, eine eigentliche Geh\u00f6rsempfindung rufen sie nicht hervor. Ebensowenig ist letzteres bei Wellen von sehr geringer Schwingungsdauer der Fall. Sie m\u00f6gen die Luft unserer Umgebung in heftige Ersch\u00fctterung bringen, eine empfindliche Flamme lebhaft beeinflussen, f\u00fcr unser Ohr gehen sie ger\u00e4uschlos vor\u00fcber. Wir stellen uns daher in erster Linie zur Aufgabe, die Geh\u00f6rslinie abzugrenzen und zugleich ihre Lage in der unendlich grofsen Reihe der physikalischen Luftschwingungen, welche auf unser Geh\u00f6rorgan \u00fcbertragen werden k\u00f6nnen, jedoch nur zum kleinsten Teile geh\u00f6rt werden, n\u00e4her zu bestimmen.\nSchon oft hat man versucht, die Grenze der Geh\u00f6rslinie festzustellen. Sowohl f\u00fcr die untere, als auch f\u00fcr die obere Tongrenze liegen aus \u00e4lterer und neuerer Zeit manche Angaben vor. Wenn wir nur die neueren Autoren hier auff\u00fchren\nwir \u00fcber die Richtung, aus welcher der Schall zu uns kommt, so geschieht es nur verm\u00f6ge der ungleichen Wirkungen desselben Schalles auf beide Ohren und einigermafsen aus eigent\u00fcmlichen \u00c4nderungen der bekannten Klangfarben in Zusammenhang mit der Richtung, worin die Wellen das Ohr erreichen. Den Rasern des Geh\u00f6rnervs fehlt also das Lokalzeichen. Was f\u00fcr das Lokalzeichen an die Stelle tritt, als gebunden an jede Raser, das ist die Unterscheidung der Tonh\u00f6he. Wie die Endorgane mit ihren Lokalzeichen, liegen die H\u00f6henunterschiede in einer bestimmten Aufeinanderfolge, welche sich f\u00fcr beide auch im Centralorgane zu wiederholen scheinen, und, wie in der Haut und in der Netzhaut, schmelzen die Eindr\u00fccke der unmittelbar aneinandergrenzenden Elemente sich zu einer Empfindung zusammen. Bei der Anlage der Organe, so stellen wir uns vor, wird mit der Vermehrung der Gewebeelemente, im Zusammenh\u00e4nge mit ihrer Disposition, mit jedem Elemente neben der allgemeinen Energie das Lokalzeichen reell oder virtuell verbunden. Bei der genetischen Erkl\u00e4rung fasse man ins Auge, dafs, gaben die Geh\u00f6rfasern nur eine aufsteigende Reihe von Tonh\u00f6hen, gleichviel nach welcher Runktion, die Schallwellen selbst mit ihren Interferenzen in derselben die harmonische Beziehung der T\u00f6ne im Zusammenh\u00e4nge mit der Schwingungsdauer, und der Klangfarbe in Zusammenhang mit der Resonanz, nothwendig hervorrufen mufsten, w\u00e4hrend die Lokalzeichen im Auge und auf der Haut, in Verbindung mit ihrer gegenseitigen Kontrolle, unter dem Einflufs der Erfahrung, die Bedingungen zu ihrer Entwickelung fanden. So scheint in der That gen\u00fcgender Grund vorhanden zu sein, um Lokalzeichen und Tonzeichen als homologe Energien anzuerkennen.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lehensjahren.\n1 4\"> 16\nwollen, so sind Helmholtz,1 B. K\u00f6nig, Preyer,2 Kerr-Lote3 und Appunn4 zu nennen. Alle diese haben eigene Beobachtungen gemacht, welche aber nicht ganz untereinander \u00fcbereinstimmen. Wir haben ihre Resultate zur besseren \u00dcbersicht in folgendem Schema vereinigt.\nx\n8\n\n\u00f6\nXX\n16\n32\ncp\nt^^am^^Haat256aaK^l^mMW24IIB^04^al409^H^92\nFig. 1.\nSchema der Geh\u00f6rsinne nach fr\u00fcheren Beobachtern.\n\nX X X\n16384\t32768\nDie T\u00f6ne sind hier in einer Linie, wie auf der Tastatur eines Klaviers, von links und rechts geordnet. Links finden sich die niederen Oktaven, rechts die h\u00f6heren, und unter der Linie sind die Schwingungszahlen angegeben, mit welchen die Oktaven anfangen und enden. Dazu ist das a d\u2019orchestre angegeben, damit man sofort die Lage der Linie der musikalischen Tonskala gegen\u00fcber erkennen kann.\nNun habe ich im Jahre 1890 gefunden, dafs die individuellen Verschiedenheiten, welche bis jetzt unerkl\u00e4rt geblieben waren, jedenfalls zum gr\u00f6fsten Teile auf Eigent\u00fcmlichkeiten des Alters zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Es stellte sich n\u00e4mlich heraus, d\u00e4fs die obere Grenze w\u00e4hrend des Lebens in unaufh\u00f6rlicher \u00c4nderung begriffen ist. Dieselbe verschiebt sich langsam in der Jugend, schneller im Greisenalter, und zwar in der Weise, dafs manche T\u00f6ne f\u00fcr den Greis spurlos vor\u00fcbergehen, welche der Mann noch deutlich h\u00f6rt, und diesem wieder T\u00f6ne fehlen, welche der Knabe leicht auffassen kann. Ein Teil dieses Faktums war schon l\u00e4ngst bekannt (Oskar Wolee, Guye, Vierordt), n\u00e4mlich die Thatsache, dafs Greise die hohen T\u00f6ne unvollkommen h\u00f6ren. Neu hinzugef\u00fcgt wurde von mir nur, dafs dieser Verlust an hohen T\u00f6nen schon in der Kindheit anf\u00e4ngt und ganz allm\u00e4hlich, unabh\u00e4ngig von Ver\u00e4nderungen am Trommelfelle, durch das ganze Leben\n1\tDie Lehre von den Tonempfindungen. 2. Ausgabe. S. 263.\n2\tW. Preyer, \u00dcber die G-renze der Tonwahrnehmung. Sammlung physiologischer Abhandlungen. 1. Reihe. l.Heft. Jena 1876.\n5 Glasgower Dissertation. Journ. ofAnat. and Phys. norm, and path. Vol 23. Pag. 336. 1889.\n1 Berichte der westerauischen Gesellschaft. 1887/88.\nPreyer","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"1.4\nH. Zwaardemaker.\nhin fortw\u00e4hrt. Nachdem ich das Gesetz beim zuf\u00e4lligen Durchsehen meiner Aufzeichnungen, welche normale und pathologische F\u00e4lle betrafen, gefunden hatte, suchte ich dasselbe sp\u00e4ter mit einer anderen Thatsache in Verbindung zu bringen, welche ganz unabh\u00e4ngig von der ersten nach induktiver Methode entdeckt (Politzer u. a.) wurde und Gemeingut der Ohren\u00e4rzte geworden ist. Ich meine die Abnahme der Knochenleitung mit zunehmendem Alter. Einerseits ist bis zu einem gewissen Grade der Parallelismus beider \u00c4nderungen : Einengung des oberen Tonbereiches und Verschlechterung der Knochenleitung, nicht zu bestreiten, und andererseits ist es mir, wie ich glaube, gelungen, den Beweis zu liefern, dafs jedenfalls nicht die Kigi-dit\u00e4t des Trommelfelles, wie man fr\u00fcher meinte, die Ursache unseres unvollkommenen H\u00f6rens der h\u00f6chsten T\u00f6ne ist.1 Kurz, die Altersver\u00e4nderungen des Geh\u00f6rorganes und des Sch\u00e4dels sind schuld an den individuellen Verschiedenheiten der oberen Tongrenze.\nSp\u00e4ter habe ich noch eine andere Quelle f\u00fcr individuelle Schwankungen in dieser Hinsicht studiert, n\u00e4mlich die Intensit\u00e4t des Schalles, welche zu den Bestimmungen verwendet wurde. Es hat sich aber herausgestellt, dafs der Einflufs des Alters denjenigen der Intensit\u00e4t bei weitem \u00fcberwiegt.\nNicht nur an der oberen Grenze, sondern auch an der unteren spielen diese Faktoren ihre Holle, und es kann daher nicht befremden, wenn auch der tiefste h\u00f6rbare Ton zu gleicher Zeit eine Funktion des Alters, sowie der Intensit\u00e4t ist. Ich m\u00f6chte mir erlauben, einiges \u00fcber die thats\u00e4chliche Lage der oberen und unteren Tongrenze in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens mitzuteilen.\na) Obere Grenze der Skala h\u00f6rbarer T\u00f6ne.\nDie obere Tongrenze l\u00e4fst sich bestimmen:\n1.\tdurch kleine Stimmgabeln (Preyer);\n2.\tdurch K\u00f6NiGsche Klangst\u00e4be;\n3.\tdurch das GALTONpfeifchen.\nIch habe letzteres H\u00fclfsmittel bevorzugt, weil man die T\u00f6ne in diesem Falle ganz kurz erklingen lassen kann. Dadurch\n1 EenWetvan ons Gehoor. Ned. Tijdschr. v. Geneesk. 1890. Vol. II. 73? und in k\u00fcrzerer Form: Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. 32. S. 53. 1891.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\n15\nvermeidet man die Erm\u00fcdung, welche sich bekanntlich in den oberen Oktaven unseres H\u00f6rbereiches sehr stark geltend macht (Rayleigh, Huysman). Dazu kommt, dafs man die Intensit\u00e4t der T\u00f6ne gleichm\u00e4fsiger halten kann, als das mittelst Stimmgabeln oder Klangst\u00e4ben der Eall ist. Letztere lassen sich mit H\u00fclfe des von Lucae angegebenen federnden Hammers sehr wohl in konstanter Weise anschlagen, jedoch ist man nicht sicher, mit demselben Hammer bei Grabein und St\u00e4ben verschiedener Tonh\u00f6hen die gleiche Anfangsamplitude hervorzurufen. Ja, eigentlich weifs man ganz bestimmt, dafs diese Amplituden sehr verschieden ausfallen m\u00fcssen, weil bei wachsender Tonh\u00f6he die Dicke der Gabeln zu- und die L\u00e4nge der Klangst\u00e4be abnimmt. E\u00fcr das GAL\u00efONpfeifchen hingegen scheint sich eine gleiche Intensit\u00e4t f\u00fcr alle T\u00f6ne leicht erreichen zu lassen, indem man stets denselben Luftdruck beim Anblasen benutzt. Bekanntlich ist das GALTONpfeifchen eine gedachte Orgelpfeife, deren L\u00e4nge durch eine Mikrometerschraube verk\u00fcrzt werden kann. Bleibt der Luftdruck derselbe, so \u00e4ndert sich auch nicht die Intensit\u00e4t des Ger\u00e4usches, welches an der Lippe der Orgelpfeife entsteht. In diesem Ger\u00e4usche ist also der Resonanzton der Pfeife immer in der gleichen St\u00e4rke enthalten, welche L\u00e4nge auch die Pfeife und welche H\u00f6he auch der Resonanzton habe. Man darf daher vorl\u00e4ufig vielleicht annehmen, dafs auch der von der Pfeife verst\u00e4rkte Resonanzton, wie wir denselben h\u00f6ren, eine konstante Intensit\u00e4t, d. h. eine konstante Amplitude haben wird.\nEin konstanter Anblasestrom l\u00e4fst sich in verschiedener Weise erreichen: sowohl durch Benutzung eines kleinen Orgeltisches als auch eines Gasbeh\u00e4lters. Wo es sich um eine gr\u00f6fsere Reihe von Beobachtungen an verschiedenen Personen, zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten handelt, ist eine portative Einrichtung erw\u00fcnscht. Ich habe eine solche zu erreichen gesucht, indem ich einen kleinen Glastrichter w\u00e4hlte, welcher mittelst einer Kautschukmembran verschlossen wurde. In diese Kautschukmembran wurde ein einfacher Manschettenknopf eingebunden. Wenn man dann den Trichter auf eine feste Unterlage aufsetzte, wurde die Membran um ein Gewisses nach innen gebuchtet, und zwar um so viel, als der Knopf \u00fcber die Membran hervorragt. Geschah dieses Aufsetzen auf die flache Unterlage, z. B. ein Buch, in gleichm\u00e4fsigem Tempo,","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nH. Zwaar\u00e2emaker.\nso wurde mittelst desselben eine Verdichtung der Luft in dem Trichter hervorgerufen, welche immer gleich war, vorausgesetzt nat\u00fcrlich, dafs das Rohr, welches Trichter und Orgelpfeife verbindet, unausdehnbare W\u00e4nde hat. Letzteres liefs sieh durch ein dickwandiges Kautschukrohr leicht erreichen. Unver\u00e4nderlich bei dieser Einrichtung sind das Luftvolumen, die Spaltweite und der Grad der Einbuchtung der Membran, innerhalb gewisser Grenzen auch das Tempo des Aufsetzens des Trichters. Ganz konstant ist also die Luftverdichtung, welche hierbei verwendet wird, in aller Strenge nicht. Bei einiger \u00dcbung ist es aber nicht schwierig, das Tempo immer gleichm\u00e4fsiger zu nehmen, und es wird infolgedessen den theoretischen Forderungen bald ganz gen\u00fcgt. Mittelst dieser portativen Einrichtung habe ich zweihundert Geh\u00f6rorgane untersucht, und einer meiner Mitarbeiter, Dr. N. J. C\u00fcper\u00fcs , hat noch einhundertundneunzig andere beobachtet. Wir haben uns immer nach otiatrischen Methoden \u00fcberzeugt, dafs alle diese Geh\u00f6rorgane als absolut normale gelten konnten. Unsere Resultate sind in untenstehender Tabelle nach Altersklassen geordnet.\nAltersklassen\tMittlere Lange des Orgelpfeifcliens\t\n\tZWAARDEMAKER\tCdperus\nUnter 10 Jahre\t1.22\t\t\t\nvon 10\u201420\t\u201e\t1.39\t1.08\n\u201e 20\u201430\t\u201e\t1.39\t1.19\n\u201e 30-40\t\u201e\t1.58\t1.31\n\u00bb 40-50\t\u201e\t2.23\t1.39\n\u201e 50-60\t\u201e\t2.93\t2.08\n\u00fcber 60\t\u201e\t3.03\t3.02\nWenn der Anblasungsdruck konstant ist, vergegenw\u00e4rtigt jede Pfeifenl\u00e4nge einen bestimmten Ton, aber welchen Ton? Nach einer Methode meines verehrten Freundes, des Docenten der Physik, Dr. J. D. von der Plaats, 1 habe ich diese Pfeifenl\u00e4nge in die entsprechenden T\u00f6ne umgerechnet, und finden sich die Durchschnittszahlen in der folgenden Tabelle.\n1 Nederl. Natiwr- & Geneeskundigk. Congress. April 1893, und Zeitschr. f. Ohrenheilkunde. Bd./24. Heft 4.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\n17\nAltersklassen\tObere\tGrenze\n\t|\tZWAAKDEMAKER\tCUPEK\u00fcS\nUnter 10 J ahre\te7\t\u2014\nvon 10\u201420\t\u201e\tdis\u2019 7t Ton erh\u00f6ht\tr\n\u201e 20-30\t\u201e\tdis7 Va Ton erh\u00f6ht\t\u00e87 2 Kommata erh\u00f6ht\n\u201e 30\u201440\t\u201e\tdis7 2 Kommata erniedrigt\t\u00e97 1 Komma erh\u00f6ht\n\u201e 40-50\t\u201e\teis7 7a Ton erh\u00f6ht\tdis7 7a Ton erh\u00f6ht\n\u201e 50-60\t\u201e\tA6 1 Komma erniedrigt\tcis7\n\u00fcber 60\t\u201e\tcis6 7a Ton erh\u00f6ht\tcis6\nAus der Tabelle l\u00e4fst sich bereits der Gang der Alterseinengung unserer Tonskala einigermafsen ersehen. Besser als Mittelzahlen tritt das presbyakusisehe Gesetz, (mit diesem Namen m\u00f6chte ich die Thatsache der Einengung andeuten), aus einer Kurve (Fig. 2) hervor, welche ich aus meinen eigenen 219 Beobachtungen konstruierte\nAuf der Abscissenachse ist die Tonh\u00f6he in der Weise eingetragen, dafs dieselbe von links nach rechts zunimmt, und zwar ist f\u00fcr jeden Halbton nach gleichschwebender Temperatur ein Intervall von 5 mm genommen. Das Alter ist als Ordinate auf die Art eingetragen, dafs dasselbe von unten nach oben zunimmt und f\u00fcr jedes Lebensjahr 1 mm gerechnet wird. Die ausgezogene Kurve bezieht sich auf Mittelzahlen aus Gruppen von je vier Jahren. Es ist aber auch von Interesse, die Extreme, welche unter meinen 219 normalen F\u00e4llen beobachtet wurden, kennen zu lernen, und ich habe daher in der Figur noch zwei andere Linien gezogen, welche die beobachteten Maxima und Minima in jeder Gruppe angeben. Aus der Figur ergiebt sich, dafs die obere Tongrenze im Alter von sieben Jahren bei e1 liegt. Bei ganz jungen Kindern reicht dieselbe vielleicht noch etwas h\u00f6her, vermuthlich bis f1 oder sogar noch h\u00f6her. Immerhin ist der Grenzton bereits im Kindesalter schon im Sinken begriffen, denn beim Eintritt der Pubert\u00e4t finden wir ihn um einen Yiertelton niedriger. Dann kommt eine Lebensperiode, w\u00e4hrend welcher die obere Grenze ungef\u00e4hr auf gleicher H\u00f6he bleibt. Die Jahre der Adolescentia geh\u00f6ren hierzu. Erst bei Beendigung des Knochenwachstumes beginnt abermals ein Sinken, welches dann ziemlich gleich-\nZcitsehrift f\u00fcr Psychologie VII.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"IB\nH. Zwaardemaker.\nm\u00e4fsig durch das sp\u00e4tere Leben fortdauert. Im zweiund-dreifsigsten Jahre liegt der Grenzton bei dis1, im vierzigsten Jahre bei d1, im dreiundvierzigsten Jahre bei eis1, im einundf\u00fcnfzigsten Jahre bei c7 und im vier\u00fcndf\u00fcnfzigsten Jahre bei be. In dieser \"Weise geht es fort, auch noch im h\u00f6chsten Alter, so dafs nach Ccjpbrus der Grenzton im f\u00fcnfundsiebenzigsten Jahre bei \u00ab6 liegt. Im ganzen verliert also die menschliche Tonleiter nicht weniger als sieben Halbt\u00f6ne, wenn man f7 als\nJahre\tJahre\nFig. 2.\nObere Tongrenzen.\nGrenzton der ersten Kindheit ansieht, sogar acht Halbt\u00f6ne oder 2/s einer Oktave. Wir werden keinen grofsen Fehler machen, wenn wir dieses Intervall als die Breite der Einengung betrachten, welcher die Tonskala an ihrer oberen Grenze unterliegt, w\u00e4hrend der Mensch von der Wiege bis zum Grabe wandert.\nDie oben citierten T\u00f6ne beziehen sieh auf Mittelwerte ; ein gewisses Schwanken nach oben und nach unten ist selbstverst\u00e4ndlich und ist in der Figur, wie gesagt, durch zwei","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Der TJm.fang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\t19\nNebenlinien angedeutet. Der Unterschied zwischen Mittel und Extrem betr\u00e4gt in der Jugend h\u00f6chstens einen halben Ton, im reiferen Alter zwei Halbt\u00f6ne. Daraus geht hervor, dafs ein Knabe, welcher seinen Grenzton bei dis1 * * * * hat, noch als normal h\u00f6rend betrachtet werden kann, dafs man dasselbe annehmen darf bei einem Greise, der seine obere Tongrenze bei g6 angiebt, dafs man jedoch in das Gebiet der Pathologie hin\u00fcbergeht, sobald die F\u00e4higkeit verloren geht, T\u00f6ne als solche unter den genannten Grenzen wahrzunehmen.1\nb) Die untere Tongrenze.\nZum Studium der unteren Tongrenze kann man benutzen:\n1.\tsehr grofse Stimmgabeln mit Laufgewichten,\n2.\tdie AppcNxsche Lamelle,\n3.\tdie AppuNNschen Drahtgabeln.\nDie Stimmgabeln mit Laufgewichten eignen sich f\u00fcr Untersuchungen bei normalen Personen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig schlecht, aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht sehr weit in der Skala hinuntergehen. Auch f\u00fcr den Fall, dafs wirklich T\u00f6ne von sechszehn bis zehn Schwingungen erreicht werden k\u00f6nnen, ist die Intensit\u00e4t derselben doch sehr schwach. Auch bemerken wir, wenn wir an solchen Gabeln die Laufgewichte verschieben, dafs es Punkte giebt, an denen die Gewichte die Ausklingzeit verl\u00e4ngern, und andere Stellen, wo die Gewichte diese Zeit verk\u00fcrzen.\n1 Ich bin auf einige Beobachtungen gestofsen, aus welchen hervor-\nzugehen scheint, dafs ein angeborener Verlust von hohen T\u00f6nen vor-\nkommt. Wenigstens ist mir aufgefallen, dafs einige Personen, obgleich\nmit einem vorz\u00fcglichen Geh\u00f6r begabt, hei Pr\u00fcfung mittelst des Galton-\npfeifchens ihren Grenzton an einer Stelle angeben, welche mehrere Halbt\u00f6ne tiefer liegt, als der Mittelwert ihres Alters. Die Zahl dieser Individuen ist aber so verschwindend Mein (beil\u00e4ufig 1%), dais man\nderentwegen die Lage der Extreme nicht verschieben kann und man besser thut, sie als Ausnahme zu betrachten, welche durch sp\u00e4tere Untersuchungen ohne Frage in ihrer wirklichen Bedeutung erscheinen werden. Aufser dieser angeborenen Grenztontaubheit existieren nat\u00fcrlich noch eine gr\u00f6fsere Anzahl von F\u00e4llen, welche ohne weiteres in das Gebiet der Pathologie geh\u00f6ren, es sei denn, dafs eine Labyrinthkrankheit oder eine Gehirnerkrankung vorliegt. Von letzteren haben die Hysterie, sowie die doppelseitige Einengung der Tonskala hei Gehirndruck meine Aufmerksamkeit in hohem Grade erregt.\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nH. Zwaardemaker.\nDieser Umstand wird die Intensit\u00e4t des Tones nicht wenig beeinflussen, denn auch dann, wenn die Anfangsamplitude immer die gleiche ist, z. B. so grofs genommen wird, dafs die Zinken einander im Anf\u00e4nge ber\u00fchren, wird nach einer, zwei oder drei Sekunden der Ausschlag in g\u00fcnstigen F\u00e4llen nur wenig, in ung\u00fcnstigen F\u00e4llen bereits sehr abgenommen haben. Da nun einige Sekunden vergehen, ehe die Aufmerksamkeit unserer Versuchspersonen durch den Schall der Stimmgabel gefesselt wird, werden dadurch sehr ungleiche Bedingungen geschaffen und ist es m\u00f6glich, dafs eine Gabel, welche bei f\u00fcnfzehn Schwingungen einen ziemlich deutlichen Ton hervorbringt, bei sechszehn Schwingungen nur einen ganz schwachen Ton h\u00f6ren l\u00e4fst. Deswegen erschienen mir die Gabeln mit Laufgewichten f\u00fcr unsere Versuche ungeeignet.\nBesser eignet sich schon die Appuxxsche Lamelle. Dieselbe besteht aus einer Metalllamelle von 420 mm L\u00e4nge, 12 mm Breite und 1 mm Dicke, welche mit einer Holzschraube am Tische befestigt wird. An das Ende der Lamelle ist eine d\u00fcnne runde Metallscheibe von 40 mm Durchschnitt angeschmiedet. Auf der Lamelle ist eine Skala angebracht. Dieselbe giebt die Zahl der Pendelbewegungen an, welche die Lamelle ausf\u00fchrt, indem sie, an einem Punkte der Skala festgeschraubt, in Bewegung gesetzt wird. An meinem Exemplare finden sich die Zahlen von 4 bis 24 angegeben. Die Lamelle wird dadurch in Schwingung gebracht, dafs man dieselbe an der Scheibe mit dem Finger aus der Gleichgewichtslage bringt und sie pl\u00f6tzlich, aber vorsichtig losl\u00e4fst. Damit die Bewegungen einfache Pendelbewegungen seien, ist ein Tuchring zum D\u00e4mpfen angebracht, welcher eine Breite von 15 mm hat und \u00fcber die ganze L\u00e4nge verschiebbar ist. Der Tuchring soll ungef\u00e4hr auf Vs der L\u00e4nge gestellt werden, damit dem Entstehen von Obert\u00f6nen vorgebeugt wird. Ich habe mich \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs dieser Zweck wirklich erreicht wird, und also die erste Vorbedingung bei dieser Art von Untersuchungen hier vorhanden ist, n\u00e4mlich die Abwesenheit von Obert\u00f6nen.\nDie AppuNNsche Lamelle hat jedoch einen \u00dcbelstand, welcher nicht \u00fcbersehen werden darf. Wie schon gesagt, wird die Verringerung der Tonh\u00f6he bewirkt durch Verl\u00e4ngerung der Lamelle. Dabei wird der Apparat immer auf die gleiche Weise in Schwingung versetzt, d. h. die Lamelle wird um ein Gewisses","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\n21\naus der Gleichgewichtslage gef\u00fchrt und dann losgelassen. Gew\u00f6hnlich wird dabei die Anfangsamplitude so grofs genommen, als die Steifigkeit und die Elasticit\u00e4t des Apparates zul\u00e4fst. Unwillk\u00fcrlich wird dieselbe aber um so gr\u00f6fser genommen, je l\u00e4nger die Lamelle ist, denn eine lange Lamelle l\u00e4fst sich weit leichter ausbiegen, wie eine kurze. Infolgedessen wird die Intensit\u00e4t des Schalles immer gr\u00f6fser werden, je mehr man in der Tonleiter hinuntergeht. Wir messen also nicht mit konstanter Intensit\u00e4t, jedoch ebensowenig mit abwechselnd gr\u00f6fserer oder geringerer, wie bei den Stimmgabeln mit Laufgewichten ; unsere Intensit\u00e4t nimmt nach den tiefsten T\u00f6nen gleichm\u00e4fsig zu und ist also dem H\u00f6rer dieser tieferen und schwer percipier-baren T\u00f6nen f\u00f6rderlich. Die Resultate unserer Untersuchungen m\u00fcssen demgem\u00e4fs einer Korrektion unterliegen, welche aber durch die Regelm\u00e4fsigkeit des begangenen Fehlers leicht zu berechnen ist.\nDr. Coteeus hat bei einhundert und neunzig normal h\u00f6renden Personen die untere Tongrenze mittelst der Appunn-schen Lamelle bestimmt. Seine Resultate sind in untenstehender Tabelle zusammengefafst. Die angegebenen Zahlen sind Mittelwerte f\u00fcr Gruppen, welche man erhielt, indem man die Personen in Altersklassen von 10 zu 10 Jahren ordnete.\nAltersklassen\tUntere Grenze naeh Cuperus\nUnter 10 Jahre\t\u2014\nvon 10\u201420\t\u201e\t10.10\nv 20 oO \u201e\t10.54\n\u00bb 30 40\t\u201e\t10.85\n\u00bb 40\u201450\t\u201e\t11.00\n\u201e 50-60\t\u201e\t12.33\n\u00fcber 60\t\u201e\t12.95\nWie fr\u00fcher f\u00fcr die obere Grenze, so habe ich auch hier die CiTPER\u00fcssehen Zahlen noch in anderer Weise geordnet und daraus eine Kurve konstruiert. Dazu wurden Altersklassen von 4 zu 4 Jahren gebildet und daf\u00fcr die Mittel bestimmt. Durch diese wurde dann (Fig. 3) die Kurve gezogen. Die horizontalen Geraden geben die Sicherheit der Mittel wahrscheinlicher Fehler\n~~ \u2014 ._____________________________________\u00a3tH\nWurzel aus der Zahl der Beobachtungen","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nH. Zwaardemaker.\nAuf der Abcissenaclise ist wieder die Tonh\u00f6he so eingetragen, dafs sie in derselben Weise wie bei Fig. 2 von links nach rechts znnimmt. Das Alter ist ebenso wie fr\u00fcher als Ordinate benutzt. Wie man sieht, hat die Kurve eine sehr unregehn\u00e4fsige Gestalt. Wahrscheinlich ist dieses verursacht durch die ungemein grofse Schwierigkeit der Beobachtungen. Das Auffassen der unteren Grenzt\u00f6ne fordert n\u00e4mlich angestrengte Aufmerksamkeit. Auch ist es notwendig, dafs das Ohr unmittelbar vorher auf das H\u00f6ren von T\u00f6nen so niedriger Tonh\u00f6hen vorbereitet ist. Gesetzt, dafs man z. B. jemandem pl\u00f6tzlich eine Drahtgabel von 12 Schwingungen vor das Ohr hielte, so w\u00fcrde er ohne Frage keinen Ton, sondern nur ein Schwirren wahrnehmen, w\u00e4hrend er den Ton ganz gut zu h\u00f6ren vermag, wenn man ihn vorher Gabeln von 20, 18, 16 und 14 Schwingungen h\u00e4tte h\u00f6ren lassen. Unter solchen Umst\u00e4nden kann es kein Wunder nehmen, dafs die Beobachtungsfehler sehr bedeutend waren, .um so mehr, da die Versuchspersonen des Herrn Cttpebus nicht im physikalischen Beobachten geschult waren, sondern einfach dem intelligenteren Teile der Bev\u00f6lkerung der Waisenh\u00e4user, Spit\u00e4ler und der Verpflegungsanstalten f\u00fcr Greise angeh\u00f6rten. Um einigermafsen eine Vorstellung \u00fcber den Wert der Kurve zu geben, habe ich in der Figur 3 die schon erw\u00e4hnten horizontalen Linien eingezeichnet. Herr Cupekus hat innerhalb dieser Linien eine nach oben leicht konvexe Linie gezogen, die den ideellen Gang der Einschr\u00e4nkung unseres Tonbereiches an seiner unteren Grenze andeuten soll. Die CuPEEtrssche Linie ist jedoch hier fortgelassen, damit die Zickzacklinie, welche die wirklichen Mittelzahlen aus den Gruppen von je 4 Jahren verbindet, besser ins Auge f\u00e4llt. Aus dieser letzteren geht hervor, dafs die untere Grenze unseres H\u00f6rens im h\u00f6heren Alter jedenfalls h\u00f6her liegt, wie in der Jugend, dafs wir also w\u00e4hrend unseres Lebens auch am unteren Ende der Tonleiter einen kleinen Teil verlieren. Zweitens l\u00e4fst sich einigermafsen absch\u00e4tzen, wieviel die Einschr\u00e4nkung der Tonleiter betr\u00e4gt. Wenn wir die Gruppen ins Auge fassen, welche aus der gr\u00f6l'sten Zahl von Beobachtungen zusammengesetzt sind, und ihre Mittelzahlen hervorheben, so findet sich im Alter von dreizehn Jahren und vier Monaten die Lage der unteren Grenze bei dem etwas erniedrigten Ey Im einundzwanzig-","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Der ZJmfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren. 23\nj\u00e4hrigen Alter liegt dieselbe Grenze bei F,.. Im f\u00fcnfundsechs-zigsten bis siebenzigsten Lebensjahre dahingegen findet sich der Grenzton bei dem etwas erniedrigten Cris3. Nach diesen ohne Frage zuverl\u00e4ssigsten Baten allein rechnend, kommt man also auf einen Verlust von 3 Halbt\u00f6nen. Aus der Tabelle auf Seite 21 geht ungef\u00e4hr dasselbe hervor. Der Gesamtanblick der Kurve aber l\u00e4fst auf eine bedeutendere Abnahme schliefsen, und da ein Gesamteindruck immer gr\u00f6fseren Wert hat, als\nJahre\nFig. 3.\nUntere Tongrenze.\nMittelzahlen, die man aus Gruppen von nur wenig Beobachtungen herausgreift, m\u00f6chte ich mit C\u00fcperus diese Einschr\u00e4nkung in Wirklichkeit f\u00fcr etwas gr\u00f6fser halten. Mein Mitarbeiter berechnet dieselbe auf ungef\u00e4hr ein Sextintervall Er stellt n\u00e4mlich die untere Grenze im kindlichen Alter bis zur Pubert\u00e4t auf F\u201e von 10 Schwingungen und l\u00e4fst sie dann allm\u00e4hlich steigen, sodafs dieselbe im Alter von dreiundvierzig Jahren F% erreicht hat. Der, Ausfall an T\u00f6nen setzt sich gleich-in\u00e4fsig fort, sodafs im Alter von zweiundf\u00fcnfzig Jahren Fis,","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nH. Zwaardemaker.\nerreicht sein soll, im sechszigsten Jahre (?3, f\u00fcnfundsechs-zigsten Gisfi und im siebenzigsten Jahre J3 die untere Grenze bilden w\u00fcrde. Im dreiundsiebenzigsten Jahre ist bereits Ais?t, im siebenundsiebenzigsten Ss und im achtzigsten Jahre CB der Grenzton. Es lohnt sich jedoch vorl\u00e4ufig kaum der M\u00fche, solche Berechnungen anzustellen, da, wie gesagt, die Cuperus-schen Zahlenwerte noch einer Korrektion bed\u00fcrfen. Ich bin besch\u00e4ftigt, die notwendigen Vorarbeiten dazu anzustellen, d. h. den Modus zu studieren, nach welchem die App\u00fcNNSche Lamelle bei verschiedener L\u00e4nge und bei verschiedener Anfangsamplitude ausklingt. Sobald wir dann festgestellt haben, um wieviel mit dem Sinken des Tones die Amplitude der Schwingungen zunahm, werden wir dem Einflufs der Intensit\u00e4t Rechnung tragen k\u00f6nnen ; sodann werden wir versuchen, unsere Zickzacklinie auf ihre wahre Gestalt zur\u00fcckzuf\u00fchren und dieselbe durch eine ann\u00e4hernd richtige Kurve zu ersetzen. Die CuPERtrssche Untersuchungsreihe giebt jedoch bereits solche wichtigen Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Lage der unteren Tongrenze, dafs wir uns jetzt schon \u00fcber den Umfang unseres Geh\u00f6rs in dem verschiedenen Alter orientieren k\u00f6nnen. Vielleicht dafs sp\u00e4tere Untersuchungen mit dem dritten, von Moos eingef\u00fchrten Untersuchungsmittel, den Apfc'UNNschen Drahtgabeln bald eine sehr erw\u00fcnschte Erg\u00e4nzung liefern werden.\nc) Die L\u00e4nge der Geh\u00f6rslinie.\nWir haben in dem Vorhergehenden dargethan, wie mit wachsendem Alter die Tonleiter sowohl an ihrem oberen, als auch an ihrem unteren Ende eine nicht unbedeutende Einschr\u00e4nkung erf\u00e4hrt. Dieser Procefs ist an den beiden Enden nicht symmetrisch, was sich auch nicht erwarten liefs, da die Ursache des Verlustes an T\u00f6nen nicht gleich ist. W\u00e4hrend dieselbe oben wahrscheinlich in einer Eigent\u00fcmlichkeit der Knoch\u00e7nleitung begr\u00fcndet ist, ist unsere Unempfindlichkeit im sp\u00e4teren Alter f\u00fcr die 3 oder 4 unteren Halbt\u00f6ne der menschlichen Tonleiter ohne Frage davon unabh\u00e4ngig. Ja, wenn man sich erinnert, dafs Mittelohrkrankheiten gerade die unteren T\u00f6ne sch\u00e4digen, ist es nicht unm\u00f6glich, dafs \u00c4nderungen im Trommelfelle oder in der Kette der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen hierf\u00fcr verantwortlich zu machen sind. Wie dem auch sei, das menschliche Ohr verliert von der Kindheit bis zum Beginne","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\n25\ndes Greisenalters am oberen Ende seiner Tonleiter 5 und am unteren Ende 3 Halbt\u00f6ne.\nWenn wir nun die Geh\u00f6rslinie als Ganzes betrachten, so finden wir im reiferen und h\u00f6heren Alter ihre Totall\u00e4nge um 2/3 bis 1 Oktave k\u00fcrzer und auch ein wenig nach unten verschoben. W\u00e4hrend die Mitte in der Jugend bei ais1 liegt, trifft sie im Anf\u00e4nge des Greisenalters gerade mit a1 zusammen. F\u00fcr den Abend des Lebens ist also das Normal-a die wirkliche Mitte der menschlichen Tonleiter. Hach oben und nach unten von derselben finden sich gleich viele h\u00f6rbare T\u00f6ne. In der Jugend hingegen besitzt man nach oben einen halben Ton mehr als nach unten. Diese Verschiebung w\u00fcrde kaum auffallen, wenn nicht gleichzeitig f\u00fcr die Empfindlichkeit f\u00fcr die h\u00f6heren T\u00f6ne im Greisenalter eine ziemlich starke Verringerung eintr\u00e4te und dadurch das Zur\u00fccktreten der oberen H\u00e4lfte noch weit bedeutender erscheinen liefse, als dasselbe in Wirklichkeit in aller Strenge ist. Daher kommt es auch, dafs Greise die Uhr, die hohen Vokale und Konsonanten u. s. w. weniger gut h\u00f6ren, als j\u00fcngere Personen, obgleich sie diesen f\u00fcr die gew\u00f6hnliche Sprache nicht nachstehen (Wolf).\nIn umstehender Figur 4 habe ich die Gr\u00f6fse und die Lage der Geh\u00f6rslinie dargestellt, und zwar f\u00fcr die Jahre, welche die Perioden des menschlichen Lebens voneinander trennen, d. h. f\u00fcr das vierzehnte Jahr, welches die Grenze zwischen Kindheit und Adolescentia bildet, f\u00fcr das f\u00fcnfundzwanzigste Jahr, welches die Adolescentia von dem jugendlichen Mannesalter trennt, f\u00fcr das vierzigste Jahr, mit welchem das reifere Alter beginnt und f\u00fcr das f\u00fcnfundf\u00fcnfzigste, Jahr womit das Greisenalter ein tritt. F\u00fcr jeden Halbton ist 1 mm abgemessen.\nIm dreizehnten Lebensjahre (zweitunterste horizontale Linie) ist der mittlere Umfang unseres Geh\u00f6rs, wie die Figur zeigt, 11 Oktaven von E\u201e bis e7. Im f\u00fcnfundzwanzigsten Jahre (3. Linie von unten) umfafst unser Tonbereich 10 Oktaven und 1 Septime. Im vierzigsten Jahre (dritte horizontale Linie von oben) ist die L\u00e4nge der Geh\u00f6rslinie 10 und 2/3 Oktave von Fiss bis zu d7, im f\u00fcnfundf\u00fcnfzigsten Jahre (zweite Linie von oben) 10 Oktaven, im achtzigsten Jahre (oberste Linie) einen halben Ton weniger als 10 Oktaven von Hf) bis </\\\nIch habe noch auf andere Weise versucht, die L\u00e4nge der Geh\u00f6rslinie oder, was dasselbe ist, den Umfang unseres Ton-","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Tonbereielis in verschiedenem Alter.\nJahre\t-Hb\ta'\t96\tJahre","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren.\t27\nbereiches anschaulich, vorzuf\u00fchren. Die Notenschrift l\u00e4fst sich bis zu gewissem Mafse dazu verwenden. Nur fehlen unseren Noten die feinen Abstufungen, welche sich mit H\u00fclfe eines Koordinatensystems darstellen lassen. Man mufs immer von Halbton zu Halbton voranschreiten, die Yiertelt\u00f6ne und Kommata lassen sich nicht andeuten. Von diesem Nachteile abgesehen, bekommt man jedoch ein sehr deutliches Bild von dem Gange der normalen Verk\u00fcrzung der Tonleiter mit dem Alter. Von untenstehenden zwei Notenbalken (Figur 5) bezieht sich der obere auf die obere Tongrenze und der untere aut\nn----io%----io-----\n\u2022 \u2022\n\nFig. 5.\nDie presbyakusisclie Verk\u00fcrzung der menschlichen Tonleiter.\nDie Zahlen in dem mittleren Notenbalken geben an, wieviel Oktaven die Grenzt\u00f6ne zwischen sich fassen.\ndie untere Tongrenze nach C\u00fcperus. In einem Takt werden durch acht Achtelt\u00f6ne die acht aufeinanderfolgenden Decennien des menschlichen Lebens repr\u00e4sentiert. Ein Glissando deutet an, dafs der \u00dcbergang ganz allm\u00e4hlich stattfindet. Da aber die Grenzt\u00f6ne sowohl nach oben als auch nach unten sich ganz aufser dem Skalenteile befinden, in welchem f\u00fcr gew\u00f6hnlich unsere Musik sich bewegt, so war es notwendig, die Noten einige Oktaven h\u00f6her, resp. niedriger zu schreiben, als dieselben in Wirklichkeit geh\u00f6rt werden. Dieses ist durch das gebr\u00e4uchliche Zeichen \u00fcber, resp. unter den Balken angedeutet mit dem Unterschiede jedoch, dafs die Erh\u00f6hung nicht eine, sondern sechs Oktaven stattfinden soll, und die Erniedrigung statt einer vier Oktaven.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nH. Zwaardemaher,\nZusammenfassung.\n1.\tDer Umfang des Geh\u00f6rs ist das Analogon des Gesichtsfeldes.\n2.\tYon diesem Standpunkte betrachtet, sei der Umfang unseres Tonbereiches als Geh\u00f6rslinie bezeichnet.\n3.\tDas a d\u2019orchestre bildet ungef\u00e4hr die Mitte der Geh\u00f6rslinie.\n4.\tIm Anf\u00e4nge des Greisenalters ist die Geh\u00f6rslinie ungef\u00e4hr eine Oktave k\u00fcrzer, wie in der Jugend. Im Alter umfafst unser Geh\u00f6r zehn, und in der Jugend elf Oktaven.","page":28}],"identifier":"lit15376","issued":"1894","language":"de","pages":"10-28","startpages":"10","title":"Der Umfang des Geh\u00f6rs in den verschiedenen Lebensjahren","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:59:22.515455+00:00"}