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{"created":"2022-01-31T17:03:12.127046+00:00","id":"lit15377","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hoppe, Julius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 29-37","fulltext":[{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Studie zur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen.\nVon\nDr. Julius Hoppe,\nAssistenzarzt der Universit\u00e4ts-Augenklinik in G\u00f6ttingen.\nKommen gleichm\u00e4fsig bewegte Gegenst\u00e4nde, nachdem man sie l\u00e4ngere Zeit aufmerksam betrachtet hat, pl\u00f6tzlich zur K\u00fche, oder wendet man schnell den Blick von ihnen auf zum Auge in relativer K\u00fche befindliche Dinge, so bemerkt man eine Scheinbewegung an ihnen in einer der erst angeschauten Bewegung entgegengesetzten Richtung.\nNachdem ich gelegentlich dieses Ph\u00e4nomen beobachtet hatte an der rotierenden Notenscheibe eines Symphonions (einer neueren Ab\u00e4nderung der Spieluhr),1 suchte ich selbst\u00e4ndig auf experimentellem Wege die Bedingungen und Ursachen der Erscheinung festzustellen.\nMeine Beobachtungen best\u00e4tigten im ganzen die Angaben Oppels \u00fcber diesen Gegenstand; die nachstehend mitgeteilten d\u00fcrften wesentlich neu sein und einiges Interesse verdienen, weil sie darthun, dafs die meist acceptierte Erkl\u00e4rung des Ph\u00e4nomens nach v. Helmholtz nicht zutrifft. Weiterhin will ich efnen Versuch machen, die Erscheinung in einer, wie ich glaube, besser zutreffenden Weise zu erkl\u00e4ren.\nDie meisten Interpreten denken an eine vermittelnde Th\u00e4tigkeit des Augenmuskelapparates, unbewufster Muskelkontraktionen, oder des Muskelinnervationsgef\u00fchles, und folgen\n1 Die Notenscheibe hat einen Durchmesser von 145 mm, ist an der Peripherie gezahnt. Auf dunkelbraunem Grunde sind in konzentrischen Kreisen mit hellgelber Farbe Worte, Zahlen, Arabesken aufgedruckt und in grofser Menge kleine gleichartige, rechteckige \u00d6ffnungen geschlagen. Durch die an der Peripherie angreifende Zahnstange einer kleinen Kurbel wird die Scheibe mit der Hand gedreht und macht durchschnittlich in Vi\u201414 Sekunden eine Umdrehung. \u2022","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nJulius Koppe.\nhierbei den Ideen v. Helmholtzs, welche er in seiner Physiologischen Optik entwickelt. Oppel hatte (P o g g e n d o r fs Annalen, v. Helmholtz 1. c.) gerade in dem Stillhalten der Augen, in der Ausschaltung der Muskelth\u00e4tigkeit eine wesentliche Bedingung des Ph\u00e4nomens zu erkennen geglaubt.\nv. Helmholtz f\u00fchrt 1. c. S. 603 und 604 aus:\nIndem das Auge die sich in gleicher Richtung fortbewegenden Gegenst\u00e4nde zu fixieren sucht, macht es unbewufst gleichgerichtete Bewegungen. Nachdem nun der Beobachter sich daran gew\u00f6hnt hat, die unter diesen Umst\u00e4nden ausge\u00fcbten Willensimpulse als die zur Fixation eines Objektes geeigneten zu betrachten, versucht er in derselben Weise auch ruhende Objekte zu fixieren. Die genannten Willensimpulse bringen aber unbewufst Bewegungen der Augen hervor, und da der Beobachter seine Augen f\u00fcr festgestellt h\u00e4lt, so scheinen sich ihm nun die Objekte, und zwar der vorher angeschauten Bewegung entgegengesetzt, zu bewegen.\nSoweit grofse bewegte Gegenst\u00e4nde oder Fl\u00e4chen in Frage kommen, kann diese Erkl\u00e4rung plausibel erscheinen. Aber selbst dann tritt das Ph\u00e4nomen ein, wenn wir bewegte Fl\u00e4chen von sehr geringer Ausdehnung betrachten, wo eine Fixation unter Augenmitbewegung nicht mehr annehmbar ist.\nSo beobachten wir noch ganz regelm\u00e4fsig, wenn auch nur f\u00fcr Momente, das Ph\u00e4nomen, wenn die bewegte Fl\u00e4che 1 qmm betr\u00e4gt. Dabei durcheilen die einzelnen Punkte der bewegten Bilder in etwa 0,07 Sekunden den Weg von 1 mm. Zu einer Fixation unter diesen Bedingungen d\u00fcrfte die Feinheit der Muskelth\u00e4tigkeit nicht entfernt ausreichen.1\nWeiterhin setzt eine Fixation bewegter Gegenst\u00e4nde voraus, dafs der Beobachter dieselben zu erkennen und voneinander zu unterscheiden verm\u00f6ge, zumal wenn es sich um kleine bewegte Fl\u00e4chen handelt. Indessen konnte ich bei einer grofsen Zahl von Beobachtern mit stark herabgesetzter Sehsch\u00e4rfe, mit centralen und peripheren Gesichtsfeldsdefekten, feststellen, dafs sie bei einfach ruhigem Blick auf die rotierende Scheibe das Ph\u00e4nomen ohne jeden Hinweis sofort erkannten. Die Entfernung des beobachtenden Auges wurde dabei stets so\n1 Die Verkleinerung bewegter Fl\u00e4chen f\u00fchrte ich aus, indem ich die Scheibe mit d\u00fcnnem, undurchsichtigem Papier bedeckte und durch Ausschnitte in demselben die Scheibenrotation verfolgte.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Studie zur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen.\n81\ngew\u00e4hlt, dafs ein Erkennen von Einzelheiten auf der Scheibe unm\u00f6glich war.\nEinen strengen Beweis aber f\u00fcr die Unrichtigkeit der HELMHOLTZschen Erkl\u00e4rung d\u00fcrfte der folgende Versuch liefern :\nSetzt man den linearen Band einer vertikalen Spiegelfl\u00e4che dicht auf die rotierende kreisf\u00f6rmige Scheibe in der Richtung eines Radius, so erblickt man Bilder, deren symmetrische H\u00e4lften -\u2014 Bild und Spiegelbild \u2014 sich in genau entgegengesetzter Richtung, ann\u00e4hernd senkrecht zur Spiegelkante, bewegen. Beim Auf h\u00f6ren der Rotation tritt nun in beiden Bildh\u00e4lften die der ersten entgegengesetzte Scheinbewegung ein. Hach der v. HELMHOLTZschen Theorie miifste also dasselbe Auge \u2014 das Ph\u00e4nomen tritt im monokularen, wie im binokularen Sehen gleich regelm\u00e4fsig auf \u2014- zu gleicher Zeit Bewegungen in einander entgegengesetzten Richtungen machen \u2014 eine offenbare Unm\u00f6glichkeit.\nIndem ich nun im folgenden einen anderen Erkl\u00e4rungsversuch unternehme, will ich zun\u00e4chst nachweisen, dafs das Ph\u00e4nomen vermittelt werde durch eine Erregung der Netzhautpartien, auf welche das Bild der angeschauten Gegenst\u00e4nde f\u00e4llt. Bereits haben andere Beobachter die Mitbeteiligung der Netzhaut angenommen, und Heuse {Arch. f. Ophth. Bd. 34) deutet in diesem Sinne eine Beobachtung an seiner Retina, wenn er auch der Muskelth\u00e4tigkeit gleichzeitig eine hervorragende Mitwirkung zuerkennt. Eine Arbeit von Bevoob, welche diesen Gegenstand zu behandeln scheint, war mir nicht zug\u00e4ngig.\nIch stellte folgenden Versuch an:\t/\nIn der N\u00e4he der rotierenden Scheibe wird ein Spiegel so aufgestellt, dafs zwischen ihr und dem Spiegelbilde ein ruhender Zwischenraum verbleibt. Ein Punkt dieses Raumes wird ruhig fixiert und beiden bewegten Fl\u00e4chen gleichm\u00e4fsige Aufmerksamkeit zugewendet. Nach Sistierung der Rotation macht jede Fl\u00e4che die entsprechende r\u00fcckl\u00e4ufige Scheinbewegung. Wird hierauf jede Scheibe f\u00fcr sich beachtet, so bemerkt man. keine Scheinbewegung. Sie tritt aber an jeder Scheibe sofort lebhaft wieder hervor, wenn der alte Punkt bei derselben Kopfhaltung wie fr\u00fcher fixiert wird.\nWendet man den Blick von den bewegten Scheiben schnell auf eine etwas dunkle, gleichm\u00e4lsig gef\u00e4rbte oder wenigstens ruhig gemusterte Fl\u00e4che, so entstehen an zwei den Scheiben","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"82\nJulius Koppe.\niiach Gr\u00f6fse und Lage entsprechenden Stellen entgegengesetzte Scheinbewegungen \u2014 das \u00fcbrige Gesichtsfeld bleibt ruhig,\nBei diesem Versuche werden also periphere Netzhautpartien durch bewegte Dinge erregt, die makularen bleiben in Buhe. Die auf die gereizten Stellen fallenden Bilder, auch fremder Objekte, erscheinen bewegt; die auf nicht gereizte Stellen projicierten bleiben ruhig \u2014 selbst das Bild der vorher bewegten Scheibe, auf der nicht gereizten Macula entworfen, bleibt stille stehen.\nDafs die peripheren Betinalpartien das Ph\u00e4nomen ebenso vermitteln, wie die zentralen, lehrt auch sein Auftreten bei Beobachtern mit vollst\u00e4ndigen centralen Skotomen, wie oben mitgeteilt.\nUm die \"Vorg\u00e4nge bei der Scheinbewegung genauer beobachten zu k\u00f6nnen, w\u00e4hlte ich folgende Versuchsanordnung, deren Resultat uns der Ergr\u00fcndung des Ph\u00e4nomens n\u00e4her zu f\u00fchren scheint.\nIch \u00fcberklebte die Notenscheibe mit weifsem Papier, auf welchem konzentrisch mit der Scheibenperipherie eine Anzahl einfacher Figuren, z. B. Dreiecke, gezeichnet waren. Der lineare Band einer vertikalen guten Spiegelfl\u00e4che wird in der Richtung eines Scheibenradius so auf die Scheibe gesetzt, dafs sie sich leicht unter dem feststehenden Spiegel fortbewegen kann. Indem ich nun den Blick auf die Spiegelkante richte, beobachte ich die symmetrischen Bilder, welche hier bei der Scheibendrehung sichtbar werden und wieder verschwinden. Diese Bilder nehmen allm\u00e4hlich an Gr\u00f6fse ab oder zu, je nachdem sie sich auf die Spiegelkante hin- oder von ihr wegbewegen.\nSo wird in Pig. 1 \u2014 die punktierten Linien geh\u00f6ren den Spiegelbildern an \u2014 aus dem Bilde CEDE' das Bild EUGH', wenn durch Hervortreten an der Kante AB des Spiegels ein St\u00fcck CED1 sichtbar ist und dann im Eortschreiten der Bewegung in der Richtung LH ein gr\u00f6fseres St\u00fcck F HG in die Erscheinung tritt.\nEine analoge Verkleinerung der Bilder ergiebt sich bei Bewegung derselben auf die Spiegelkante hin.\n1 Bei der relativen Kleinheit der Figuren k\u00f6nnen wir die Bewegungsrichtung als senkrecht zu AB annehmen, obwohl sie, streng genommen, einem Kreisbogen entspricht.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Studie zur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen.\n33\nSo wird in Big. 2 aus dem Bilde FH GH' allm\u00e4hlich das Bild CEDE1, und verkleinert sich immer mehr, bis das ganze Bild an der Spiegelkante AB hinschwindet.\nA\nFig. 2.\nNach einer l\u00e4ngeren von der Spiegelkante AB abgewandten Scheibendrehung unterbreche ich nun die Bewegung in dem Augenblick, wo (Fig. 1) die Gresamtfigur FH GH' sichtbar ist. Bei der nun folgenden scheinbaren B\u00fcckbewegung tritt eine- Yer-\n3\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nJulius Koppe.\n\u00e4nderung dieser Figur ein, die wie eine Schrumpfung imponiert; indem Diagonale HH' sich zu II' verk\u00fcrzt und Diagonale F G unver\u00e4ndert bleibt, verwandelt \u2022 sich FH G IF in F IGF.\nWar die entgegengesetzte Bewegung, der Spiegel kante zugewandt, vorhergegangen, und unterbreche ich (Fig. 2) die Dotation, wenn CEDE' sichtbar ist, so vergr\u00f6fsert sich diese Figur scheinbar; indem die Diagonale EE' sich zu II\u2018 vergr\u00f6fsert und Diagonale CD konstant bleibt, entsteht aus CEDE' das Bild CIDF.\nStatt der Dreiecke kann man beliebige andere Figuren w\u00e4hlen, z. B. Rechtecke, Kreise etc. Stets beobachtet man mit Eintritt der Scheinbewegung Formver\u00e4nderungen an den symmetrischen Bildh\u00e4lften, deren gemeinsames Kennzeichen ist : Ver\u00e4nderung der Dimension, welche der Bewegungsrichtung entspricht, w\u00e4hrend die Dimension senkrecht hierzu unver\u00e4ndert bleibt.\nMan hat die Empfindung, als best\u00e4nden die symmetrischen Figuren aus sehr elastischem Gummi, welches sich der Scheibenbewegung entsprechend dehne und zusammenziehe, w\u00e4hrend es an der Spiegelkante befestigt sei.\nDieselben Erscheinungen ergeben sich, wenn auch weniger frappant, wenn man einen Teil der Scheibe mit gerade geschnittenem Papier bedeckt und die Bilder beobachtet, welche an der Kante des Papiers auftauchen, allm\u00e4hlich gr\u00f6fser werdend, oder kleiner werdend verschwinden, je nach der Bewegungsrichtung.\nSchafft man, wie schon erw\u00e4hnt, kleinere Fl\u00e4chen durch Bedecken der Scheibe mit Papier und beobachtet die Rotation durch kleine Auschnitte aus der Bedeckung, so sieht man gleichzeitig entsprechend kleine Figuren an einer Seite auftauchen und andere an der gegen\u00fcberliegenden Seite verschwinden.\nBei Eintritt der Scheinbewegung erfahren dann gleichzeitig die Bilder eine scheinbare Vergr\u00f6fserung, deren Kleinerwerden wir bemerkten, und die eine Verkleinerung, welche wir allm\u00e4hlich gr\u00f6fser werden sahen.\nDie Bilder, welche im Moment der Bewegungsunterbrechung frei in dem bewegten Gesichtsfelde liegen, also an die ruhenden Grenzen (Spiegelkante) nicht unmittelbar anstofsen, erfahren","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Studie sur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen.\n35\nbei der Scheinbewegung niemals eine Formver\u00e4nderung, sondern nur eine Lagever\u00e4nderung, indem sie sieb genau entgegengesetzt der prim\u00e4ren Bewegung auf die ruhende Gesichtsfeldgrenze hin oder von ihr fort verschieben.\nNoch eines ist bemerkenswert. Ein Bild, welches im Moment des Buheeintritts gerade aus dem Gesichtsfelde verschwunden war, kehrt auch nicht mit dem kleinsten Teil in die Erscheinung zur\u00fcck; aber ebensowenig verschwindet der kleinste Teil eines Bildes, welcher gerade in das Gesichtsfeld getreten war.\nWir \u00fcberzeugen uns ferner durch genauere Beobachtung davon, dafs jenes Dehnen, Schrumpfen, Verschieben der Bilder bis zum v\u00f6lligen Aufh\u00f6ren des Ph\u00e4nomens sich in mehrere Phasen gliedert. Hat die erste Scheinbewegung ihre gr\u00f6fste Ausdehnung erreicht, so h\u00f6rt sie pl\u00f6tzlich (mit einem \u201eBuck\u201c) auf. Es folgt eine momentane ausgepr\u00e4gte Pause. Dann stehen die Bilder unvermerkt an der der Wirklichkeit entsprechenden Stelle, in ihrer reellen Form, und es hebt nun eine neue Scheinbewegung an gleich der ersten \u2014 nur mit k\u00fcrzerer Exkursionsweite. Pause \u2014 und eine dritte, selbst vierte und f\u00fcnfte Bewegung schliefst sich an mit immer kleinerer Exkursion bis zum v\u00f6lligen Erl\u00f6schen.\nDie Gesamtdauer des Ph\u00e4nomens steht in einem gewissen Verh\u00e4ltnis zur Gr\u00f6fse der bewegten Fl\u00e4che. Bei kleinsten Fl\u00e4chen (1 qmm) w\u00e4hrt es nur Momente, bei der Betrachtung der ganzen Scheibe dauerte es mir oft \u00fcber eine halbe Minute.\nSchliefse ich w\u00e4hrend des Anschauens der Bewegung oder auch der Scheinbewegung die Augen, so habe ich keinerlei subjektive Empfindung \u2014 beim Wieder\u00f6fihen der Augen sehe ich stets die Scheinrotation, mochte ich unter den geschlossenen Lidern die Augen ruhig halten oder sie beliebig bewegen oder die Lider festzukneifen.\nDen Augenschlufs kann ich \u00fcber eine halbe Minute aus-dehnen und mehrmals hintereinander wiederholen, ohne die Erscheinung zu beeintr\u00e4chtigen.\nWas nun die Erkl\u00e4rung der geschilderten Beobachtungen betrifft, so erscheinen mir die wiederholt \u00e4ufs neue einsetzenden Scheinbewegungen als der sichtbare Ausdruck einer allm\u00e4hlich sich vollziehenden Erholung der stark. erm\u00fcdeten Setina. Das Ph\u00e4nomen m\u00f6chte ich der Hauptsache nach in den Bereich\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nJulius Hoppe.\nder Nachbilderscheinungen verweisen. Nach Beendigung der prim\u00e4ren Bewegung treten suecessiv Nachbilder der j\u00fcngst vergangenen Bewegungsphasen hervor, die der letzten zuerst, und ihre Summation erweckt die Vorstellung einer neuen Bewegung.\nAber so gut hierdurch die scheinbaren Lagever\u00e4nderungen der Bilder gedeutet scheinen, so erkl\u00e4ren sie nicht ohne weiteres die geschilderten Formver\u00e4nderungen und die Scheinbewegung fremder Objekte im Weggehen.\nHandelte es- sich lediglich um das Wiedererscheinen vergangener Bewegungsphasenbilder, so m\u00fcfsten an ihnen alle die Dimensionen sich zu \u00e4ndern scheinen, welche eine solche in Wirklichkeit erleiden, \u2014 aber wir sahen, dafs die Formver\u00e4nderung nur in einer Dimension vor sich geht, in der, welche der Bewegungsrichtung entspricht. In Fig. 2 m\u00fcfsten wir an Stelle der Figur GEBE' etwa FH GH' Wiederkehr end erwarten, statt der wirklich auftretenden GIDI'. In Fig. 1. h\u00e4tten wir statt EUGH1 etwa GEBE' zu erwarten, w\u00e4hrend die Figur FIGE resultiert.\nWo wir also Formver\u00e4nderungen im Bewegungsnachbilde wahrnehmen, scheint die konstant bleibende Dimension (senkrecht zur Bewegungsriehtung) dem wirklich gesehenen ruhenden Bilde anzugeh\u00f6ren, hingegen die labile (der Bewegungsrichtung entsprechende) Dimension den Nachbildern fr\u00fcherer Bewegungsphasen.\nAuf diese Weise werden w\u00e4hrend der Scheinbewegung auleinander folgende Sammelbilder geschaffen, in deren ver\u00e4nderliche Form reell gesehene Bilder hineingepafst werden; m\u00f6gen sie nun der vorherbewegten Scheibe angeh\u00f6ren oder ganz fremdartig sein, vorausgesetzt, dafs letztere nicht durch Intensit\u00e4t ihrer Farbe u. a. nicht das Ph\u00e4nomen \u00fcberhaupt unterdr\u00fccken.\nBot ich dem Auge auf der rotierenden Scheibe eine Folge radi\u00e4r gestellter farbiger Linien, so vollf\u00fchrten die reell erblickten Linien die Scheinbewegung \u2014 jede deutlich in der Eigenfarbe kenntlich. Auch diese Beobachtung zeigt, dafs ausschliefslich die reellen Dinge den Inhalt des Bewegungsnaehbildes liefern, da man anderenfalls Farben\u00e4nderungen z\u00fc erwarten h\u00e4tte, indem die einzelnen Farbent\u00f6ne einander beeinflufsten.\nMein verehrter Chef, Herr Greheimrat Schmidt-Bimpler, brachte diesen Untersuchungen ein freundliches Interesse ent-","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Studie zur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen.\t37\ngegen und nahm Gelegenheit, sich von den dargestellten Haupterscheinungen zu \u00fcberzeugen ; ich verfehle nicht, auch an dieser Stelle ihm meinen Dank abzustatten.\nDas Ergebnis meiner Untersuchungen m\u00f6chte ich in folgenden S\u00e4tzen zusammenfassend wiederholen:\nBei der Scheinbewegung nach Aufh\u00f6ren einer reellen Bewegung handelt es sich wesentlich um das Auftreten von Bewegungsnachbildern. Die dabei unter Umst\u00e4nden bemerkten Eormver\u00e4nderungen vollziehen sich nur in den der Bewegungsrichtung entsprechenden Dimensionen und werden beeinflufst theils von den reell gesehenen Dingen, theils von den Nachbildern vergangener Bewegungsphasen. Den Inhalt der Nachbilder liefern ausschliefslich reell angesehaute Gegenst\u00e4nde. Die Vorstellung der Scheinbewegung Avird vermittelt durch hochgradig infolge der angeschauten Bewegung erm\u00fcdete Netzhautpartien.","page":37}],"identifier":"lit15377","issued":"1894","language":"de","pages":"29-37","startpages":"29","title":"Studie zur Erkl\u00e4rung gewisser Scheinbewegungen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:12.127052+00:00"}