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{"created":"2022-01-31T17:00:40.004165+00:00","id":"lit15378","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Edinger, L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 38-48","fulltext":[{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\nL. Edinger. Bericht \u00fcber die Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie des Centralnervensystem.es im Laufe des Jahres 1892. Schmidts Jahrb\u00fccher der ges. Medizin. Bd. CCXL. S. 81 ff. (1893.) Selbstanzeige.\nDer Jahresbericht giebt eine \u00dcbersicht \u00fcber 153 Arbeiten. Nachdem, in den letzten Jahren auf dem in den Bericht fallenden Gebiete \u00fcberall ein reger Fortschritt sich geltend gemacht hat, vielfach ganz neue Thatsachen und oft genug neue Auffassungen \u00e4lterer gewonnen worden sind, tritt nun, wie es scheint, eine Periode ein, in der man sich an die Nachpr\u00fcfung des in so \u00fcberraschend schneller Weise Neugewonnenen macht und das Erreichte zu sichern sucht.\nMan wird im diesj\u00e4hrigen Berichte deshalb vielfach nur Best\u00e4tigungen oder Erweiterungen von Anordnungen finden, die man in den letzten Berichten kennen gelernt hat. Wir bed\u00fcrfen der Nacharbeiten in hohem Mafse. Erfreulicherweise stellt es sich auch heraus, dafs nur wenige Korrekturen erforderlich werden, und dafs allerseits mit einem hohen Grade von Exaktheit gearbeitet worden ist. Eine Kontrolle f\u00fcr die Richtigkeit des Erkannten wird auch gegeben durch Forschungen nicht rein anatomischer Art, die zu gleichen Resultaten f\u00fchrten, wie die anatomischen Untersuchungen. Aus diesem Grunde sind diesmal auch einige physiologische und pathologische Arbeiten mit ber\u00fccksichtigt worden, zumal in dem Abschnitte, der v.om R\u00fcckenmarke handelt.\nIn der Einleitung wird des Verlustes gedacht, den die Hirnanatomie im Laufe des Jahres 1892 erfahren hat. Meynert ist nicht mehr. Er ist mit Stilling der wahre Begr\u00fcnder der Disciplin gewesen. Nie hat die Anatomie einen Forscher von so grofser heuristisch intuitiver Begabung besessen. Sein Aufsatz vom Gehirne des Menschen und der S\u00e4ugetiere in Strickers Handbuch, der mit einem Male eine so grofse F\u00fclle neuen und wohl durchgearbeiteten Stoffes brachte, hat durch das, was er bot, und durch das, wozu er sp\u00e4ter anregte, auf den Fortschritt unseres Wissens vom Gehirne wahrscheinlich befruchtender gewirkt, als je vorher irgend ein Buch. Es ist erstaunlich, was alles Meynert richtig erkant hat an karmingef\u00e4rbten Schnittpr\u00e4paraten und an Abfaserungen, gelegentlich auch an vergoldeten Schnitten, erstaunlich zumal heute, wo uns andere, viel bessere Methoden die Kontrolle gestatten.\nMeynerts Arbeiten hatten alle einen genialen Zug; ja sogar da, wo er positive Fakta vorbrachte, dr\u00e4ngte sich zuweilen der Vergleich mit dem Dichter auf. Wie der Dichter verstand er richtig herauszuf\u00fchlen","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n39\nund zu ahnen, wo die vorliegenden Thatsachen allein zur Schlufsziehung nicht ausreichten. Gewifs hat Meynert sich auch oft geirrt, aber es ist doch vielfach das, was er an Positivem geschaffen, untersch\u00e4tzt worden. Gewifs auch ist der Weg, den M. gegangen, nicht der, den in exakter Wissenschaft zu beschreiten jedermann offensteht, aber ebenso sicher ist auch, dafs wir heute noch keine zusammenfafsbare Hirnanatomie bes\u00e4fsen, wenn M. nicht den K\u00e4hmen gezeichnet h\u00e4tte, den auszuf\u00fcllen er selbst und nach ihm so viele andere bem\u00fcht waren.\nDer Abschnitt Lehr b\u00fbcher, Modelle berichtet u. a. \u00fcber das von dem Referenten1 hergestellte und bei Jung in Heidelberg angefertigte grofse R\u00fcckenmark - Modell aus Draht, .welches geeignet ist, die neuen Anschauungen \u00fcber den Bau des R\u00fcckenmarkes einem grofsen Kreise leicht zu demonstrieren. Dann \u00fcber Arbeiten von His2 *\"~s zur allgemeinen Morphologie des Gehirnes und zur Nomenklatur desselben.\nIrgend eine besonders wichtige Neuerung auf dem Gebiete der Technik findet sich unter den 17 referierten technischen Arbeiten nicht vor.\nWie in den Vorjahren, haben wir wieder eine ganze Reihe zusammenfassender \u00dcbersichten \u00fcber den feineren histologischen Aufbau des Nevensystems erhalten, von denen hier namentlich ein Buch von Ramon y Cajal4 und ein solches von Lenhoss\u00e9k5 6 erw\u00e4hnt seien. Von den bisher erschienenen \u00dcbersichten ist jedenfalls die IiENHOSS\u00c9KSche die reichhaltigste, am ausf\u00fchrlichsten illustrierte und f\u00fcr den Arbeitenden durch die zahlreichen Hinweise auf Technik u. s. w. wohl wertvollste.\nWichtige Fortschritte hat die Auffassung von dem Wesen und der Endigung der sensiblen Nerven gemacht. Seit nachgewiesen ist, dafs die sensiblen Nerven nicht im Oentralorgane selbst entspringen, dafs sie ihren Ursprung vielmehr in peripherisch von diesem gelegenen Zellen (Spinalganglienzellen [Hts] und noch weiter peripherisch liegenden [von Lenhoss\u00e9k]) haben, gewinnt die Frage, wo \u00fcberall solche Ursprungszellen sensibler Neuronen liegen k\u00f6nnen, ein hohes Interesse, und es besch\u00e4ftigt sich deshalb der Bericht im laufenden Jahre auch mit einem Teile der \u00fcber peripherische sensible Endapparate erschienenen Litteratur. An den zahlreichen Arbeiten von Retzius, dem gerade hier ein hervorragendes Verdienst zukommt, l\u00e4fst sich wohl zeigen, wie die Fragestellung ist und wieweit heute eine Beantwortung m\u00f6glich erscheint.\n1\tEdinger, L., Demonstration eines R\u00fcckenmarksmodells. XVII. W'anderversammlung der s\u00fcdwestdeutschen Neurologen und Irren\u00e4rzte in Baden-Baden. Neurol. Gentr.-Bl. XI. 13. p. 419. 1892. \u2014 Arch. f. Psychiatrie XXIV. p. 637. 1892.\n2\tHis, Zur allgemeinen Morphologie des Gehirns. Arch. f. Anat. u. Physiol, [anat. Abtl.] 1892.\na His, Zur Nomenklatur des Gehirnes und R\u00fcckenmarks. Arch. f. Anat. u. Physiol, p. 425. 1892.\n4 S. Ramon y Cajal, Nuevo Concepto de la Histologia de los Centros Nerviosos. Mevista de Ciencias Medicas de Barcelona. XVIII. 1892. (Auch\nseparat: Barcelona. Hendrich & Co.)\n6 v. Lenhoss\u00e9k, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. Fortschr. d. Med. No. 15\u201424. 1892. (Auch separat: Berlin. Fischers Verlag. 5 Mk.)","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nBesprechungen.\nWir gehen am besten von der Betrachtung des Nervensystems beim Begenwurme aus. Betzius1 hat es im Verfolge der Studien \u00fcber die vergleichende Anatomie des Nervensystems der Evertebraten,, \u00fcber die hier wiederholt berichtet wurde, untersucht. Beim Begenwurme liegt ein sehr sch\u00f6nes Beispiel des nerv\u00f6sen Mechanismus vor. Die Ganglien sind relativ einfach gebaut, und man erkennt, wie schon tief im Tierreiche die sensiblen und die motorischen Elemente voneinander getrennt sind und wie die ersteren auf die letzteren in dem Centralorgane durch Kontakt wohl einwirken k\u00f6nnen. Die motorischen Nervenzellen liegen s\u00e4mtlich in den Ganglien des Bauchstranges und senden ihre Stammforts\u00e4tze nach Abgabe zahlreicher verzweigter Nebenforts\u00e4tze in die Punktsubstanz des Ganglions durch eines der drei Nervenpaare nach der Peripherie, wo sie sich in der Muskulatur auf l\u00f6sen. Es giebt Nerven aus gleichseitigen und aus gekreuzten Ganglienzellen. Die sensiblen Nervenfasern sind, wie v. Lenhoss\u00e9k entdeckt hat, Stammforts\u00e4tze von Zellen, die in der Haut liegen, sie enden leicht knotig, varik\u00f6s, frei im Centralorgan. Bekanntlich hat v. Lenhoss\u00e9k (s. fr\u00fchere Berichte) schon gleich nach seiner Entdeckung dieses Ursprunges der sensiblen Nerven aus Zellen der Haut darauf hingewiesen, dafs m\u00f6glicherweise die Zellen der Spinal-ganglien bei den Vertebraten solche in die Tiefe ger\u00fcckte Zellen seien. Diese Hypothese hat sich als aufserordentlich fruchtbar erwiesen. Bei Borstenw\u00fcrmern (Polych\u00e4ten) hat Betzius2 * durch die vitale Methylenblau-Methode nachweisen k\u00f6nnen, dafs \u00fcberall in der Haut verstreut Zellen liegen, die, unter der eigentlichen Epidermis gelagert, einen langen, an ihrer Spitze befindlichen Fortsatz durch jene hindurch zur Oberfl\u00e4che schicken, w\u00e4hrend sie einen deutlichen feinen Achsencylinder in das Centralorgan hinein entsenden, wo er nach Teilung frei endet. Die^e bipolaren Zellen mit ihren Forts\u00e4tzen stellen offenbar das eigentliche peripherische sensible Nervensystem der fraglichen Tiere dar und entsprechen den noch zwischen die Epithelzellen gelagerten Zellen bei den Begenw\u00fcrmern. Doch kommt bei den Polych\u00e4ten an den inneren Enden der Parapodienborsten noch eine Endigung von Nervenfasern nicht in Zellen, sondern in reichlicher Verzweigung mit freien Enden vor. In der Haut der Mollusken8 finden sich dann ganz die gleichen Zellen. Auch hier liegen sie zum Teil weif unter der Epidermis und senden nur ihre Spitzenforts\u00e4tze zwischen deren Zellen. Sie sind bei den Mollusken sehr verbreitet und kommen u. a. auch in der Mundh\u00f6hle vor. Das Einr\u00fccken aus der Haut in die Tiefe des K\u00f6rpers erscheint durch diese XTntersuchungen von Betzius ganz im Sinne der Hypothese v. Lenhoss\u00e9ks festgestellt. Wenn die Spinalganglienzellen in die Tiefe ger\u00fcckte, fr\u00fcher in der Oberhaut gelegene Gebilde sind, so w\u00fcrde ihr peripherischer Fortsatz, der sensible Nerv, nicht wieder in einer Zelle enden k\u00f6nnen, sondern irgenwo frei sich aufzweigen m\u00fcssen. Von diesem Gesichtspunkte aus m\u00fcssen die bisher bereits bekannten sensiblen\n1\tG. Betzius, Das Nervensystem der Lumbricinen. .Biologische Untersuchungen III. 1892.\n2\tG. Betzius, Das sensible Nervensystem der Polych\u00e4ten. Ebenda IV.\n8 G. Betzius, Das sensible Nervensystem der Mollusken. Ebenda. IV.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen,\n41\nNervenendigungen revidiert werden und m\u00fcssen namentlich die sog. nerv\u00f6sen Endzeilen an Sinnesoberfl\u00e4ehen einer neuen Bearbeitung unterzogen werden. Diese hat Retzius vorgenommen. Wo immer er auch untersuchte, im Geschmacksorgane der S\u00e4ugetiere und der Amphibien,1 an den Endknospen, bezw. Nervenh\u00fcgeln der Fische,2 an den Epithelien der Haut bei den verschiedensten Wirbeltierklassen,3 an den Haaren,5 \u00fcberall konnte er nur freie Nervenendigungen finden, freie, nicht anastomosierende Endver\u00e4stelungen um Epithelzellen herum. Endnetze, Endschlingen im Sinne von Dogiel waren nie nachweisbar. Es finden sich aber, wie Retzius in einer sehr sch\u00f6nen, klaren Zusammenstellung6 zeigt, am K\u00f6rper auch der S\u00e4uger alle \u00dcbergangstadien, die auf dem langen phylogenetischen Wege durchlaufen wurden, noch an der einen oder der anderen Stelle vor. In der Riechschleimhaut7 liegen (s. auch. fr\u00fchere Berichte) die TJrsprungszellen des Riechnerven noch mitten zwischen den Riechepithelien. Im Geh\u00f6rorgane4 sind sie in die Tiefe ger\u00fcckt. Die Ganglienzellen des Ganglion spirale cochleae nnd der Crista und Macula acustica schicken ihren centralen Fortsatz als Geh\u00f6rnerven zum Gehirn, w\u00e4hrend der peripherische sich mit reicher Endverzweigung zwischen den und um die Haarzellen ausbreitet. Mit Retzitjs gleichzeitig hat auch van Gehuchten gefunden, dafs die im Epithel des Ohres befindlichen Sinneszellen nicht selbst Nervenzellen entsprechen, dafs diese letzteren Zellen vielmehr, wie eben erw\u00e4hnt, von den bipolaren Zellen der H\u00f6rnervenganglien fepr\u00e4sentiert werden. Von van Gehuchten stammen auch ausgezeichnete Untersuchungen \u00fcber die Nervenendigungen an den Haaren. F\u00fcr das,Sehorgan nimmt Retzius, gest\u00fctzt auf eigene Untersuchungen, dann namentlich die von Tabtufeki, Ramon t Cajal und Dogiel an, dafs die \u00e4ufsersten Nervenzellen die St\u00e4bchen und Zapfen den Riechzellen des Geruchsorganes entsprechen. Ihr centraler Fortsatz l\u00e4uft zwar nicht in das eigentliche Gehirn, um sich dort in glomerulus\u00e4hnliche Gebilde zu ver\u00e4steln, sondern er zieht nur in die \u00e4ufsere Molekularschicht der Retina, um in ihr mit einem kleinen, mehr oder weniger verzweigten Kn\u00e4uel zu enden. In dieser Retinaschicht liegt aber die Grenze der Hirnschicht. Retzius stimmt in betreff der Einrichtung der Retina Ramon y Cajal8 darin bei, dafs er die Retina als eine Reihe von \u00fcbereinandergebauten Neuronen auffafst, die vermittelst ihrer Forts\u00e4tze durch Kontakt aufeinander wirken. So l\u00e4fst sich auf Grund der sch\u00f6nen,\n1\tG. Retzius, Die Nervenendigungen in dem Geschmacksorgan der S\u00e4ugetiere und Amphibien. Ebenda.\n2\tG. Retzius, Die Nervenendigungen in den Endknospen, resp. Nervenh\u00fcgeln der Fische und Amphibien. Ebenda.\n3\tG. Retzius, \u00dcber die sensiblen Nervenendigungen an den Epithelien bei den Wirbeltieren. Ebenda.\n4\tG. Retzius, Die Endigungsweise des Geh\u00f6rnerven. Ebenda. III.\n5\tG. Retzius, \u00dcber die Nervenendigungen an den Haaren. Ebenda. IV.\n6\tG. Retzius, \u00dcber die neuen Prinzipien in der Lehre von der Einrichtung des sensiblen Nervensystems. Ebenda.\n7\tG. Retzius, Die Endigungsnerven des Riechnerven. Ebenda. III.\n1892.\n8\tS. Note 4 auf Seite 39.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nBesprechungen.\nvon verschiedenen Seiten beigebrachten Untersuchungen der letzten Jahre der Satz aussprechen: Ursprungszellen f\u00fcr die sensiblen und sensorischen Nerven liegen nie im Centralorgane, sie k\u00f6nnen auf allen Stellen von der Hautoberfl\u00e4che bis zur Wirbels\u00e4ule hin gelagert sein; im letzteren Falle haben sie einen peripherischen, bis an die Sinnes ober fl\u00e4 ch e reichenden und dort um Zellen herum verzweigten Fortsatz. F\u00fcr die eigentliche Auffassung des gesamten Nervensystems ist durch diese Resultate der Untersuchungen von Golgi, v. Lenhossek, Retzius, van G-ehuchten, Ramon t Cajal u. a. ein enormer Schritt vorw\u00e4rts m\u00f6glich geworden.\nDie Behauptung Dohrns,1 2 dafs die sensiblen Nerven auch der Wirbeltiere von ganz peripher liegenden Zellen stammen und durch ein Aneinanderreihen von solchen Zellen sich die Nervenst\u00e4mme anlegten, ist neuerdings von K\u00f6r.liker2 zur\u00fcckgewiesen, von Beard3 aber wieder sehr energisch verfochten worden.\nBekanntlich haben sich im Laufe der letzten Jahre die Erfahrungen gemehrt, die darauf hinweisen, dafs nach Durchschneidung eines motorischen Nerven nicht nur. das peripherische St\u00fcck degeneriere, sondern dafs auch, ganz entgegen den f\u00fcr allgemeing\u00fcltig geltenden WALLERSchen Anschauungen, im centralen, noch mit den Ursprungszellen zusammenh\u00e4ngenden Teile Ver\u00e4nderungen vor sich gehen. Forel ist neuerdings lebhaft daf\u00fcr eingetreten, die Untersuchung der Amputations-R\u00fcckenmarke spricht daf\u00fcr, und es hab\u00e9n die sch\u00f6nen Untersuchungen Nissls4 5 Ver\u00e4nderungen an motorischen Kernen kennen gelehrt, welche schon 24 Stunden nach Durchtrennung des zugeh\u00f6rigen Nerven nachweisbar sind. Wenn Bregmann\u201c einem Tiere den Facialis ausrifs oder durchschnitt, so sah er die durch Osmium schw\u00e4rzbaren Zerfallprodukte im ganzen Bereiche des Kernes, im aufsteigenden Teile des Knies und in einem Teile des absteigenden Astes auftreten; es wurden aber der Ver\u00e4nderungen immer weniger, je weiter man nach der Peripherie kam, und nahe dem Facialisaustritt war oft keine Spur von Schwarzf\u00e4rbung mehr zu entdecken. B. ist geneigt, anzunehmen, dafs die Kontinuit\u00e4tstrennung zun\u00e4chst, wie es Nissl auch gezeigt hat, auf die Zellen des Kernes st\u00f6rend wirke, und dafs dann von ihnen eine absteigende Degeneration ganz im WALLERSchen Sinne erfolge. So war der Wider-\n1\tA. Dohrn, Die Schwannschen Kerne der Selachierembryonen. Anat. Anzeiger VII. p. 34:8. Mai 1892.\n2\tA, v. K\u00f6lliker, \u00dcber die Entwickelung der Elemente des Nervensystems. Contra Beard und Dohrn. Verhandl. d. anatom. Gesellsch. auf d. VI. Versammlung. Jena 1892. p. 76.\n3\tJ. Beard, The histogenesis of nerve. Anat. Anzeiger VII. 9 und\n10. 1892.\t..\n4\tNissl, \u00dcber experimentell erzeugte Ver\u00e4nderungen an den Vorder-\nhornzellen des R\u00fcckenmarkes beim Kaninchen mit Demonstration mikroskopischer Pr\u00e4parate. 48. ordentl. Versamml. d. psychiatr. Vereins der Rheinprovinz am 14. Nov. 1891 in Bonn. Allg. Zeitsehr. f. Psychiatrie XL\\ III. 6. p. 675. 1892.\t..\t'\t^\n5\tE. Bregmann, \u00dcber experimentelle aufsteigende Degeneration motorischer und sensibler Hirnnerven. Jahrb, f. Psychiatrie XI. 1 u. 2. p. 73. 1892.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n43\nSpruch gegen jenes Gesetz nur ein scheinbarer und dadurch bedingter, dafs man die entgegenstehenden Befunde als aufsteigende Degenerationen glaubte deuten zu m\u00fcssen, solange sie nicht in ihrem ganzen Verlaufe bis zum Kerne hin verfolgt worden waren.\nDie Ver\u00e4nderungen in der centralen Zelle nach peripherischem Eingriff beschreibt auch Darkschewitsch.1 Von diesem nun neu gewonnenen Gesichtspunkte aus werden die Ver\u00e4nderungen, die an Amputations-R\u00fcckenmarken wiederholt geschildert wurden, klarer, und es ist erw\u00fcnscht, dafs sie gerade im laufenden Jahre eine erneute Bearbeitung gefunden haben. Marinesco,2 dem wir dies verdanken, ist \u00fcbrigens f\u00fcr das Theoretische mehrfach zu anderen Schl\u00fcssen gekommen, als sie oben dargelegt sind.\nEine Anzahl Arbeiten von Cunningham,3 4 5 Antonini,4-5 Ellenberger,6 Turner7 u a. liegen \u00fcber die Windungen des Gehirns vor. Dann w\u00e4re eine wichtige Arbeit von Sachs8 zu erw\u00e4hnen. Sachs hat an fortlaufenden Schnitten durch ausgebildete menschliche Hemisph\u00e4ren die Schichten des Markes, zun\u00e4chst im Occipitallappen studiert, und in einer grofsen Anzahl photographischer Abbildungen mit begleitendem Texte geschildert. Diese Untersuchungen, welche in einigem \u2014 Balkenfasern z. B. \u2014 von den bisherigen Ansichten abweichen, in vielem Anderen sie best\u00e4tigen und vielfach auch Neues beibringen, schliefsen mit einem Ausblick auf die gesamten Verbindungen innerhalb der Hemisph\u00e4ren. Der Hinterhauptlappen ist ausgiebig nur mit dem Schl\u00e4fenlappen verbunden, und im ganzen Gehirne soll, abgesehen von dieser Verbindung, keine bedeutendere lange Bahn zwischen zwei physiologisch voneinander zu trennenden Hirnteilen existieren. Der Schl\u00e4fenlappen, welcher also schon mit dem Occipitallappen eng verbunden ist, besitzt aber noch Faserz\u00fcge zum Stirnlappen und zu fast allen \u00fcbrigen Teilen des Grofs-hirnoberfl\u00e4che. Es sei, meint Sachs, der einzige Lappen, der zweifellos\n1\tDarkschewitsch, \u00dcber die Ver\u00e4nderungen in dem centralen Ab-\nschnitt eines motorischen Nerven bei Verletzung des peripheren Abschnitts. Neurol Centr.-Bl. XI. 11. p. 658. 1892.\t'\t'\n2\tG. Marinesco, \u00dcber Ver\u00e4nderungen des Nerven und des R\u00fcckenmarkes nach Amputationen. Ein Beitrag zur Nerventrophik. Ebenda XI. 15. 16. 1892.\n3\tD. J. Cunninghham, Contribution to the surface anatomy of the cerebral hemispheres. Royal Irish Academy. Cunningham Memoirs VII. 12. p. I\u2014305. with 8 pi. 1892. (Dem Referenten nicht zug\u00e4nglich.)\n4\tA. Antonini, La corteccia cerebrale nei mammiferi domestici. Monitore zoologico italiano III. 11. p. 224. 1892.\n5\tL. Antonini, Le circonvoluzioni cerebrali nei mammiferi domestici. Sopra le circonvoluzioni del camello. Giorn. anat. XXIII. 3. p. 143. 1892. (Dem Referenten nicht zug\u00e4nglich.)\n6\tEllenberger, Die Furchen der GrofshirnOberfl\u00e4che des Pferdes, der Wiederk\u00e4uer und des Schweines. Arch. f. prakt. u. wissenschaftl. TierhMe. XVIII. 3 u. 4. p. 267. 1892. Mit 9 Abbild, im Text.\n7\tSir William Turner, The cerebral hemispheres of ornithorhynchus paradoxus. Journ. of Anat. and Physiol. XXIV, N. S. VI. 3. p. 375. 1892. With Figures.\n8\tHeinrich Sachs, Das Hemisph\u00e4renmark des menschlichen Grofs-hirns. 1) Der Hinterhautlappen. Leipzig, 1892. G. Thieme. Mit 3 Abbild, u. 8 Tafeln.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nBesprechungen.\n\u00e4chte Kommissurfasern in der Commissura anterior besitzt. Im Gegens\u00e4tze zu diesen m\u00e4chtigen Associationsverbindungen nach allen Seiten entsendet der Schl\u00e4fenlappen als. Stabkranzfasern nur geringe B\u00fcndel. Vielleicht ist diese Einrichtung der anatomische Ausdruck der psychologischen Thatsache, dafs am menschlichen Denken die Sprache, deren Klangbild wir in den Schl\u00e4fenlappen verlegen d\u00fcrfen, den wes entlichsten Anteil hat. Hervorgehoben sei noch eine letzte Arbeit von Meynert1 \u00fcber Associationssysteme des Hirnmantels.\nNachdem durch die Arbeiten Golgis und S. Ramon y Cajals endlich eine gewisse Klarheit in die Lehre von der Anordnung der Rindenzellen gekommen, werden Arbeiten, die einzelne Rindengebiete n\u00e4her schildern, immer n\u00f6tiger und wichtiger.\nIm vergangenen Jahre konnte der Studien Salas \u00fcber das Ammonshorn gedacht werden, im laufenden hat sich Schaffer2 * mit dem gleichen Gebiete befafst. Es ist ihm der Nachweis gelungen, dafs sich der Typus der Hirnrinde, welcher nach Ramon y Cajal in dem letzten Berichte geschildert wurde, auch im Ammonshorne v\u00f6llig nachweisen l\u00e4fst.\nUnsere Kenntnis von den optischen Leitungsbahnen und Centren hat im laufenden Jahre eine sehr grofse Festigung und auch manche Erweiterung erfahren. Die Studien Monakows, \u00fcber die in fr\u00fcheren Jahren wiederholt berichtet worden ist, haben nun so weit einen vorl\u00e4ufigen Abschlufs gefunden, dafs die anatomischen That-sachen, die sich aus ihnen ergeben, von Monakow8 zusammengefafst dargestellt werden konnten. Auch das grofse Werk von Henschen4 5 hat jetzt mit dem zweiten Bande einen Abschlufs gefunden, und in diesem wird auf Grund eines reichen und vortrefflich untersuchten pathologischen Materials und mit sorgf\u00e4ltiger Ber\u00fccksichtigung der ganzen bisherigen Litteratur die Frage nach der Lage der Sehbahn und nach der Ausdehnung der Sehcentren beim Menschen er\u00f6rtert. F\u00fcr diese beiden Werke, wie f\u00fcr eine wichtige Arbeit von Gehuchten6 7 \u00fcber den Bau der vorderen Vierh\u00fcgel mufs auf den Bericht seihst, resp. auf das Original verwiesen werden. Ihre Resultate lassen sich kurz nicht gen\u00fcgend darstellen. Auch der Occulomotoriuskern ist mehrfach6-7 unter-\n1\tTh, Meynert, Neue Studien \u00fcber die Associationsb\u00fcndel des Hirnmantels. Wien 1892. 8. 20 S. Mit 4 Tafeln. \u2014: Wien. Sitz.-Ber. CI. 3. p. 361. Mit 4 Tafeln.\n2\tKarl Schaffer, Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. Arch. f. mikrosh. Anat. XXXIX. 4. p. 611. 1892.\n8 C. von Monakow, Experimentelle und pathologisch-anatomische Untersuchungen \u00fcber die optischen Centren und Bahnen, nebst klinischen Beitr\u00e4gen zur kortikalen Hemianopsie und Alexie. Arch. f. Psychiatrie XXIII. 3. p. 609. 1892. Mit 2 Tafeln.\n4\tS. E. Henschen, Klinische und anatomische Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Gehirns. 2. Teil. Upsala 1892.\n5\tA van Gehuohten, La structure des lobes optiques chez l\u2019embryon de poulet. La Cellule. T. VIII. 1892.\n6\tv. Koelliker, \u00dcber den Ursprung des Oculomotorius beim Menschen. Sitz.-Ber. d. phys.-med. Gesellseh. in W\u00fcrzburg. 1892. No. 8.\n7\tA. van Gehtjchten, De l\u2019origine du nerf oculomoteur commun.\nBull de TAcad. royale de Belgique 3. S. XXIV. 11. 1892.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n45\nsucht worden, und ebenso haben wir durch Held1 2 \u00fcber die hintere Kommissur Neues gelernt.\n\u00dcber das Kleinhirn haben wir diesmal wenig Neues erfahren. Wohl aber, liegen ausf\u00fchrlichere Arbeiten vor \u00fcber die Faserung im Hirnschenkelfufs von Bumm,\u00ae \u00fcber die Verbindung der Vorderseitenstr\u00e4nge mit dem Mittelhirne und Hinterhirne von Held3 und eine Arbeit von H\u00f6sel,4 5 welche darzuthun sucht, dafs von den Centralwindungen eine direkte Schleifenbahn bis zu den Kernen der Hinterstr\u00e4nge und des Trigeminus ziehe.\nDie Nervenurspr\u00fcnge im Mittel- und Hinterhirne haben durch Bruce6 eine sehr sch\u00f6n illustrierte klare Darstellung gefunden. Dann sind sie von Held' mit der GoLGischen Methode an F\u00f6ten durchuntersucht worden. Seine sch\u00f6nen und klaren Ergebnisse decken sieh mit denen, \u00fcber die im vorigen Jahre nach einer Arbeit von K\u00f6llikijr berichtet werden konnte. Die sensiblen Hirnnerven endigen ebenso mit Endverzweigungen um Zellen herum, wie es f\u00fcr die hinteren K\u00fcckenmarkwurzeln l\u00e4ngst dargelegt ist. Vielfach (Vagus, Trigeminus, Acusticus) teilt sich ein Teil der eintretenden Wurzel in auf- und absteigende \u00c4ste. Seit durch van Gehuchten und Ketzius die wahren Ursprungszellen des Acusticus im Labyrinth und im Ganglion spirale gefunden worden sind, mufs sich unsere Auffassung vom Wesen der ins Gehirn eintretenden H\u00f6rnervenwurzeln \u00e4ndern. Da kommt die Arbeit von Held,7 welche diese in ihren mannigfach durch Kollateralen vermittelten Beziehungen schildert, aufserordentlich erw\u00fcnscht. Es scheint, dafs auf diesem bisher soviel umstrittenen Gebiete es endlich zu festen Anschauungen kommt. Erw\u00e4hnt sei noch eine Arbeit von Holm8 \u00fcber den Vaguskern und eine Studie von Bregmann9 \u00fcber den centralen Verlauf des Trigeminus und Facialis.\n1\tHans Held, \u00dcber eine direkte akustische Kindenbahn und den Ursprung des Vorderseitenstranges beim Menschen. Arch. f. Anat. u. Physiol, [anat. Abt.] 3 u. 4. p. 257. 1892.\n2\tA. Bumm, \u00dcber den centralen Ursprung des Hirnschenkelfufses beim Kaninchen. Dtsch. Ztschr. f. Nervenhlkde. II. 2 u. 3. 1892.\n3\tHans Held, Die Beziehungen des Vorderseitenstranges zu Mittel-\nund Hinterhirn. Abhandl. d. mathem.-phys. Klasse d. Je. s\u00e4chs. Gesellseh. d. Wissensch. No. VI. Leipzig. 1892.\t8. Hirzel.\n4\tOtto H\u00f6sel, Die Centralwindungen ein Centralorgan der Hinter-str\u00e4nge und des Trigemius. Arch. f. Psychiatrie XXIV. 2. p. 452. 1892.\n5\tAlexander Bruce, Illustration of the nerve-tracts in the mid and hind brain and the cranial nerves. Edinburgh and London 1892. Young J. Pent-land. Atlas. Querfolio.\n6\tHans Held, Die Endigungsweise der sensiblen Nerven im Gehirn. Aus dem anatomischen Institut zu Leipzig. Mit 2 Tafeln. Arch. f. Anat. u. Physiol, [anat. Abt.] 1 u. 2. p. 33. 1892.\n7\tHans Held, Die Beziehungen des Vorderseitenstranges zu Mittelund Hinterhirn. Abhandl. d. mathem. phys. Klasse d. Je. s\u00e4chs. Gesellsch. d. Wissenschaften. No. VI; Leipzig, 1892. S. Hirzel.\n3 Harald Holm, Die Anatomie und Pathologie des dorsalen Vaguskerns. Ein Beitrag zur Lehre vom Kespirationscentrum, dessen Entwickelung und Degeneration. (Norsk Mag. for L\u00e4gev. No. 1. 1892.) Deutsch in Virchow\u2019s Arch. CXXXI. p. 78. 1893.\n9 E. Bregmann, \u00dcber experimentelle aufsteigende Degeneration motorischer und sensibler Hirnnerven. Jahrb. f. Psychiatrie. XI. N\u00f6. 1. \u00fc. 2. p. 73. 1892.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nBesprechungen.\nAus zahlreichen Arbeiten (20 Titel) \u00fcber das R\u00fcckenmark sei hier wesentlich nur der Studie von Gotch und Horsley1 gedacht, weil diese Verfasser durch ein rein physiologisches Verfahren ganz zu gleichen Resultaten \u00fcber den Verlauf der R\u00fcckenmarkleitung gekommen sind, wie sie seit Jahren die anatomische Methode aufgedeckt hat. Gotch und Horsley haben den Wegen nachgeforscht, die ein im Gehirn oder R\u00fcckenmark gesetzter elektrischer Reiz nach der Peripherie hin verfolgte, oder auch der Bahn, die ein solcher, der dem peripherischen Nerven mitgeteilt wurde, aufw\u00e4rts einschlug. Die aufserordentlich interessanten und genauen Anordnungen, die zur Messung der eintretenden elektrischen Schwankungen in dem untersuchten Teile dienten, ebenso wie der ganze wesentliche Inhalt der Schrift k\u00f6nnen an diesem Platze nicht wiedergegeben werden. Wohl aber bieten die Resultate der auf reiches Material gest\u00fctzten Untersuchung auch in anatomischer Hinsicht kein geringes Interesse. G. und H. fanden, dafs bei weitem die Mehrzahl der eintretenden Impulse im R\u00fcckenmarke auf der Seite des Wurzeleintritts aufw\u00e4rts steigt, dafs nur ein. kleiner Teil im Hinterstrange der gekreuzten Seite und ein noch kleinerer ebenda im Seitenstrange aufw\u00e4rts gelangt. Der direkte Pfad f\u00fcr eintretende Reize liegt in den Hinterstr\u00e4ngen der gleichen Seite. Die Bahn in den gekreuzten Hinterstr\u00e4ngen mufs eine indirekte sein. Auch im gleichseitigem Hinterstrange scheinen indirekte Bahnen zu verlaufen. Von den elektrischen Schwan-\nkungen wurden \u00fcbertragen durch\nden Hinterstrang der gleichen Seite........... 60\u00b0/\u00bb\nden Seitenstrang der gleichen Seite........... 20\u00b0/o\nEs gingen also auf der gleichen Seite hirnw\u00e4rts 80%\nIm Hinterstrang der gekreuzten Seite.......... 15 %\nim Seitenstrang. ............................. 5%\nAlso auf der gekreuzten Seite................. 20%\nDas stimmt recht gut mit unseren anatomischen Auffassungen vom Faserverlaufe der sensiblen Bahn in den Hinter- und Seitenstr\u00e4ngen, die dadurch neue Bekr\u00e4ftigung empfangen. Die vom Gehirn abw\u00e4rts steigenden Bahnen in R\u00fcckenmark und Nerven wurden in der Weise studiert, dafs verschiedene Teile des vom Gehirn getrennten R\u00fcckenmarkes auf einem Querschnitt gereizt wurden und dann im peripherischen gemischten Nerven nach den elektrischen Schwankungen gesucht wurde. Geringe Reizung der Hinterstr\u00e4nge wurde nur absteigend in die hinteren Wurzeln der gleichen Seite und so in den gemischten Nerv \u00fcbertragen. Bei starker Reizung eines Hinterstranges gingen auch Impulse hin\u00fcber auf die gekreuzten hinteren Wurzeln. Reizung des Seitenstranges liefs im gleichseitigen Nerven Ver\u00e4nderung des elektrischen Zustandes erkennen. Im ganzen\n1 P. Gotch and V. Horsley, On the mammalian nervous system, its functions and their localisations determined by an electrical method. With 7 Plates. Philosophical Transactions of the Boyal Society of London. Vol. 182. Section B. 60 pp. 1892.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n47\ngingen 82 % auf der gleichen Seite \u2014 durch die Hinterstr\u00e4nge (73 %) und Seitenstr\u00e4nge (9%) \u2014 herab und 18% auf der gekreuzten, wobei 15% auf die Hinterstr\u00e4nge und 3% auf die Seitenstr\u00e4nge kommen. Mit Leichtigkeit liefs sich auch zeigen, dafs und wie elektrische Heize das R\u00fcckenmark passierten, die auf den einzelnen Eindenfeldern angebracht waren. Man sieht, dafs in den Hinterstr\u00e4ngen sowohl auf- als absteigend geleitet wird, es zeigt sich, dafs aber f\u00fcr alle Reize, die durch eine Vorderwurzel dem R\u00fcckenmarke zugeschickt werden, vollst\u00e4ndige Obstruktion besteht, dafs sie nicht hirnw\u00e4rts weitergeleitet werden. Einerlei, ob man die motorische Bahn in der Rinde, im Stabkranze oder in den Seitenstr\u00e4ngen reizte, immer liefs sich deutliche Verminderung des elektrischen Vorganges und eine Versp\u00e4tung erkennen, wenn er an der Vorderwurzel austrat. Jeder vom R\u00fcckenmarke selbst ausgehende Reiz gelangt sowohl in den hinteren als in den vorderen Wurzeln abw\u00e4rts.\nDies in kurzem der Teil der Resultate, der ein anatomisches Interesse bietet. Man sieht, die bisher bekannten anatomischen Daten stehen nirgends im Widerspruch zu diesen physiologisch ergr\u00fcndeten Thatsachen. Auf die interessante, 524 Seiten starke und mit zahlreichen klaren Abbildungen versehene Abhandlung soll hier ausdr\u00fccklich hingewiesen werden; sie bringt unsere physiologischen Kenntnisse ein gutes St\u00fcck vorw\u00e4rts.\nDoch sind auch unsere Kenntnisse \u00fcber den centralen Verlauf der Wurzelfasern durch Durchschneidungs versuche wesentlich gef\u00f6rdert worden, zun\u00e4chst durch Berdez,1 2 3 dann durch Mott,2-3 der sich wesentlich mit der Kleinhirnseitenstrangbahn und dem Tractus antero-lateralis besch\u00e4ftigt. Im ganzen ergiebt sich, dafs f\u00fcr den Verlauf der Wurzelfasern im R\u00fcckenmark von den verschiedensten Seiten aufserordentlich viel \u00dcbereinstimmendes berichtet wird. Mehr und mehr befestigt sich die Lehre hier. Ja, gerade neuerdings erhalten wir von Redlich4 und von Dejerine5 6 Untersuchungen \u00fcber die Wurzel Ver\u00e4nderungen bei Tabes, die von der pathologischen Seite das Erreichte beleuchten und vortrefflich st\u00fctzen. Die Lokalisation der tabischen Ver\u00e4nderungen l\u00e4fst sich nach diesen Autoren einfach und zwanglos verstehen, wenn man die zuerst von Singer gebrachten Angaben \u00fcber den Verlauf der hinteren Wurzelfasern in den Hinterstr\u00e4ngen acceptiert. Diese Angaben haben \u00fcberhaupt bisher nur\n1\tBerdez, Recherches experimentales sur le trajet des fibres centrip\u00e8tes dans la moelle \u00e9pini\u00e8re. Revue m\u00e9d. de la Suisse rom. XII. 5. Mai 1892.\n2\tW. Mott, Results of hemisection of the spinal cord in Monkeys, PJ\u00fclosopJueal Transaction of the Royal Society of London. Vol. 183. p. 1. 1892.\n3\tW. Mott, Ascending degenerations resulting from lesion of the spinal cord in Monkeys. Physiological Laboratory of University College. Brain. Part. LVIII. p. 215. 1892.\n4\tE. Redlich, Die hinteren Wurzeln des R\u00fcckenmarkes und die\npathologische Anatomie der Tabes dorsalis. Jahrbb. f. Psychiatrie XI. 1 u. 2. p. 1. 1892.\n6 Dejerine, Du r\u00f4le jou\u00e9 par les l\u00e9sions des racines post\u00e9rieures dans la scl\u00e9rose m\u00e9dullaire des ataxiques. Semaine m\u00e9d. XII. 63. 1892.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nBesprechungen.\nBest\u00e4tigung erfahren, und ihre Ergebnisse d\u00fcrfen wohl endlich als festgestellt angesehen werden.\nReferent hat die Freude, zum Schlafs zu berichten, dafs die vergleichend anatomischen Studien von allen Seiten nun aufgenommen werden. Der Jahresbericht erw\u00e4hnt 16 zumeist gr\u00f6fsere Arbeiten. Speziell erw\u00e4hnt sei die vortreffliche Studie von Bdrckhardt1 2 * 4 \u00fcber das ganze Centralnervensystem von Protopterus annectens und drei Arbeiten von Herrick2-4 \u00fcber das Fischgehirn, die uns ein gut St\u00fcck vorw\u00e4rtsbringen. Dem Zwischenhirn der Selachier und der Amphibien hat Referent5 eine eingehende Darstellung gewidmet, die als zweiter Teil seiner Untersuchungen \u00fcber die vergleichende Anatomie des Gehirns erschien. Dann hat das Reptiliengehirn durch Koppen6 und durch Adolf Meyer,7 das R\u00fcckenmark der Amphibien durch Sclayttnos8 und Sala9 Bearbeitung erfahren. Schliefslich verdankt man Herrick10 noch Untersuchungen \u00fcber das Gehirn einiger Beutel- und Nagetiere und Symington11 eine Studie \u00fcber die Hirnkommissur bei den niederststehenden S\u00e4ugern.\nJ. Bich. Ewald. Physiologische Untersuchungen \u00fcber das Endorgan des Nervus octavus. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1892. 324 S.\nDurch mehrere kleinere Publikationen war es bekannt, dafs Professor Ewald in Strafsburg sich mit der Physiologie des Ohr-Vestibular-\u00e4pparates besch\u00e4ftige. Man erwartete mit einiger Spannung die ausf\u00fchrliche Publikation, da die vorl\u00e4ufigen Mitteilungen sehr originale\n1 Btjrckhardt, Bas Centralnervensystem von Protopterus annectens. Eine vergleichende anatomische Studie. Mit 5 Taf. Berlin. 1892. B. Friedl\u00e4nder & Sohn.\n2 C. L. Herrick, Additional notes on the teleost brain. Anatom. Anzeiger VII. 13. 14. 1892.\n8\tC. L, Herrick, Notes upon the anatomy and histology of the prosencephalon of teleosts. With 2 Plates. Arneric. Naturalist. XXVI. 302. p. 112. 1892.\n4\tC. E. Herrick, Contributions to the morphology of the brain of bony fishes. II. Studies on the brains of some American fresh-water fishes. (Continued.) With 2 Plates. Journ. of comparative Neurol. I. p. 333. Dezbr. 1891; II. p. 21. Mai 1892.\n5\tL. Edinger, Untersuchungen \u00fcber die vergleichende Anatomie des Gehirns. II. Teil. Das Zwischenhirn. Abhandl. d. SencTcenbergischen Gesellschaft. 1892. 4\u00b0. 56 S. mit 5 Tafeln.\n6\tM. Koppen, Beitr\u00e4ge zur vergleichenden Anatomie d. Centralnervensystems d. Wirbeltiere zur Anatomie des Eidechsengehirns. Abdruck aus den morpholog. Arbeiten, herausgeg. von G. Schwalbe. I. 3. 1892.\nI\tAdolf Meyer, \u00dcber das Vorderhirn einiger Reptilien. Ztschr. f. wiss. Zoologie LV. p. 63. 1892.\n8\tGeorgios L. Solavunos, Beitr\u00e4ge zur feineren Anatomie des R\u00fcckenmarkes der Amphibien. Festschr. f\u00fcr A. v. K\u00f6lWker, gewidmet vom anatom. Institut zu W\u00fcrzburg. 1892.\n9\tC. L. Sala, Estructura de la M\u00e9dula espinal de los Batracios. Trabajos del Laboratorio de histologia de la Facultad de Medicina de Barcelona. Febr. 1892..\n10\tC. J. Herrick, The cerebrum and olfactories of the opossum. Didelphys Virginica. Journ. o/ comparative Neurol. II. p. 1. 1892.\nII\tJohnson Symington, The cerebral commissures in the marsupialia and monostremata. Journ. of Anat. and Physiol. XXVlI. p. 69. 1892.","page":48}],"identifier":"lit15378","issued":"1894","language":"de","pages":"38-48","startpages":"38","title":"Bericht \u00fcber die Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie des Centralnervensystemes im Laufe des Jahres 1892, Selbstanzeige. Schmidts Jahrb\u00fccher der ges. Medizin, Bd. CCXL, S. 81 ff., 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:40.004171+00:00"}