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{"created":"2022-01-31T16:59:56.464158+00:00","id":"lit15383","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 60-61","fulltext":[{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nLitteraturbericht.\nH. Sachs. Vortr\u00e4ge \u00fcber Bau und Th\u00e4tigkeit des G-rofshirns und die Lehre von der Aphasie und Seelenblindheit. Preufs und J\u00fcnger, Breslau. 1893. 290 S.\nVerfasser giebt zun\u00e4chst in vier Vortr\u00e4gen eine anschauliche Darstellung der Anatomie des Grofshirns, welche sich eng an die einschl\u00e4gigen Arbeiten Meynerts und Wernickes anschliefst. Die \u00fcbrigen acht Vortr\u00e4ge sind der Physiologie gewidmet. Besonders machen wir auf den f\u00fcnften Vortrag \u201ePsychologisches\u201c aufmerksam. S. verwirft die Annahme besonderer Erinnerungszellen, allerdings, ohne den Schwierigkeiten, welche sich aus dieser Ablehnung, z. B. bei Erkl\u00e4rung der sensorischen Aphasie, ergeben, gerecht zu werden. Die Eigenartigkeit der Innervationsempfindung (im Sinne Meynerts) wird aufrecht erhalten. Die vollst\u00e4ndige Verschiedenheit der Vorstellung von der Empfindung wird mit nicht gen\u00fcgenden Gr\u00fcnden bek\u00e4mpft. Die Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Punktion einzelner Abschnitte der Hirnrinde in den folgenden Vortr\u00e4gen kn\u00fcpfen namentlich an die Frage der Aphasie und der Seelenblindheit an. \u00dcber die Projektion der Netzhaut auf die Sehsph\u00e4re wagt Verfassen noch kein Urteil. \u2014 Unter der Bezeichnung Aphasie schl\u00e4gt S. vor, alle diejenigen Sprachst\u00f6rungen zusammenzufassen, deren anatomischer Sitz in umschriebenen Bezirken der Grofshirnrinde, den Associationsfasern oder Stahkranzfasern (Projektionsfaser erster Ordnung) zu finden oder zu vermuten ist. Als das Wesentliche des akustischen Erinnerungsbildes eines jeden Wortes betrachtet er die Associationen, welche den Verh\u00e4ltnissen entsprechen, in denen die aufeinanderfolgenden Bestandteile des Wortes zu einander stehen. Das einzelne Wort wird also in \u00e4hnlicher Weise behalten, wie eine Melodie. Recensent glaubt, dafs die Auffassung des Verh\u00e4ltnisses der in dem einzelnen Buchstaben enthaltenen gleichzeitigen Partialt\u00f6ne eine ebenso bedeutsame Rolle spielt. Welcher Art der Vorgang in der Hirnrinde ist, mittelst dessen wir diese Verh\u00e4ltnisse wahrnehmen, wagt S. nur zu vermuten: er denkt sich, dafs wir die Reaktion empfinden, mit welcher ein subkortikales Organ das Eindringen verschiedener aufeinander folgender T\u00f6ne beantwortet. Auch scheint es L. wohl berechtigt, f\u00fcr die Empfindung der T\u00f6ne einerseits und ihrer Verh\u00e4ltnisse andererseits je ein besonderes Rindenfeld anzunehmen. Hingegen nimmt er an, dafs das Centrum f\u00fcr die Klangbilder der W\u00f6rter von dem Centrum f\u00fcr die \u00fcbrigen Geh\u00f6rs-wahrehmungen nicht verschieden ist. Den Unterschied zwischen Centrum und Eeitungsbahnen, welchen Freud in seiner bekannten Arbeit ganz leugnete, h\u00e4lt S. mit guten Gr\u00fcnden aufrecht. Mit Lichtheim und Ross nimmt er an, dafs die BROCASche Windung nicht ausschliefslich Sitz der Sprachbewegungsimpulse ist, sondern die Rindenvertretung des Glossopharyngeus und Hypoglossus (f\u00fcr alle Bewegungen der von diesen Nerven innervierten Muskeln) enth\u00e4lt. Als kortikale Endst\u00e4tte des Lippenfacialis \u2014 sowohl f\u00fcr die Lippenbewegungen beim Sprechen, wie f\u00fcr alle anderen Lippenbewegungen \u2014 soll die \u00dcbergangsstelle der unteren Stirn Windung in die vordere Centralwindung fungieren. Danach w\u00fcrde die BROCASche Windung zusammen mit dem unteren Drittel der Centralwindungen ein funktionell zusammengeh\u00f6riges grofses Rindenfeld","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n61\nausmachen. Die weitere Darstellung lehnt sich im wesentlichen an Wernicke an. Nur vertritt S. mit triftigen Gr\u00fcnden die Ansicht Kuss-MA\u00dcI.S, dafs die Sprachbewegungsvorstellung stets vom Klangbilde des Wortes her ausgel\u00f6st wird.\nDer Lehre von der Seelenblindheit legt S. die Annahme zu Grunde, dafs auf der Medianfl\u00e4che der Hemisph\u00e4ren (Cuneus, Gyr. lingualis) ein optisch-sensorisches Feld existiert, in welchen die einfache, Farbe und Intensit\u00e4t besitzende Lichtempfindung stattfindet, und aufserdem auf der lateralen Konvexit\u00e4t und auf der Basalfl\u00e4che des Occipitallappens ein optisch-motorisches Feld, welches die Bewegungsvorstellungen enth\u00e4lt, deren verschiedene Associationen untereinander die Formen der gesehenen Gegenst\u00e4nde ergeben. Die kortikale Seelenblindheit beruht nach S. auf einer Zerst\u00f6rung des optischen Bewegungsfeldes. So sehr Referent den Scharfsinn anerkennen mufs, mit welchem Verfasser seine Annahme durchzuf\u00fchren versucht hat, so scheint ihm die ganze Theorie doch, abgesehen von anderen Einw\u00fcrfen, schon dann unhaltbar, sobald man sie von einfarbigen Gegenst\u00e4nden auf verschiedenfarbige zu \u00fcbertragen versucht.\nAchtzig, zum Theil vorz\u00fcglich gelungene, Abbildungen sind dem Buche beigegeben. Im vorausgehenden sind nur die Ansichten des Verfassers in einigen strittigen Hauptfragen kurz mitgeteilt worden. Im \u00fcbrigen mufs auf das in hohem Mafs lohnende Studium des Originals verwiesen werden.\tZiehen (Jena).\nW. Nagel. Versuche zur Sinnesphysiologie von Bero\u00eb ovata und Carmarina hastata. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 54 S 165 bis 188. (1893.)\nVerfasser fand, dafs L\u00f6sungen gewisser Chemikalien, sowie thermische und wahrscheinlich auch mechanische Beize der Haut von Bero\u00eb ovata, einer Ctenophore, appliciert, Kontraktionen des K\u00f6rpers ausl\u00f6sen, und scheint der Annahme nicht abgeneigt, dafs Bero\u00eb ein gewisses Schmeckverm\u00f6gen besitzt, \u00fcberhaupt psychisch etwa auf der H\u00f6he eines dekapitierten Frosches st\u00e4nde. Die chemische Beizbarkeit ist am ausgesprochensten da vorhanden, wo das \u201eEiMERSche Sinnesorgan\u201c, ein Gebilde mit Tastk\u00f6rperchen einfachster Art, liegt. Nach dem aboralen Pole hin nimmt /sie immer mehr ab. Es ist dies schon ein Beweis, dafs die sog. Polplatten nicht \u201eGeruchsplatten\u201c im Sinne der Annahme von Foll sind und \u00fcberhaupt zu chemischen Sinnes Wahrnehmungen nicht in Beziehung stehen. Auffallend ist, dafs die Segmente einer k\u00fcnstlich geteilten Bero\u00eb erregbarer sind, als das Ganze. \u2014 Im Gegensatz zu Bero\u00eb ist Carmarina hastata auf der ganzen Fl\u00e4che des Schirmes gegen Chemikalien unempfindlich. Die Unempfindlichkeit des Magens gegen\u00fcber solchen Reizen hat Carmarina mit Bero\u00eb gemein. Dagegen sind die sechs hohlen langen Eandf\u00e4den bei Carmarina sehr reizbar. Eine z. B. mit Chininl\u00f6sung besp\u00fclte Stelle des Fadens verdickt sich sofort durch Kontraktion, dann schnellen alle F\u00e4den auf, und das ganze Tier kommt in Unruhe.\tSchaefer (Rostock).","page":61}],"identifier":"lit15383","issued":"1894","language":"de","pages":"60-61","startpages":"60","title":"H. Sachs: Vortr\u00e4ge \u00fcber Bau und Th\u00e4tigkeit des Gro\u00dfhirns und die Lehre von der Aphasie und Seelenblindheit. Preu\u00df und J\u00fcnger, Breslau 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:59:56.464163+00:00"}