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{"created":"2022-01-31T16:59:36.288276+00:00","id":"lit15394","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, A","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 69-72","fulltext":[{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n69\nIn seinem Laboratorium macht B. gegenw\u00e4rtig Experimente \u00fcber die Reaktionszeit dreier verschiedener Typen. Bei einem ist die motorische Reaktion (Hand) k\u00fcrzer, als die sensorische (Geh\u00f6r), bei dem zweiten sind beide fast gleich, bei dem dritten, einem Musiker, ist die sensorische um beil\u00e4ufig, ein Viertel k\u00fcrzer, als die motorische. Innerhalb der motorischen Reaktion unterscheidet B. wieder zwischen optischer und kin\u00e4sthetischer motorischer Reaktion, je nachdem das reagierende Organ gesehen wird oder nicht. Im ersteren Falle ist die Reaktion k\u00fcrzer (aufser bei Personen des extremen motorischen Typus). Die Resultate werden sp\u00e4ter noch ausf\u00fchrlich ver\u00f6ffentlicht werden.\nSchliefslich kommt B. abermals darauf zu sprechen, die Reaktionszeit zur Beurteilung von Sprachst\u00f6rungen zu benutzen. Eine Person mit ungew\u00f6hnlich kurzer motorischer Reaktionszeit werde wahrscheinlich nur Sprachst\u00f6rungen in Verbindung mit St\u00f6rungen des Muskelged\u00e4chtnisses unterworfen sein, doch ist B. nicht sicher, ob eine solche gesetz-m\u00e4fsige Beziehung bei wirklicher Aphasie gefunden werden k\u00f6nne.\nWallaschek (London).\nW. Resl. Zur Psychologie der subjektiven \u00dcberzeugung. Zeitschrift f\u00fcr exakte Philosophie. Bd. XX. Heft 1. S. 1\u201436. Heft 2. S. 115\u2014155. (1893.)\n\u201eVom exakt realistischen Standpunkte auf Grundlage der schon anerkannten psychologischen Gesetze soll die Art und Weise dargethan werden, wie die subjektive \u00dcberzeugung aus der Natur und Wechselwirkung verschiedener Seelenzust\u00e4nde hervorgeht, sich fortbildet und ihrerseits wieder andere Seelenth\u00e4tigkeiten beeinflufst.\u201c Unter subjektiver \u00dcb erzeugung versteht Verfasser ein Urteil, welches trotz unzureichender objektiver Gr\u00fcnde mit der Zuversicht der G\u00fcltigkeit stattfindet. Urteilen selbst aber wird als ein Appercipieren, und dieses, im Anschl\u00fcsse an Herbart, als \u201eein Zugesellen solcher Seelenzust\u00e4nde zu den neu eintretenden Vorstellungen, welche durch die letzteren irgendwie hervorgerufen werden\u201c, erkl\u00e4rt. Im ersten Teile der Abhandlung sucht nun Verfasser aus diesem Apperceptionsbegriffe den Unterschied zwischen analytischem und synthetischem, positivem und negativem, allgemeinem und partikul\u00e4rem Urteile, wie auch das wechselvolle Schwanken zwischen Position und Negation abzuleiten. Auch das Entstehen \u00e4sthetischer Urteile wird in diesem Sinne erkl\u00e4rt. Sind n\u00e4mlich in dem neu eintretenden Vorstellungskomplexe Gegens\u00e4tze vorhanden, welche ein Spannungsgef\u00fchl hervorbringen, so entstehen Mifsbilligungs-urteile, w\u00e4hrend andererseits F\u00f6rderungsgef\u00fchle Billigungsurteile zur Folge haben. Jene f\u00fchren unmittelbar, diese nur mittelbar zu postula-tiven Urteilen (\u201ees soll\u201c oder \u201esollte nicht sein\u201c), sobald durch verschiedene Umst\u00e4nde Pausen in der St\u00e4rkung der Gegens\u00e4tze eintreten, hierdurch das \u00e4sthetische Subjekt im Bewufstsein sinkt und ein \u201eStreben\u201c erfolgt. Bereits dieser Abschnitt der Arbeit zeigt eine zu einseitige Ber\u00fccksichtigung der Association der Vorstellungen. Noch mehr zeigt sich aber dieses in den folgenden Ausf\u00fchrungen, wo Verfasser an seine eigentliche Aufgabe, die Erkl\u00e4rung der subjektiven \u00dcberzeugung aus dem HERBARTSchen Apperceptionsbegriffe, herangeht. Unter objektiven","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nL\u00fcteraturbericlit.\nGr\u00fcnden verstellt er die Fundamentalbegriffe und Axiome, welche von jedermann anerkannt werden, weil sie den Objekten durchaus ad\u00e4quat sind, und die aus ihnen richtig gefolgerten und geschlossenen Urteile. Letztere sind nur logische Ideale, zu deren m\u00f6glichster V erwirklichung der Mensch durch das unangenehme Gef\u00fchl des Zweifels sich angetrieben und mit R\u00fccksicht auf die von dem theoretischen Urteile abh\u00e4ngige Willensth\u00e4tigkeit sich verpflichtet f\u00fchlt. Der Ursachen jedoch, welche dieser Verwirklichung der logischen Ideale entgegenstehen und das Urteilen ohne ausreichende objektive Gr\u00fcnde veranlassen, giebt es viele. Verfasser z\u00e4hlt 14 auf, von denen 9 theoretischer und 5 praktischer Natur sind. Erstere sind wiederum negative: 1. r\u00e4umliche, 2. zeitliche Beschr\u00e4nktheit, 3. zuf\u00e4llige Unvollst\u00e4ndigkeit in der Beobachtung, 4. Unvollkommenheit der Beobachtungsmittel; oder positive: 5. unangemessene Reihenbildung bei der Association der urspr\u00fcnglichen Vorstellungen, 6. ver\u00e4nderte Reproduktion, 7. Angew\u00f6hnung, 8. Verbindung mit objektiv G\u00fcltigem, 9. Autorit\u00e4t. Die praktischen Ursachen sind: 10. sittliche, 11. \u00e4sthetische Gef\u00fchle, 12. Selbstgef\u00fchl, 13. intellektuelle, 14. die \u00fcbrigen Gef\u00fchle, welche Verfasser auch metamorphe Gef\u00fchle nennt. Die Wirksamkeit all dieser Ursachen kennen nach des Verfassers Meinung am besten diejenigen, denen die Verbreitung und der Bestand einer gewissen subjektiven \u00dcberzeugung am Herzen liegt. \u2014 Aus diesen mannigfaltigen Veranlassungen ergiebt sich nun der Bildungsgang der subjektiven \u00dcberzeugung. Im Gebiete der Denkth\u00e4tigkeiten erfolgt bei den Ko- und Subordinierungen der analytischen Urteile ein voreiliges Generalisieren. Bei den synthetischen Reihenbildungen werden die Sch\u00e4tzungen von Raum- und Zeitdistanzen, die Bildungen der Begriffe \u201eMenge, Reichtum, Armut\" etc. stark beinflufst. Diese Bemerkungen entsprechen durchaus den Thatsachen. Dagegen erscheinen die Ausf\u00fchrungen des Verfassers \u00fcber die Totalit\u00e4tsbegriffe, soweit sie von der subjektiven \u00dcberzeugung beinflufst sein sollen, recht gewagt und gek\u00fcnstelt. So soll das Ich als r\u00e4umliches, zeitliches und kausales Ganzes und als Produkt subjektiver \u00dcberzeugung auch auf Dinge ausgedehnt werden, die mit dem Leibe in irgend welcher Beziehung stehen, wie Schmuck, Sklaven, Titel etc. Das Streben nach solchen \u00c4ufserlich-keiten erkl\u00e4rt demnach Verfasser als ein Bem\u00fchen, das Ich zu ver-gr\u00f6fsern und das Selbstgef\u00fchl zu heben, wie dies andere durch sittliche Veredelung oder \u00e4sthetische Versch\u00f6nerung oder auch durch Ausdehnung der Existenz auf die Zeit vor der Geburt und nach dem Tode zu erreichen suchen. \u2014 Die Attributivhegriffe zeigen L\u00fccken in der Gruppen- und Reihenbildung, w\u00e4hrend in dem Ka usalit\u00e4tsbegrif ffe Zuf\u00e4lliges vom Notwendigen, Lebendes vom Unbelebten nicht sorgf\u00e4ltig getrennt wird. Von besonderem Interesse sind die sich hieran an-schliefsenden Ausf\u00fchrungen des Verfassers \u00fcber die Weltauffassung in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Kausalapperception. Durch immer gesteigerte Befreiung letzterer von dem Einfl\u00fcsse subjektiver \u00dcberzeugung entwickelte sich aus dem Fetischismus (oder Schamanentum, oder Zauberglauben) der Polytheismus, aus diesem der mystische Mono- und Pantheismus, aus diesem der rationelle Theismus und schliefslich der reine oder","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n71\nabsolute Kriticismus, der, wie A. v. Humboldt bemerkt, nur auf zwei Wahrheiten Anspruch erhebt, a) auf die Erhaltung des Stoffes, b) auf den ewigen unbefriedigten, durch die Heterogenit\u00e4t der Materie bedingten Wechsel des Stoffes. Einen K\u00fcckschritt bedeutet nach des Verfassers Meinung der atheistische Hyperkritizismus Schopenhauers u. a. Alle diese Stufen fanden sich jedoch niemals rein, sondern in gewisser Vermischung miteinander. Diese Ausf\u00fchrungen des Verfassers entbehren des Schematischen nicht und behandeln ein Problem, welches die Ber\u00fccksichtigung einer fast unbegrenzten Anzahl von Ursachen und Umst\u00e4nden voraussetzt, etwas allzu einseitig. Aber gleichwohl enthalten sie eine weitblickende und vielfach sicherlich recht treffende Anwendung einer wichtigen Thatsache in unserem Geistesleben auf eine kulturgeschichtliche Frage von weitgehendster Tragweite. \u2014 In dem dritten und letzten Teile behandelt Verfasser den Einflufs subjektiver \u00dcberzeugung auf die \u00fcbrigen Seelenth\u00e4tigkeiten. Die Empfindungen werden gef\u00e4lscht, das Ged\u00e4chtnis wird erweitert, insofern positive Associationen eintreten, wo sonst negative w\u00e4ren; die Einbildungskraft bereichert sich; im Gebiete des Denkens werden Pr\u00e4missen zu nicht gen\u00fcgend begr\u00fcndeten Schlufss\u00e4tzen geschaffen. Die sittlichen Gef\u00fchle und Forderungen werden mit G\u00f6ttern, Geistern etc. und deren W\u00fcnschen in Zusammenhang gebracht. Die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle und Bestrebungen erhalten neue Objekte durch die erw\u00e4hnte Ioh-Vergr\u00f6fserung, wie auch durch die Annahme von G\u00f6ttern und Geistern (Tempel etc.). Auch die intellektuellen Gef\u00fchle erhalten ihren Anteil durch scheinbare L\u00f6sung der vielen Fragen, welche die Wissenschaft ungel\u00f6st l\u00e4fst. Schliefslich gehen auch die \u00fcbrigen Gef\u00fchle nicht leer aus, wie z. B. das Selbstgef\u00fchl oft bis zum Hochmut, zur Tollk\u00fchnheit, ja nicht selten zur Selbstverg\u00f6tterung gehoben wird. Dieser Teil der Abhandlung d\u00fcrfte als der schw\u00e4chste zu bezeichnen sein. Er begn\u00fcgt sich zu sehr mit blofsen Aufz\u00e4hlungen von Thatsachen und deren Klassificierung. Allerdings ist nicht zu verkennen, dafs eine wissenschaftliche tiefgehende Durchf\u00fchrung dieses Teiles fast das ganze Gebiet der Psychologie betreffende, genaueste und umfangreichste Vorarbeiten voraussetzt. Jedoch erreicht auch dieser Teil seinen Hauptzweck, wenn man ihn in der Andeutung des weitgehendsten Einflusses der subjektiven \u00dcberzeugung auf unser Seelenleben sucht. In der That m\u00f6chte ich den Wert dieser Abhandlung nicht in ersch\u00f6pfender Untersuchung und Behandlung einer bestimmten Frage und in der Feststellung gewisser feststehender S\u00e4tze, sondern in dem Hinweis auf die hervorragende Bedeutung subjektiver \u00dcberzeugung erkennen. Hiermit war Verfasser sicherlich bestrebt, eine recht empfindliche L\u00fccke in der gegenw\u00e4rtigen Psychologie auszuf\u00fcllen, und jener Hinweis allein verdient seine Anerkennung. Auch die reiche Auswahl von anschaulichen Beispielen verdient hervorgehoben zu werden. Auf einen Grundfehler jedoch mufs ich zum Schl\u00fcsse mit allem Nachdrucke hinweisen. Die Grundlage der ganzen Abhandlung scheint mir verfehlt. Die Unterscheidung von zureichenden und unzureichenden Gr\u00fcnden, von objektiver und subjektiver \u00dcberzeugung beruht auf einem erkenntnis-theoretischen Prinzipe, welches der ganzen Untersuchung eine","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nLitter aturbcricht.\nschiefe Richtung angewiesen hat. Das Thema \u201esubjektive \u00dcberzeugung\u201c d\u00fcrfte schon das Ziel der verschiedenen Angriffe sein. Jedenfalls ist die Identificierung dieser mit \u201eGlauben\u201c und \u201eMeinen\u201c nichts weniger als voraussetzungslos. Daher kommt es auch, dafs Verfasser an die wichtige Thatsache nicht gedacht hat, dafs wir oft hewufst etwas glauben, wohl an die fehlenden Gr\u00fcnde f\u00fcr unser Urteil denken und doch letzteres f\u00e4llen. Dies hat mit objektiven Gr\u00fcnden nichts zu thun. Viele Urteile nehmen wir als sicher hin, die einer wissenschaftlichen Pr\u00fcfung weit weniger stand halten, als andere, welche wir nur als glaubhaft oder gar als zweifelhaft hinstellen.\tA. Wreschner (Berlin).\nM. L. Patrizi. La simultan\u00e9it\u00e9 et la succession des impulsions volontaires sym\u00e9triques. Archives italiennes de biologie. XIX. 1893. S. 126 ff.\nP. f\u00fchrte seine Versuche unter Befolgung der von Mosso f\u00fcr die Ergographie aufgestellten Vorschriften mittelst zweier Ergographen aus, an deren einem der rechte und an deren anderem der linke Mittelfinger der Versuchsperson arbeitete. Das zu erhebende Gewicht war f\u00fcr beide Finger stets dasselbe (2 oder 3 kg), und die Hebungen fanden stets bei maximalem Willensimpulse statt. Bei dem einen Verfahren, dem Simultanverfahren, vollf\u00fchrten beide Mittelfinger ihre Hebungen gleichzeitig. Die Zahl der Hebungen, welche mit einem Intervalle von zwei Sekunden aufeinander folgten, betrug einen vorgeschriebenen Wert (40, 50 oder 60). Bei dem anderen Verfahren, dem alternierenden Verfahren, wurde die gleiche Anzahl von Gewichtshebungen von beiden Fingern in der Weise geleistet, dafs zuerst der eine Mittelfinger sein Gewicht hob, alsdann nach einer Sekunde der andere Mittelfinger seine Hebung vollf\u00fchrte, hierauf nach Verlauf von einer Sekunde wieder der erstere, dann nach Abflufs einer weiteren Sekunde wieder der andere Finger in Th\u00e4tigkeit trat u. s. f., so dafs bei beiden Verfahrungsweisen von jedem der beiden Finger die gleiche Anzahl von Hebungen bei gleicher Gr\u00f6fse des Gewichtes und gleichem Zeitintervalle (zwei Sekunden) zwischen den einzelnen Hebungen ausgef\u00fchrt wurde und nur der Unterschied bestand, dafs die beiden Finger bei dem einen Verfahren ihre Hebungen gleichzeitig, hei dem anderen aber alternierend ausf\u00fchrten. Zwischen den Benutzungen der beiden Verfahrungsweisen verflofs eine Ruhezeit, welche zur Wiederherstellung der vollen Leistungsf\u00e4higkeit der Muskeln gen\u00fcgte. Auch wurde in den einen F\u00e4llen das eine, in den anderen das andere Verfahren vor dem anderen benutzt. Es zeigte sich, dafs durch die gleiche Anzahl von Gewichtshebungen bei dem Simultanverfahren weniger Arbeit geleistet wurde, als bei dem alternierenden Verfahren, und zwar beruhte diese Differenz im wesentlichen darauf, dafs der linke Mittelfinger bei dem Simultanverfahren weniger Arbeit leistete, als bei dem alternierenden Verfahren. Ein entsprechendes Resultat ergab sich, wenn die Gewichtshebungen zun\u00e4chst nach dem Simultan-","page":72}],"identifier":"lit15394","issued":"1894","language":"de","pages":"69-72","startpages":"69","title":"W. Resl: Zur Psychologie der subjektiven \u00dcberzeugung. Zeitschrift f. exacte Philosophie, Bd. XX, Heft 1, S. 1\u201336, Heft 2, S. 115\u2013155, 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:59:36.288281+00:00"}