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{"created":"2022-01-31T17:00:27.467514+00:00","id":"lit15403","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hillebrand, Franz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 97-151","fulltext":[{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universit\u00e4t zu Prag.)\nDas Verh\u00e4ltnis von Accommodation und Konvergenz zur Tiefenlokalisation.\nVon\nDr. Franz Hillebrand,\nDocenten der Philosophie an der Universit\u00e4t zu Wien,\n(Mit 2 Figuren im Text.)\n\u00a7 1. Wenn man darnach fragt, wie (bei Ausschlufs aller durch die Erfahrung gegebenen Lokalisationsmotive) die Tiefenbestimmtheit eines Sehdinges zu st\u00e4nde kommt und von welchen Gesetzen sie beherrscht wird, so hat man vor allem zwei Dinge zu unterscheiden, bezw. jene Frage in zwei Teilfragen zu zerfallen :\n1.\tWovon h\u00e4ngt der Tiefenwert des fixierten Punktes ab?\n2.\tNach welchen Gesetzen entstehen die Tiefenwerte aller nicht fixierten Objekte in Bezug auf das fixierte? D. h. wovon h\u00e4ngt es ab, dafs ein nichtfixiertes Objekt ferner, gleich weit entfernt oder n\u00e4her erscheint als der Fixationspunkt?\nDie erste Frage richtet sich auf die Lokalisation des Kernpunktes und der Kernfi\u00e4che (Hering), die zweite auf die Lokalisation in Bezug auf die Kernfl\u00e4che. Es handelt sich also das eine Mal sozusagen um absolute, das andere Mal um relative Tiefenlokalisation.1\n1 Diese Ausdrucksweise darf nickt mifsverstanden werden. Die Lokalisation des Kernpunktes ist ja, insofern sie auf den eigenen K\u00f6rper bezogen wird, auch eine relative, und nur insoweit die aufserkalb des Kernpunktes gelegenen Punkte in ihrer Lokalisation auf diesen bezogen werden, kann man den Kernpunkt als absolut, die anderen Punkte als relativ lokalisiert bezeichnen. Vergl. dazu Hering, Beitr\u00e4ge zur Physiologie, 5- Heft, pag. 342.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nFrans Hillebrand.\nIn der Geschichte des Problems der Tiefenwahrnehmung ist es die letztere Frage gewesen, welche fast ausschliefslich das Interesse des beteiligten Forscherkreises f\u00fcr sich in Anspruch genommen hat. Und in der That kann man sagen, dafs die fundamentalen Gesetze, welche die Lokalisation relativ zur Kernfl\u00e4che bestimmen, heute vollkommen klargelegt sind.\nWir wissen, dafs, wenn sich ein Punkt auf zwei Stellen von identischer Sehrichtung abbildet, der entsprechende Sehpunkt in der Kernfl\u00e4che erscheint, dafs er aber vor oder hinter der Kernfl\u00e4che erscheint, sobald die beiden Bilder auf querdisparate Netzhautstellen fallen, und zwar vor der Kernfl\u00e4che, wenn die Disparation eine gekreuzte, hinter derselben, wenn sie eine ungekreuzte, (gleichseitige) ist.\nSo sind denn die Bedingungen klargestellt, von denen die Lokalisation eines Punktes relativ zum fixierten abh\u00e4ngt (sofern nicht erfahrungsm\u00e4fsige Motive der Lokalisation wirksam sind).\nNicht dieselbe Klarheit herrscht in Betreff der Gesetze, welche die Tiefenlokalisation des Kernpunktes (und damit der Kernfl\u00e4che) selbst bestimmen. Dafs dieselbe in irgend einem Zusammenhang mit der Konvergenz der Gesichtslinien stehen m\u00fcsse, ist ja klar, und in der That haben diejenigen, welche dieser Frage ihre Aufmerksamkeit zugewendet, hierin das bestimmende Moment f\u00fcr die Lokalisation des Kernpunktes gesehen. Aber wie jener Zusammenhang zu denken sei, dar\u00fcber gehen die Ansichten von allem Anfang an auseinander. Die am meisten verbreitete Anschauung geht dahin, dafs wir uns der Konvergenz\u00e4nderung durch Muskelempfindungen (oder \u201eMuskelgef\u00fchle\u201c), also auf centripetalem Wege, bewufst werden, indem die Qualit\u00e4ten dieser Empfindungen entweder selbst r\u00e4umlich bestimmt oder aber mindestens vonBaumbestimmungen associativ begleitet sind, in der Weise etwa, dafs mit wachsender Intensit\u00e4t der Muskelempfindungen sich abnehmende Fernwerte verbinden. (Manche haben sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch hier wieder von \u201eSchl\u00fcssen\u201c \u2014 und selbstverst\u00e4ndlich von \u201eunbewufsten\u201c \u2014 zu sprechen.)\nNach der Ansicht Anderer ist der Zusammenhang zwischen Konvergenz und Lokalisation des Kernpunktes in der Weise zu denken, dafs schon mit der Innervation zur Konvergenz eine entsprechende Baumempfindung (in diesem Falle eine","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 99\nrelative Nahempfindung) sofort mitgegeben und also central (nicht centripetal) erzeugt sei, und ebenso mit dem Nachlassen dieser Innervation, bezw. mit der antagonistischen Innervation (in 'welchem Falle eine relative Fernemplindung entsteht). Nach dieser Ansicht kommt es also nicht auf den Erfolg der Innervation an, der uns auf irgend welchem centripetalen Wege kund w\u00fcrde, sondern auf die Innervation selbst.\nIndessen sind auch von diesem Standpunkte aus noch zweierlei Auslegungen des Lokalisationsvorganges m\u00f6glich und in der Litteratur thats\u00e4chlich vertreten.\nMan kann n\u00e4mlich entweder annehmen, dafs mit dem Innervationsakte an sich schon die N\u00e4hen- bezw. Fernempfindung gegeben sei, oder aber, dafs dies der Fall sei, insofern jene Akte bereits durch eine N\u00e4hen- oder Fernvorstellung hervorgerufen worden sind, so dafs also die N\u00e4hen- oder Fernvorstellung als das Prim\u00e4re, die entsprechende Innervation aber als das Sekund\u00e4re anzusehen w\u00e4ren, ein Standpunkt, den \u2014 soviel ich weifs \u2014 Hering als der Erste eingenommen hat. Man mufs sich demzufolge vorstellen, dafs ein vor oder hinter dem fixierten gelegener Punkt dadurch, dafs er in gekreuzten oder ungekreuzten Doppelbildern (bezw. in gekreuzter oder ungekreuzter Disparation) erscheint und sonach einen Nah- oder Fernwert besitzt, verm\u00f6ge eben dieses Nah- oder Fernwertes, wenn er fixiert werden soll, einen Anreiz auf das entsprechende Bewegungscentrum aus\u00fcbt und so die Art der Innervation bestimmt.\nDiese theoretischen \u00dcberlegungen will ich jetzt verlassen und sogleich angeben, welcher Frage die folgende Untersuchung gewidmet ist. Die Beziehung, in welcher dieselbe zu den obigen Theorien steht, wird man bald erkennen.\n\u00a7 2. Wenn man zwei verschieden weit entfernte Punkte abwechselnd monokular fixiert, derart, dafs der jeweils fixierte Punkt scharf gesehen wird, so k\u00f6nnen (qualitative Gleichheit der Lichter vorausgesetzt) die beiden Netzhautreize beide Male dieselben sein. Soll nun die verschiedene Tiefenlage der beiden Aufsenpunkte in der Empfindung zum Ausdruck gelangen, so kann dies (wenn wir einmal von der gleichzeitigen\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nFrans TIit/ebrand.\nStellungs\u00e4nderung des zweiten, vom Sehakte ausgeschlossenen Auges absehen) nur unter dem Einfl\u00fcsse des verschiedenen Accommodationszustandes geschehen, sei es, dafs uns der jeweilige Accommodationszustand selbst \u00fcber die Tiefenlage des einzelnen Sehpunktes unterrichtet, sei es, dafs der Accom-modationswechsel die Empfindung einer Entfernungs\u00e4nderung hervorruft. Die Frage ist nun, ob eine solche Beziehung zwischen Accommodation und monokularer Tiefenlokalisation besteht oder nicht.\n\u00dcber diesen Gegenstand liegt \u2014 so viel ich weifs \u2014 eine einzige Untersuchung vor, welche Wundt ausgef\u00fchrt und in seinen Beitr\u00e4gen sur Theorie der Sinneswahrnehrmmg als dritte Abhandlung mitgeteilt hat.1 Indessen scheinen mir weder die Versuche dieses Forschers v\u00f6llig exakt und mit Ausschlufs aller in Frage kommenden Fehlerquellen ausgef\u00fchrt, noch auch die Schl\u00fcsse, die er aus ihnen zieht, s\u00e4mtlich zwingend (worauf ich im Laufe dieser Untersuchung n\u00e4her eingehen werde); und darum halte ich es nicht f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig, die betreffende Frage einer neuerlichen sorgf\u00e4ltigen Pr\u00fcfung zu unterwerfen, um so mehr, als Wundts Resultate in die meisten physiologischoptischen Kompendien Eingang gefunden haben und als feststehend angesehen werden, was sie meiner Meinung nach nicht durchwegs sind.\n\u00a7 3. Bevor ich an die Mitteilung der Versuche gehe, scheinen mir noch zwei Bemerkungen am Platze zu sein, von denen sich die erste auf eine genauere Pr\u00e4zision der Aufgabe, die zweite auf den Zusammenhang derselben mit den eingangs skizzierten Theorien bezieht.\nBei der Untersuchung, ob zwischen Accommodation und Tiefenlokalisation eine Beziehung besteht, mufs es sich in erster Linie um die Bestimmtheit, nicht um die Richtigkeit der Lokalisation handeln. Das Wesentliche liegt ja in der Frage, ob uns die Accommodation \u00fcberhaupt zu einer Tiefenempfindung verhilft, was wir daran erkennen w\u00fcrden, dafs das Variieren der ersteren auch einen Wechsel der letzteren mit\n1 In der Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin von Heule und Pfeuffer, III. Beihe, VII. Bd., pag. 321 ff. Die 1869 erschienene Doktor-Dissertation von Hilcker, welche sich zur Aufgabe stellt, die Tiefensch\u00e4tzung hei verschiedenen (normalen und anomalen) Befraktionszust\u00e4nden zu untersuchen, ist, wie ich unten ausfiihren werde, leider unbrauchbar.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 101\nsich, f\u00fchrt. Es ist eine ganz andere und in Hinsicht auf diese Frage logisch sekund\u00e4re Untersuchung, ob die etwa durch die Accommodation veranlafsten Tiefenempfindungen richtig, d.h. mit den objektiven Entfernungsausmafsen \u00fcbereinstimmend sind, eine Frage, die uns hier nicht besch\u00e4ftigt.\n\u00a7 4. \"Was die Beziehung zu den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Theorien \u00fcber die Lokalisation eines binokular fixierten Punktes anlangt, so wird dieselbe sofort klar, wenn man sich an die bekannte physiologische Association zwischen Accommodation und Konvergenz erinnert. Die allm\u00e4hliche Anspannung der Accommodation beim Heranr\u00fccken eines monokular fixierten Punktes ist von einer Yergr\u00f6fserung des Konvergenzwinkels begleitet, auch wenn das andere Auge vom Sehakt ausgeschlossen ist. Dies ist f\u00fcr unsere Frage von Bedeutung: sind n\u00e4mlich Entfernungsunterschiede beim Accommodationswechsel erkennbar, so kann der Grund sowohl in der Accommodation selbst wie auch in der gleichzeitigen Konvergenz liegen (die Anh\u00e4nger der Muskelgef\u00fchlstheorie haben dann die Auswahl zwischen Empfindungen von seiten der Binnenmuskulatur und solchen von seiten des \u00e4ufseren Bewegungsapparates); leistet aber der Accommodationswechsel nichts dergleichen, dann ist implicite damit bewiesen, dafs auch die Konvergenz einer solchen Leistung unf\u00e4hig ist. Hierbei ist die Thatsache ohne Bedeutung, dafs jene Beziehung zwischen Accommodation und Konvergenz nicht in der Weise eindeutig ist, dafs einem bestimmten Konvergenzwinkel nur ein einziger, ganz bestimmter Accom-modationszustand zugeh\u00f6rte, was bekanntlich nicht genau der Fall ist (relative Accommodationsbreite) ; und ebensowenig verschl\u00e4gt es, dafs durch Einf\u00fchrung besonderer Versuchsbedingungen und durch \u00dcbung die L\u00f6sung jener Association noch etwas weiter getrieben werden kann (Ruete, Bonders).\n\u00a7 5. Da Wundt auf diesen Punkt zu sprechen kommt, \u00e4ufsert er sich folgendermafsen :\n\u201eMan k\u00f6nnte .... geneigt sein, das Accommodationsgef\u00fchl den \u00e4ufseren Augenmuskeln zuzuschreiben, deren Bewegung gew\u00f6hnlich in inniger Verbindung mit den Accommodations-bewegungen steht, indem mit einem bestimmten Konvergenzwinkel der Sehachsen meistens diejenige Anpassung des Auges verbunden ist, die der Entfernung des Konvergenzpunktes entspricht. Hiergegen ist aber zu erinnern, dafs erstens nach den Untersuchungen von Volkmann, Donders, Czermak u. a. jener","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nFrans Hillebrand.\nZusammenhang jedenfalls sehr h\u00e4ufig fehlt, und dafs zweitens gerade in unseren Versuchen, in denen das eine Auge in immer gleicher Richtung durch eine R\u00f6hre sieht, w\u00e4hrend das andere geschlossen bleibt, der Einflufs der Konvergenzbewegungen wie \u00fcberhaupt aller Augenbewegungen ganz und gar ausgeschlossen ist.\u201c1\nWas nun zun\u00e4chst die einschl\u00e4gigen Arbeiten der drei obengenannten Forscher anlangt, so ist der Bericht Wundts nicht ganz vollst\u00e4ndig und schliefst nicht aus, dafs sich der Leser ein falsches Bild von ihren Resultaten macht. Volkmann (und \u00fcbrigens vor ihm schon J. M\u00fcller) hat nur angegeben, dafs, wenn er ein Auge auf einen gewissen Punkt accommo-dierte, w\u00e4hrend das andere verdeckt war, und nun pl\u00f6tzlich die Deckung entfernte, der betreffende Punkt anf\u00e4nglich in nahe aneinanderliegenden Doppelbildern erschien \u2014 was nichts anderes beweist, als dafs einem gewissen Accommodations-zustand nicht ein einziger Konvergenzgrad, sondern ein bestimmtes Intervall von Konvergenzen entspricht.2 Die Versuche von Donders sind, wie schon Czermak3 hervorhebt, unter\n1\tA. a. 0. pag. 339. Das unmittelbar anschliefsen.de Argument werde ich sp\u00e4ter ber\u00fccksichtigen.\n2\tWelcher Art die so entstehenden Doppelbilder sind (ob gekreuzt oder ungekreuzt), einen wie grofsen Abstand sie ferner voneinander haben, dies h\u00e4ngt sowohl von den (normalen oder anomalen) Refraktions-Verh\u00e4ltnissen, als auch von der absoluten Accommodationsbreite des einzelnen Beobachters ab. Der Hyperm\u00e9trope z. B. braucht zur Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he einen abnormen Kraftaufwand. Er wird daher (verm\u00f6ge der erw\u00e4hnten Association) das gedeckte Auge st\u00e4rker einw\u00e4rts wenden, als es der Lage des vom anderen Auge fixierten Punktes entspricht. Wenn die Deckung entfernt wird, so mufs das nun binokular gesehene Objekt in ungekreuzten Doppelbildern erscheinen. Man sieht leicht, dafs die Distanz derselben (unter sonst gleichen Umst\u00e4nden) um so gr\u00f6sser sein mufs, je st\u00e4rker die Hyperm\u00e9tropie ist, bezw. wenn es sich um eines und dasselbe Individuum handelt, je n\u00e4her der zu fixierende Punkt liegt. \u2014 Der umgekehrte Pall wird bei Myopie eintreten; und auch hier mufs die Distanz der Doppelbilder um so gr\u00f6fser sein, je st\u00e4rker die Myopie ist, bezw. \u2014 bei einem und demselben Individuum \u2014 je gr\u00f6fser die Entfernung des Pixationspunktes ist. In analoger Weise wird man die Wirkung von Accommodationsanomalien (z. B. der Presbyopie) auf Lage und Distanz der Doppelbilder ableiten k\u00f6nnen.\n3\tVgl. seine Abhandlung: \u00dcber den Zusammenhang zwischen der Konvergenz der Augenachsen und dem Accommodationszustand der Augen, 1854 und 55; wiederabgedruckt in den Gesammelten Schriften von Joh. Nep. Czermah. Leipzig 1879. I. Bd., 1. Abt,, pag. 243 ff.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 103\nk\u00fcnstlichen Umst\u00e4nden (Vorsetzen von R\u00f6hren und Linsen) gemacht, wie ja auch der Verschlufs eines Auges eine Entfernung von den normalen Bedingungen des Sehens bedeutet. Derartige k\u00fcnstliche Bedingungen hat Bonders nur eingef\u00fchrt, um die Grenzen des Zusammenhanges zwischen Konvergenz und Accommodation, an dem er keineswegs zweifelte, zu bestimmen. Ja seine Untersuchungen \u00fcber relative Accommo-dationsbreite w\u00fcrden von vornherein keinen Sinn haben, wenn ihm jene physiologische Association nicht festgestanden w\u00e4re.\n\u00c4hnliches gilt von Czermak. Dieser hat es (ohne k\u00fcnstliche H\u00fclfsmittel) \u201edurch anhaltende und anstrengende \u00dcbungen\u201c dahin gebracht, auf einen nahen Gegenstand zu accommodieren, dabei aber die Gesichtslinien in geringere Konvergenz zu bringen, als dem betreffenden Gegenst\u00e4nde entsprechen w\u00fcrde, w\u00e4hrend es ihm weder gelingt, bei unver\u00e4nderter Accommodation f\u00fcr die Entfernung des Gegenstandes den Schnittpunkt der Gesichtslinien vor den Gegenstand fallen zu lassen,1 noch auch bei richtiger Einstellung der Gesichtslinien auf den Gegenstand f\u00fcr einen jenseits desselben gelegenen Punkt zu accommodieren.2 In der That h\u00e4lt auch Czermak an dem Gesetze von der Association zwischen Konvergenz und Accommodation fest. Und mit Recht. Denn wenn auch bei Anwendung k\u00fcnstlicher Mittel oder durch besondere Anstrengung und fortgesetzte \u00dcbung eine L\u00f6sung dieses Zusammenhanges- bis zu einem gewissen Grade m\u00f6glich ist, so ist doch damit keineswegs bewiesen, dafs eine solche beim Sehen unter normalen Verh\u00e4ltnissen, statthat. F\u00fcr diese F\u00e4lle haben vielmehr nur die Beobachtungen von J. M\u00fcll* *er und Volkmann Geltung, und diese beweisen (wie schon erw\u00e4hnt) nichts anderes, als dafs jene Beziehung keine im strengen Sinne eindeutige genannt werden kann.\nNicht recht begreiflich aber ist es weiter, wie Wundt behaupten kann, dafs bei seinen Versuchen, \u201ein denen das eine Auge in immer gleicher Richtung durch eine R\u00f6hre sieht, w\u00e4hrend das andere geschlossen bleibt, der Einflufs der Konvergenzbewegungen, wie \u00fcberhaupt aller Augenbewegungen, ganz und gar ausgeschlossen ist\u201c. Dafs von einem Aus-\n1 A. a. 0. pag. 252.\n* A. a. 0. pag. 255.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nFrans Hillebrand.\ngeschlossenstem nicht die Rede ist, davon kann sich jeder durch einen ganz einfachen Versuch \u00fcberzeugen. Man halte in Armesl\u00e4nge ein Fixationsobjekt, etwa eine Schreibfeder, vor das eine Auge, und zwar so, dafs sich das Auge beim Fixieren in der Prim\u00e4rstellung befindet ; man schliefse das andere Auge und lege einen Finger leicht auf das Lid. R\u00fcckt man nun das Fixationszeichen l\u00e4ngs der Gesichtslinie immer n\u00e4her und n\u00e4her (indem man es etwa an einem passend gestellten Lineal verschiebt), so bleibt das fixierende Auge still stehen. Folgt man dabei mit der Accommodation, so kann man schon mit dem tastenden Finger die Einw\u00e4rtswendung der vorgew\u00f6lbten Cornea des geschlossenen Auges konstatieren; ein derartig rohes und unvollkommenes H\u00fclfsmittel reicht schon hin, um die mit der Accommodation verbundene Konvergenz zu erkennen, und zwar, wie man sieht, in einem Falle, wo jener Zusammenhang jedes praktischen Wertes entbehrt.\nBekanntlich setzt der Augenarzt diesen Zusammenhang voraus, wenn er eine Motilit\u00e4tsst\u00f6rung aus der sogenannten Sekundarablenkung diagnostiziert. Der Patient wird dabei angewiesen, mit dem einen Auge einen nahen Gegenstand (etwa einen Finger) zu fixieren; das andere Auge wird so mit der Hand gedeckt, dafs es das Fixationsobjekt nicht sehen kann, dafs aber der Untersuchende dieses Auge zu beobachten vermag. Erfolgen nun beim abwechselnden Wegziehen und Vorhalten der Hand merkliche laterale Augenbewegungen (\u201eEinrichtungsdrehungen\u201c), d. h. weicht das gedeckte Auge infolge der Deckung von der richtigen Einstellung irgend merklich ab, so wird daraus auf eine Motilit\u00e4tsanomalie geschlossen.\n\u00a7 6. Wenn also im Folgenden die Leistung der Accommodation f\u00fcr die Tiefenlokalisation untersucht werden soll, so ist dabei in dem oben (S. 101) bezeichneten Sinne implicite auch die Leistung der Konvergenz mit betroffen.\nAber noch mehr. Es l\u00e4fst sich \u2014 glaube ich \u2014 auf Grund einer von Hering l\u00e4ngst gepflogenen \u00dcberlegung1 zeigen, dafs es gar keinen anderen Weg, als den der monokularen Untersuchung giebt, um den Einflufs der blofsen Konvergenzbewegung auf die Tiefenempfindung zu pr\u00fcfen, d. h. keinen\n1 Vgl. Beitr\u00e4ge sur Physiologie. 5. Heft. \u00a7 127 : Von der Lage des Kernpunktes relativ zum Ich, pag. 343 ff.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlohalisation. 105\nanderen Weg, um das Moment der Konvergenz zu isolieren. Ich will dies sogleich deutlich zu machen versuchen.\nEs sei im vollkommen verdunkelten Raume ein leuchtender Punkt gegeben; derselbe liege (der Einfachheit wegen) median und in der prim\u00e4ren Blickebene und werde binokular fixiert. Dieser Punkt bewege sich nun (immer in der Median- und prim\u00e4ren Blickebene) gegen den Beobachter, welcher den Punkt fortw\u00e4hrend fixiert. Der Beobachter erkennt die Richtung der Bewegung; es fragt sich nur, woraus er sie erkennt. Der Vorgang ist, wie schon Hering auseinandergesetzt hat, offenbar folgender: sobald der Punkt den Ort verl\u00e4fst, in welchem sich die Gesichtslinien schneiden, bildet er sich sofort mit gekreuzter Disparation ab und bekommt dadurch einen relativen \u201eNahwert\u201c, und dieser ist es, der den Anstofs zur Vermehrung der Konvergenz erteilt. Wir k\u00f6nnen uns die ganze Linie, die der Lichtpunkt bei seiner Bewegung durch-mifst, in sehr kleine Elemente zerlegt denken. In jedem solchen \u201eN\u00e4herungselement\u201c findet der eben beschriebene Vorgang statt: zuerst der Eintritt der (gekreuzten) Disparation und im Gefolge dieser die Innervation zu st\u00e4rkerer Konvergenz. That-s\u00e4chlich werden diese \u00c4nderungen infinitesimal erfolgen, sobald nur permanent fixiert wird. Am Wesen der Sache \u00e4ndert sich nat\u00fcrlich nichts, wenn das Objekt diskontinuierlich fixiert wird, in der Weise etwa, dafs ein Objekt zu erscheinen aufh\u00f6rt und sogleich darauf ein n\u00e4heres oder ferneres ins Gesichtsfeld tritt.\nIn diesen F\u00e4llen ist es also die Disparation auf der Doppelnetzhaut, welche die Nah- oder Fernempfindung verursacht. Auf dieser Disparation beruht bekanntlich die binokulare Stereoskopie, d. h. das Tiefensehen relativ zum fixierten Punkt.\nDer vorstehende Versuch ist also nicht dazu geeignet, den Einflufs der blofsen Konvergenz (sei es nun der Konvergenzinnervation oder einer centripetalen Konvergenzempfindung) festzustellen; er ist nicht im st\u00e4nde, dar\u00fcber zu entscheiden, wovon die Lokalisation des Kernpunktes abh\u00e4ngt, da der jeweilige Kernpunkt nicht unabh\u00e4ngig von seinem Vorg\u00e4nger lokalisiert wird, mit anderen Worten da der augenblickliche Kernpunkt in Relation zu dem unmittelbar vorhergehenden Kernpunkt auf Grund derselben Motive lokalisiert wird, welche bei der simultanen Stereoskopie das N\u00e4her- oder Fernerliegen eines Punktes relativ zum fixierten bestimmen.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nFranz Hillebrand.\nOb und mit welchem Grade von Empfindlichkeit Tiefenunterschiede auf Grund der Konvergenz allein empfunden werden, das l\u00e4fst sich auf Grund derartiger Versuche keinesfalls ausmachen; denn hier kann die Konvergenz (weder im Sinne des Konvergenzaktes, noch in dem einer von der Peripherie stammenden Konvergenzempfindung) unm\u00f6glich isoliert untersucht werden.\nDiesen sehr wesentlichen Umstand hat Wundt \u00fcbersehen. Indem er die geringsten, noch sicher erkennbaren Entfernungsdifferenzen mit H\u00fclfe eines bewegten Fadens erst monokular, dann binokular ermittelt, glaubt er die Verschiedenheiten der Resultate beider Versuchsreihen lediglich darauf zur\u00fcckf\u00fchren zu m\u00fcssen, dafs bei der binokularen Beobachtung Empfindungen von seiten der Recti externi und interni zu den beim monokularen Sehen mafsgebenden \u201eAccommodationsgef\u00fchlen\u201c hinzutreten,1 w\u00e4hrend, wie erw\u00e4hnt, das beide F\u00e4lle wesentlich unterscheidende Moment darin liegt, dafs das eine Mal eine Disparation der Bilder gegeben ist, die im anderen Falle mangelt.\n\u00a7 7. Aufser der viel gr\u00f6fseren Unterschiedsempfindlichkeit findet Wundt noch ein anderes Moment, durch welches sich die binokularen Beobachtungen von den monokularen unterscheiden: w\u00e4hrend er n\u00e4mlich beim ein\u00e4ugigen Sehen konstatiert zu haben glaubt, dafs die Unterscheidungsgrenze f\u00fcr die Ann\u00e4herung geringer sei, als f\u00fcr die Entfernung, ergiebt sich\n1 Ygl. die 4. Abhandlung der Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung in der Zeitschr. f. rat. Medicin. 3. Reihe, XII.Bd., pag. 145ff. Einen viel weniger begreiflichen Fehler hat Hilck.ee (Versuche \u00fcber die F\u00e4higkeit der Sch\u00e4tzung nach der Tiefendimension bei den verschiedenen Brechungszust\u00e4nden der Angen, bei Sehsch\u00e4rfeherabsetzung und beim Fehlen des binokularen Sehalctes, Inaugural-Dissertation, Marburg 1889) begangen. Wenn Jemand den Einflufs der verschiedenen Brechungszust\u00e4nde auf die Tiefenlokalisation untersuchen will, dann ist doch gar keine Versuchung vorhanden, die Beobachtungen binokular zu machen! Der erw\u00e4hnte Autor hat dies (die Untersuchung Ein\u00e4ugiger abgerechnet) wirklich gethan. Wie wenig orientiert derselbe \u00fcbrigens \u00fcber die wesentlichsten Gesetze des Tiefensehens ist, zeigt sich auch darin, dafs er bei Erw\u00e4hnung der Bedingungen der binokularen Stereoskopie nur so anhangsweise die gekreuzten bez. ungekreuzten Doppelbilder erw\u00e4hnt. \u201eFerner,\u201c heifst es pag. 24, \u201eist das verschiedene Verhalten der Doppelbilder, je nachdem von zwei Punkten der ferner gelegene oder n\u00e4her gelegene Punkt fixiert wird, von Einflufs auf unsere Tiefen Wahrnehmung.\u201c Und doch ist gerade dieser Umstand der wesentliche.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlohtlisotimi. 107\nihm, dafs diese Verschiedenheit beim zwei\u00e4ugigen Sehen \u201egerade in jenen Distanzen, in denen sie bei monokularem Sehen am deutlichsten hervortrat, gar nicht vorhanden oder verschwindend klein\u201c ist. Daran schliefst Wundt folgende Bemerkung:\n\u201eDiese beiden wesentlichen Differenzen zwischen der Erkennung von Distanzunterschieden bei monokularem und bei binokularem Sehen erkl\u00e4ren sich nur durch die Annahme, dafs im letzteren Falle nicht die Accommodation, sondern die Konvergenzbewegungen oder vielmehr die mit ihnen verkn\u00fcpften Muskelgef\u00fchle das H\u00fclfsmittel zur Entfernungsbestimmung abgeben.\u201c 1\nIndessen h\u00e4tte Wundt f\u00fcr keinen der beiden Unterschiede n\u00f6tig gehabt, jene hypothetischen Muskelgef\u00fchle als Erkl\u00e4rungsprinzip heranzuziehen. Dafs die gr\u00f6fsere Feinheit im Erkennen von Distanzunterschieden beim Binokularsehen auf der Wirkung der Disparation beruht (die ja beim Monokularsehen wegf\u00e4llt), ist schon erw\u00e4hnt worden. Weiter ist aber auch klar, dafs die Disparation mit demselben Grade von Genauigkeit wirken mufs, ob sie nun eine gekreuzte oder ungekreuzte ist, ob sich also der fixierte Punkt n\u00e4hert oder entfernt. So leistet denn hier eine vera causa mindestens ebensoviel wie die blofs hypothetisch geforderten \u201eMuskelgef\u00fchle\u201c ; welches Erkl\u00e4rungsprinzip dann den Vorzug verdient, dar\u00fcber kann doch wohl kein Zweifel aufkommen.\n(Ich will hier noch nicht weiter darauf eingehen, dafs die Verschiedenheit der Unterscheidungsgrenzen f\u00fcr Ann\u00e4herung und Entfernung beim Monokularsehen aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht besteht und der Schein ihrer Existenz nur auf gewisse Versuchsfehler zur\u00fcckzuf\u00fchren sein d\u00fcrfte. Davon sp\u00e4ter.)\n\u00a7 8. Fassen wir die obige Darlegung kurz zusammen, so l\u00e4fst sich folgendes sagen: um zu pr\u00fcfen, was die blofse Konvergenz (sowohl im Sinne des Konvergenzaktes, als auch etwaiger peripherer Konvergenzempfindungen) f\u00fcr die Tiefem lokalisation leistet, dazu sind alle Versuche untauglich, bei denen beide Augen am Sehakt beteiligt sind, weil in diesem Falle immer das h\u00f6chst empfindliche Reagens der Disparation zur Wirkung gelangt und somit der zu untersuchende Faktor\n1 A. a. O. pag. 160.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nFranz Hittebran\u00e4.\n(die Konvergenz) prinzipiell nicht isoliert werden kann. Hingegen wird die verlangte Untersuchung erm\u00f6glicht durch monokulare Accommodationsversuche, insoweit eine physiologische Association zwischen Accommodation und Konvergenz besteht, was aber \u2014 sobald man nicht k\u00fcnstliche L\u00f6sungen absichtlich anstrebt \u2022\u2014 bis zu einem erheblichen und f\u00fcr die Untersuchung jedenfalls hinreichenden Grade der Fall ist.\nDurch die vorstehenden Er\u00f6rterungen habe ich die theoretische Bedeutung der folgenden Untersuchung klarstellen wollen, die sich zwar zun\u00e4chst nur mit dem Einflufs der Akkommodation auf die Tiefenwahrnehmung besch\u00e4ftigt, in ihren Konsequenzen aber notwendig \u00fcber diese Frage hinausgreift. \u2014 Ich wende mich sogleich zu den Versuchen selbst.\n\u00a7 9. Wenn man den Einflufs der Accommodation auf die Tiefenwahrnehmung untersuchen will, so ist es selbstverst\u00e4ndlich vor allem n\u00f6tig, f\u00fcr den vollst\u00e4ndigen Ausschlufs aller anderen Lokalisationsmotive zu sorgen. Die Disparation f\u00e4llt bei monokularen Versuchen ohnehin weg ; aber auch alle sogenannten \u201eempirischen\u201c Motive der Lokalisation m\u00fcssen ferngehalten werden, wie z. B. Bekanntschaft mit der Gr\u00f6fse des Objektes, Perspektive, Schattenverteilung u. dergl. m. Denn um die Lokalisation der primitiven Empfindung soll es sich handeln, nicht um die einer durch vorausgehende Erfahrungen modifizierten Empfindung.1\nUm allen diesen empirischen Motiven zu entgehen, wurde folgende Versuchsanordnung in Anwendung gebracht, die in nebenstehender Figur 1 im Grundrifs und in schematischer Weise dargestellt ist.\nAuf der horizontalen Tafel T ist in a eine vertikale Achse angebracht, um welche die beiden der Platte aufliegenden Leisten b und V drehbar sind. Mit diesen Leisten sind die 1 m langen und in Millimeter geteilten Mafsst\u00e4be m und m\u2018 im rechten Winkel fix verbunden. Die beiden parallelepipe-dischen St\u00fccke p und p\u2018 lassen sich in einer Schlittenf\u00fchrung l\u00e4ngs den Mafsst\u00e4ben verschieben und ist ihre jeweilige Stellung an der Millimeterteilung ablesbar. Die St\u00fccke p und p\u2018 tragen\n1 \u00dcber die genauere Fassung dieser beiden Begriffe vergl. meine Abhandlung \u00fcber \u201edie Stabilit\u00e4t der Baum werte auf der Netzbaut\u201c in dieser Zeitschrift Bd. V. S. 5 ff.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur TiefenloJcalisation. 109\nin einer Einkerbung je einen vertikalen Holzrabmen, deren Grundrisse in der Zeichnung durch S und S' dargestellt sind. Auf der dem Beobachter zugekehrten Seite sind diese Rahmen mit schwarzen, ganz ebenen und gleichm\u00e4fsigen Kartons \u00fcberklebt, welche auf der Medianseite etwas \u00fcber die Rahmen hinausragen. \u2022 Diese \u00fcberragenden Kanten sind haarscharf geschnitten, so dafs keinerlei Details (Papierfasern oder Abweichungen von\nP\nFig. 1.\nder geraden Linie) gesehen werden k\u00f6nnen.1 Hinter dem Apparate steht die grofse weifse, mattgeschliffene Milchglasplatte P, welche von den beiden Lampen L und L' hell erleuchtet wird. Die Lampen sind von hohen halb offenen Eisenblech-cylindern umgeben, die so orientiert werden, dafs das Licht\n1 Die Kanten werden am besten mit schr\u00e4g gehaltenem scharfen Skalpell geschnitten, so dafs die Schnittfl\u00e4che nicht senkrecht, sondern schr\u00e4g gegen die grofse Kartonfl\u00e4che steht, und zwar in dem Sinne, dafs sie dem Beobachter abgewandt ist und dieser also eine m\u00f6glichst vollkommen scharfe Kante sieht.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nFranz H\u00fclebrand.\nder Lampen nur auf die weifse Tafel f\u00e4llt ; im \u00fcbrigen ist der Raum verdunkelt. Lotrecht \u00fcber der Achse a ist ein kurzer (in der Figur nicht abgebildeter) Tubus angebracht, dessen vom Beobachter abgewandtes Ende durch ein oblonges Diaphragma von 1 cm Breite und 1,5 cm H\u00f6he abgeschlossen ist. Der Tubus ist so orientiert, dafs der mittlere Knotenpunkt des angelegten Auges vertikal \u00fcber den Drehpunkt (a) des ganzen Systems zu liegen kommt. Aufserdem ist der grofse vertikale Pappschirm r r aufgestellt, der an passender Stelle ein Loch tr\u00e4gt, durch welches der Tubus herausragt. Denken wir uns zun\u00e4chst etwa das rechtsseitige Schienensystem samt Rahmen und Schirm weg und das linksseitige in der durch die Figur versinnlichten Stellung befindlich ; die vertikale scharfe Kante des Kartonschirmes S liegt dann in der Symmetrieebene des ganzen Apparates. Blickt der Beobachter durch den Tubus, so wird das oblonge Diaphragma zur H\u00e4lfte von dem schwarzen Kartonschirm optisch ausgef\u00fcllt, zur anderen H\u00e4lfte von der hellbeleuchteten Milchglastafel. Der Beobachter sieht also rechts von der Symmetrieebene ein hellerleuchtetes oblonges Feld, defsen linke Seite dann als scharfe gerade Linie erscheint, wenn er eben f\u00fcr die Entfernung des Kartonschirmes accommodiert ist. Da dieser Schirm auf dem Mafsstabe verschiebbar ist, so kann man ihm vom jeweiligen Nahpunkt des Beobachters bis zu 1 m jeden beliebigen Abstand vom Auge geben und daher in diesem Intervalle jede beliebige Accommodation veranlassen. Die Gr\u00f6fse des Diaphragmas ist so gew\u00e4hlt, dafs der Beobachter keine weiteren Bestandteile des Apparates oder sonstige Objekte sehen kann. Bei der K\u00fcrze des Tubus erscheint der das Sehfeld abschliefsende (\u00fcbrigens erheblich peripher gesehene) Rand des Diaphragmas nat\u00fcrlich infolge der Zerstreuungskreise mehr oder weniger verschwommen.\nDer Rahmen mit dem schwarzen Karton kann nun kontinuierlich verschoben werden, w\u00e4hrend die Kante vom Beobachter bei ganz feststehendem Kopfe fixiert wird ; man kann aber auch die fix verbundenen Schienen b und m so um die Achse a drehen, dafs der ganze Karton aus dem Sehfeld des Beobachters verschwindet; in dieser Lage kann man dem Kartonschirm eine beliebige Stellung auf der Schiene m geben und ihn dann rasch in das Gesichtsfeld hineinschieben.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. Hl\nSchliefslich ist noch die gleichzeitige Verwendungsweise beider Schirme zu erw\u00e4hnen. Die beiden Schienen m und m' lassen sich durch den Bogen f verkoppeln, dessen Gr\u00f6fse so gew\u00e4hlt ist, dafs die scharfen Kanten der beiden Schirme nie gleichzeitig im Gesichtsfeld erscheinen k\u00f6nnen, dafs aber in dem Augenblick, in welchem die eine das Gesichtsfeld verl\u00e4fst, die andere in dasselbe eintritt. Bei entsprechend rascher Verschiebung ist es auf diese \"Weise m\u00f6glich, in \u00e4ufserst kurzer Zeit an die Stelle der einen Kante die andere treten zu lafsen, wobei nat\u00fcrlich jede in beliebige Entfernung vom Beobachter gebracht werden kann. \"Will man nur mit einer Kante experimentieren, so wird der Bogen f abgenommen und die Schiene, welche den anderen Schirm tr\u00e4gt, durch Drehung um die Achse a aus dem Gesichtsfeld ger\u00fcckt (wie dies in der Figur angedeutet ist).\n\u00a7 10. Man sieht, dafs bei dieser Versuchsanordnung alle Momente ausgeschlossen sind, welche auf die Tiefenlokalisation irgend welchen Einflufs nehmen k\u00f6nnen, mit Ausnahme der Accommodation und der mit ihr trotz Verschlufs des anderen Auges associierten Konvergenz. Vor allem kommt das st\u00f6rende Moment der Bildvergr\u00f6fserung und -Verkleinerung bei Ann\u00e4herung. und Entfernung nicht zur \"Wirkung, da die als Objekt dienende Trennungslinie der Breite nach ohne Ausdehnung ist, der L\u00e4nge nach aber stets das ganze durch das Diaphragma begrenzte, immer gleich grofse Gesichtsfeld durchzieht und irgend welche Merkpunkte an dieser Trennungslinie nicht gegeben sind.\nDieses Moment ist es, durch welches mir die beschriebene Versuohsanordnung gegen\u00fcber der von Wundt benutzten einen wesentlichen Vorzug zu haben scheint.\nWundt blickt durch eine innen geschw\u00e4rzte Bohre nach einem Va mm dicken schwarzen Faden, der sich von einem gleichm\u00e4fsig beleuchteten Hintergrund abhebt und beliebig verstellt werden kann. Bei einer Versuchsreihe wendet die Versuchsperson w\u00e4hrend der Verstellung des Fadens das Auge ab, bei einer anderen pendelt der Faden in der Medianebene, wobei der Beobachter den Faden fortw\u00e4hrend zu fixieren trachtet. In beiden F\u00e4llen mufs die Vergr\u00f6fserung und Verkleinerung des Bildes (wenn sie hinreichend grofs ist) notwendig einen Anhaltspunkt f\u00fcr die Tiefenlokali-","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nFranz Rill\u00e9brand.\nsation geben. Indem ich \u00e4hnliche Versuche mit Anwendung eines feinen, straff gespannten Drahtes1 anstellte, bin ich zu ganz anderen Resultaten gelangt als sie die sp\u00e4ter zu beschreibenden Versuche mit den Schirmkanten ergaben; in F\u00e4llen, in denen die Kantenversuche gar keine Wahrnehmung einer ver\u00e4nderten Tiefenlage ergaben, konnte eine solche bei Anwendung des Drahtes schon mit Sicherheit konstatiert werden.2 3 Dies kann nur an der Cfr\u00f6fsen\u00e4nderung des Netzhautbildes gelegen sein.\n\u00a7 11. Da Wundt auf dieses Moment zu sprechen kommt, sagt er folgendes:\n\u201eImmer jedoch ist innerhalb der Accommodationsgrenzen die scheinbare Gr\u00f6fse auf das Urteil \u00fcber die relative Lage zweier Gegenst\u00e4nde von untergeordnetem Einfl\u00fcsse; bei weitem \u00fcberwiegend ist hier der Einflufs der Accomodationsbewegungen selber.\u201c Und nach einigen Bemerkungen \u00fcber das \u201eAccommo-dationsgef\u00fchl\u201c f\u00e4hrt er zum Beweise f\u00fcr die eben citierte. Behauptung fort wie folgt: \u201eEine Ann\u00e4herung des Gegenstandes wird n\u00e4mlich schon wahrgenommen, wenn die scheinbare Gr\u00f6fse desselben sich noch gar nicht merklich ver\u00e4ndert hat, so dafs also die Accommodationsbewegung das einzige Moment ist, auf das jene Wahrnehmung m\u00f6glicher Weise sich gr\u00fcnden kann.\u201c 8\nDieses Argument scheint mir aus folgendem Grunde unzutreffend: wenn sich das fixierte Objekt (hier der vertikale Faden) n\u00e4hert, so wird doch jedenfalls das Netzhautbild gr\u00f6fser; gerade aber, wenn diese Zunahme des Netzhautbildes nicht als Zunahme der scheinbaren Gr\u00f6fse des Gegenstandes empfunden wird, gerade dann mufs sie als Abnahme der Entfernung empfunden werden. Es scheint, dafs Wundt hier die\n1\tDies ist immerhin noch eine etwas bessere Methode als die WuNDTSche. Denn hei den F\u00e4den kommt nebst der Ver\u00e4nderung der Bildgr\u00f6fse noch der Umstand hinzu, dafs sie wohl nie ganz ohne unterscheidbare Details (abstehende Fasern, ungleichm\u00e4fsige Dicke u. dergl.) sind, die durch ihr Deutlich- oder Undeutlichwerden, sowie insbesondere durch die \u00c4nderung ihrer scheinbaren H\u00f6he (vgl. unten S. 117) weitere Anhaltspunkte f\u00fcr die Lokalisation liefern.\n2\tOb die Dicke des Fadens oder Drahtes von vornherein bekannt ist oder nicht, thut nichts zur Sache; es gen\u00fcgt ja, wenn es derselbe Faden (Draht) ist, der in verschiedenen Entfernungen beobachtet wird.\n3\tBeitr. z. Theor. d. Sinneswahrn. 3. Artikel, a. a. O. pag. 325\u201426.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zw Tiefenlohalisation. 113\nBegriffe \u201eGr\u00f6fse des Netzhautbildes\u201c und \u201escheinbare Gfr\u00f6fse des Gegenstandes\u201c miteinander verwechselt, bezw. dafs sich ihm an Stelle des ersteren der letztere einschiebt, ohne dafs er sich davon gen\u00fcgend Rechenschaft giebt. Wenn sich das Netzhautbild nicht vergr\u00f6fserte (was man durch entsprechende Verkleinerung des Objektes beim N\u00e4herschieben erreichen k\u00f6nnte, s. u.) und dennoch das N\u00e4herr\u00fccken des Objektes wahrgenommen w\u00fcrde, dann w\u00e4re der Schlufs zuzugeben, dafs dieses N\u00e4herr\u00fccken in irgend einer Weise unter dem Einflufs der Accommodation wahrgenommen sein mufs. Aber aus der That-sache, dafs die scheinbare Gr\u00f6fse sich nicht merklich ver\u00e4ndert, mufs die der W\u00fcNDTschen Folgerung genau entgegengesetzte gezogen werden, dafs n\u00e4mlich die Wahrnehmung des N\u00e4herr\u00fcckens ganz oder mindestens dem gr\u00f6fsten Teile nach auf die Vergr\u00f6fserung des Netzhautbildes zur\u00fcckzuf\u00fchren ist und somit die Accommodationsbewegung keineswegs \u201edas einzige Moment ist, auf das jene Wahrnehmung m\u00f6glicher Weise sich gr\u00fcnden kann.\u201c\nAnmerkung. Man k\u00f6nnte versucht sein, dieser, Widerlegung in folgender Weise zu begegnen und somit Wundts Standpunkt aufrecht zu erhalten :\nUnter \u201escheinbarer Gr\u00f6fse\u201c, k\u00f6nnte man sagen, kann zweierlei verstanden werden: einmal die Gr\u00f6fse des Sehdinges, ein anderes Mal die Gr\u00f6fse des Netzhauthildes, bezw. des Gesichtswinkels (wie wenn ich sage : \u201eDie scheinbare Gr\u00f6fse des Vollmondes betr\u00e4gt nahezu V\u00bb Grad\u201c). Die beiden Bedeutungen fallen nicht zusammen; auch ist die scheinbare Gr\u00f6fse im Sinne der Gr\u00f6fse des Sehdinges nicht allein abh\u00e4ngig von der scheinbaren Gr\u00f6fse im Sinne der Gr\u00f6fse des Netzhautbildes (oder Gesichtswinkels). In dem obigen Widerlegungsversuche \u2014 w\u00fcrde Wundts Verteidiger sagen \u2014 wird ohne weiteres angenommen, Wundt habe unter scheinbarer Gr\u00f6fse die Gr\u00f6fse des Sehdinges verstanden ; in diesem Talle w\u00e4re es freilich zuzugestehen, dafs Wundt aus dem Umstande, dafs die scheinbare Gr\u00f6fse sich noch nicht merklich ge\u00e4ndert hat, nicht schliefsen durfte: also war es nur die Accommodation, welche uns \u00fcber die Entfernungs\u00e4nderung in Kenntnis gesetzt hat. Aber Wundt hat unter scheinbarer Gr\u00f6fse gar nicht die Gr\u00f6fse des Sehdinges gemeint, sondern (in \u00dcbereinstimmung mit dem Sprachgebrauche der Physiker und Astronomen) die Gr\u00f6fse des Gesichtswinkels, bezw. des Netzhautbildes. Wenn aber dies, dann bleibt sein (Wundts) Argument in Kraft : hat n\u00e4mlich der Gesichtswinkel (bezw. das Netzhautbild) nur um so weniges zugenommen, dafs die Zunahme untermerklich bleiben mufs, dann kann sie weder als Zunahme der Gr\u00f6fse, noch als Abnahme der Entfernung des Sehdinges gedeutet werden. Wenn nun trotz alledem eine N\u00e4herung sicher erkannt wurde, so hat Wundt Recht, wenn er diese Wahrnehmung\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VI\u00cf.\t8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nFranz Hillebrand.\nlediglich auf Rechnung des ver\u00e4nderten Accommodationszustandes setzt.\nEs kommt also alles darauf an, zu entscheiden, wie Wdndt den Ausdruck \u201escheinbare Gr\u00f6fse\u201c in seiner Argumentation verstanden hat\nIch hoffe aber zeigen zu k\u00f6nnen, dafs Wundt mit dem Terminus \u201escheinbare Gr\u00f6fse\u201c hier nur die Gr\u00f6fse des Sehdinges und nicht die des Gesichtswinkels, bezw. Netzhautbildes gemeint haben konnte. In mehrfacher Weise d\u00fcrfte dies klar zu machen sein.\nZuv\u00f6rderst will ich von der obigen Er\u00f6rterung \u00fcber das Erkennen von Distanz\u00e4nderungen innerhalb des Accommodationsgebietes einen Augenblick absehen und zun\u00e4chst diejenige Stelle in Wundts Abhandlung in Betracht ziehen, in welcher er von der Tiefenlokalisation jenseits des Eernpunktes spricht (p. 324\u201425); der Sinn des Ausdruckes \u201escheinbare Gr\u00f6fse\u201c wird sich schon aus dieser Stelle unzweifelhaft klarstellen lassen. Wundt sagt: \u201eH\u00e4ngt man einen Faden jenseits des Fernpunktes auf und verschiebt denselben um verschiedene Entfernungen, so wird diese Verschiebung erst wahrgenommen, sobald dadurch der scheinbare Durchmesser des Fadens sich um ein Merkliches ge\u00e4ndert hat.\u201c Das Netzhautbild mufs sich also nicht \u00fcberhaupt, sondern um ein Merkliches \u00e4ndern. Aber in welcher Beziehung merklich? Merklich kann die Bildver\u00e4nderung werden entweder indem man den Faden n\u00e4her (weiter) lokalisiert, ihn aber f\u00fcr gleich dick h\u00e4lt (wobei also die Gr\u00f6fse des Sehdinges sich nicht \u00e4ndert), oder indem man ihn bei gleicher scheinbarer Entfernung f\u00fcr dicker (d\u00fcnner) h\u00e4lt, oder schliefslich indem er zugleich n\u00e4her und dicker (ferner und d\u00fcnner) erscheint. Da es sich bei Wundt darum handelt, dafs der Faden n\u00e4her (ferner) lokalisiert wird, so bleiben von den obigen drei F\u00e4llen nur zwei \u00fcbrig: der Faden scheint entweder gleich dick zu bleiben, sich aber zu n\u00e4hern (entfernen), oder er scheint zugleich mit der N\u00e4herung dicker zu werden (mit der Entfernung d\u00fcnner). Die Gr\u00f6fsen\u00e4nderung des Netzhautbildes mufs in beiden F\u00e4llen die Merklichkeitsgrenze \u00fcberschritten haben, ob sie sich nun in der Empfindung durch gleichzeitige Gr\u00f6fsen- und Entfernungs\u00e4nderung \u00e4ufsert oder blofs durch Entfernungs\u00e4nderung, d. h. ob die psychische Wirkung der \u00c4nderung der Netzhautbildgr\u00f6fse sozusagen aufgeteilt wird in die Gr\u00f6fse und Entfernung des Sehdinges, oder ob sie nur in der Entfernung desselben zu Tage tritt. Wenn also \u00fcberhaupt eine \u00c4nderung der scheinbaren Entfernung eintritt, so kann (jenseits des Fernpunktes) nur die Gr\u00f6fsen\u00e4nderung des Netzhautbildes die Ursache sein, und man w\u00fcrde sich selbst widersprechen, wenn man sagte: Das Sehding \u00e4ndert seine Entfernung, die Gr\u00f6fsen\u00e4nderung des Netzhautbildes ist aber zu gering, um diese Entfernungs\u00e4nderung zu erkl\u00e4ren. Wenn also (jenseits des Fernpunktes) eine Entfernungs\u00e4nderung erkannt wird, so kann die \u00c4nderung des Gesichtswinkels gar nicht untermerklich, d. h. hier psychisch wirkungslos gewesen sein, und es bedarf keiner weiteren experimentellen Untersuchung, ob doch die Winkel\u00e4nderung eine hinreichend gr\u00f6fse war.\nInnerhalb des Accommodationsgebietes wird nach Wundt die Entfernungs\u00e4nderung in verschiedener Weise erkannt, je nachdem es sich um N\u00e4herung oder Entfernung handelt. Dafs f\u00fcr das Erkennen der An-","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. H5\nn\u00e4herung das \u201eAccommodationsgef\u00fchl\u201c ma\u00dfgebend sei, lasse sich \u201esogar objektiv nachweisen\u201c. Die Ann\u00e4herung wird nach Wundt schon wahr-genommen, wenn die scheinbare Gr\u00f6fse des Gegenstandes \u201esich noch gar nicht merklich ver\u00e4ndert hat\u201c. \u201eAnders,\u201c sagt Wundt, \u201eist dies mit der Entfernung des Gegenstandes. Diese wird erst bemerkt, wenn der Gegenstand durch Weiterr\u00fccken eine sichtbare Verkleinerung seines Durchmessers erfahren hat.\u201c Beim N\u00e4herr\u00fccken wird also die Entfernungsver\u00e4nderung schon bemerkt, ehe noch eine: \u201esichtbare Ver-gr\u00f6fserung des Durchmessers\u201c stattgefunden hat. Damit ist aber (ich verweise auf die obige Er\u00f6rterung) nicht gesagt, dafs die Ver-gr\u00f6fserung des Netzhautbildes gar keinen Einflufs hatte. Somit bleibt die im Texte erhobene Einwendung gegen die Deutung, welche Wundt seinen Versuchen zu teil werden l\u00e4fst, in Kraft; es geht nicht an, den Standpunkt Wundts dadurch zu halten, dafs man annimmt, er habe bei dem Worte \u201escheinbare Gr\u00f6fse\u201c nur an die Gr\u00f6fse des Netzhautbildes, bezw. Gesichtswinkels gedacht.\nAuch eine andere Stelle l\u00e4fst sich noch zum Beweise dessen bei-bringen. Wundt sagt pag. 334: \u201eEntfernt sich also von zwei Objekten das eine um eine so geringe Gr\u00f6fse, dafs sein scheinbarer Durchmesser sich nicht ver\u00e4ndert etc. etc.\u201c Hier mufs doch der \u201escheinbare Durchmesser \u201c soviel sein wie der Durchmesser des Sehdinges; denn der Gesichtswinkel oder die Gr\u00f6fse des Netzhautbildes \u00e4ndert sich selbstverst\u00e4ndlich bei der geringsten Entfernungs\u00e4nderung des Gegenstandes.\nWundts Tabelle der eben er kennbar en Entfernungs\u00e4nderungen (pag. 330) ergiebt, wenn man die Gesichtswinkel daraus berechnet, stellenweise so kleine Differenzen, dafs es allerdings schwer wird, denselben bereits eine Wirkung auf die Gr\u00f6fse der scheinbaren Entfernung zuzuschreiben (ergeben sich doch neben Differenzen von 20 bis 30 Winkelsekunden und dar\u00fcber auch solche von blofs 8 bis 10 Sekunden), namentlich wenn der Vergleich kein simultaner, sondern ein successiver, durch kleine Pausen getrennter ist. Da aber bei Ausschlufs jeder Bildgr\u00f6fsen\u00e4nderung (z.B. bei Anwendung mathematischer Linien), wie wir sehen werden, Entfernungsunterschiede vom Ausmafse der WuNDXscben keineswegs erkannt werden und somit die Accommodation keineswegs die ihr von Wundt zugeschriebene Bolle spielen kann, so bleiben zur Erkl\u00e4rung der Besultate, wie sie Wundt erhalten hat, nur zwei Wege: entweder waren gewisse, die Lokalisation bestimmende Nebenumst\u00e4nde vorhanden, die Wundt vielleicht \u00fcbersehen hat (z. B. Merkpunkte, welche durch Fasern oder sonstige TJn-regelm\u00e4fsigkeiten in den F\u00e4den gegeben waren und durch ihre scheinbare H\u00f6he \u00fcber der Blickebene einen Anhaltspunkt zur Lokalisation boten, s- o.) oder die Versuche waren ganz frei von derartigen Fehlern : dann aber bleibt nichts \u00fcbrig, als anzunehmen, dafs selbst jene sehr kleinen Gesichtswinkeldifferenzen doch schon hinreichend waren, um unser Urteil \u00fcber die scheinbare Entfernung zu bestimmen.\nEs ist mir keine Untersuchung \u00fcber die kleinsten, eben merklichen Sehwinkelunterschiede bekannt. Bei der Kleinheit der absoluten Werte, um die es sich in unserem Falle handelt, m\u00fcfste eine derartige Untersuchung, wenn anders sie \u00fcber die Deutung der WuNDTSchen Versuche","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nFranz Hillebrand.\nentscheiden soll, genau unter denselben Umst\u00e4nden gemacht werden wie die, welche Wundt eingef\u00fchrt hat, und \u00fcber die wir aus der citierten Arbeit dieses Forschers nicht hinreichend unterrichtet werden. Die Beschaffenheit des Fadens, die BeleuchtungsVerh\u00e4ltnisse, ein eventuell vorhandener (wenn auch geringer) Astigmatismus des beobachtenden Auges \u2014 diese und noch andere Umst\u00e4nde k\u00f6nnen die Werte der eben merklichen Sehwinkelunterschiede hinreichend beeinflussen, um, wenn sie etwas ge\u00e4ndert werden, andere Kesultate zu liefern als die von Wundt angegebenen.\nDas scheint mir aber erw\u00e4hnenswert, dafs der kleinste zum Erkennen einer Ortsverschiedenheit erforderliche Gesichtswinkel bisher stets f\u00fcr gr\u00f6fser gehalten wurde, als er es in der That ist. Als Minimalwert wrird gew\u00f6hnlich 50 Sekunden bis 1 Minute angegeben. Wenn der kleinste Gesichtswinkel diesen Wert .hat, dann erscheint es freilich, unglaubw\u00fcrdig, dafs ein Gesichtswinkel zu wuc hs von 10 bis 20 Sekunden schon merklich sein sollte. Indessen hat schon Helmholtz bemerkt, dafs in den bisherigen Versuchen, auf welchen diese (Resultate beruhen, eine Fehlerquelle nicht ausgeschlossen sei, n\u00e4mlich die Irradiation. Jenes Minimum von 50\" giebt daher kein Mafs f\u00fcr die Beschr\u00e4nktheit des Ortsinnes der Netzhaut. In neuester Zeit hat Ernst Anton W\u00fclfing eine Arbeit \u201e\u00dcber den kleinsten Gesichtswinkel\u201c (Zeitschr. f\u00fcr Biologie, XXIX. Bd., Neue Folge XI. Bd., pag. 199 ff.) ver\u00f6ffentlicht, in welcher er jene Fehlerquelle zu vermeiden sucht. Ohne hier weiter auf W\u00fclfings Untersuchungsmethode einzugehen, will ich nur erw\u00e4hnen, dafs der von ihm erzielte Minimalwert 10 bis 12 Winkelsekunden betr\u00e4gt, also etwa den f\u00fcnften Teil des gemeiniglich angenommenen Wertes. W\u00fclfing h\u00e4lt es \u00fcberdies f\u00fcr wahrscheinlich, dafs bei Einf\u00fchrung noch g\u00fcnstigerer Beleuchtungsverh\u00e4ltnisse, als der von ihm angewandten, noch kleinere Werte sich ergeben w\u00fcrden, als die von 10\u201412 Winkelsekunden.\nF\u00fcr unsere Deutung der WuNDTSchen Versuche sind W\u00fclfings Ergebnisse nicht unbedingt beweisend. Abgesehen n\u00e4mlich von dem Umstande, dafs es sich bei IV\u00fclfing um simultane, bei den WuNDTSchen Versuchen aber um succes sive Vergleiche handelt (wobei nat\u00fcrlich die Schnelligkeit der Succession sehr in Betracht kommt), hat sich W\u00fclfing \u2014 wie wir schon oben erw\u00e4hnten \u2014 nicht die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, um wieviel ein gegebener Gesichtswinkel wachsen oder abnehmen m\u00fcsse, wenn der Unterschied .eben erkennbar sein soll; vielmehr .hat er den geringsten noch merklichen Lageunterschied zweier Ortsdaten zu ermitteln gesucht. Trotz alledem stehen seine Ergebnisse zu der Frage, welche uns hier besch\u00e4ftigt, wie erw\u00e4hnt, in Beziehung. W\u00e4re n\u00e4mlich, wie man gemeiniglich angenommen hat, der Lageunterschied zweier Punkte erst dann eben erkennbar, wenn er einem Gesichtswinkel von 5.0\u201460\" entspricht, dann sollte man meinen, der Zuwuchs (die Abnahme) zu einer bereits vorhandenen Distanz m\u00fcfste mindestens jenen Wert von 50\u201460\" haben, um als Zuwuchs (Abnahme) erkennbar zu sein. Der sozusagen absolut kleinste Gesichtswinkel kann ja als Zuwuchs zu dem Werte 0 aufgefafst werden; erh\u00e4lt dieser Wert aber eine endliche Gr\u00f6fse (bei Wundt bis zu 4 Winkelminuten), dann m\u00fcfste der eben merkliche","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 117\nZuwuchs doch, mindestens ebenso grofs sein, als wenn der Winkel, zu welchem er hinzutritt, gleich 0 ist. Unter Voraussetzung des gew\u00f6hnlich als Minimum angenommenen Winkels von 50\u201460\" w\u00e4re es aber unglaublich, dafs Zuw\u00fcchse von der G-r\u00f6fse der WusroTSchen irgend merklich sein sollten. Der von W\u00fclfing gefundene Minimalwert l\u00e4fst es hingegen nicht als widersprechend erscheinen, dafs Zuw\u00fcchse, wie sie in Wundts Versuchen Vorkommen, als Zuw\u00fcchse erkannt werden. Hierin liegt die Bedeutung, welche W\u00fclfings Resultate f\u00fcr unsere Deutung der W\u00fcNDTSchen Versuche besitzen.\n(Beil\u00e4ufig gesagt, ist der Gedanke mindestens nicht von vornherein abzuweisen, dafs vielleicht f\u00fcr die Zu- und Abnahme des Gesichtswinkels bei Ausschlufs aller anderen Lokalisationsmotive die \u00c4nderung der scheinbaren Entfernung ein feineres Reagens ist, als die \u00c4nderung der Sehgr\u00f6fse; doch soll dies nur als Vermutung ausgesprochen werden.; experimentelle Untersuchungen \u00fcber diese Trage liegen nicht vor.)\nSo d\u00fcrfte sich denn doch die Verwendung von Objekten; die bei N\u00e4herung und Entfernung eine Ver\u00e4nderung der Bild-gr\u00f6fse zulassen, als ein f\u00fcr die vorliegende Frage sehr bedeutsamer Versuchsfehler herausstellen.\n\u00a7 12. Beil\u00e4ufig mufs ich noch auf einen anderen Fehler zu sprechen kommen, der sich ergiebt, wenn man nicht f\u00fcr v\u00f6lligen Ausschlufs aller unterscheidbaren Details Sorge tr\u00e4gt, wie sich diese etwa bei F\u00e4den, unscharf geschnittenen Kanten u. dergl. merkbar machen. Hier sind besonders diejenigen Versuche gemeint, in denen das Objekt w\u00e4hrend der Bewegung fixiert wird. Eine einzelne Woll- oder Papierfaser z. B., die nicht gerade in der prim\u00e4ren Blickebene liegt, \u00e4ndert w\u00e4hrend der Bewegung des Objektes auch ihre scheinbare H\u00f6he. Liegt ein solcher Merkpunkt z. B. \u00fcber der Blick-ebene, so steigt er bei Ann\u00e4herung des Objektes scheinbar in die H\u00f6he und sinkt bei Entfernung desselben. Infolge der tausendf\u00e4ltigen Erfahrung, die jedermann \u00fcber derartige Ph\u00e4nomene im Leben macht, kann sich mit derartigen H\u00f6henbewegungen sofort die Vorstellung einer Ann\u00e4herung oder Entfernung associieren; die Gefahr voreiliger Schl\u00fcsse ist also auch hier gegeben.\t; _ .i \u25a0\nWeiter ist darauf zu achten, dafs alle Bewegungen des Kopfes w\u00e4hrend der Beobachtung vermieden werden, was vor allem durch unmittelbares .Anlegen, der. Umgebung des Auges an die B\u00e4nder des Tubus zu erreichen ist. Bewegungen des Kopfes bedingen n\u00e4mlich Schein-Verschiebungen der fixierten Kante relativ zum Bande des Diaphragmas, und diese Ver-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nFrans H\u00efttebrand.\nSchiebungen werden gr\u00f6fser, wenn die Kante ferner liegt. Auch dieser Umstand kann zum Anhaltspunkt f\u00fcr die Beurteilung der verschiedenen Tiefenlage des fixierten Objektes werden.\nNach Er\u00f6rterung dieser wesentlichsten Fehlerquellen teile ich sogleich die erste Klasse der mit dem oben beschriebenen Apparate angestellten Versuche mit.\n\u00a7 13. Bei dieser ersten Klasse von Versuchen kommt es darauf an, das Objekt w\u00e4hrend seiner Bewegung in der Tiefendimension zu fixieren und der Bewegung mit der Accommodation zu folgen, wobei der Beobachter selbstverst\u00e4ndlich weder weifs, wann die Bewegung beginnt und wann sie schliefst, noch auch in welchem Sinne sie erfolgt, ob zu ihm hin oder von ihm weg. Der Beobachter wird aufgefordert, Beginn, Schlufs und Richtung der Bewegung anzugeben. Hierbei d\u00fcrfen die Grenzen der Accommodationsbreite des jeweiligen Beobachters nat\u00fcrlich nicht \u00fcberschritten werden. Ja nicht nur dies; man darf auch nicht bis zum Nahpunkt herangehen, weil sich solche extreme Grade der Accommodation (und bei Emmetropen auch die damit parallel gehenden extremen Grade der Konvergenz) durch l\u00e4stige Empfindungen verraten und so einen Faktor in die Untersuchung sich einmischen lassen, welcher der Frage fremd bleiben mufs. Weiter hat man daf\u00fcr zu sorgen, dafs die Bewegung mit einer Geschwindigkeit erfolgt, die es dem Beobachter eben m\u00f6glich macht, bequem mit der Accommodation zu folgen.\nAn dem S. 108 ff. beschriebenen Apparate wird also die Koppel f entfernt und der eine der beiden Schirme aus dem Gesichtsfeld ger\u00fcckt, w\u00e4hrend der andere Schirm (bezw. die Schiene, auf der er sich bewegt) so gestellt wird, dafs sich die scharfe Kante in der Symmetrieebene des Apparates bewegen kann. Die Ausgangsstellung ist dem Beobachter nat\u00fcrlich unbekannt.\n\u00a7 14. Den Moment des Beginnes und Schlusses der Bewegung auch nur einigermafsen richtig anzugeben, war keiner der f\u00fcnf von mir untersuchten Personen m\u00f6glich. Der Schirm war gew\u00f6hnlich l\u00e4ngst (oft 20 cm und mehr) in Bewegung, ehe der Beobachter die entsprechende Angabe machte \u2014 sofern dies \u00fcberhaupt geschah. In manchen F\u00e4llen wurde \u00fcbrigens auch bei ruhender Kante Bewegung angegeben.\nWas die Angaben \u00fcber die Bewegungsrichtung anlangt,","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Baa Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokattsation. 119\nso fielen dieselben bei den verschiedenen Beobachtern verschieden aus.\nDie Herren stud. med. A. Springer und J. Stransky (beide Emmetropen) machen nahezu eben so viel falsche Angaben wie richtige, wobei die Verschiebung der Kante in dem Intervall zwischen 220 mm bis 1000 mm erfolgt. (Aus bereits dargelegten Gr\u00fcnden habe ich es vermieden, bis zum Nahpunkt zu gehen.) Eine Verschiedenheit in der Verteilung der richtigen und falschen Angaben, je nachdem die Kante gen\u00e4hert oder entfernt wurde, konnte ich nicht konstatieren. Herr Docent Dr. E. Steinach, Assistent am hiesigen Physiol. Institute, machte unter 16 Beobachtungen 9 richtige Angaben und 5 falsche, in 2 F\u00e4llen ist er zweifelhaft. Ich bemerke hier nur, dafs derselbe nach beendigter Bewegung der Aufforderung, sich zu \u00e4ufsern, nie sofort nachkommt, sondern regelm\u00e4fsig l\u00e4ngere Zeit verstreichen l\u00e4fst, w\u00e4hrend welcher er unausgesetzt auf die nunmehr ruhende Kante hinsieht, sich also die Antwort vorher wohl \u00fcberlegt und ohne Zweifel \u00fcber den abgelaufenen Vorgang reflektiert.\nDie Angaben der folgenden zwei Beobachter, des Herrn Dr. H. E. Hering, Assistenten am hiesigen Institute f\u00fcr experimentelle Pathologie, und des Herrn Dr. H. Pereles, ersten Assistenten an der Deutschen Augenklinik, verdienen deshalb besonderes Interesse, weil beide Herren sich unaufgefordert \u00fcber die Art und Weise \u00e4ufsern, auf die sie zu ihren einzelnen Angaben gef\u00fchrt werden und namentlich darauf Gewicht legen, ob ihnen die Entfernungs\u00e4nderung zu sinnlicher Anschaulichkeit kommt, oder ob sie sie irgendwie erschliefsen oder associieren, mit anderen Worten, ob sie die \u00c4nderung sehen oder ob sie nur von ihr wissen.\nUnter 20 Beobachtungen, bei denen ich in dem verf\u00fcgbaren Intervall Entfernungs\u00e4nderungen vorgenommen habe, deren kleinste einer Dioptrien-Differenz von 0,5 und deren gr\u00f6fste einer solchen von 4 entsprach, habe ich von Herrn Dr. Pereles 12 bestimmte Angaben erlangen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend bei den \u00fcbrigen 8 keine Distanz\u00e4nderung angegeben wurde. Unter jenen 12 Angaben waren nur 4 richtige, und bei eben diesen 4 Angaben machte der Beobachter (ohne dafs ich danach gefragt h\u00e4tte) den Zusatz, er \u201eerschliefse\u201c hier die Bewegung, k\u00f6nne sie aber nicht im eigentlichen Sinne \u201esehen\u201c.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nFranz Hillebrand.\nVon Herrn Dr. H. E. Hering teile ich die Ergebnisse aus einer Reihe von 24 Beobachtungen mit, die derselbe angestellt hat, nachdem er durch 14 Tage fast t\u00e4glich mindestens 1 Stunde solche und \u00e4hnliche Accommodationsversuche gemacht hatte, und daher eine erhebliche \u00dcbung h\u00e4tte erlangen m\u00fcssen, wenn anders bei diesen Versuchen von einer \u00dcbung \u00fcberhaupt geredet werden kann.\nDie untenstehende Tabelle, die ich nur als ein Beispiel aus einer gr\u00f6fseren Versuchsreihe herausgreife, mag dem Leser ein Bild von der Leistungsf\u00e4higkeit der Accommodations\u00e4nderung f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung geben. (Die Mitteilung der ganzen Serie von Versuchen w\u00fcrde an diesem Bilde nichts \u00e4ndern.)\nGrenzen der Verschiebung in Millimetern, bezogen auf den mittleren Knotenpunkt.\nAngaben des Beobachters Herrn Dr. H. E. Heking.\n470\u2014370\n370\u2014470\n370\u2014270\n270-370\n470\u2014320\n320-470\n220\u2014370\n370\u2014220\n570\u2014370\n370-570\n670-370\n370\u2014220\n670\u2014870\n870\u2014370\n470\u2014220\n220\u2014470\n370\u2014190\n190-770\n370\u2014270\n270-220\n220-370\n370\u2014570\n570\u2014370\n370\u2014220\nUnbestimmt, vielleicht weiter.\nUnbestimmt.\nVielleicht n\u00e4her.\nUnbestimmt.\nKeine sichtbare \u00c4nderung.\n\u25a0\t\u25a0 \u00bb\tjs\tn\nn .15\t\u00bb\t...\n53 .\t\u00bb\t\u00bb\n\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\n\u201e\t\u201e\t\u201e\t|\t\u201eerschlossen\u201c:\tn\u00e4her.\n33\t33\t1)\n. \u201e\t\u201e\t\u201e\t;\t\u201eerschlossen\u201c:\tn\u00e4her.\nVielleicht n\u00e4her.\n\u00bb \u00bb .\nKeine sichtbare \u00c4nderung; \u201eerschlossen\u201c: n\u00e4her?\n\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201eerschlossen\u201c : ferner?\nUnbestimmt, vielleicht n\u00e4her?\n3)\t33\t33\nKeine \u00c4nderung.\n33\t33\n\u25a0\t33\t33\n33\t33\n33\t33\n33\t33\nWie mau sieht, war der Beobachter in den meisten F\u00e4llen \u00fcberhaupt nicht im stande, Bewegung zu sehen, mit Bestimmtheit nicht ein einziges Mal. Die ab und zu vorkommende Be-","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation w. Konvergenz zur Tiefenlohalisation. 121\nmerkung \u201eerschlossen: n\u00e4her (ferner)\u201c will sagen, dafs der Beobachter den Ortswechsel zwar nicht gesehen, wohl aber die \u00dcberzeugung von einem solchen erlangt hat. Auf welche Weise dieselbe zu st\u00e4nde kommt, darauf will ich sp\u00e4ter ein-gehen, wie denn \u00fcberhaupt die Deutung der bisherigen Versuche erst nach Mitteilung der zweiten Klasse von Beobachtungen versucht werden soll. Dafs \u00fcbrigens auch diese \u201eerschlossenen\u201c Urteile nicht immer richtig sind, daf\u00fcr giebt die Tabelle Zeugnis.\n\u00a7 15. Einiger Nebenumst\u00e4nde in den obigen Versuchsreihen m\u00f6chte ich noch Erw\u00e4hnung thun, weil sie f\u00fcr den Charakter dieser Versuche und f\u00fcr ihre Interpretation nicht ohne Bedeutung sind.\nEs ist n\u00e4mlich interessant zu sehen, von. welch\u2019 entscheidendem Einflufs auf die Beurteilung von Tiefen\u00e4nderungen alle Erfahrungsmotive sind, m\u00f6gen sie auch in h\u00f6chst indirekter Beziehung zur Tiefenanschauung stehen und zun\u00e4chst gar nicht den Anschein von Fehlerquellen erwecken.\nIch habe schon erw\u00e4hnt, wie m\u00e4chtig wir von der Gr\u00f6fsen-\u00e4nderung des Netzhautbildes in unserem Urteil beeinflufst \u25a0werden (weshalb mir die Anwendung von F\u00e4den unbrauchbar erschien). Der folgende Versuch zeigt dies besonders schlagend. Ich habe bei parallel gestellten Schienen (m und m\u2018) des beschriebenen Apparates einen Rahmen mit Karton quer \u00fcber die Schienen so gestellt, dafs er von beiden Schlitten getragen und durch die Symmetrieebene des Apparates halbiert wurde. Der Karton verdeckte somit die Aussicht auf die Milchglas^ tafel. In der Mittellinie des Kartons war in Augenh\u00f6he ein A\u00fciiERTsches Diaphragma angebracht. Bei einer gewissen \u00d6ffnung desselben sieht der Beobachter ein quadratisches weifses Feld, ein St\u00fcck der hinten stehenden Milchglastafel. Er weifs nicht, dafs er es mit einer \u00d6ffnung zu thun hat, die der Untersuchende kleiner und gr\u00f6fser machen kann. L\u00e4fst man nun den Kartonschirm fest stehen und verkleinert bezw. vergr\u00f6fsert das Diaphragma, so erh\u00e4lt der Beobachter den deutlichen Eindruck der Entfernung bezw. Ann\u00e4herung, obwohl die Accommodation (und Konvergenz) sich durchaus nicht \u00e4ndert. Ja, wenn man den Schirm kontinuierlich n\u00e4her r\u00fcckt und zugleich das Diaphragma verkleinert, aber nicht proportional der N\u00e4herung, sondern erheblich st\u00e4rker, so dafs also der","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nFranz Hillebrand.\nGesichtswinkel kleiner und kleiner wird, so entsteht trotz gr\u00f6fserer Anspannung der Accommodation dennoch der Eindruck des Fernerr\u00fcckens. Und umgekehrt kann man es durch \u00fcberproportionale Vergr\u00f6fserung des Diaphragmas leicht dahin bringen, dafs der Eindruck der N\u00e4herung entsteht, trotzdem der Schirm in Wirklichkeit entfernt und also die Accommodation entspannt wird. Man sieht daraus, dafs, selbst wenn die Accommodation f\u00fcr die Wahrnehmung der Tiefen\u00e4nderung von Einflufs sein sollte, sie jedenfalls ein Moment ist, welches durch das empirische Motiv der Bildgr\u00f6fsen\u00e4nderung stets besiegt wird.\nAuf den Einflufs, den unterscheidbare Details durch die Ver\u00e4nderung ihrer scheinbaren H\u00f6henlage auf unser Urteil aus\u00fcben, wurde ebenfalls bereits hingewiesen; desgleichen auf die parallaktischen Verschiebungen bei lateralen Bewegungen des Kopfes.\nAber noch viel ferner liegende Momente wurden in unseren Versuchen gelegentlich als Anhaltspunkte verwendet:\nDer Schlitten, in welchen der Schirm samt Karton eingef\u00fcgt ist, macht bei seiner Verschiebung auf der Holztafel ein Ger\u00e4usch, das nat\u00fcrlich an St\u00e4rke zu- bezw. abnimmt, je nachdem er gen\u00e4hert oder entfernt wird. Dieses Ger\u00e4usch wurde nun zum Anhaltspunkt f\u00fcr das Urteil \u00fcber Ann\u00e4herung oder Entfernung, so dafs ich anfangs manchmal Versuchsreihen erhielt, in denen nahezu gar kein Fehler vorkam. Bei verstopften Ohren fielen die Resultate ganz anders aus. Ich habe folgenden Gegenversuch gemacht: Der Schirm, dessen Kante fixiert werden sollte, blieb ruhig stehen; der Schlitten des anderen, gar nicht im Gesichtsfelde gelegenen Schirmes wurde aber verschoben, nur um die bekannten Ger\u00e4usche zu erzeugen ; in der That fiel das Urteil entsprechend dem st\u00e4rker oder schw\u00e4cher werdenden Ger\u00e4usch aus. Aus diesem Grunde habe ich bei den mitgeteilten Versuchen entweder die Ohren des Beobachters verschlossen, oder aber vermittels des zweiten Schlittens fortw\u00e4hrende Ger\u00e4usche erzeugt, die schliefslich den Beobachter veranlassen, sich doch nicht mehr an dieses Kriterium zu halten.\nWie sehr das Urteil in den beschriebenen Versuchen von ganz accessorischen Momenten abh\u00e4ngig ist, daf\u00fcr mag ein Zwischenfall Zeugnis geben, den ich nicht unerw\u00e4hnt lassen will.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur TiefenloJcalisation. 123\nHerr stud. med. Stransky sollte in einem Versuche der vorerw\u00e4hnten Reihe angeben, in welcher Richtung die Bewegung der Kante erfolge. Ich r\u00fcckte dieselbe allm\u00e4hlich in die Ferne, und als ich sie bereits \u00fcber einen halben Meter hinausger\u00fcckt hatte, fragte ich den Beobachter, ob er noch im st\u00e4nde sei, f\u00fcr das Objekt zu accommodieren, worauf ich die Antwort erhielt, es sei \u201ewohl noch m\u00f6glich, aber mit Schwierigkeiten verbunden.\u201c W\u00e4hrend der weiteren Entfernung der Kante wiederholte ich die Frage mehrmals; als die Kante eine Entfernung von 700 mm erreicht hatte, meinte der Beobachter, es sei bereits sehr schwierig, mit der Accommodation zu folgen, er habe das deutliche Gef\u00fchl starker Anstrengung. Auf die Frage, f\u00fcr wie grofs er die Entfernung beil\u00e4ufig halte, bekam ich die Antwort: \u201eh\u00f6chstens 8\u201410 cm\u201c. Nat\u00fcrlich war das Erstaunen des Beobachters nicht gering, als ich ihn dann hinter den deckenden Schirm f\u00fchrte und ihn die wirkliche Anordnung sehen liefs.\nOffenbar war Herr Stransky durch meine Fragen irregef\u00fchrt worden. \u201eOb er noch gut accommodieren k\u00f6nne,\u201c diese Frage konnte f\u00fcr ihn, den Emmetropen, doch nur eine vern\u00fcnftige Veranlassung darin haben, dafs man ihm eine immer st\u00e4rkere Anspannung der Accommodation zumutete; und dieser Umstand war hinreichend, in ihm die \u00dcberzeugung zu erwecken, dafs das fixierte Objekt in fortw\u00e4hrender N\u00e4herung begriffen sei. Es ist jedenfalls interessant, dafs hier ein Moment ausschlaggebend wird, welches mit der sinnlichen Empfindung gar nichts zu thun hat. Beim Binokularsehen w\u00fcrde man eine derartige Verf\u00fchrung zum Irrtum umsonst versuchen. Aber noch ein Moment scheint mir hier beachtenswert. Wenn Herr Stransky angiebt, er habe .das \u201eGref\u00fchl der Anstrengung\u201c, w\u00e4hrend er thats\u00e4chlich die Accommodation immer mehr entspannt, so braucht man, glaube ich, nicht gleich daran zu denken, dafs er sich ein solches Gef\u00fchl blofs eingebildet habe. Das l\u00e4ngere Festhalten der Blickrichtung ist in der That erm\u00fcdend, selbst wenn das Objekt sich nicht n\u00e4hert, sondern stehen bleibt oder sich langsam entfernt. Dazu kommt nat\u00fcrlich noch die psychische Erm\u00fcdung, die ja notwendig eintritt, wenn man einem gewissen Ziele (hier dem fortw\u00e4hrenden Scharfsehen) die gespannteste Aufmerksamkeit zuwendet. Nur mag der vorerw\u00e4hnte Fall zeigen, dafs diese \u201eAnstrengungsgef\u00fchle\u201c","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nFranz H\u00fclebrand.\nwenig vertrauenerweckende Anhaltspunkte f\u00fcr die Tiefenlokalisation sind.\nDie F\u00e4lle von T\u00e4uschung durch Ger\u00e4usche oder durch irref\u00fchrende Fragen erw\u00e4hne ich wegen ihrer symptomatischen Bedeutung. Ein anschauliches Empfindungsdatum (wie etwa die Tiefenlage auf Grund von Disparationen der Netzhautstellen) w\u00fcrde sich durch derartige Faktoren nicht \u00fcberwinden lassen. Ja selbst \u25a0wenn sich Baumempfindungen blofs asso-ciativ an Muskelgef\u00fchle anschl\u00f6ssen, m\u00fcfsten wir eine solche Association schon wegen ihrer enormen H\u00e4ufigkeit (sie w\u00fcrde ja a\u00fcftreten, so oft wir im Leben die Accommodation wechseln) notwendig f\u00fcr so fest halten, dafs an eine \u00dcberwindung durch eine unpassende Frage, ein st\u00f6rendes Ger\u00e4usch u. dergl. gar nicht zu denken w\u00e4re.\n\u00a7 16. Zu den bisher beschriebenen Versuchen mufs eine Seihe anderer erg\u00e4nzend hinzutreten, wenn zur Entscheidung unserer Frage das gen\u00fcgende Thatsachenmaterial vorhanden sein soll. Was leistet die Accommodation f\u00fcr die Tiefen-wahmehmung, wenn der zu fixierende Gegenstand seine Entfernung so rasch \u00e4ndert, dafs wir nicht im st\u00e4nde sind, mit der optischen Anpassung zu folgen? Der Fall ist gegeben, wenn wir das Objekt rascher verschieben, als die \u00c4nderung der Accommodation erfolgt, aber nat\u00fcrlich auch dann, wenn wir zwei Objekte in verschiedener Entfernung benutzen und das zweite in dem Augenblick erscheinen lassen, in welchem das erste verschwindet. Man k\u00f6nnte denselben Zweck damit zu erreichen meinen, dafs man den Beobachtenden gleichzeitig zwei ; verschieden entfernte Objekte (etwa die zwei Kanten in unserem Apparate) sehen und ihn die relative Entfernung wenigstens der Bichtung nach beurteilen l\u00e4fst. Indessen w\u00e4re diese Anordnung des Versuches nicht fehlerfrei. Abgesehen n\u00e4mlich davon, dafs hier ein mehrmaliges \u00dcbergehen der Accommodation vom einen zum anderen Objekt erm\u00f6glicht w\u00e4re, was aus sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Gr\u00fcnden besser ausgeschlossen bleibt, kann noch das folgende Moment einen Anhaltspunkt f\u00fcr die Lokalisation geben :\nWenn das Auge f\u00fcr einen , bestimmten Punkt eingestellt ist, so erscheinen n\u00e4here oder fernere Punkte (wenn sie nicht innerhalb der Accommodationslinie liegen) in Zerstreuungskreisen, die nat\u00fcrlich gr\u00f6fser werden, je gr\u00f6fser die Entfernung, vom","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation w. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 125\nfixierten Punkt ist. Bekanntlich wachsen aber die Zertreuungs-kreise diesseits und jenseits des fixierten Punktes mit dem Abstande von demselben nicht gleich rasch, sondern diesseits rascher als jenseits, was \u2014 abgesehen von der entsprechenden \u00c4nderung der Pupillenweite \u2014 aus einfachen dioptrischen \u00dcberlegungen hervorgeht und sich durch Czerm\u00e4ks bekannten Versuch gut demonstrieren l\u00e4fst. Diese verschiedene Gr\u00f6fse der Zertreuungskreise kann m\u00f6glicherweise f\u00fcr die Beurteilung der Entfernung bestimmend werden. Es ist dazu vielleicht nicht n\u00f6tig, dafs die Versuchsperson von dieser optischen That-sache Kenntnis habe und beim Versuche physikalische \u00dcberlegungen anstelle (was durch geeignete Wahl der Beobachter leicht auszuschliefse\u00fc w\u00e4re); vielmehr k\u00f6nnte vielleicht die reiche Erfahrung, die jeder Sehende \u00fcber dieses Verhalten hat, gen\u00fcgen, eine rein gew\u00f6hnheitsm\u00e4fsige Association von N\u00e4henoder EemVorstellungen mechanisch herbeizuf\u00fchren. Zu diesem nicht sehr ins Gewicht fallenden, aber der Sicherheit wegen dennoch zu vermeidenden Versuchsfehler kommt noch die Gefahr eines weiteren. Bei gleichzeitigem Erscheinen beider Objekte werden \u2019 die parallaktischen Verschiebungen bei eventuell unruhiger Haltung des Kopfes sehr eindringlich und verhelfen sofort zu einer richtigen Beurteilung der relativen Lage. So verursacht, gleichviel ob das n\u00e4here oder fernere Objekt fixiert wird, die geringste Rechtsdrehung des Kopfes eine scheinbare Verschiebung des ferneren Objektes nach rechts. Aus dieser Scheinbewegung wird sofort erkannt, dafs dasselbe ferner liegt als das andere. Aus diesen Gr\u00fcnden geb\u00fchrt der Vorzug denjenigen Versuchen, in welchen nicht beide Objecte gleichzeitig sichtbar sind, sondern das erste Objekt verschwindet, sobald das zweite auftritt.\n\u00a7 17. F\u00fcr die folgenden Versuche ist die Anordnung wieder die S. 111 beschriebene. Die beiden Schienen werden .durch den Bogen /\" verkoppelt und so gestellt, dafs die scharfe Kante des einen Kartonschirmes in der Symmetrieebene des Apparates liegt, in welchem Falle die andere Kante aufserhalb des Gesichtsfeldes liegt. Der Beobachter blickt durch den Tubus und giebt an, wann er die eine Kante vollkommen scharf sieht. Hierauf wird das verkoppelte Schienensystem m\u00f6glichst rasch so verschoben, dafs nunmehr die zweite Kante unmittelbar nach dem Verschwinden der ersten in die Symmetrieebene","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nFranz Hill\u00e9brand.\nr\u00fcckt. Der Beobachter hat anzugeben, ob ihm die zweite Kante n\u00e4her, gleich weit oder ferner erscheint, bezw. ob er kein bestimmtes Urteil abzngeben im st\u00e4nde ist. Die Entfernungen der Schirme vom Beobachter, sowie dessen Aussage werden notiert. Selbstverst\u00e4ndlich mufs jede l\u00e4ngere Versuchsreihe durch mehrfache Pausen unterbrochen werden, da sehr leicht Erm\u00fcdung der Augen und allgemeine psychische Erm\u00fcdung eintritt.\nIm Folgenden werde ich f\u00fcr die einzelnen Beobachter nicht die ganzen Versuchsserien mitteilen,' sondern nur die kleinsten Entfernungsintervalle angeben, welche mit Sicherheit oder wenigstens mit verschwindender Pehlerzahl erkannt worden sind. In Parenthese f\u00fcge ich den, den einzelnen Entfernungen entsprechenden Accommodationszustand, in Dioptrien (D.) ausgedr\u00fcckt, bei, bezw. die den einzelnen Intervallen entsprechenden Dioptriendifferenzen.\n(Um die \u00dcbersicht \u00fcber das Ausmafs der bei den folgenden Versuchen erforderten Accommodationen zu erleichtern, habe ich, wie man sehen wird, ausschliefslich Entfernungen in Anwendung gebracht, denen immer ein Vielfaches einer halben Dioptrie entspricht.)\nI. Herr Dr. H. E. Hering (linkes Auge, Myopie von 1,5 D., normale Sehsch\u00e4rfe). Grenzen der Untersuchung waren 200 mm und 660 mm. Beim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Perne wird mit Sicherheit nur das Intervall 200\u2014400 (5 D \u2014 2,5 D.) (Dioptriendifferenz 2,5) erkannt. Erhielt die n\u00e4here Kante eine gr\u00f6fsere Entfernung als 200 mm, so war innerhalb der Accommodationsbreite dieses Beobachters kein Intervall mehr zu finden, das derselbe mit Sicherheit erkannt h\u00e4tte. Bei 250 mm Entfernung der n\u00e4heren Kante (also entsprechend 4 D.) h\u00e4tte die entferntere Kante offenbar einen Abstand von \u00fcber 660 mm haben, d. h. sie h\u00e4tte jenseits des Pernpunktes dieses Beobachters liegen m\u00fcssen. Innerhalb der Accommodationsbreite war also nur das Intervall 200\u2014400 als sicher erkennbares aufzufinden.\nAnders liegt die Sache beim \u00dcbergang von der Ferne zur N\u00e4he. Hier wird fast ohne Fehler erkannt:\n660\u2014330 (1,5 D. \u2014 3 D. ; Diff. 1,5),\n500\u2014290 (2 D. \u2014 3,5 D. ; Diff. 1,5),\n290\u2014200 (3,5 D. \u2014 5 D. ; Diff. 1,5).","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 127\nF\u00fcr diesen Beobachter ist also die Unterscheidung bei der Ann\u00e4herung innerhalb engerer Grenzen m\u00f6glich, als bei der Entfernung.\nII.\tHerr Springer (Emmetrop, normale Sehsch\u00e4rfe). Versuchsintervall 250 mm \u2014 1000 mm. Beim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Ferne werden fast ohne Fehler erkannt die Intervalle 250\u2014500 (4 D. \u2014 2 D. ; Diff. 2),\n290\u2014660 (3,5 D. \u2014 1,5 D. ; Diff. 2).\nSteht die n\u00e4here Kante weiter als 290 mm, so l\u00e4fst sich innerhalb der durch den Apparat gegebenen Grenzen kein sicher erkennbares Intervall mehr ausfindig machen.\nBeim \u00dcbergang von der Ferne zur N\u00e4he wird fast ohne Fehler erkannt das Intervall\n660\u2014290 (1,5 D. \u2014 3,5 D. ; Diff. 2).\nBei dem Intervall\n500\u2014250 (2 D. \u2014 4 D. ; Diff. 2) \u00fcberwiegen bereits die falschen Angaben.\nKleinere als die angef\u00fchrten Intervalle werden sowohl bei Ann\u00e4herung als bei Entfernung nicht erkannt; doch \u00fcberwiegen die Fehler entschieden im Falle der Ann\u00e4herung.\nBei diesem Beobachter stellt sich also das zur Unterscheidung erforderliche Intervall geringer heraus f\u00fcr die Entfernung als f\u00fcr die Ann\u00e4herung.\nIII.\tHerr J. Stransky (Emmetrop, normale Sehsch\u00e4rfe). Versuchsintervall 200 m \u2014 1000 mm.\nBeim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Ferne wurden selbst beim gr\u00f6fsten Intervall (200\u20141000) noch nahezu ebensoviel falsche wie richtige Angaben gemacht. Beim \u00dcbergang von der Ferne zur N\u00e4he wurden noch ziemlich sicher erkannt die Intervalle :\t\u2019\n500\u2014290 (2 D. \u2014 3,5 D. ; Diff. 1,5),\n330\u2014250 (3D.-4D.; Diff. 1),\n290\u2014200 (3,5 D. \u2014 5 D. ; Diff. 1,5).\nBei diesem Beobachter ist also die Unterscheidung f\u00fcr Ann\u00e4herung innerhalb viel engerer Grenzen m\u00f6glich als f\u00fcr Entfernung, bezw. es besteht im letzteren Falle vielleicht \u00fcberhaupt kein Intervall, in welchem die Richtung der Entfernungs\u00e4nderung mit Sicherheit erkannt w\u00fcrde.\nIV.\tHerr Dr. Weiss, Assistent an der 2. deutschen internen in Prag. Myopie des linken (zur Beobachtung ver-","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nFranz H\u00fclebrand.\n\u25a0Wendeten) Auges von 21/i Dioptrien ; Sehsch\u00e4rfe normal. Seit dem dritten oder vierten Lebensjahre besteht im rechten Auge eine Hornhautmakel. Her Beobachter vermag mit diesem Auge Finger in ca. 1 m Entfernung zu z\u00e4hlen. Da er mit diesem Auge nat\u00fcrlich unter keinen Umst\u00e4nden scharf sieht, so ist er des Mittels der Hetzhautdisparationen nie teilhaftig; f\u00fcr die Tiefeulokalisation verh\u00e4lt er sich also wie ein Ein\u00e4ugiger. Den Hi\u00e4RiNGschen Fallversuch hat er zum letzten Male im Vorjahre ausgef\u00fchrt ; dabei hielten sich richtige und unrichtige Angaben das Gleichgewicht, mit anderen Worten: es fehlt ihm die F\u00e4higkeit, auf Grund der Disparationen oder Doppelbilder nach der Tiefe zu lokalisieren.\nHerr Dr. Weiss war fr\u00fcher an der Deutschen Augenklinik th\u00e4tig. Auf meine Anfrage teilt er mir mit, dafs er beim Ophthalmoskopieren schon geringgradige Hypermetropien diagnosticieren k\u00f6nne, ohne Konvexlinsen vorzusetzen, sondern blofs mit H\u00fclfe willk\u00fcrlicher Accommodati\u00f6nsanspannung. Desgleichen gelingt es ihm nach seiner Angabe leicht, ohne Fixationspunkt die Accommodation zu entspannen oder zu verst\u00e4rken.\nDie Untersuchung dieses Beobachters ist f\u00fcr unsere Zwecke von h\u00f6herem Interesse. Da derselbe keinen binokularen Sehakt hat, der ihm zur binokularen Tiefenwahrnehmnng brauchbare Disparationen (bezw. Doppelbilder) liefert und damit die M\u00f6glichkeit binokularer Stereoskopie bietet, ist er im t\u00e4glichen Leben darauf angewiesen, andere Lokalisationsmittel in Anwendung zu bringen und seine Aufmerksamkeit in h\u00f6herem Grade auf diese zu richten, als dies Individuen mit integrem binokularem Sehakt n\u00f6tig haben. Nat\u00fcrlich werden dabei die sogenannten empirischen Lokalisationsmotive die Hauptrolle spielen; der Beobachter wird auf Perspektive, Schatten Verteilung, partielle Deckung u. dergl. m. genauer zu achten und diese Mittel daher ausgiebiger zu verwerten haben. Wo aber diese fehlen oder nicht hinreichen, dort kann man voraussetzen, dafs er auch die Accommodation zu Kate zieht. Jedenfalls wird er sich dieses Mittels h\u00e4ufiger bedienen als wir, die wir an den Disparationen und Doppelbildern viel feinere Reagentien auf Tiefenunterschiede besitzen. In der That zeigen die sogleich mitzuteilenden Werte, dafs dieser Beobachter das Moment der Accommodations\u00e4nderung viel besser ausn\u00fctzt als die andern.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur TiefenloTcalisation. 129\nDas Intervall der Beobachtungen lag zwischen 200 mm und 500 mm.\nBeim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Ferne konnte der Beobachter noch folgende Intervalle richtig beurteilen:\n200\u2014250 (5 D. \u2014 4 D. ; Diff. 1),\n220\u2014290 (4,5 D. \u2014 8,5 D.; Diff. 1),\n250-330 (4 D. \u2014 3 D. ; Diff. 1),\n290\u2014400 (3,5 D. \u2014 2,5 D. ; Diff. 1).\nBei kleineren Intervallen als den angef\u00fchrten beginnen bereits die Fehlangaben. So kommen bei\n250\u2014290 (4 D. \u2014 3,5 D. ; Diff. 0,5) auf 4 richtige F\u00e4lle schon 2 falsche; bei\n290\u2014330 (3,5 D. \u2014 3D.; Diff. 0,5) auf 7 richtige Angaben 3 falsche.\nBeim \u00dcbergang von der Ferne zur N\u00e4he m\u00fcssen im allgemeinen gr\u00f6fsere Intervalle in Anwendung gebracht werden, wenn die Richtung der Entfernungs\u00e4nderung erkannt werden soll. Beim ersten, zweiten und dritten der obigen Intervalle werden, wenn die entferntere Kante zuerst ins Gesichtsfeld tritt, ganz \u00fcberwiegend falsche Angaben gemacht. Hingegen werden richtig erkannt die Intervalle\n400\u2014290 (2,5 D. \u2014 3,5 D. ; Diff. 1),\n290\u2014200 (3,5 D. \u2014 5 D. ; Diff. 1,5).\nBei diesem Beobachter ist also das zur Unterscheidung n\u00f6tige Intervall f\u00fcr die Ann\u00e4herung gr\u00f6fser als f\u00fcr die Entfernung.\nY. Hillebrand. (Myopie von 1,5 D. ; normale Sehsch\u00e4rfe.) Versuchsintervall 660 mm bis 200 mm.\nNach einer ausgiebigen \u00dcbung (14 Tage mit t\u00e4glich mindestens 1 Va st\u00fcndiger Beobachtung) habe ich es dahin gebracht, Intervalle, denen eine Differenz von 1 Dioptrie entspricht, durchweg richtig zu beurteilen, und zwar sowohl beim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Ferne, wie auch umgekehrt. Ich beurteile die Richtung der Entfernungs\u00e4nderung fehlerfrei bei der Intervallreihe\n200 \u2014 250 \u2014 330 \u2014 500 \u2014 660,1\n1 Das letzte Intervall (500\u2014660) entspricht nur einer Differenz von einer halben Dioptrie. Dafs es dennoch sicher erkannt wurde, beruht Wohl darauf, dafs in 660 mm Distanz mein Fernpunkt liegt. Das Objekt befindet sich-somit hart an der Grenze des deutlichen Sehens.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":",130\t.\t... .\tFranz Hillebrand. ..\n\u25a0sowohl in dieser Anordnung, als auch in der umgekehrten; kleinere Differenzen vermag ich nicht mehr fehlerfrei zu ; beurteilen.;. , \u00bb,\t.\nBei mir l\u00e4fst sich eine Verschiedenheit der Unterscheidungsgrenze, je nachdem es sich um Ann\u00e4herung oder Entfernung handelt, nicht konstatieren.\n\u00a7 18. Noch ist der wichtigste Teil der vorliegenden Arbeit zu erledigen:, die Deutung der beschriebenen Versuche, Sie ist \u00fcbrigens durch die eingangs gepflogenen theoretischen Er\u00f6rterungen wesentlich vorbereitet.\nZun\u00e4chst ergeben die Versuche, in welchen der Beobachter das Objekt w\u00e4hrend seiner Bewegung fixiert und ihm mit der Accommodation folgt,1 dafs eine (centripetale) Muskelempfindung entweder \u00fcberhaupt nicht existiert oder mindestens, wenn sie wirklich existierte, \u00fcber die Tiefenlage des fixierten, Objektes keinen Aufschlufs giebt. Noch einmal will ich betonen, dafs es sich nicht darum handelt, ob richtig d. h. mit der Wirklichkeit \u00fcbereinstimmend lokalisiert wird, sondern nur darum, \u25a0 ob ein gewisser Accommodationszustand eine bestimmte Tiefen-\u00dfmpfindung, und ob die kontinuierliche \u00c4nderung der Accommodation eine \u00c4nderung der Tiefenempfindung veranlafst. ,\nDieses letztere ist nun bei den eben erw\u00e4hnten Versuchen ganz sicher nicht der Fall, sofern nur der Beobachter best\u00e4ndig richtig accommodiert und :\u2014 was wir ja stets voraussetzen m\u00fcssen \u2014 s\u00e4mtliche erfahrungsm\u00e4fsigen Motive der Tiefen-lokalisation vollst\u00e4ndig ausgeschlossen sind. Selbstverst\u00e4ndlich sind die extremsten Grade der Accommodation (und damit zugleich der Konvergenz) ausgeschlossen, jene Grade, bei \u25a0^eichen schon irn \u00e4ufseren Bewegungsapparat Zerrungen Vorkommen, welche als l\u00e4stig: empfunden werden.\nWie schon erw\u00e4hnt, erledigt sich damit zugleich die Frage, ob uns von seiten der interni und externi tiefenbestimmende Muskelempfindungen zukommen, im negativen Sinne.\n1 Diese Bedingung ist sehr wesentlich. Wenn man der bewegten Kante nicht einfach mit der Accommodation folgt, sondern w\u00e4hrend der Bewegung probeweise die Accommodation willk\u00fcrlich entspannt oder anspannt und darauf achtet, was f\u00fcr Wirkungen damit auf. die Sch\u00e4rfe des Bildes, ausge\u00fcbt werden, dann l\u00e4fst sich die Bewegungsrichtung leicht ermitteln. Es treten, dann die Bedingungen der zweiten Versuchsklasse ein, deren B.esultate wir unten genauer diskutieren werden.\t,.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation, 131\n:\tWenn nun unter diesen Umst\u00e4nden die Bewegung eines\nObjektes nach der Tiefe nie gesehen und meistens auch nicht erkannt werden kann, so fragt sich doch, wie es denn in der zweiten Klasse unserer Versuche m\u00f6glich war, hinreichend grofse Tiefenunterschiede dennoch mit Sicherheit oder wenigstens mit verschwindend geringer Fehlerzahl zu erkennen.\nWie erinnerlich, wurde bei diesen Versuchen das zuerst fixierte Objekt rasch durch ein zweites von anderer Entfernung ersetzt und so die M\u00f6glichkeit eines kontinuierlichen Folgens der Accommodation ausgeschlossen: das zweite Fixationsobjekt mufste zun\u00e4chst in Zerstreuungskreisen erscheinen und konnte sich erst nachtr\u00e4glich s\u00e8harf abbilden. F\u00fcr jeden Beobachter hat sich nun ein Entfernungsintervall finden lassen, bei welchem er die Richtung des Tiefenunterschiedes mit Sicherheit erkennt.\nIn welchem Umstande mufs nun die Ursache gesucht werden, warum bei diesem abrupten Wechsel Tiefenunterschiede erkannt werden, w\u00e4hrend sie bei passend kontinuierlichem Wechsel verborgen bleiben?\nSoviel steht fest, dafs die Zerstreuungskreise, in denen das zweite Objekt erscheint, keinen Hinweis darauf geben, ob dasselbe n\u00e4her oder ferner liegt,1 und daher auch nicht bestimmen k\u00f6nnen, in welcher Richtung der Accommodations-apparat in Th\u00e4tigkeit gesetzt, ob er angespannt oder entspannt werden soll. Der Vorgang wird vielmehr folgender sein: Das zweite Objekt tritt auf und wird unscharf gesehen; in dem Bestreben des Deutlichsehens beginnt der Beobachter seine Accommodation nach einer der beiden m\u00f6glichen Richtungen (also z. B. f\u00fcr die N\u00e4he) zu \u00e4ndern; war die Richtung dieser \u00c4nderung die passende, so werden die Zerstreuungskreise kleiner und verschwinden endlich ganz, der Gegenstand wird scharf gesehen; war sie aber unpassend (spannt er z. B. die\n1 Unter Umst\u00e4nden kann der in solchen Versuchen Ge\u00fcbte wohl aus der besonderen Beschaffenheit der Zerstreuungskreise, wie z. B. aus etwaigen Polyopien, aus der durch die chromatische Abweichung entstehenden F\u00e4rbung u. dergl. einen Schlufs auf die Tiefenlage machen. Das sind aber Mittel, die nur in Ausnahmef\u00e4llen und besonders hei solchen wirksam werden, welche die Verschiedenheit der Zerstreuungsbilder, je nachdem sie Objekten diesseits oder jenseits des fixierten Punktes angeh\u00f6ren, zuf\u00e4llig beachtet oder absichtlich ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt haben.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nFrans Hillebrand.\nAccommodation an, w\u00e4hrend das Objekt ferner liegt), dann wird das Bild nur noch undeutlicher, und der Beobachter merkt alsbald, dafs er den verkehrten Weg gegangen war und umlenken m\u00fcsse; er giebt also die entgegengesetzte Innervation und gelangt so zum gew\u00fcnschten Ziele. (Dafs der Vorgang sich in dieser Weise abspielen m\u00fcsse, ist schon von vornherein sehr plausibel; ich werde indessen diese Auslegung sp\u00e4ter noch durch zeitmessende Versuche zu erh\u00e4rten trachten.)\nNun weifs man aber bei willk\u00fcrlich intendierter Accommo-datioms\u00e4nderung, in welchem Sinne man die \u00c4nderung vorgenommen hat. (Im gew\u00f6hnlichen Falle d\u00fcrfte diese Kenntnis schon dadurch gegeben sein, dafs die Accommodations\u00e4nderung unter der Leitung einer in der Phantasie auftretenden N\u00e4hen-bezw. Fernvorstellung erfolgt. Siehe unten S. 133. Nur bei besonderer, planm\u00e4fsiger \u00dcbung kann eine derartige Leitung vielleicht erspart werden.) Ob ferner die \u00c4nderung eine passende war oder nicht, dies erkennt man aus dem Gr\u00f6fser- resp. Kleinerwerden der Zerstreuungskreise; und diese zwei Daten reichen hin, um zu erkennen, ob man es mit einem n\u00e4her- oder fernergelegenen Objekte zu thun hat. Die Kichtung des Tiefenunterschiedes wird also hier durch eine Art Ausprobierens erkannt.1\n\u00c4hnlich wird auch der Vorgang zu denken sein in den wenigen F\u00e4llen, in welchen bei bewegtem Objekt und stets folgender Accommodation (erste Versuchsklasse) die Sichtung der Verschiebung mit Sicherheit erkannt wird. Wenn der Beobachter in einzelnen F\u00e4llen einen bewufsten Impuls z. B.\n1 Aus dieser Deutung des Vorganges wird auch Har, warum Tiefenunterschiede leichter erkannt werden, wenn die beiden Objekte sich nicht in ihrem Auftreten abl\u00f6sen, sondern durch einige Zeit simultan im Gesichtsfelde vorhanden sind. In diesem Falle n\u00e4mlich wird es dem Beobachter m\u00f6glich, jenes Ausprobieren mehrmals zu wiederholen und sich so gr\u00f6fsere Sicherheit zu verschaffen. Bei blofs einmaligem Wechsel der Accommodation gen\u00fcgt z. B. ein Mangel an Aufmerksamkeit, um die Beobachtung resultatlos zu machen, w\u00e4hrend man im anderen Falle durch Wiederholung des Vorganges den Fehler wieder gut machen kann. Ebenso kann man Fehler, die durch unpassende Umkehr der Accommodation (siehedar \u00fcber unten S.135f.) oder durch un willk\u00fcrliche Accommodations-\u00e4nderungen (vergl. S. 134 f.) entstehen, durch \u00f6ftere Wiederholung des Versuches korrigieren. \u2014 Dafs \u00fcbrigens das gleichzeitige Vorhandensein beider Objekte einen Versuchsfehler konstituiert, ist bereits oben (S. 124 f.) ausgef\u00fchrt worden.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation, 133\nim Sinne der Anspannung giebt und dabei sieht, ob er das Deutlichsehen damit f\u00f6rdert oder sch\u00e4digt, dann mag er die Richtung der Bewegung sicher erkennen. Wenn er dies nicht thut, so entstehen beim ersten Moment des Undeutlichwerdens (d. h. sobald der Gegenstand die Accommodationslinie \u00fcberschritten hat) unwillk\u00fcrliche Schwankungen in der Accommodation, die passende Phase dieser Schwankung erh\u00e4lt sich, weil sie dem Scharfsehen und damit unserer Absicht dient, und setzt sich automatisch fort \u2022\u2014 auf diese Weise aber wird die Richtung nicht erkannt.\nWas die Willk\u00fcrlichkeit der Aceommodations\u00e4nderung anlangt, so unterscheidet sich der beschriebene Vorgang wesentlich von dem Falle, in welchem man ein Objekt scharf zu sehen trachtet, von dem man weifs, ob es n\u00e4her oder ferner liegt als das zuvor fixierte. Denn diesfalls ist ein willk\u00fcrlicher Akt nur in dem Sinne gegeben, dafs der Gegenstand des Wollens das Deutlichsehen ist und mit diesem Willensakt bei Kenntnis der Tiefenlage die passende Accommodations-innervation mechanisch verbunden und nicht selbst Gegenstand des Willens ist. Man will nicht accommodieren; man will deutlich sehen, \u00fc\u00fcd die Anspannung, bezw. Entspannung tritt ungewollt ein, sobald man von der Tiefenlage des Objektes Kenntnis hat. Anders im vorigen Falle, wo kein Hinweis gegeben ist, ob das zu fixierende Objekt n\u00e4her oder ferner liegt. Wenn hier \u00fcberhaupt ein willk\u00fcrlicher Akt vorliegt, dann kann dies nur in dem Sinne gedacht werden, dafs zwar das letzte Ziel ebenfalls das Deutlichsehen des Verschwommenen ist, dafs hingegen eine \u00c4nderung des Accommo-dationszustandes hiermit nicht ungewollt und sozusagen mechanisch verbunden ist, sondern als ein intendierter Akt gesetzt wird,1 wie man ein Mittel w\u00e4hlt, um eines Zweckes willen, wenn dieses Mittel auch \u2014 wie es in unserem Falle geschehen kann \u2014 sich nachtr\u00e4glich als ein verfehltes erweist.\n1 'Wahrscheinlicher ist es mir allerdings, dafs auch hier wenigstens eine Raumvorstellung in der Phantasie vorausgeht und die Accommodation (sowie Konvergenz) unter der Direktive dieser Phantasievorstellung ge\u00e4ndert wird. So d\u00fcrfte ja auch der Vorgang sein, wenn man im absolut dunklen Raum Konvergenz und Accommodation in willk\u00fcrlicher Weise \u00e4ndert. Es scheint, dafs auch hier eine N\u00e4hen- oder Fernvorstellung in der Phantasie vorausgeht. In dieser Weise d\u00fcrfte also der Vorgang der \u201ewillk\u00fcrlich intendierten Accommodation\u201c zu fassen sein.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"Franz Hillebrand.\n134\nc Die hier in Frage kommende zweite Klasse von Versuchen, in welchen der \"Wechsel der Entfernungen so rasch vor sich geht, dafs die Accommodation nicht zu folgen vermag, liefsen sich f\u00fcr sich genommen allerdings aus einem, \u00fcbrigens sehr unvollkommen entwickelten, Muskelsinne erkl\u00e4ren ; es w\u00e4re denkbar, dafs wir von der Accommodations\u00e4nderung (bei gen\u00fcgendem Ausmafse derselben) auf centripetalem Wege Kenntnis h\u00e4tten, wobei wir freilich annehmen m\u00fcfsten, dafs uns erst sehr bedeutende Muskelaktionen zumBewufstsein k\u00e4men, entsprechend den grofsen Distanzunterschieden, die zwischen den beiden Objekten notwendig waren, um die Richtung des Unterschiedes sicher zu erkennen.\t'\n\u2022i Diese Annahme ist aber, wie erw\u00e4hnt, durch die erste Klasse vom Versuchen, bei welchen die Accommodation folgen konnte, g\u00e4nzlich ausgeschlossen, w\u00e4hrend die Hypothese, dafs die Entfernungs\u00e4nderung nur auf Grund der willk\u00fcrlich intendierten Accommodations\u00e4nderung erkahnt wird, beiden Versuchsklassen gerecht wird.\n\u00a7 19. Zwei Fragen sind indessen noch zu erledigen : erstens, woher kommen die f\u00e4lschen Angaben, wenn der Entfernungsunterschied eine gewisse, \u201c \u00fcbrigens individuell verschiedene Gr\u00f6fse nicht erreicht? Und dann: woher kommt es, dafs eben bei diesen zu geringen Unterschieden die richtigen und falschen Angaben sich nicht immer ungef\u00e4hr das Gleichgewicht halten, sondern dafs bei manchen Beobachtern die Zahl der'falschen Angaben betr\u00e4chtlich \u00fcberwiegt?\nZun\u00e4chst ist , sicher, dafs nach Entfernung des ersten Fixationsobjektes die f\u00fcr dasselbe n\u00f6tig geweseneAccommodation nicht festgehalten, sondern ganz unwillk\u00fcrlich ge\u00e4ndert wird, und zwar wird sie beim Auftreten des zweiten Objektes sicher nicht immer entspannt, sondern oft auch st\u00e4rker angespannt. Da hier die Accommodations\u00e4nderung keine willk\u00fcrlich intendierte ist und wir uns infolgedessen derselben nicht bewufst werden, erkennen wir die Richtung des Entfernungsunterschiedes nicht, und. zwar auch dann nicht, wenn jene unwillk\u00fcrliche \u00c4nderung der Accommodation zuf\u00e4llig im passenden Sinne verl\u00e4uft und nat\u00fcrlich bei erreichter v\u00f6lliger Sch\u00e4rfe des Bildes Halt macht.\n' Es ist aber leicht einzusehen, dafs das Ausmafs der unwillk\u00fcrlichen Accommodations\u00e4nderung ein beschr\u00e4nktes ist. Darin","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation w. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 135\nscheint mir der Grund zu liegen, warum die Entfernungsdifferenz in unseren Versuchen eine gewisse (und zwar individuell verschiedene) Gr\u00f6fse erreichen mufs, wenn die Angaben durchweg richtig ausfallen sollen. Denn erst dann, wenn die Entfernungsdifferenz jene Gr\u00f6fse \u00fcberschreitet, die noch im Bereiche der unwillk\u00fcrlichen Accommodations\u00e4nderung liegt, ist zur v\u00f6lligen Bildsch\u00e4rfe ein willk\u00fcrlich intendierter I\u00fcnervationsakt erforderlich ; und nur auf Grund eines solchen Aktes sind wir im st\u00e4nde, die Richtung des Entfernungsunterschiedes zu erkennen.\nMan k\u00f6nnte an dieser Auslegung der zweiten Versuchsklasse Anstand nehmen, wenn man sie mit der Deutung der ersten vergleicht. Der folgende Einwand hat einen gewissen Schein f\u00fcr sieh. Man k\u00f6nnte sagen : bei kontinuierlicher Vergleichung des Objektes wurde f\u00fcr jene (weitaus \u00fcberwiegende) Reihe von F\u00e4llen, in denen die Richtung der Verschiebung nicht erkannt wurde, angenommen, dafs die nicht intendierte Accommodations\u00e4nderung, falls sie die passende ist, sich automatisch fortsetze. Bei sprungweisem Wechsel (zweite Versuchskl\u00e4sse) soll \u2014 wie schon fr\u00fcher er\u00f6rtert \u2014 die passende Accommodation bei kleinen Intervallen ebenfalls eine nichtintendierte sein und erst bei gr\u00f6fseren eines bewufsten Impulses bed\u00fcrfen. Warum setzt sich denn aber jene unwillk\u00fcrliche Accommodations\u00e4nderung, wenn sie passend ist, nicht auch hier \u201eautomatisch\u201c fort? Dies \u2014 wird der Gegner sagen \u2014 w\u00e4re doch konsequenterweise anzunehmen. Dann aber w\u00e4re nicht einzusehen, warum f\u00fcr' das Erkennen des Entfernungsunterschiedes ein gr\u00f6fseres Intervall geeigneter sein soll als ein kleineres. Sowohl kleine wie gr\u00f6fse Accommodations\u00e4nderungen w\u00e4ren ja dann \u201enicht intendiert\u201c.\nJene Inkonsequenz, gegen die sich dieser Einwand richtet,1 ist indessen nur eine scheinbare.\nWenn die unwillk\u00fcrliche Accommodations\u00e4nderung dem Sinne nach passend ist, braucht sie es noch nicht entfernt dem Ausmafse nach zu sein, d. h. sie braucht nicht that-s\u00e4chlich das Deutlichsehen zur Folge zu haben. Es ist aber keine unwahrscheinliche Annahme, dafs sie sich nur dann automatisch fortsetzt, wenn das gew\u00fcnschte Ziel (die Deutlichkeit des Bildes) auch vollkommen erreicht wird. Dies ist der Fall bei kontinuierlichem Wechsel, es ist aber nicht der Fall","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nFrans Hill\u00e9brand.\nbei sprungweisem Wechsel, sofern nur der Sprung eine gewisse Gr\u00f6fse \u00fcberschritten hat. Ein kontinuierlicher Wechsel kann sozusagen aus infinitesimalen Spr\u00fcngen bestehend gedacht werden. Eine zuf\u00e4llig passende Schwankungsphase in der Accommodation f\u00fchrt also sofort zur v\u00f6lligen Deutlichkeit, und auf Grund dieses Umstandes wird die entsprechende Innervation automatisch fortgesetzt. Ist aber der Wechsel der Entfernung diskontinuierlich, so wird bei gen\u00fcgender Gr\u00f6fse des Sprunges eine unwillk\u00fcrliche Accommodationsschwankung verm\u00f6ge ihres zu geringen Ausmafses noch nicht zum Deutlichsehen, sondern nur zu einer Verkleinerung der Zerstreuungskreise f\u00fchren. Unter der Annahme nun, dafs die unwillk\u00fcrliche Schwankung nur dann automatisch fortgesetzt wird, wenn sie sowohl dem Sinne als auch dem Ausmafse nach entsprechend ist, wird es erkl\u00e4rlich, dafs bei Spr\u00fcngen, die eine gewisse Gr\u00f6fse \u00fcberschreiten, ein willk\u00fcrlicher und daher bewufster Impuls n\u00f6tig ist, um deutlich zu sehen, und dafs erst in diesem Falle die Richtung der Entfernungs\u00e4nderung erkannt wird. In dieser Weise scheint mir der obige Einwand l\u00f6sbar.\nDafs der eben noch sicher erkennbare Distanzunterschied durchwegs bei der Entfernung ein gr\u00f6fserer sein m\u00fcsse als bei der Ann\u00e4herung, wie dies nach Wundts Angaben der Fall sein soll, habe ich nicht konstatieren k\u00f6nnen ; vielmehr haben die obigen Versuche gezeigt, dafs f\u00fcr gewisse Beobachter (Herr Springer und Herr Dr. Weiss) die eben erkennbare Entfernungsdifferenz f\u00fcr die Entfernung eine kleinere ist, als f\u00fcr die N\u00e4herung. Es ist daher auch die Erkl\u00e4rung Wundts, \u201edafs wir es hier nur mit einem Specialfall des allgemeinen Gesetzes zu thun haben, demzufolge nur die aktive Zusammenziehung gewisser Muskeln von einem an die Bewegung gebundenen Gef\u00fchle begleitet ist, w\u00e4hrend dem Nachlafs der Zusammenziehung, der Erschlaffung niemals ein Muskelgef\u00fchl folgt\u201c1 gegenstandslos, weil die Thatsache nicht besteht, die auf diese Weise erkl\u00e4rt werden soll.2\n1\tA. a. O. pag. 326.\n2\tAuch die andere Behauptung Wundts, \u201edafs innerhalb der Accommodationsweite heim N\u00e4herr\u00fccken des Gegenstandes der Durchmesser desselben auf die Unterscheidungsgrenze ohne Einflufs ist, w\u00e4hrend dieser Einflufs beim Fernerr\u00fccken ebenso merkbar wird wie hei allen Entfernungssch\u00e4tzungen jenseits des Fernpunktes\u201c, scheint mir","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 137\n(Wenn es sich nicht um dieselbe Strecke handelt, die einmal im Sinne der Entfernung, dann in dem der Ann\u00e4herung von der Accommodation durchlaufen wird, sondern wenn von einem bestimmten Ausgangspunkt aus die Gr\u00f6fse des eben erkennbaren Intervalles diesseits und jenseits dieses Punktes bestimmt werden soll, dann ist allerdings (und Wundt hat ganz richtig darauf hingewiesen) die jenseits gelegene Strecke notwendig gr\u00f6fser als die diesseits gelegene. Dies hat seinen Grund einfach darin, dafs bei gegebener Objektgr\u00f6fse der Gesichtswinkel und damit die Bildgr\u00f6fse nicht proportional der Entfernung w\u00e4chst, sondern langsamer als diese. Beim Fernerr\u00fccken mufs also das Objekt eine gr\u00f6fsere Strecke durchlaufen als beim N\u00e4herr\u00fccken, wenn der Gesichtswinkel und damit das Netzhautbild sich in einem Falle um ebensoviel verkleinern soll, als es sich im anderen vergr\u00f6fsert. Also nur in diesem Sinne kann man sagen, dafs f\u00fcr die Entfernung der eben erkennbare Distanzunterschied gr\u00f6fser ist, als f\u00fcr die Ann\u00e4herung, und nicht, wenn es sich um eine und dieselbe Strecke handelt, die einmal im Sinne der N\u00e4herung, das andere Mal im Sinne der Entfernung durchmessen wird.)\n\u00a7 20. Die zweite Frage, welche wir oben stellten, war diese: Woher kommt es, dafs, wenn der Distanzunterschied kleiner ist, als der mit Sicherheit erkennbare, sich h\u00e4ufig die richtigen und falschen Angaben nicht beil\u00e4ufig das Gleich-\nunhaltbar. Mindestens entbehrt sie jedes Beweises. Sie w\u00e4re nur dann richtig, wenn unabh\u00e4ngig von ihr die folgenden zwei Thatsachen festst\u00fcnden, 1. dafs die Unterscheidungsgrenze f\u00fcr die Ann\u00e4herung allgemein eine geringere ist als f\u00fcr die Entfernung, und 2. dafs das Muskelgef\u00fchl hei der Ann\u00e4herung eine Rolle spielt, w\u00e4hrend es bei der Entfernung \u00fcberhaupt fehlt. Die erstere Behauptung ist empirisch nicht erweisbar; die zweite w\u00fcrde erst feststehen, wenn wir bereits w\u00fcfsten, dafs hei der Entfernung die Verkleinerung des Bildes ohne Einflufs ist. Wenn daher Wundt in der Verschiedenheit der Unterscheidungsgrenze f\u00fcr Ann\u00e4herung und Entfernung ein Argument daf\u00fcr sieht, \u201edafs innerhalb der Accommodationsgrenzen das N\u00e4herr\u00fccken der Objekte aus den Accommodationsbewegungen erschlossen wird\u201c, so kann ich hierin nur einen Cirkelbeweis erblicken. (Vgl. dazu oben S. 112 ff.)\nVon vornherein ist es \u00fcbrigens schon h\u00f6chst unwahrscheinlich, dafs die Verkleinerung der Netzhautbilder unser Urteil \u00fcber die Tiefe bestimmen, die gleich rasche Vergr\u00f6fserung aber ohne Einflufs auf die Lokalisation sein soll. Wie man diese Annahme plausibel machen soll, ist nicht abzusehen.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nFranz H\u00fclebrand.\ngewicht halten, sondern dafs bei einem gewissen Sinne der Bewegungsrichtung (z. B. beim \u00dcbergang von der N\u00e4he zur Ferne) die falschen oft stark \u00fcberwiegen ? Nicht durchweg ist dies der Fall, wohl aber ist bei einzelnen Beobachtern unverkennbar die Tendenz vorhanden, bei noch nicht sicher erkennbaren Distanzunterschieden das zweite Objekt best\u00e4ndig f\u00fcr n\u00e4her oder best\u00e4ndig f\u00fcr ferner zu halten als das erste, und daher bei der Entfernung \u00fcberwiegend falsche Angaben zu machen, w\u00e4hrend die Ann\u00e4herung in der gr\u00f6fseren Zahl der F\u00e4lle richtig beurteilt wird. Eine sichere und abschliefsende Antwort auf diese Frage vermag ich nicht zu geben ; es k\u00f6nnen individuelle Eigent\u00fcmlichkeiten und Gewohnheiten das Urteil mit besonderer Leichtigkeit bestimmen, wenn im Sehakt selbst keine zwingende Veranlassung zur Lokalisation liegt. Hingegen scheint mir doch ein Moment von Bedeutung, auf dessen Beachtung ich durch eine gelegentliche Bemerkung eines Beobachters gef\u00fchrt worden bin. Ein Beobachter \u00e4ufserte sich einmal dahin, dafs er beim Auftreten eines neuen Objektes von unbekannter (relativer) Tiefenlage meistens zuerst die Accommodation etwas anspanne. Wenn diese Innervation willk\u00fcrlich und passend ist, dann ist es begreiflich, dafs der Beobachter richtig urteilt. Ist sie aber unpassend, und ist der Distanzunterschied nicht grofs, so ist es mir nicht unwahrscheinlich, dafs dann Accom-modationsver\u00e4nderungen vor sich gehen, auf die nicht selbst die Willensintention gerichtet war, sondern die nur als Folge des Strebens nach Deutlichkeit auftreten. Wenn unsere fr\u00fcher er\u00f6rterte Ansicht richtig ist, dann ist aber nur die intendierte Accommodationsbewegung f\u00fcr das Urteil bestimmend. War also die erste \u00c4nderung der Accommodation die einzige intendierte, so wird das Urteil \u00fcber die Tiefen\u00e4nderung nur durch diese bestimmt. Setzen wir nun den Fall, ein Beobachter habe die Gewohnheit, allemal zuerst die Accommodation anzuspannen, so wird es begreiflich, dafs, wenn das zweite Objekt ferner liegt als das erste, die Angaben \u00fcberwiegend falsch ausfallen und nicht, wie man zun\u00e4chst erwarten k\u00f6nnte, richtige und falsche Angaben sich ungef\u00e4hr das Gleichgewicht halten. Es ist aber weiter begreiflich, dafs ein solches \u00dcberwiegen der falschen F\u00e4lle nur bei gewissen Beobachtern vorkommt, bei anderen wieder nicht ; denn es ist eine individuelle Gewohnheit, beim Auftreten eines neuen Gegenstandes, \u00fcber","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 139\ndessen Tiefenlage man nicht unterrichtet ist, zun\u00e4chst immer die Accommodation a nzup sann en. Selbstverst\u00e4ndlich kann es ebensogut Vorkommen, dafs nach der ersten auch eine zweite Accommodationsbewegung willk\u00fcrlich eingeleitet wird und sich dann das Urteil \u00fcber die Tiefenlage nicht nach der ersten, sondern nach einer sp\u00e4teren (intendierten) Accommodations-innervation richtet, in welchem Falle dann die Angabe trotz einer etwa bestehenden Gewohnheit, zun\u00e4chst f\u00fcr die N\u00e4he (Ferne) zu accommodieren, dennoch richtig ausfallen kann. Warum letzteres bei grofsen Distanzunterschieden eher der Fall ist als bei kleinen, wurde bereits besprochen. (Vgl. S. 135 f.)\n\u00a7 21. Dafs bei unbekannter Richtung des Tiefenunterschiedes zwischen zwei nacheinander auftretenden Objekten eine Art Ausprobierens vermittels der Accommodation stattfindet, haben wir fr\u00fcher als den mit gr\u00f6fster Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Vorgang supponiert. Es giebt jedoch ein mittelbares Kriterium f\u00fcr die Richtigkeit dieser Annahme, das der Beobachtung direkt zug\u00e4nglich gemacht werden kann : die zur Accommodation n\u00f6tige Zeit.\nWenn f\u00fcr ein bestimmtes Objekt accommodiert wird und nun pl\u00f6tzlich ein zweites Objekt ins Gesichtsfeld tritt, von dem man zun\u00e4chst nicht weifs, ob es vor oder hinter dem ersten gelegen ist, so haben wir angenommen, dafs wir in dem Bestreben, scharf zu sehen, irgend eine Accommodations\u00e4nderung vornehmen, die passend oder unpassend sein kann, und dafs im letzteren Falle mindestens eine einmalige Umkehr in der Accommodationsbewegung eintritt. Dies mufs sich nun notwendig in der zur richtigen optischen Einstellung n\u00f6tigen Zeit verraten. Es ist zu erwarten, dafs bei gleichen Distanzen diese Zeit bald gr\u00f6fser, bald kleiner ausfallen wird, je nachdem man sogleich die richtige Innervation getroffen hat oder nicht. Und weiter mufs man erwarten, dafs, wenn der Beobachter dar\u00fcber unterrichtet wird, ob das zu erwartende zweite Objekt vor oder hinter dem ersten erscheinen wird, die Accommo-dationszeiten auf keinen Fall so grofse Werte annehmen, wie dann, wenn man \u00fcber die Tiefenlage vorher nicht orientiert ist.\nDie folgenden Versuche haben nur den Zweck, die besprochenen Zeitverh\u00e4ltnisse zu pr\u00fcfen, nicht aber absolute Mafse f\u00fcr die Accommodationsdauer zu gewinnen. Unter-","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nFrans Hillebrand.\nsuchungen, welche den letzteren Zweck verfolgen, m\u00fcfsten mit viel feineren Mitteln der Zeitmessung ausgef\u00fchrt werden ; sie lagen um so weniger in meinem Plane, als dieser Gegenstand bereits durch die Arbeiten von Vierordt, Aeby und Barret n\u00e4her untersucht worden ist.\n\u00a7 22. Unsere VersuchsanOrdnung ist durch die nebenstehende schematische Darstellung (Fig. 2) versinnlicht.\nV---------------------Sf\nFig. 3.\nDer Beobachter blickt durch den Tubus T auf den vertikalen schwarzen Baden F: der sich von dem beleuchteten weifsen Schirm S deutlich abhebt.\nA, und N2 sind Gestelle, welche je eine Nadel tragen. Diese Nadeln k\u00f6nnen vertikal gestellt werden und befinden sich diesfalls aufserhalb des durch den Tubus begrenzten Gesichtsfeldes; durch Entfernung einer Hemmungsvorrichtung k\u00f6nnen sie mittelst einer Spiralfeder in die horizontale Lage geschnellt werden; sie liegen alsdann in der prim\u00e4ren Blickebene und reichen mit ihren Spitzen bis hart an die Symmetrieebene des Apparates (in welcher Ebene der vertikale Faden liegt). Die","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 141\nNadeln sind ferner von verschiedener Dicke und ihre Entfernungen vom Beobachter so gew\u00e4hlt, dafs, wenn dieser auf den Faden accommodiert, beide Nadeln in gleich grofsen Zerstreuungsbildern erscheinen, so dafs man aus dem undeutlichen Bilde nicht ersehen kann, ob dasselbe von der vorderen oder hinteren Nadel herr\u00fchrt. Damit aber auch die durch die chromatische Abweichung bedingte Verschiedenheit in der F\u00e4rbung der Zerstreuungskreise der vorderen und hinteren Nadel keinen Hinweis auf die Tiefenlage gebe, habe ich vor den Tubus ein gr\u00fcnes Glas gesetzt, welches also vorwiegend Strahlen mittlerer Weilenl\u00e4nge durchl\u00e4fst.1\nBei den folgenden Versuchen stellt der Beobachter auf den Vertikalfaden ein, w\u00e4hrend beide Nadeln in Vertikalstellung sind und daher nicht gesehen werden. In einem gegebenen Moment l\u00f6st ein Geh\u00fclfe die Hemmung an einem der beiden Nadelapparate, die betreffende Nadel schnellt in die Horizontallage und tritt damit ins Gesichtsfeld; sie wird in einem Zerstreuungsbilde gesehen, und der Beobachter hat die Aufgabe, so rasch, als es ihm m\u00f6glich ist, auf die Nadelspitze zu accommo-dieren. Nun soll die Zeit gemessen werden, welche von dem Augenblick des Auftretens der Nadel bis zu demjenigen Moment verl\u00e4uft, in welchem die Nadel scharf gesehen wird. Diese Messung wird durch folgende Einrichtung bewerkstelligt:\nDie Nadelapparate sind in einen Stromkreis eingeschaltet; wenn die Nadeln in die horizontale Lage fallen, schliefsen sie einen Kontakt. In diesem Stromkreise liegt aufser den Nadelapparaten die rotierende Trommel K mit einem elektromagnetischen Signalschreiber und der Schl\u00fcssel C; derselbe ist mit einem federnden Taster versehen, in der Weise, dafs der Strom geschlossen ist, solange der Beobachter den Taster niederh\u00e4lt und beim Wegziehen des Fingers sofort unterbrochen wird. In M und M\u2018 teilt sich der Strom in die beiden Zweige, die zu den beiden Nadelapparaten f\u00fchren; er wird geschlossen, wenn auch nur eine der beiden Nadeln sich in der Horizontallage befindet. \u2014 Der Vorgang bei der Beobachtung spielt sich in folgender Weise ab:\n1 Die Entfernung des Fadens vom mittleren Knotenpunkt des Beobachters betrug 250 mm, die der n\u00e4heren Nadel 175 mm, der ferneren 480 mm.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nFranz Hillebrand.\nDer Beobachter blickt durch den Tubus und accommodiert auf den Faden, w\u00e4hrend er gleichzeitig den Taster des Schl\u00fcssels niederh\u00e4lt. Dabei stehen beide Nadeln vertikal, also in einer Stellung, in der sie unsichtbar sind und den Kontakt nicht schliefsen; der Strom ist also unterbrochen. Sobald eine der Nadeln in die Horizontallage einschnellt, schliefst sich der Strom, und der Elektromagnet zieht den Schreiber an sich. Sobald nun der Beobachter die Nadel scharf sieht, l\u00e4fst er den Taster los und unterbricht dadurch den Strom, der Schreiber an der Trommel wird wieder losgelassen. Vermittels einer gleichzeitigen Zeitmarkierung l\u00e4fst sich alsdann mit einer f\u00fcr den vorliegenden Zweck mehr als hinreichenden Genauigkeit die Zeit an der Trommel ablesen, welche zwischen dem Moment des Einspringens der Nadel in die horizontale Lage und demjenigen verlaufen war, in welchem der Taster vom Beobachter losgelassen wurde.1\nDie Versuche werden unter zwei verschiedenen Bedingungen angestellt: bei der einen Versuchsreihe wird dem Beobachter nicht gesagt, welche von den beiden Nadeln in das Gesichtsfeld einspringen wird, ob die vor oder die hinter dem Faden gelegene. Bei der zweiten Versuchsreihe wird er jedesmal darauf vorbereitet, welche Nadel erscheinen wird, so dafs er weifs, in welchem Sinne er die Accommodation zu \u00e4ndern hat.\n\u00a7 23. Im Folgenden teile ich die Ergebnisse tabellarisch mit, die ich aus meinen und des Herrn Dr. Perelbs\u2019 Beobachtungen gewonnen habe.\n1 Wie schon erw\u00e4hnt, kommt es mir hier nicht darauf an, absolute Mafse f\u00fcr die Accommodationszeiten zu gewinnen. Die Zeitwerte, welche in der oben angegebenen Weise erhalten werden, sind auch nicht als solche anzusehen. Nur ein Teil (allerdings der gr\u00f6fste) der so gemessenen Zeit wird von der Ver\u00e4nderung des Accommodations-zustandes in Anspruch genommen; ein zweiter Teil verl\u00e4uft vom Scharfsehen bis zur Kontakt\u00f6ffnung (Reaktionszeit), ein dritter endlich von der Kontakt\u00f6ffnung bis zu jenem Moment, in welchem der Elektromagnet den Schreiber losl\u00e4fst (er kann als konstant betrachtet werden). F\u00fcr blofse Zeit Vergleichungen, wie sie hier gemacht werden, sind diese Zuw\u00fcchse ohne Belang. Dies ist trotz der Inkonstanz der Reaktionszeit selbst f\u00fcr den variablen Fehler der Fall, weil uns selbst dieser nicht seinem absoluten Ausmafse nach, sondern nur insofern interessiert, als er bei gewissen Versuchsumst\u00e4nden gr\u00f6fser, bei anderen kleiner ausf\u00e4llt (s. u.).","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Bas Verh\u00e4ltnis von Accommodation w. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 143\nI. Tabelle der Accommodationszeiten in Sekunden.\n(Beobachter: Hillebrand.)\nBei unbekannter Lage des zweiten Objektes\t\tBei bekannter Lage des zweiten Objektes\t\nF\u00fcr die N\u00e4he\tF\u00fcr die Ferne\tF\u00fcr die Nahe\tF\u00fcr die Ferne\nI.\tII.\tui.\tIV.\n0,63\t0,72\t0,30\t0,71\n0,67\t0,79\t0,30\t0.75\n0,67\t0,84\t0,30\t0,76\n0,70\t0,88\t0,40\t0,76\n0,70\t0,92\t0,40\t0,80\n0,75\t0,95\t0,44\t0,80\n0,75\t1,00\t0,45\t0,81\n0,75\t1,05\t0,45\t0,88\n0,81\t1,14\t0,45\t0,95\n0,84\t1,18\t0,45\t0,96\nII. Tabelle der Accommodationszeiten in Sekunden. (Beobachter: Herr Dr. Hugo Pereles.)\nBei unbekannter Lage\t\tBei bekannter Lage\t\ndes zweiten Objektes\t\tdes zweiten Objektes\t\nF\u00fcr die N\u00e4he\tF\u00fcr die Feme\tF\u00fcr die N\u00e4he\tF\u00fcr die Ferne\nI.\tII.\tin.\tIV.\n0,96\t1,11\t0,69\t0,85\n1,00\t1,41\t0,72\t0,88\n1,18\t1,44\t0,76\t0,96\n1,19\t1,44\t0,80\t0,96\n1,22\t1,55\t0,81\t1,00\n1,31\t1,58\t0,84\t1,00\n1,32\t1,66\t0,84\t1,08\n1,37\t1,85\t0,88\t1,24\n1,41\t1,92\t0,92\t1,42\n1,42\t1,96\t1,00\t1,56\n1,72\t(2,66)\t1,08\t\u2014\n2,24\t\u2014\t1,08\t\u2014\n(Die eingeklammerte Zahl 2,66 f\u00e4llt so offenbar aus der Reihe, dafs. man hier jedenfalls eine zuf\u00e4llige St\u00f6rung des Beobachters als Grund annehmen mufs.)\nDie Bedeutung der Zahlen in den einzelnen Kolumnen ist durch die entsprechenden \u00dcberschriften klar. Die Werte sind","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nFranz Hillebrand.\nder \u00dcbersichtlichkeit halber (aufsteigend) geordnet. In den Versuchen selber sind die F\u00e4lle, in denen die Nadel n\u00e4her, und diejenigen, in denen sie ferner liegt als der Faden, selbstverst\u00e4ndlich in buntem Durcheinander gegeben, w\u00e4hrend die Tabelle beide Reihen trennt.\n\u00a7 24. Vor allem f\u00e4llt in die Augen, dafs die III. und IV. Kolumne erheblich kleinere Werte zeigt, als die I. beziehungsweise die II. Bei mir liegen die f\u00fcr die Accommodation auf die n\u00e4here Nadel erforderten Zeiten dann, wenn ich \u00fcber die Lage der Nadel unterrichtet war, zwischen 0,30 und 0,453 (III. Kol.), dann, wenn ich \u00fcber die Lage in Unkenntnis war, zwischen 0,63 und 0,84 (1. Kol.) ; bei Herrn Dr. Pereles im ersteren Falle zwischen 0,69 und 1,08, im zweiten zwischen 0,96 und 2,24. War die zweite Nadel ferner als der Faden, so liegen f\u00fcr mich die Werte im Falle der Kenntnis zwischen\n0.\t71 und 0,96, im Falle der Unkenntnis zwischen 0,72 und 1,18; f\u00fcr Herrn Dr. Pereles bei Kenntnis der Lage zwischen 0,85 und 1,56, bei Unkenntnis derselben zwischen 1,11 und 1,96.\nDie Accommodationszeiten sind also im Durchschnitt wesentlich gr\u00f6fser, wenn der Beobachter nicht weifs, ob das neu-auftretende Objekt vor oder hinter dem bereits fixierten liegt, als wenn er davon Kenntnis hat.\nWeiter zeigen die Tabellen, dafs, wenn man von der Lage des zweiten Objektes weifs, die Accommodationszeiten bei den verschiedenen Versuchen weniger untereinander abweichen, d. h. sich in einem relativ kleineren Intervall bewegen, als wenn man von der relativen Lage des zweiten Objektes keine Kenntnis hat. Man vergleiche z. B. Kolumne II und IV in der\n1.\tTabelle. Das Intervall, in dem sich die Zeitwerte bewegen, ist bei unbekannter Lage des zweiten Objektes (Kol. II) 0,46, bei bekannter Lage (Kol. IV) nur 0,25. Der Vergleich der I. mit der III. Kolumne zeigt einen Unterschied im selben Sinne (wenn auch geringerem Ausmafse): f\u00fcr Kolumne I betr\u00e4gt der Spielraum 0,21, f\u00fcr Kolumne III 0,15. Sehr auffallend ist er auch bei der I. und III. Kolumne der H. Tabelle (Dr. Pereles): in der I. Kolumne betr\u00e4gt das Intervall 1,24, in der III. Kolumne nur 0,39. Geringer ist die Differenz f\u00fcr die II., resp. IV. Kolumne, n\u00e4mlich 0,85 und 0,71.\nDer Grund dieses Verhaltens ist nach den fr\u00fcheren Er\u00f6rterungen klar. Wenn die Lage des zweiten Objektes unbekannt","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenloh\u00e4lisation. 145\nist, kommen ja ebenso passende wie unpassende Innervationen vor; bei unpassenden wird nat\u00fcrlich, da mindestens ein einmaliger Wechsel in der Innervation stattfinden mufs, eine gr\u00f6fsere Zeit erforderlich sein. Weifs aber der Beobachter, ob das zweite Objekt vor oder hinter dem ersten erscheinen wird, dann befindet er sich nie in der Lage, eventuell unpassend zu innervieren ; die Zeitwerte werden also untereinander notwendig mehr \u00fcbereinstimmen, als im anderen Falle.\nNoch eines Umstandes mufs hier Erw\u00e4hnung gethan werden. Wenn der Beobachter das eine Mal weifs, das andere Mal nicht weifs, ob das zweite Objekt vor oder hinter dem ersten erscheinen werde, so befindet er sich in doppelter Hinsicht beide Male in verschiedener Lage und wird mit seiner Accommodation in doppelter Hinsicht verschieden verfahren. Erstlich wird er bei unbekannter Lage des Objektes einmal passend, ein anderes Mal unpassend innervieren und letzterenfalls mehr Zeit brauchen (worauf schon hingewiesen wurde); dann aber wird bei bekannter Lage des Objektes \u2014 ganz abgesehen davon, dafs hier kein Zeitverlust durch unpassende Innervation vorkommt \u2014 auch deswegen weniger Zeit in Anspruch genommen werden, weil, sobald man sich \u00fcber Ziel und Richtung der auszuf\u00fchrenden Bewegung klar ist, diese mit gr\u00f6fserer Energie einsetzt und daher rascher vollzogen wird, als wenn man sich \u00fcber die Zweckm\u00e4fsigkeit des gew\u00e4hlten Mittels g\u00e4nzlich im unklaren befindet, wie etwa ein Mensch, der im Finstern geht oder mit den H\u00e4nden nach etwas greifen will.\nEs w\u00e4re aber irrig, anzunehmen, dafs, sobald sich f\u00fcr die Accommodationszeit bei unbekannter Lage des Objektes gr\u00f6fsere Werte ergeben, als bei bekannter Lage, dieses \u00dcber wiegen lediglich durch den letzterw\u00e4hnten Umstand veranlafst werde (wenn derselbe auch ohne Zweifel mitwirkt). Ein Blick auf die Tabellen wird uns dar\u00fcber belehren. In Tabelle I \u00fcberwiegen s\u00e4mtliche Werte der I. Kolumne (0,63 bis 0,84) \u00fcber die Werte der III. Kolumne (0,30 bis 0,45); aber nichts \u00c4hnliches ergiebt der Vergleich der II. mit der IV. Kolumne. Nicht weniger als sechs Werte der II. Kolumne (0,72 bis 0,95) fallen in das Intervall der IV. (0,71 bis 0,96). Dasselbe Verhalten zeigt sich, wenn wir in der II. Tabelle die II. mit der IV. Kolumne vergleichen; die ersten f\u00fcnf Werte der II. Kolumne (1,11 bis 1,55) fallen in das Intervall der IV. (0,85 bis 1,56).\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\t10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nFranz Sillebrand.\n\"W\u00fcrden die Zeitverschiedenheiten bei bekannter und bei unbekannter Lage nur dadurch zu erkl\u00e4ren sein, dafs man bei Unklarheit \u00fcber die Zweckm\u00e4fsigkeit des Mittels weniger \u00e9nergisch innerviert, dann w\u00e4re nicht einzusehen, warum bei unbekannter Lage des Objektes ein Mal s\u00e4mtliche Werte gr\u00f6fser sind, als die bei bekannter Lage (Tab. I, Kol. I und III), ein anderes Mal aber ein Teil der einen Werte in das Intervall der anderen hineinf\u00e4llt (z. B. Tab. I, Kol. II und IV). Wir m\u00fcssen vielmehr annehmen, dafs eben jenes Ausprobieren mittels der Accommodation statthat, und dafs weiter habituelle Gewohnheiten bestehen, etwa beim Neuauftreten eines Objektes von unbekannter Lage die Accommodation vorwiegend nach einer bestimmten Richtung zu \u00e4ndern, also etwa vorwiegend zu entspannen. Bei mir ist letzteres offenbar der Fall. Jetzt wird es erkl\u00e4rlich, warum, wenn das zweite Objekt n\u00e4her liegt, ohne dafs der Beobachter davon weifs, in allen F\u00e4llen mehr Zeit in Anspruch genommen wird, als wenn er davon weifs \u2014 warum aber, wenn es ferner liegt, bei Unbekanntschaft mit diesem Datum oft nicht mehr Zeit zur Accommodation ben\u00f6tigt wird, als bei Bekanntschaft mit demselben. Dies ist nat\u00fcrlich, sobald der Beobachter die Gewohnheit hat, wenn er nicht weifs, wie er die Accommodation \u00e4ndern soll, sie zun\u00e4chst immer zu entspannen.\n\u00a7 25. Ein R\u00fcckblick auf den Gang und die Resultate unserer Untersuchung ergiebt folgendes:\nDie Frage, ob und in welcher Weise die Accommodation den Tiefenwert des fixierten Punktes, d. i. des augenblicklichen Kernpunktes des Sehraumes, bestimmt, ist von der anderen Frage, welchen Einflufs n\u00e4mlich die Konvergenz der Gesichtslinien auf die Tiefenlokalisation hat, in praxi nicht trennbar \u2014 wegen des bekannten, zwischen Accommodation und Konvergenz bestehenden Zusammenhanges. Wenn alle sog. empirischen Motive der Lokalisation (so namentlich die \u00c4nderung der Bild-gr\u00f6fse) ausgeschlossen sind und man einem nach der Tiefe sich bewegenden Objekt mit der Accommodation folgt, wobei die Bewegung so rasch vor sich gehen kann, dafs jenes Folgen eben noch bequem m\u00f6glich ist, so ist man nicht im st\u00e4nde, mit Sicherheit anzugeben, ob sich das Objekt gen\u00e4hert oder entfernt hat \u2014 sofern nur nicht die extremsten Grade der N\u00e4he in Anwendung gebracht und dadurch l\u00e4stige Empfindungen","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 147\nerzeugt werden. Wir haben aus dieser Thatsache geschlossen, dafs uns sog. Muskelempfindungen \u00fcber die Tiefenlage des fixierten Punktes nicht unterrichten, und zwar (aus dem fr\u00fcher angef\u00fchrten Grunde) weder Empfindungen, die von der Binnenmuskulatur des Auges, noch solche, die von den \u00e4ufseren Augenmuskeln herr\u00fchren. \u2014 Wir haben weiter gesehen, dafs, wenn das Fixationsobjekt pl\u00f6tzlich seine Tiefenlage \u00e4ndert, so dafs das Folgen der Accommodation unm\u00f6glich gemacht wird, f\u00fcr jeden unserer Beobachter sich ein Distanzunterschied finden liefs, von dem an er mit Sicherheit erkennt, ob der Wechsel im Sinne der N\u00e4herung oder der Entfernung vor sich gegangen ist. Es hat sich gezeigt, dafs dieses Erkennen nur dadurch m\u00f6glich wird, dafs der Beobachter willk\u00fcrlich zur Anspannung resp. Entspannung der Accommodation innerviert und dadurch, dafs er aus dem Elfekte sieht, ob er eine passende oder unpassende Innervation gesetzt hat, erkennt, ob die Distanz\u00e4nderung eine N\u00e4herung oder eine Entfernung war. Es erwies sich also der bewufste Willensimpuls als das f\u00fcr das Erkennen der relativen Entfernung Entscheidende. Weiter hat die Selbstbeobachtung und die spontane \u00c4ufserung anderer Beobachter ergeben, dafs auch in den letztgenannten F\u00e4llen, in welchen die Richtung des Tiefenwechsels fehlerlos angegeben wird, die gr\u00f6fsere oder geringere Entfernung nicht anschaulich in der Empfindung gegeben ist, nicht also in der Art, wie beim binokularen Sehen die auf der Disparation der Netzhautstellen beruhenden Tiefenunterschiede als Momente der anschaulichen Empfindung auftreten. Wir erinnern uns diesbez\u00fcglich der \u00fcbereinstimmenden Aussagen aller Mitbeobachter, sie \u201ew\u00fcfsten\u201c zwar, dafs das zweite Objekt n\u00e4her, bezw. ferner liege, als das erste, k\u00f6nnten aber nicht behaupten, dafs sie dies eigentlich \u201es\u00e4hen\u201c, Aussagen, die psychologisch von hoher Bedeutung sind. Schliefslich haben wir f\u00fcr die Annahme, dafs in den letztgenannten F\u00e4llen die Tiefenunterschiede durch eine Art Ausprobierens mit H\u00fclfe der Accommodation erkannt werden, den empirischen Nachweis zu liefern gesucht durch Versuche \u00fcber die zur Accommodation n\u00f6tige Zeit.\n\u00a7 26. Von der vorstehenden Untersuchung, deren Resultate wir soeben angegeben, wird vermutlich der negative Teil, der, welcher sich gegen die Existenz eines sog. Muskelsinnes richtet oder mindestens behauptet, dafs, wenn ein solcher\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nFranz Hillebrand.\nexistiert, er f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung ohne jeden Einflufs ist, am meisten Anstofs erregen. Wenn auch hervorragende Forscher, wie z. B. Hering, sich l\u00e4ngst in derselben negativen Weise \u00fcber diesen Gegenstand ausgesprochen haben, so haben dennoch die \u201eMuskelgef\u00fchle\u201c und insonderheit die \u201eKonvergenzgef\u00fchle\u201c nicht aufgeh\u00f6rt, in den Theorien der r\u00e4umlichen Wahrnehmung eine hervorragende Bolle zu spielen. Der Grund dieser Erscheinung ist jedem klar, der die Geschichte jener Theorien kennt. Die sog. \u201eempiristische\u201c Bichtung, welche die Qualit\u00e4ten des Gesichtssinnes urspr\u00fcnglich als raumlos und unlokalisiert denkt und die r\u00e4umlichen Daten erst auf dem Wege der Erfahrung an die Qualit\u00e4ten sich associieren l\u00e4fst, kann eines fein abgestuften Systems von Muskelempfindungen nicht entbehren. In der That sind diesen Muskelempfindungen Funktionen zugemutet worden, die voraussetzen, dafs ihre graduelle Abstufung an Feinheit mindestens den Baumsinn der Netzhaut erreicht.\nWenn sich diesen Suppositionen gegen\u00fcber nun herausstellt, dafs z. B. das \u201eKonvergenzgef\u00fchl\u201c gar nicht besteht, mindestens aber die Funktion eines Associationsbandes f\u00fcr Baumdaten gar nicht hat (geschweige denn, dafs es etwa selbst einer anschaulichen r\u00e4umlichen Bestimmung teilhaftig w\u00e4re), so ist damit allen jenen Konstruktionen das Fundament entzogen. In Ansehung der theoretischen Tragweite, welche die Leugnung der Bedeutung etwaiger Muskelgef\u00fchle f\u00fcr die optische Lokalisierung ohne Zweifel besitzt, ist es vielleicht nicht ganz \u00fcberfl\u00fcssig, darauf hinzuweisen, dafs andere l\u00e4ngst vorliegende Beobachtungen zu demselben Ergebnisse f\u00fchren. F\u00fcr die allgemeine Frage macht es dabei nat\u00fcrlich nichts aus, ob diese Beobachtungen sich gerade auf die Konvergenzbewegungen oder auf irgend welche andere, nicht symmetrisch associierte Augenbewegungen beziehen.\n\u00a7 27. Wenn man die Augen willk\u00fcrlich seitw\u00e4rts (etwa nach rechts) wendet, so bleiben die Objekte des Sehfeldes bekanntlich in Buhe, obwohl sich ihre Bilder auf der Netzhaut verschieben. Es findet also f\u00fcr die Bewegung, die wegen der Bildverschiebung statthaben sollte, eine vollkommene Kompensation statt. Diese Erscheinung, f\u00fcr sich allein betrachtet, liefse eine Erkl\u00e4rung mit H\u00fclfe von Muskelempfindungen zu; man k\u00f6nnte annehmen, dafs uns die Bewegung des Bulbus","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Vas Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 149\ndurch Empfindungen von seiten der Augenmuskel (in unserem Beispiel des linken rect. int. und rechten rect. ext.) bekannt werde, und dafs wir hiermit die durch die Bildverschiebung hervorgerufene Vorstellung einer Bewegung kompensieren.\nDiese Erkl\u00e4rung wird aber sofort hinf\u00e4llig, wenn wir uns an die bekannten Scheinbewegungen und Lokalisationsfehler erinnern, die bei Augenmuskelparalysen typisch auftreten. Bei einer rechtsseitigen Abducensl\u00e4hmung will der Patient einen rechts gelegenen Gegenstand fixieren ;1 dabei tritt eine energische Scheinbewegung nach rechts ein. Aufgefordert, etwa mit einem Bleistift rasch nach dem zu fixierenden Objekt zu stofsen, st\u00f6fst der Patient rechts daran vorbei. Hier ist die obige Er\u00bb kl\u00e4rung unm\u00f6glich. Das gel\u00e4hmte Auge hat sich nicht bewegt, eine Muskelempfindung konnte nicht auftreten, weil der rect. ext. thats\u00e4chlich nichts geleistet hat. Die Netzhautbilder haben sich auch nicht der gewollten Bewegung entsprechend verschoben. Woher also die Scheinbewegung und woher der Fehler beim Stofsen auf den Gegenstand?\nDie (\u00fcbrigens bekannte) Erkl\u00e4rung dieses Ph\u00e4nomens geht wieder von dem Falle aus, in welchem das normale Auge bei einer Blickbewegung keine Verschiebung der Objekte sieht. Nehmen wir an, die Kompensation der scheinbaren Bewegung, welche der Verschiebung der Netzhautbilder an sich entsprechen w\u00fcrde, sei nicht durch Muskelempfindungen veranlafst, sondern durch den bewufsten Impuls zur Rechtswendung, so erledigt sich hiermit der normale und der pathologische Fall. Im normalen Falle bewegen sich die Netzhautbilder so, dafs die Objekte weiter nach links lokalisiert werden m\u00fcfsten; verm\u00f6ge der bewufsten Innervation wird der ganze Sehraum nach rechts dislociert. Ist nun das Ausmafs beider Dislokationen dasselbe, so tritt im Ph\u00e4nomen gar keine Bewegung auf. Im Falle der Abducensl\u00e4hmung wird nun zwar keine Muskelkontraktion ausgef\u00fchrt, aber sie wird nichtsdestoweniger intendiert, es findet also die Dislokation des ganzen Sehraumes nach rechts statt, die Netzhautbilder bleiben aber unverr\u00fcckt, und somit besteht hier der kompensierende Faktor, ohne dafs ein Vorgang da w\u00e4re, welcher kompensiert werden k\u00f6nnte; daher die scheinbare Rechtsdrehung des Sehraumes\n1 Wir wollen annehmen, nur mit dem rechten Auge.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nFrans H\u00fclebrand.\nund in ihrem Gefolge die unpassende Handbewegung, wenn ein Objekt getroffen werden soll.\nDie analogen Erscheinungen sind f\u00fcr Augenmuskelparalysen typisch.1 * * * S\nEine weitere hierher geh\u00f6rige Beobachtung verdanke ich einer brieflichen Mitteilung Hrn. Prof. Herings. Im Dunkelzimmer sei nichts sichtbar, als ein hinreichend heller Lichtpunkt; der Beobachter stelle sich so, dafs dieses Fixationsobjekt ihm zur Seite liegt, beispielsweise zu seiner Rechten, und zwar in der Weise, dafs er es durch die st\u00e4rkste Rechtswendung der Augen nur eben noch fixieren kann. Zwingt sich der Beobachter zur dauernden Fixation, so f\u00e4ngt der Lichtpunkt sehr bald an, eine Scheinbewegung nach rechts zu machen, und dies um so auffallender, je l\u00e4nger der Beobachter die Fixation fortzusetzen sucht. Das Ph\u00e4nomen erkl\u00e4rt sich analog dem fr\u00fcher beschriebenen. Die starke Anstrengung bei jener extremen Rechtswendung hat sehr bald Erm\u00fcdung zur Folge; die Kontraktion des externus entspricht nicht mehr der Intention des Beobachters, und der Muskel verh\u00e4lt sich gegen\u00fcber dem Willen wie ein paretischer.\n\u00a7 30. Leicht zu beobachten ist es \u00fcbrigens, dafs man im Dunkelraume und beim Mangel eines Fixationspunktes die Augenstellung oft unwillk\u00fcrlich wechselt, ohne davon etwas zu wissen. Ich habe dies deutlich sehen k\u00f6nnen an dem Funken, der beim Durchgang eines Kontaktpendels durch die Quecksilberkuppe entsteht (wobei ich mich ebenso wie die Kontaktuhr im Dunkelzimmer befand). Nach einigen Durchg\u00e4ngen gelingt es leicht, den Funken einmal zu fixieren; bem\u00fcht man sich nun, diese Augenstellung beizubehalten, damit das n\u00e4chste Funkenbild wieder auf die Stellen des deutlichsten Sehens falle, so gelingt dies nie f\u00fcr eine nur etwas l\u00e4ngere Reihe von Durchg\u00e4ngen. Die Augen verm\u00f6gen die einmal eingenommene\n1 Das beschriebene Verhalten von Individuen mit Augenmuskelparalysen hat Mach am normalen Auge k\u00fcnstlich herbeigef\u00fchrt. Er\ndreht die Augen m\u00f6glichst weit nach links und dr\u00fcckt an die rechten\nSeiten der Aug\u00e4pfel zwei grofse Klumpen von ziemlich festem Glaser-\nkitt gut an. Der Versuch, rasch nach rechts zu blicken, gelingt dann nur sehr unvollkommen, und es tritt eine ausgiebige Scheinbewegung der Objekte in der Sichtung nach rechts ein. (Vergl. Beitr. z. Anal. d. Empf.\nS -7.1","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation u. Konvergenz zur Tiefenlokalisation. 151\nStellung nicht beizubehalten. Das Merkw\u00fcrdige an der Erscheinung aber ist, dafs der Funken in sehr ausgedehntem Mafse seinen scheinbaren Ort wechselt; er springt bald um einige Centimeter h\u00f6her, dann wieder weiter links oder rechts \u00fcber. Besonders die H\u00f6henunterschiede waren auffallend.1 (Sie erkl\u00e4ren sich \u00fcbrigens leicht aus dem Umstande, dafs das Pendel sehr hoch aufgeh\u00e4ngt war und die zur Fixierung n\u00f6tige Blickhebung f\u00fcr die Dauer einige Anstrengung erforderte, bezw. nicht lange beibehalten werden konnte.) Die Verschiebung des Funkenbildes auf der Netzhaut wurde also hier auf eine Ortsver\u00e4nderung des \u00e4ufseren Objektes bezogen, w\u00e4hrend sie thats\u00e4chlich' nur Folge einer Augenbewegung war: die letztere war also unbewufst geblieben, sonst h\u00e4tte dieser Effekt nicht eintreten k\u00f6nnen.\nDie erw\u00e4hnten Beobachtungen m\u00f6gen nur als eine kleine Auswahl von Beispielen gelten, durch die ich zeigen wollte, dafs uns Muskelempfindungen auch \u00fcber Augenbewegungen, die nicht gerade den Konvergenzgrad betreffen, keinerlei Auf-schlufs geben.\nZum Schl\u00fcsse erlaube ich mir, Herrn Prof. Ewald Hering f\u00fcr so manchen wertvollen Rat, den er mir bei Ausf\u00fchrung der obigen Untersuchung gegeben, meinen aufrichtigsten Dank zu sagen. Und nicht zum wenigsten danke ich auch den in der Abhandlung genannten Herren f\u00fcr die Sorgfalt und Ausdauer, mit der sie mich durch ihre Beobachtungen zu unterst\u00fctzen so freundlich waren.\n1 Kleine Ortsunterschiede haben bei solchen Kontakten in Wirklichkeit statt, da die Quecksilberkuppe wegen der ungleichen Oxydbildung an ihrer Oberfl\u00e4che variable Widerst\u00e4nde liefert. Die oben erw\u00e4hnten Scheinbewegungen haben aber dieses Ausmafs weit \u00fcberschritten, sie sind also in der That Scheinbewegungen.","page":151}],"identifier":"lit15403","issued":"1894","language":"de","pages":"97-151","startpages":"97","title":"Das Verh\u00e4ltnis von Accommodation und Konvergenz zur Tiefenlokalisation","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:27.467520+00:00"}