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{"created":"2022-01-31T17:01:48.526717+00:00","id":"lit15453","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fraenkel, M. O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 232-233","fulltext":[{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nKleinere Mitteilungen.\nDaher bildet das zuerst erlernte Wort mit seinen Beugungsformen f\u00fcr das Kind die Regel, die es, wenn sein Wortschatz sich erweitert, im richtigen Sprachgef\u00fchl auf das Sp\u00e4tere \u00fcbertr\u00e4gt. Die \u00dcbertragung selbst ist ein Associationsvorgang, mit dem das Denken beginnt. Der weitere abweichende Sprachgebrauch erfordert ein neues. Erlernen und Einpr\u00e4gen in verf\u00fcgbare Zellengruppen und Bahnen, die unter Umst\u00e4nden \u2014 durch Krankheit oder allgemeine Schw\u00e4chezust\u00e4nde \u2014 ihre Leistung versagen, weil die Furchen der Eindr\u00fccke des sp\u00e4ter erworbenen Wortvorrates nicht tief genug sind. \u2022\u2014 \u00c4hnlich ist w\u00e4hrend der l\u00e4ngeren und k\u00fcrzeren Dauer der Amnesie der Vorgang bei beiden Kranken, die nicht, nur in der geschilderten Ausdrucksweise, sondern auch in ihrem Lachen und Weinen \u00fcber h\u00f6chst unbedeutende Gegenst\u00e4nde zu . erkennen geben, dafs sie sich in ihre Kindheit zur\u00fcckversetzt f\u00fchlen.\nII. Eine Selbstbeobachtung \u00fcber G-ef\u00fchlston.\nVon\nM. 0. Fraenkel,\nIn einer Abhandlung \u00fcber St\u00f6rungen des Vorstellungsablaufes bei der Paranoia (Arch. f. Psychiatr. XXIV. 1 u. 2) spricht Professor Ziehen von dem Gef\u00fchls ton, der neben anderen Faktoren auf die Reihenfolge der Vorstellungen bestimmend einwirke. Eine Wahrnehmung, die mir in j\u00fcngeren Jahren entging, die aber vermutlich hundert anderen gesunden Personen bekannt ist, ohne besonderes Gewicht darauf zu legen, f\u00e4llt unter obige Bezeichnung vom Gef\u00fchlston.\nNehme ich ein Zeitungsblatt zur Hand, dessen untere H\u00e4lfte im Feuilleton eine Novelle oder dergl., kurz eine Dichtung enth\u00e4lt, und ich lese zuerst die amtlichen und politischen Nachrichten, die auf den Titel des Thats\u00e4chlichen, Wahren und Wirklichen Anspruch machen, so ist der Eindruck, den ich erhalte, je nach meinem Interesse an der besprochenen Sache, mehr oder minder lebhaft. Dieser Eindruck, das Gef\u00fchl des Thats\u00e4chlichen, verschwindet aber nicht sogleich, wenn die Lesearbeit auf den erdichteten Inhalt des Feuilletons fortschreitet, sondern erh\u00e4lt sich eine Weile, gleich den Nachbildern, die mein Auge beim \u00dcbergang von grellem Lichte zu matterem oder zum Dunkel erh\u00e4lt. Umgekehrt ist der Vorgang, wenn ich zuerst das Feuilleton und dann die politischen Nachrichten, die Wahlaufrufe u. s. w. lese. Der Eindruck, den ich durch den raschen Wechsel dann gewinne, ist der, dafs ich die letzteren f\u00fcr unwahr halte, wie sie es auch in der That h\u00e4ufig nicht besser verdienen. Die Dauer dieses Zustandes, die ich zu bestimmen versucht habe, scheint in beiden; F\u00e4llen nicht wesentlich verschieden zu sein und wenn sie es ist, von der","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Kleinere Mitteilungen.\n233\nsubjektiven Stimmung des Lesers, sowie von dem mehr oder minder; spannenden Stil des Feuilletonisten abh\u00e4ngig zu sein. Durchschnittlich ist die Dauer des \u00dcberganges von \u201cdem minderbewufsten zum klar bewufsten Zustande eine Minute.\nDie Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung meine ich in folgenden Erw\u00e4gungen suchen zu d\u00fcrfen. \u2014 Im Hintergr\u00fcnde jeder psychischen Th\u00e4tigkeit,, sozusagen im Dunstkreise des Nervensystems, m\u00f6ge sie in Gef\u00fchlen, Vorstellungen, Begriffen und Worten ihren Ausdruck finden, schlummert eine urspr\u00fcngliche Empfindung, die jener den Ton, dem Bilde die F\u00e4rbung durch ihr .Mitschwingen giebt, ohne dafs man unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden sich dessen bewufst wird. Sie tritt erst ungehemmt hervor und verlangsamt die Perception bei einer gewissen Reizbarkeit und Schw\u00e4chung des Nervensystems, wie auch Nachbilder nicht jederzeit und jedem zu Gesichte kommen.\nSo weit hatte ich geschrieben, als ich zuf\u00e4llig in F. Th. VlSCHERs bekanntem \u201eAuch Einer\u201c, I!d. II, S. 375, auf folgende Stelle stiefs:\n\u201eWenn ich Poetisches gelesen habe, z. B. Jamben, und komme nachher an Prosaisches, so meine ich einige Minuten lang, es auch als Jamben lesen zu m\u00fcssen. So ging es mir einmal mit einem Regierungsreskript. Zuf\u00e4llig liefen die ersten Zeilen ganz ordentlich. Ich las:\nEs wird | hiermit | dem H\u00f6r | z\u00d6 glich | en Amt.\nAuf d\u00f6n | Bericht | vom sechs | ten die j ses M\u00f6n\u00e4ts,\nB\u00ebtr\u00eaffs j d\u00ebs P\u00e4 j ragr\u00e4 | ph\u00ebn f\u00fcnf | tind zwanzig D\u00ebr neu. | \u00ebn P\u00f6 | lizei | -Ordnung |-\nSoweit ging\u2019s, aber weiter nicht, das Folgende war nicht in Jamben zu bringen, und ich erwachte zur Prosa. \u00dcbrigens belehrender Beitrag zur Psychologie der Rhythmik oder eigentlich der idealen Nervenlehre. Fortschwingen des Rythmus f\u00fchlenden Nervs\u201c \u2014 und eine weitere Belagstelle zu Ziehens Gef\u00fchls ton.\nIII. \u00dcber eine subjektive Erscheinung im Auge.\nVon\nP. Zeeman in Leiden.\nGelegentlich einer Untersuchung \u00fcber das KERRsche magneto-optische Ph\u00e4nomen1 fiel mir bei Beobachtung mit dem BABlNETschen Kompensator eine Erscheinung auf, deren Ursache im Auge liegt. Da sie in der\n1 P. Zeeman, Metingen over het vers clyusel van Kerr. Leiden, 1893.","page":233}],"identifier":"lit15453","issued":"1894","language":"de","pages":"232-233","startpages":"232","title":"Eine Selbstbeobachtung \u00fcber Gef\u00fchlston","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:48.526723+00:00"}