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{"created":"2022-01-31T16:59:40.959319+00:00","id":"lit15484","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn, Jonas","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 408-409","fulltext":[{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nLitteraturbericht.\ndie der Empfindungstheorie scheinbar g\u00fcnstigen Thatsachen (Gold-SOHE1BBBS Schmerznerven, An\u00e4sthesie, Ungleichzeitigkeit von Schmerz und Ber\u00fchrungsempfindung bei einfacher Reizung) auf andere Weise leicht erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Nach ihm hat jede Empfindung eine Lust- und eine Schmerzphase, doch giebt es Sinnesgebiete, bei denen letztere sehr grofs, erstere sehr klein ist. Als specifische Schmerznerven stellten sich scheinbar solche dar, die auf jede Reizung, welche man anwenden konnte, schmerzhaft reagierten. Aber jede Reizung, die man anwenden konnte, ist nicht jede m\u00f6gliche Reizung \u00fcberhaupt, und es ist denkbar, dafs die Natur der im Laboratorium anwendbaren Reize so ist, dafs sie stets die dem Nerven zugeh\u00f6rige Empfindung in der schmerzhaften Phase ausl\u00f6st, zumal da ja jene Reize meist einen etwas vom Normalen abweichenden Charakter haben. Es ist daher m\u00f6glich, dafs manche Empfindungsnerven in praxi nie anders denn schmerzhaft reagieren k\u00f6nnen, ohne dafs ihnen darum theoretisch die Existenz einer Lustphase abgesprochen werden brauchte, und ohne dafs man sie deswegen als specifische Schmerznerven ansehen m\u00fcfste. In den E\u00e4llen, wo bei einem Nadelstich die Ber\u00fchrung fr\u00fcher gesp\u00fcrt wird, als der Schmerz, nimmt M.:, wie Nichols, das Vorhandensein zweier getrennter Empfindungen an; doch die zweite ist nicht eine Schmerzempfindung als solche, sondern irgend eine Empfindung X. (z. B. beim Nadelstich eine Empfindung des Prickelns in tiefer gelegenen Hautschichten) im schmerzvollen Stadium. Da diese versteckt liegenden Nerven nur in abnormen F\u00e4llen zur Reizung gebracht werden, so ist es erkl\u00e4rlich, dafs sie dann immer in der Schmerzphase reagieren. Analgesie w\u00e4re dann nichts, als An\u00e4sthesie im Gebiete dieser hypothetischen zweiten Empfindung.\nDa es sich bei den letzterw\u00e4hnten Punkten nicht um vage Konstruktionen, sondern um Erkl\u00e4rung von Thatsachen handelt, die bisher im Zusammenh\u00e4nge noch wenig betrachtet worden sind, so wird die Forschung die M.\u2019schen Deutungsversuche nicht unbeachtet lassen d\u00fcrfen.\nW. Steen (Berlin).\nBenjamin Jves Gilman. Syllabus of lectures on the psychology of pain and pleasure. American Jo-urn. of Psychology. Bd. 6. S. 1\u201460. (1893.)\nVerfasser bespricht unter ausgiebiger Benutzung der reichen einschl\u00e4gigen Litteratur zun\u00e4chst die logischen und thats\u00e4chlichen Beziehungen von Lust und Unlust zu anderen Bewufstseinszust\u00e4nden und untereinander, er\u00f6rtert dann die allgemeinen psychophysischen und philosophischen Theorien, die sich an die Gef\u00fchle kn\u00fcpfen, und spricht darauf die verschiedenen Verh\u00e4ltnisse, unter denen Lust und Unlust im normalen und abnormen Bewufstsein auftreten, durch. Hervorzuheben ist, dafs er den Versuch macht, die Gem\u00fctsbewegungen zusammen mit dem Traum, der Hypnose, den Rauschzust\u00e4nden etc. unter die Kategorie der \u201eoneirotischen\u201c (traumartigen) Zust\u00e4nde zu bringen. Alle diese Zust\u00e4nde haben nach ihm im allgemeinen einen Zug zur Lust.\nSchliefslich giebt Gilman seine eigene Gef\u00fchlstheorie, welche er als \u201etheory of habit\u201c bezeichnet. Er erkl\u00e4rt n\u00e4mlich den Lust- oder Unlustwert der Vorstellungen durch den Einflufs, welchen sie auf die","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n409\nGew\u00f6hnung aus\u00fcben. Alle Eindr\u00fccke, welche eine vorhandene Gewohnheit st\u00e4rken, wirken lustvoll; alle die dagegen, welche sie schw\u00e4chen oder durchkreuzen, unlustvoll. Eindr\u00fccke, die ohne Einflufs auf die Gewohnheiten sind, z. B. oft wiederholte Eindr\u00fccke, die eine eingewurzelte Gewohnheit nicht mehr verst\u00e4rken k\u00f6nnen, sind f\u00fcr das Gef\u00fchl indifferent. Man wird dieser Theorie kaum beistimmen k\u00f6nnen, da sie die Gef\u00fchlst\u00f6ne nicht elementar genug fafst. Es w\u00e4re z. B. kaum ohne K\u00fcnstelei m\u00f6glich, den gef\u00fchlsm\u00e4fsigen Vorzug eines Tones vor einem Ger\u00e4usch, einer satten Earbe vor einem Grau nach derselben zu erkl\u00e4ren. Ob sie aber auch nur die Beziehungen der Lust und Unlust zur Gewohnheit richtig erfafst, erscheint mindestens fraglich. Es ist zu w\u00fcnschen, dafs diese Beziehungen einer genauen Untersuchung unterzogen w\u00fcrden.\nJ. Cohn (Leipzig).\nJambs H. Hyslop. Inhibition and the Freedom of the Will. Phil. Her. I. 4. S. 369\u2014388. (1892.)\nDer Artikel wendet sich gegen den Determinismus. Menschliche Th\u00e4tigkeit ist nur insoweit dem ehernen Kausalgesetz unbedingt unterworfen, als sie reflexartig vor sich geht, ganz gleich, ob der \u00e4ufsere Reiz von Empfindung begleitet ist, oder nicht. Anders, sobald die Vorstellungssph\u00e4re mitspielt. Jetzt ist die M\u00f6glichkeit vorhanden, dafs die Wirkung, d. h. die menschliche Handlung sich nicht mehr unmittelbar an die sinnliche Reizung anschliefst, was nach H. n\u00f6tig w\u00e4re, wenn zwischen beiden rein mechanischer Kausalzusammenhang best\u00e4nde ; die Thatsache der \u00dcberlegung ist ihm daher die ratio cognoscendi f\u00fcr die hier eintretende Ung\u00fcltigkeit des Kausalgesetzes. Und die ratio essendi? Die Kausalreihe im menschlichen Handeln, die durch die Reflexbewegung repr\u00e4sentiert wird, findet eine Unterbrechung (inhibition), der Reflexweg wird irgendwie abgesperrt und statt dessen die Vorstellungssph\u00e4re in den Verlauf eingeschaltet. Die nun resultierende Th\u00e4tigkeit, d. h. die eigentliche Willenshandlung, hat nun nicht mehr in \u00e4ufseren Reizen ihre Ursachen, sondern in Motiven, d. h. Vorstellungen. Doch ist diese Art der Verursachung inkommensurabel zu der gew\u00f6hnlichen des mechanischen Kausalnexus aus folgenden Gr\u00fcnden: Erstens entspringen die Motive nicht \u00e4ufseren Einwirkungen, sondern der Selbstinitia.tive, zweitens sind sie nicht blofse wirkende Ursachen (causae efficientes), sondern m\u00fcssen, um dies zu werden, zugleich Endursachen (causae finales) sein; denn die Vorstellung des zu erreichenden Zweckes bestimmt die Richtung des Willens.\nW. Steen (Berlin).\n0. Rosenbach. Beitrag zur Lehre von den Regulationsst\u00f6rungen der Muskelth\u00e4tigkeit hei Taubstummen. Centralblatt f. Nervenheilk. und Psychiatrie. Mai 1893.\nBei einer gr\u00f6fseren Schar taubstummer Kinder beobachtete der Verfasser, dafs ihr Gehen und Laufen von st\u00e4rkerem Ger\u00e4usch begleitet war, als bei normalen Kindern gleichen Alters. Eine genauere Pr\u00fcfung","page":409}],"identifier":"lit15484","issued":"1894","language":"de","pages":"408-409","startpages":"408","title":"Benjamin Yves Gilman: Syllabus of lectures on the psychology of pain and pleasure. American Journ. of Psychology, Bd. 6, S. 1-60, 1893","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:59:40.959325+00:00"}