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{"created":"2022-01-31T17:00:40.517088+00:00","id":"lit15490","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 412-416","fulltext":[{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nLitteraturbericht.\ndie geistigen Anomalien der Kinder im allgemeinen mit Ber\u00fccksichtigung des Idiotismus und Kretinismus. Die Arbeit bringt im wesentlichen bereits Bekanntes, liest sich aber gut.\tUmpfenbach (Bonn).\nMax Nordau. Entartung. Zweiter Band. Berlin, 0. Duncker. 1893. 506 S.\nHascher, als wir es nach der T\u00fclle des Inhaltes erwarten durften, hat* Nordau dem ersten Bande seiner \u201eEntartung\u201c den zweiten folgen lassen, worin er seine Untersuchungen weiter und zu Ende f\u00fchrt.\nWer, wie Nordau, der geltenden Geschmacksrichtung so schnurstracks und so schroff entgegentritt, wer so wenig, wie er, ein Blatt vor den Mund nimmt und die \u00e4tzende Lauge seiner Kritik so unbarmherzig \u00fcber zahlreiche und dabei \u00e4ufserst empfindliche K\u00fcnstlerseelen ausgiefst, der mufs auf Widerspruch gefafst und gew\u00e4rtig sein, seinerseits ebenfalls nicht mit Handschuhen angefafst zu werden.\nB\u00fccher von der Eigenart der \u201eEntartung\u201c fordern ohnehin die Kritik heraus, und diese Kritik wird je nach dem Standpunkte, den der Kritiker einnimmt, eine um so verschiedenartigere sein, je mehr er dazu getrieben wird, Partei zu ergreifen und entweder f\u00fcr oder gegen die Ansichten des Verfassers in den Kampf einzutreten.\nEs wird daher Nordau nicht an Zustimmung, aber auch nicht an einer herben Verurteilung fehlen, aber selbst seine erbittertsten Gegner werden ihm das Zugest\u00e4ndnis nicht versagen k\u00f6nnen, dafs er seine Waffen mit Geschick und Ehrlichkeit f\u00fchrt und keinen Hieb austeilt, ohne f\u00fcr dessen Berechtigung das Beweismaterial in ausgiebigster Menge zur Hand zu haben.\nWir begegnen im zweiten Bande denselben Vorz\u00fcgen, die uns die Lekt\u00fcre des ersten so anziehend machten, dem gleichen flotten Stil, den packenden Vergleichen und der geradezu verbl\u00fcffenden Belesenheit des Verfassers.\nNordau beginnt diesen zweiten Band mit der Psychologie der Ichsucht. Wie verschieden auch Individualit\u00e4ten gleich Wagner und Tolstoi, Bossetti und Verlaine auf den ersten Blick scheinen m\u00f6gen, so haben wir doch bei allen gewisse Z\u00fcge angetroffen: das verschwommene und unzusammenh\u00e4ngende Denken, das Auftreten von Zwangsvorstellungen, die erotische Erregbarkeit, die Glaubenschw\u00e4rmerei, die sie als Mitglieder einer und derselben Geistesfamilie erkennen lassen und es rechtfertigen, sie in eine einzige Gruppe, die der Mystiker, zu vereinigen.\nNeben den M3rstikern treten alsdann noch die Ichs\u00fcchtigen hervor, welche die Dinge nicht sehen, wie sie sind, die Welt nicht begreifen und sich nicht richtig zu ihr zu stellen wissen. Ein charakteristisches Merkmal aller Entarteten ist, dafs es bei ihnen nicht zu einer Entwickelung altruistischer Anschauungen und Empfindungen kommt. Ihr hervorstechendster Charakterzug ist der Egoismus, sie sind alle mehr oder minder krankhaft ichs\u00fcchtig. Auf dieser krankhaften Grundlage entwickeln sich alsdann ferner die perversen Triebe, und sie sind antisocial, wie es die Gewohnheits- und Berufsverbrecher sind, von denen sich die","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"LitteraturbericM.\n413\nDiaboliker und Dekadenten nur darin unterscheiden, dafs jene das Verbrechen ausf\u00fchren, w\u00e4hrend diese nur davon tr\u00e4umen.\nBeiden gemeinsam ist der Mangel an Anpassungsf\u00e4higkeit, daher Mifsmut, Unzufriedenheit mit der Gesellschaft und ihren Einrichtungen. So werden sie zu Pessimisten und zu Zerst\u00f6rern des Bestehenden, unf\u00e4hig zum Aufbauen, zu Mitgliedern aller tollen Vereine, der Antisemiten, Anti-Vivisektionisten und dergleichen Antis mehr. Der Gesellschaft f\u00e4llt die Verpflichtung zu, diese krankhaften Gebilde aus ihrer Gemeinschaft auszustofsen. Thut sie dies nicht, zollt sie ihnen noch gar Bewunderung, so ist dies ein Zeichen, dafs sie selber nicht mehr normal ist.\nHierher sind auch die litterarischen Ausw\u00fcchse zu rechnen, die sich auf franz\u00f6sischem Boden unter dem Namen der Parnassier und Diaboliker, der Dekadenten und \u00c4stheten breit machen und mit denen Nokdau unbarmherzig zu Gericht geht.\nFormvollendung und Gef\u00fchllosigkeit ist nach Th. Gautier das Merkzeichen der Parnassier, und die Gedichte von Catulle Mend\u00e8s, Baudelaire und Gautier zeichnen sich ebenso aus durch die Sch\u00f6nheit der Form, als durch den Unsinn des Inhalts, hier herrscht nicht der Gedanke, sondern das Wort. Der einzige Inhalt ihrer Gedichte ist ihr Ich, dabei krasse Unzucht und die Schilderung krankhafter Triebe. Sie besingen in sch\u00f6nen Weisen das Unsittliche und Abscheuliche, und Nordau f\u00fchrt Stellen an, besonders aus Baudelaire, die geradezu greulich sind.\nDer Name der Dekadenten ist aus der Geschichte des r\u00f6mischen Reiches entnommen, undBouRGET nannte sie eine \u201everfallendeGesellschaft\u201c, es sei dieselbe Reife und F\u00fclle, wie zu jener Zeit. F\u00fcr sie, die Barr\u00e9s, Huysmans und andere, ist das Kunstwerk Selbstzweck; es braucht nicht sittlich zu sein, im Gegenteil, es ist sogar besser unsittlich, und es hat Natur und Wahrheit zu vermeiden.\nDieser Anschauungsweise gegen\u00fcber f\u00fchrt Nordau aus, dafs das Wesen der Kunst eine Entlastung der Psyche von Eindr\u00fccken, die sie empfangen hat, durch entsprechende Handlungen darstelle ; ihre wirkliche Ursache sei die Emotion, und der K\u00fcnstler schaffe sich in dem Kunstwerke . eine ihn belastende Vorstellung oder Empfindung von der Seele.\nNeben diesem ersten Zwecke des Kunstwerkes, dem subjektiven Zwecke der Selbstbefreiung des K\u00fcnstlers, tritt ein zweiter objektiver hervor, der Zweck, auf andere zu wirken. Wenn diese Wirkung eine Berechtigung haben und die Kunst erfreuen und erheben soll, dann sind jene Ausw\u00fcchse gerichtet, da die Kunst ihren Zweck verfehlt und zwecklos wird, wenn sie dies nicht thut.\nHieran kn\u00fcpft sich die weitere Forderung der Sittlichkeit, und auch nach dieser Richtung hin werden wir die Ansichten der Dekadenten und \u00c4stheten abweisen und \u00fcber sie selber zur Tagesordnung \u00fcbergehen m\u00fcssen.\nNordau thut dies denn auch gr\u00fcndlich und wendet sich alsdann gegen Ibsen. In der Sucht, Ibsen zu verg\u00f6ttern und ihm die Palme der Dichtkunst zuzuerkennen, sieht er ein Zeichen derZeit. Unstreitbar, sei seine Technik vollendet, es sei jedoch eine Feuerwehrstechnik ohne Wahrheit. Auch ist es nicht die dichterische Begabung Ibsens, der die","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nLitter aturbericht.\nBewunderung seiner Anh\u00e4nger gilt, sondern seine Unklarheit, Dunkelheit und vor allem sein Mystizismus, der \u00fcberall durch das wissenschaftliche M\u00e4ntelchen durchleuchtet, das ihm Ibsen umgehangen hat.\nNordau geht seine Behauptungen an der Hand zahlreicher Belegstellen durch und begr\u00fcndet sie mit den eigenen Worten Ibsens.\nEr ist unwahrscheinlich, da er seine Personen reden und empfinden l\u00e4fst, wie sie nie reden und empfinden konnten.\nEr ist unwissenschaftlich, indem er seine Kranken frei erfindet, und da seine St\u00fccke von der Zwangsidee der Erbs\u00fcnde, der Beichte und der Selbstopferung beherrscht sind, geh\u00f6rt er mit seiner verschwommenen und unklaren Denkweise zu den Mystikern.\nEr ist ichs\u00fcchtig, und zwar ist er dies in der Form des Anarchismus. Seine St\u00fccke, die sich durch Armut der Gedankenwelt und durch trostlose Einf\u00f6rmigkeit auszeichnen, drehen sich stets um dieselben Gedanken, sie enthalten durchweg eine These und eine Antithese, den eingest\u00e4ndigen Anarchisten und den listigen, feig betr\u00fcgerischen Anarchisten.\nSein Theater ist wie ein Kaleidoskop aus einem Zehnpfennigbazar, und die einzige Einheit, die wir beim ihm entdecken, ist die seiner Verdrehtheit.\nNordau erkl\u00e4rt den Erfolg Ibsens neben der Reklame durch die verschwommenen Redensarten, die allen Tr\u00e4umern imponierten, und dann durch die Behandlung des Weibes, das bei Ibsen alle Rechte und keine Pflichten habe. Die ungeheure Mehrheit der Frauen h\u00e4tte unter der I\u00dfSENSchen Sittenlehre alles zu verlieren, und es w\u00e4re daher eigentlich die Pflicht verst\u00e4ndiger Frauen, Ibsen in Verruf zu erkl\u00e4ren und sich gegen den Ibsenismus aufzulehnen, welchen man jenen \u00fcberlassen solle, \u201edie Geist von seinem Geiste sind, also hysterischen Frauen und m\u00e4nnlichen Schwachk\u00f6pfen, die mit Ehrhard glaubten, dafs gesunder Menschenverstand und Optimismus die beiden Grunds\u00e4tze seien, welche jede Dichtung zerst\u00f6ren\u201c. Das ist schweres Gesch\u00fctz, und Nordau wird sich auf heftige Gegenst\u00f6fse der hart betroffenen Anh\u00e4nger des norwegischen Magus gefafst machen m\u00fcssen.\nDafs es nach dem Vorangegangenen dem armen Fr. Nietzsche schlecht ergehen w\u00fcrde, versteht sich eigentlich von selbst, \u2014 der unbedingt geistreiche Philosoph wird unbarmherzig zerzaust. Seine Werke sind eine Folge unzusammenh\u00e4ngender Einf\u00e4lle, eine Mischung von Poesie und Prosa, ohne Anfang und ohne Ende. Er eifert gegen alles Bestehende und will einen \u201e\u00dcbermenschen\u201c, der nur thut, was ihm gef\u00e4llt, ohne R\u00fccksicht auf seine Umgebung. Nichts ist nach Nietzsche wahr, alles ist erlaubt, es giebt kein Gut und kein B\u00f6se. Dabei ist er nur dort originell, wo er rast, alle sein\u00e9 anderen Ideen finden sich bereits bei anderen vor.\nNordau f\u00fchrt dies nach seiner Art des weiteren aus und ebenso., wie Nietzsche in seinen Eigent\u00fcmlichkeiten die Gem\u00fctsverfassung eines an wirklicher Geistesst\u00f6rung Leidenden, eines Maniacus zeige. Und gerade darum jauchze ihm das Geistesproletariat der Grofsst\u00e4dte zu, denen andere aus Kritiklosigkeit folgten. Dafs Nietzsche \u00fcberhaupt Schule machen konnte, sei eine schwere Schmach f\u00fcr das deutsche Geistesleben der Gegenwart.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraiurbericlit.\n415\nWie schon bemerkt, ist Nietzsches Verurteilung wohl selbstverst\u00e4ndlich, weniger schon, dafs auch Zola und seine Schule in den Strudel der Entartung hineingezogen werden; von Zola wenigstens wird sich dies nur in sehr bedingter Weise sagen lassen, soviel auch gegen seine Richtung einzuwenden w\u00e4re.\nEiner gr\u00f6fseren Zustimmung d\u00fcrfte sich das folgende Kapitel erfreuen, wo es den jungdeutschen Nach\u00e4ffern an den Kragen geht und Nordau unter den Herren Bleibtreu, Heinz Tovote, Hermann Bahr, Arno Holz, Johannes Schlau und wie sie alle heifsen m\u00f6gen, unerbittlich aufr\u00e4umt. Es geht ihnen gottesj\u00e4mmerlich schlecht, und wie Nordau diesmal unwiderleglich nachweist, mit vollem Rechte schlecht. \u00dcberall belegt er seine einschneidenden und vernichtenden Bemerkungen mit Stellen ihrer Werke, und seine Belesenheit ist staunen erregend.\nSie k\u00f6nnen nicht deutsch, sie sind unf\u00e4hig, das Leben auch nur zu bemerken, geschweige denn zu verstehen, sie wissen nichts, lernen nichts, erfahren und erleben nichts, sie haben nichts zu sagen, weder ein rechtes Gef\u00fchl, noch einen pers\u00f6nlichen Gedanken auszudr\u00fccken, aber sie schreiben immer zu und \u00e4ffen die abgestandenen Moden des Auslandes nach. Sie h\u00e4ngen vor ihren Kramladen das Schild \u201eZur Modernit\u00e4t\u201c, und man findet bei ihnen nichts, als die abgelegten Hosen der \u00e4ltesten Dutzendschriftsteller. (Rag. 457.) Schade, dafs Nordau die folgenden Verse nicht gekannt hat. Er h\u00e4tte sie sich sicherlich nicht entgehen lassen, und sie w\u00e4ren hier recht an ihrem Platze gewesen.\nScheint Dir ein Esel noch so t\u00e4ppisch,\nTaxierst Du noch so fad und l\u00e4ppisch,\nSo erzverwurzelt und versumpft ihn,\nEin gr\u00f6fsrer Esel \u00fcbertrumpft ihn.\nDas f\u00fcnfte und letzte Buch behandelt das zwanzigste Jahrhundert, die Prognose und Therapie der bisher geschilderten Krankheitserscheinungen.\nBisher fanden wir \u00fcberall dasselbe; ein Gehirn, das nicht im st\u00e4nde ist, regelrecht zu arbeiten, und daher Willensschw\u00e4che, Unaufmerksamkeit, Vorherrschen der Emotion, Mangel an Erkenntnis, Abwesenheit von Mitgef\u00fchl, fehlende Anteilnahme an Welt und Menschheit, Verk\u00fcmmern der Begriffe von Pflicht und Sittlichkeit, kurz alle Symptome einer psychischen Ersch\u00f6pfung, des. ersch\u00f6pften Centralnervensystems.\nWird dies so bleiben, und wie wird es werden? Vielleicht hat die Seuche ihren H\u00f6hepunkt noch nicht erreicht, vielleicht geht sie noch weiter, und Nordau gef\u00e4llt sich darin, einen derartigen Zustand auszumalen. Doch glaubt er es nicht, er hofft vielmehr, dafs diese invaliden Individuen durch den Kampf ums Dasein zu Grunde gehen und durch andere ersetzt werden, die sich an die ver\u00e4nderten Lebensverh\u00e4ltnisse gew\u00f6hnen oder zu einfacheren Lebensbedingungen zur\u00fcckkehren werden.\nF\u00fcr Kunst und Dichtung werde nur ein kleiner Platz \u00fcbrig bleiben. Schon jetzt \u00fcberwiege die Beobachtung \u00fcber die Einbildungskraft, und die Litteratur gehe zu immer ernsteren Formen \u00fcber. Fabel und M\u00e4rchen sind bereits \u00fcberwunden, und der Roman tritt immer mehr","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nLitteraturbericht.\nzur\u00fcck. Der Fortschritt wird sich jedoch in den alten Formen vollziehen, die an die Form unseres Denkens gebunden sind. Jede Erweiterung der gegebenen k\u00fcnstlerischen Formen hat bisher in der Einbeziehung neuer Stoffe und Gestalten, nicht in der Erfindung neuer Formen bestanden. Zwei Bestrebungen, welche schon seit geraumer Zeit mit einander im Wettstreit liegen, werden mutmafslich in der Zukunft noch heftiger um die Oberherrschaft ringen: die Beobachtung rmd das freie Walten der Einbildungskraft. Der Kunst wird noch mehr wie seither die Aufgabe zufallen, auf die Menschen jenen Beiz der Abwechselung auszu\u00fcben, den die Wirklichkeit nicht mehr gew\u00e4hren wird und den das Gehirn doch nicht entbehren kann. Alles, was man malerisch nennt, verschwindet notwendigerweise immer mehr von der Erde, die Gesittung wird immer gleichm\u00e4fsiger, und f\u00fcr Buinen und alte Erinnerungen ist kein Baum mehr.\nSo werden Kunst und Menschengeschlecht sich erheben.\nUnd die Mittel dazu, die Therapie?\nDie Gebildeten m\u00fcssen sich gesamt und \u00fcberall vereinen zum gemeinsamen Kampfe gegen den Unsinn, sie m\u00fcssen ihm die Maske abreifsen und ihn darstellen als das, was er ist, eine Krankheits-\u00e4ufserung.\nHeraus aus der Gesellschaft mit diesen Kr\u00fcppeln und Schmeifs-fliegen! Wer ihr so feindlich gegen\u00fcbersteht, wie die meisten der vorgenannten Individuen, mufs sich der Gesellschaft f\u00fcgen oder sie verlassen.\nAuch die Irren\u00e4rzte h\u00e4tten ihre Pflicht nicht recht begriffen. Sie d\u00e4chten bei uns allzuwenig an die Hygiene des Geistes, und dies Vers\u00e4umnis sei nachzuholen.\nK\u00fcrbau hat in harter Arbeit wenig anziehende Pfade wandern und einen Wust literarischen Materiales durchst\u00f6bern m\u00fcssen, dessen \u00dcberw\u00e4ltigung ihm wenig Freude und noch weniger innere Befriedigung gew\u00e4hren konnte.\nMan kann ihm daher die sittliche Entr\u00fcstung nicht verdenken, die ihn bei der Besprechung dieser Schriftsteller ergreift, und wenn ihn Entr\u00fcstung und Eifer hin und wieder zu weit und vielleicht sogar zu wirklichen Ungerechtigkeiten fortreifsen, so ist dies erkl\u00e4rlich. Gewifs h\u00e4tte es einer billigen Kritik besser entsprochen, wenn er auch den besseren Seiten etwas mehr Beachtung geschenkt und einige Zugest\u00e4ndnisse gemacht h\u00e4tte, allein er wollte weniger eine Kritik schreiben als darthun, dafs jene so hochgehaltenen Paladine in Wirklichkeit die krankhaften Erzeugnisse einer krankhaft belasteten Zeit seien. Er wollte \u00fcberzeugen, aufkl\u00e4ren, sch\u00fctzen und wo m\u00f6glich heilen, und eingedenk des alten Spruches, was die Medikamente nicht heilen, heilt das Eisen, griff er zum Eisen, und er schnitt tief ein in das Fleisch dieser Entarteten.\nDie Belesenheit Nordaus ist eine ungeheure, seine Arbeitskraft bewundernswert. Seine \u201eEntartung\u201c wird voraussichtlich noch auf lange hinaus die Grundlage zu einer hoffentlich erfolgreichen Beaktion gegen Bichtungen bilden, denen eine Berechtigung nicht zuerkannt werden kann, und daher ist ihr die weiteste Verbreitung zu w\u00fcnschen.\n_________________ Pelman.","page":416}],"identifier":"lit15490","issued":"1894","language":"de","pages":"412-416","startpages":"412","title":"Max Nordau: Entartung, Zweiter Band. Berlin, C. Duncker 1893","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:40.517093+00:00"}