Open Access
{"created":"2022-01-31T17:01:29.560420+00:00","id":"lit15493","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Scripture, E. W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 472-474","fulltext":[{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"Kleinere Mitteilungen.\n\u00dcber die \u00c4nderungsempfindlichkeit.\nVon\nE. W. Scripture,\nYale University.\nWenn man die Intensit\u00e4t oder eine Qualit\u00e4t eines Reizes \u00e4ndert, wird die \u00c4nderung erst bei einer gewissen Gr\u00f6fse bemerkt. Wenn diese \u00c4nderung stufenweise geschieht, handelt es sich um die Bestimmung der Unterschiedsempfindlichkeit. Die stufenweise \u00c4nderung ist aber nicht die einfachste. Man denke z. B. an den Fall einer Vergleichung zweier successiver, durch ein kleines Zeitintervall getrennter T\u00f6ne, um die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr die Tonh\u00f6he zu bestimmen. Der erste Ton tritt allm\u00e4hlich ins Bewufstsein, d. h. seine Intensit\u00e4t steigt von Null bis zum Maximum, um dann mehr oder weniger pl\u00f6tzlich zu sinken ; hiernach folgt Ruhe, bis der zweite Ton in \u00e4hnlicherWeise eintritt. Der Einflufs der Steilheit der Intensit\u00e4tskurve, der Dauer jedes Tones, sowie der L\u00e4nge des Zwischenintervalls sind noch nicht ermittelt worden. Jedenfalls ist dieses ein ganz anderer Vorgang, als eine gleichm\u00e4fsige \u00c4nderung. Die \u00c4nderungsempfindlichkeit auch f\u00fcr regelm\u00e4fsige \u00c4nderungen w\u00e4re eine einfachere Bewufstseinsthatsache ; die Erforschung derselben w\u00fcrde unmittelbar zu Bestimmungen \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Empfindlichkeit von der Zeit, ferner der Erm\u00fcdung u. s. w. vorz\u00fcglich geeignet sein.\nEine regelm\u00e4fsige \u00c4nderung wird durch den Anfangszustand, den Endzustand und den Zeitverlauf oder die Geschwindigkeit charakterisiert. Es soll z. B. die eben merkbare \u00c4nderung der H\u00f6he eines Tones gemessen werden. Die Schwingungszahl im gegebenen Moment sei n = n0. Der\nTon wird gem\u00e4fs dem Differentialquotienten \u2014 = u erh\u00f6ht oder erniedrigt;\nctv\nbei einem gewissen Wert n = n\u2018 wird die \u00c4nderung merkbar. Es wird sodann D\u2018 \u2014 n' \u2014 n0 die eben merkbare gleichm\u00e4fsige \u00c4nderung f\u00fcr\n<- u = h sein. Die eben merkbare \u00c4nderung ist aber nicht nur eine dt\nFunktion von n0, sondern auch von u; d. h. die Gr\u00f6fse der eben merkbaren \u00c4nderung h\u00e4ngt auch von der Geschwindigkeit ab, oder D","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"Kleinere Mitteilungen.\n473\nIn Versuchen mit der Wellensirene kommt diese \u00c4nderungsempfindlichkeit sehr h\u00fcbsch zur Beobachtung. Ich benutze die von Rudolph K\u00f6nig gemachte Scheibe, deren Rand in Sinuskurven ausgeschnitten ist. Diese ist auf der Achse eines Elektromotors befestigt, \u2014 eine Einrichtung, welche durch Schw\u00e4chung des Stromes eine \u00c4nderung der Rotationsgeschwindigkeit und daher der Tonh\u00f6he gestattet. Ich lasse zuerst einen Strom durchfliefsen, der eben stark genug ist, um die gew\u00fcnschte Tonh\u00f6he hervorzubringen; dann vermindere ich die Stromst\u00e4rke durch Widerstand oder Nebenschlufs. Bei einer g\u00fcnstigen Wahl des Widerstandes sinkt die Tonh\u00f6he zuerst ann\u00e4hernd gleichm\u00e4fsig. Man beobachtet nun, dafs bei konstanter Anfangsh\u00f6he und konstanter Intensit\u00e4t die eben merkbare \u00c4nderung im gleichen Sinne mit der Geschwindigkeit sich vergr\u00f6fsert oder verkleinert. Wenn die \u00c4nderung sehr langsam geschieht, kann man den Ton durch etwa eine ganze Tonstufe \u00e4ndern, ohne dafs man die \u00c4nderung bemerkt, w\u00e4hrend dagegen bei schnellerer \u00c4nderung das Ohr sehr viel empfindlicher ist. Dasselbe Gesetz gilt auch auf dem Gebiete des Temperatursinnes. Man weifs, wie empfindlich die Haut gegen\u00fcber pl\u00f6tzlichen Temperatur\u00e4nderungen ist. In den Versuchen Webers und Fechners sinkt die Unterschiedsschwelle unter Vs0 R. Diese Beobachter haben zwar gr\u00f6fsere Hautfl\u00e4chen gereizt, aber selbst f\u00fcr einen einzigen Temperaturpunkt wird diese Zahl nicht \u00fcber einen ganzen Grad wachsen. Mit einem in Science 1892, XI,. 258, angezeigten, aber noch nicht ausf\u00fchrlich beschriebenen Apparate habe ich bei langsamer Temperatursteigerung auf einem einzigen Temperaturpunkt eine eben merkbare \u00c4nderung von mehr, als 10\u00b0 C. gefunden. Diese Thatsache ist auf noch einfachere Weise zu zeigen. Wenn man den Finger auf eine Metallstange legt und die Stange am entfernten Ende erhitzt, so steigt die Temperatur des anderen Endes sehr langsam, und man kann auf diese Weise eine fast gef\u00e4hrliche Hitze ertragen, obwohl die pl\u00f6tzliche Auflegung eines anderen Fingers an dieselbe Stelle bedeutende Schmerzen erzeugt. Wir werden hierdurch an das langsame Kochen eines normalen Frosches in dem Experiment Fratschers erinnert. Im Gebiete des Drucksinnes haben Hall und Motora (Dermal sensitiveness to gradual pressure changes, Amerie. Journ. of Psychol. 1888, I, 72) entsprechende Resultate gefunden.\nHiermit zusammenh\u00e4ngend ist die Thatsache, dafs die Reizschwelle f\u00fcr die Intensit\u00e4t eines Tones h\u00f6her oder tiefer liegt, je nachdem die Schwingungsenergie von Null aus schneller oder langsamer w\u00e4chst (On the faintest perceptible sound, Americ. Journ. of Psychol. 1892, VI, 580).\nBei der Gewinnung gleichm\u00e4fsiger Geschwindigkeiten habe ich viele Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden gehabt. Dies hat mich aber auf eine sehr interessante psychologische Gr\u00f6fse aufmerksam gemacht. Wir k\u00f6nnen n\u00e4mlich nicht nur eine regelm\u00e4fsige Reiz\u00e4nderung wahrnehmen, sondern auch eine \u00c4nderung der Geschwindigkeit, mit welcher der Reiz sich \u00e4ndert. Wir nehmen also eine Beschleunigung der \u00c4nderungsgeschwindigkeit wahr. Machen wir z. B. denVersuch mit der Wellensirene wieder; aber, w\u00e4hrend die Tonh\u00f6he sinkt, schalten wir etwas mehr Widerstand in die Stromleitung. Diese bewirkt eine Beschleunigung der Ton\u00e4nderung, und diese Beschleunigung hat auch ihre Schwelle. Die eben merkbare Be-","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nKleinere Mitteilungen.\nschleunigung h\u00e4ngt von dem zweiten Differentialquotienten der \u00c4nderung in Bezug- auf die Zeit ab. Wenn wir unter A die eben merkbare Be-\nn0, \u2014-, \u2014; dt dt\nDie zwei Arten der \u00c4nderungsempfindlichkeit kann man zur Unterscheidung von der Unterschiedsempfindlichkeit vielleicht die Geschwindig-keits- und die Beschleunigungsempfindlichkeit nennen. Ihre Existenz kann man leicht demonstrieren ; heim Versuche, genaue Messungen auszuf\u00fchren, st \u00f6lst man auf grofse Schwierigkeiten. Es hat zwei Monate Arbeit gekostet, den Luftstrom der Wellensirene auf einen hohen Grad der Konstanz zu bringen. Als ich nach sechs Monaten wegen Orts\u00e4nderung meine Untersuchungen abbrechen mufste, war es mir noch nicht gelungen, hinreichende Genauigkeit bei der Bestimmung der Botationsgeschwindigkeit und daher der Tonh\u00f6he in jedem Zeitmomente zu erreichen.\nGeschichtliche Notiz \u00fcber den F\u00e4cher im Auge der V\u00f6gel.\nVon\nC. ZlEM-Danzig.\nMit litterarischen Studien \u00fcber Anatomie des Gehirns besch\u00e4ftigt, bin ich von dem Bibliothekar unserer Naturforschenden Gesellschaft, Herrn Astronomen Kays er, auf die in mancher Beziehung noch heute interessanten und wertvollen Untersuchungen \u00fcber den Bau und die Funktionen des Gehirns und der Sinneswerkzeuge der Thiere aufmerksam gemacht worden, welche G. B. Treviranos, weiland Professor in Bremen, im Jahre 1820 ver\u00f6ffentlicht hat. Es finden sich hier auch ein paar interessante Bemerkungen \u00fcber den F\u00e4cher des Auges der V\u00f6gel. Treviranus glaubt, dafs der F\u00e4cher vor dem hinteren Teile der Netzhaut einen Schleier bilde, durch welchen die ihm gegen\u00fcberliegenden Gegenst\u00e4nde noch wahrgenommen werden k\u00f6nnen, wenn die \u00fcbrige Betina durch zu heftiges Licht geblendet sei. Er scheine auch verm\u00f6ge seiner zahlreichen Blutgef\u00e4fse und seiner gefalteten Bildung einer Anschwellung und Entfaltung f\u00e4hig zu sein, die sich, wie bei der Iris, nach der St\u00e4rke des einfallenden Lichtes richte. Finde eine solche Turgescenz nicht statt, so sei nicht einzusehen, wie der Adler der Sonne entgegenzufliegen verm\u00f6ge, denn unaufgeschwollen liege der F\u00e4cher so, dafs er nur wenige Lichtstrahlen auffangen k\u00f6nne.. . .\u201c (S. 164). Treviranos ist also wohl der erste, der von einer Erektilit\u00e4t des F\u00e4chers gesprochen hat. H\u00e4tte ich vor zwfei Jahren, als ich das Anschwellen des letzteren mittelst des Augenspiegels nachweisen konnte, Kenntnis von der Schrift des Treviranus gehabt, so w\u00fcrde ich sie nat\u00fcrlich erw\u00e4hnt haben, dem Andenken eines Mannes zu Ehren, der w\u00e4hrend seines Lebens nicht viel Anerkennung gefunden zu haben scheint (Vorrede S. IV).","page":474}],"identifier":"lit15493","issued":"1894","language":"de","pages":"472-474","startpages":"472","title":"\u00dcber die \u00c4ndersungsempfindlichkeit","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:29.560425+00:00"}