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{"created":"2022-01-31T17:01:16.856865+00:00","id":"lit15495","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schumann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 475-478","fulltext":[{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"Li t tern turberi cl 11.\nG. S. Fullerton and J. McKekn Cattele. On the Perception of small Differences. Philadelphia 1892, 159 Seiten.\nEs werden die Resultate von Versuchen mitgeteilt, die nach verschiedenen psychophysischen Mafsmethoden haupts\u00e4chlich \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Armbewegungen angestellt sind.\nEine l\u00e4ngere Einleitung handelt zun\u00e4chst von den psychophysischen Mafsmethoden und der Deutung des WEBEBSchen Gesetzes. Die Verfasser gehen bei ihrer Er\u00f6rterung der Methoden von der Annahme aus, dafs eine Unterschiedsschwelle nicht existiert. Sie bezeichnen die Annahme, dafs zwei Reize vollst\u00e4ndig gleich erscheinen, so lange ihre Differenz einen bestimmten Wert nicht \u00fcberschreitet, und dafs die Differenz bei \u00dcberschreitung dieses Wertes sofort merklich wird, als \u201ecurious\u201c. Sie nehmen ihrerseits an, dafs die Deutlichkeit, mit der eine Differenz erkannt wird, von vollst\u00e4ndigem Zweifel zu vollst\u00e4ndiger Sicherheit allm\u00e4hlich \u00fcbergeht; dafs vollst\u00e4ndiger Zweifel nur bei absolut gleichen Reizen vorhanden ist (unter der Voraussetzung, dafs Fehlervorg\u00e4nge nicht existieren), dafs dagegen die geringste Differenz schon unterschieden wird, wenn auch mit minimaler Deutlichkeit. Der \u00dcbergang bis zu vollst\u00e4ndiger Deutlichkeit sei dann kontinuierlich und kein Punkt vorhanden, den man als eben merkliche Differenz bezeichnen k\u00f6nne. Aufserdem weichen die Verfasser auch noch in einem zweiten fundamentalen Punkte von den herrschenden Anschauungen ab. Sie bezweifeln n\u00e4mlich auf Grund ihrer Erfahrungen, dafs man \u00fcbermerkliche Empfindungsunterschiede direkt miteinander vergleichen k\u00f6nne. Sie glauben, dafs jede der zu vergleichenden Empfindungen die Vorstellung von der Gr\u00f6fse des hervorrufenden Reizes reproduziere und dafs dann das Urteil durch die gesch\u00e4tzten Reizdifferenzen bestimmt w\u00fcrde. Da es demnach f\u00fcr die Verfasser weder eben merkliche noch \u00fcberhaupt gleich merkliche Empfindungsunterschiede giebt, so sehen dieselben weder den Zweck psycho-physicher Untersuchungen in der Bestimmung der Abh\u00e4ngigkeit der Unterschiedsempfindlichkeit von der Intensit\u00e4t des Reizes, noch glauben sie, dafs man durch derartige Untersuchungen zu einer Messung der Intensit\u00e4t der Empfindung gelangen k\u00f6nne. Nach ihren Anschauungen dienen vielmehr die psychophysischen Mafsmethoden nur dazu, die Bestimmung der Abh\u00e4ngigkeit des mittleren Beobachtungsfehlers von der Intensit\u00e4t des Reizes, von der Gr\u00f6fse der Zwischenpause zwischen den zu vergleichenden Reizen u. s. w. zu erm\u00f6glichen. Diese abweichenden","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nLitteraturbericht.\nAnschauungen ziehen dann Modifikationen der Mafsmethoden nach sich. Die Methode der eben merklichen Unterschiede (bezw. Minimal\u00e4nderungen) wird g\u00e4nzlich abgelehnt, da sie ja auf das Vorhandensein einer Unterschiedsschwelle ihre Existenzberechtigung gr\u00fcndet. Bei der Methode der r. u. f. F\u00e4lle betrachten die Verfasser die Gleichheitsf\u00e4lle als unberechtigt, da ein Fall, wo beide Beize absolut gleich erscheinen, nach ihrer Anschauung, genau genommen, nur in einer unbegrenzt grofsen Anzahl von F\u00e4llen Vorkommen kann. Sie haben daher ihren Versuchspersonen nur die Wahl gelassen, den ersten oder den zweiten Beiz f\u00fcr den st\u00e4rkeren zu erkl\u00e4ren. Bei der Berechnung des mittleren Fehlers, ist in \u00fcblicher Weise die G\u00fcltigkeit des Giuss\u2019schen Fehlergesetzes vorausgesetzt und zwar sind nur solche Fehler ber\u00fccksichtigt, welche die Intensit\u00e4t der Empfindungen ver\u00e4ndern, w\u00e4hrend st\u00f6rende Urteilstendenzen \u00fcberhaupt nicht erw\u00e4hnt werden. Die Methode der mittleren Fehler bleibt unge\u00e4ndert.\nDa die Ansicht, dafs eine Unterschiedsschwelle nicht existiert, unter den amerikanischen Psychologen allgemeiner verbreitet zn sein scheint, so ist eine Widerlegung derselben hier wohl am Platze. Es ist zwar richtig, dafs die Existenz der Unte.schiedsschwelle f\u00fcr die meisten Sinnesreize nicht so klar zu Tage liegt, wie es bei einigen Darstellungen, angenommen wird, doch kann man dieselbe ganz sicher bei Versuchen, mit simultanen, Unmittelbar aneinandergrenzenden Lichtreizen nachweisen. Hier lassen sich bequem Helligkeitsdifferenzen herstellen, von denen, man auch bei der sorgsamsten Beobachtung nie die geringste Spur bemerken kann. Bei sucessiven Beizen ist die Sache zwar nicht ganz so einfach, da die Vergleichung derselben weniger leicht und sicher ist, als-diejenige simultaner Lichtreize, doch spricht auch bei diesen die innere Wahrnehmung durchaus f\u00fcr die Existenz der Schwelle. Denn macht man z. B. Versuche nach der Methode der r. u. f. F\u00e4lle und operiert nach dem unwissentlichen Verfahren mit gen\u00fcgend kleinen Beizdifferenzen, so kommen zahlreiche F\u00e4lle vor, in welchen man auch nicht die' geringste Tendenz versp\u00fcrt einen Beiz f\u00fcr den st\u00e4rkeren zu erkl\u00e4ren. Nat\u00fcrlich kann man auch in einem solchen Falle ein Ungieichheitsurteil abgeben, man ist sich dann aber bewufst, vollst\u00e4ndig zu raten. Hiernach m\u00fcssen wir annehmen, dafs nicht nur, wenn zwei Empfindungen E und E, absolut gleich sind, keine Tendenz vorhanden ist, welche, von dem Empfindungskomplexe (E + E,) ausgehend, auf die Hervorrufung eines bestimmten Ungleichheitsurteils gerichtet ist, sondern auch dann, wenn ihr Unterschied eine bestimmte Grenze nicht \u00fcberschreitet. Bei \u00dcberschreitung derselben wird aber der Unterschied nicht sofort in ganz deutlicher Weise merkbar, sondern zun\u00e4chst geht v\u00f6n dem Empfindungskomplexe (E -j- E,l) nur eine schwache Tendenz aus, welche das Ungleichheitsurteil hervorzutreiben sucht. Diese Tendenz wird bei weiterer Vergr\u00f6fserung des Unterschiedes st\u00e4rker und das Urteil wird lebhafter hervorgerufen. Je schw\u00e4cher die von dem Empfindungskomplexe herr\u00fchrende Urteilstendenz ist, desto leichter kann sie nat\u00fcrlich unterdr\u00fcckt werden durch Tendenzen anderen Ursprungs, welche ein anderes Urteil hervorzutreiben suchen. Wir w\u00fcrden demnach als ideale Unterschieds-","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericlit\n477\nschwelle diejenige Reizdifferenz zu betrachten haben, bei welcher der eintretende Empfindungskomplex iE, + E) das Ungleichheitsurteil gerade eben hervorzurufen vermag, vorausgesetzt, dafs weder Urteilstendenzen, die nicht von dem Empfindungskomplexe herr\u00fchren, noch andere zuf\u00e4llige Beobachtungsfehler vorhanden sind.\nWie schon erw\u00e4hnt, beziehen sich die experimentellen Untersuchungen haupts\u00e4chlich auf die Sch\u00e4tzung von Armbewegungen, und zwar sind in gesonderten Versuchsreihen die Ausdehnung, die Kraft und die Zeitdauer der Bewegung gesch\u00e4tzt. Die Versuche \u00fcber die Ausdehnung der Bewegung wurden mit horizontalen F\u00fchlstrecken nach den Methoden der eben merklichen Unterschiede, der \u00fcbermerklichen Unterschiede, (bezw. doppelten Reize), der mittleren Fehler und der r. u. f. F\u00e4lle angestellt. Von diesen vier Methoden wurden die drei erstgenannten auch bei der Untersuchung der Sch\u00e4tzung der Kraft der Bewegung benutzt, bei den Versuchen \u00fcber die Sch\u00e4tzung der Zeit der Bewegung dagegen nur die Methode der mittleren Fehler. Die Methode der eben merklichen Unterschiede wurde in der 'Weise gehandhabt, dafs z. B. bei den Versuchen mit horizontalen F\u00fchlstrecken die Versuchsperson zun\u00e4chst eine gegebene Normalstrecke mit dem Zeigefinger der rechten Hand auszumessen und dann durch Wiederholung der Bewegung eine Vergleichsstrecke herzustellen hatte, welche ihr eben gr\u00f6fser, bezw. eben kleiner erschien. Zur Messung der Kraft diente ein von den Verfassern konstruiertes Federdynamometer. Die Versuche mit demselben wurden in der Weise ausgef\u00fchrt, dafs die. Versuchsperson vor jeder Versuchsreihe sich zun\u00e4chst auf einen Normalzug von bestimmter Gr\u00f6fse (2, 4, 8, 16 kgr) ein\u00fcben muste. Hierauf wurde sofort an die eigentlichen Versuche herangegangen, und die Versuchsperson hatte z. B. bei Anwendung der Methode der mittleren Fehler zun\u00e4chst den einge\u00fcbten Normalzug zu wiederholen und dann einen m\u00f6glichst gleichen Vergleichszug auszuf\u00fchren. In analoger Weise wurde auch bei den Versuchen \u00fcber die Sch\u00e4tzung der Zeit der Bewegung die Versuchsperson vor jeder Versuchsreihe darauf einge\u00fcbt, eine Strecke von 50 cm in einer bestimmten Normalzeit (l/s, 1/i, Vs, 1 Sek.) zur\u00fcckzulegen. Gemessen wurde die Zeit mit H\u00fclfe von Vorrichtungen, welche die Verfasser neu konstruiert haben.\nVon den erhaltenen Resultaten sind haupts\u00e4chlich die folgenden zu erw\u00e4hnen:\n1.\tDie nach der Methode der eben merklichen Unterschiede an-gestellten Versuche best\u00e4tigen die (wohl von fast allen Experimentatoren geteilte) Ansicht, dafs diese Methode wenig brauchbar ist.\n2.\tBei den Versuchen mit \u00fcbermerklichen Unterschieden ergaben sich sehr variable Resultate, die mit dem WEBERSchen Gesetze nicht \u00fcbereinstimmen.\n3.\tDer mittlere Beobachtungsfehler wuchs nicht proportional der Gr\u00f6fse des Reizes, sondern ann\u00e4hernd wie die Quadratwurzel desselben,.\nAufserdem haben die Verfasser dann noch einige Versuchsreihen mit gehobenen Gewichten und succesiven Lichtreizen nach der Methode der r. u. f. F\u00e4lle ausgef\u00fchrt. Bei den Versuchen mit gehobenen. Gewachten sollte nicht die Abh\u00e4ngigkeit des Beobachtungsfehlers von der","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nL\u00fcteraturbericht.\nG-r\u00f6fse des Reizes untersucht werden, sondern die Abh\u00e4ngigkeit desselben von der Art des Hebens. Es sind daher die Versuche nur mit einem Grundgewichte von 100 g angestellt, daf\u00fcr ist aber die Hebungsweise in mannigfachster Weise -variiert. Einige der erhaltenen Resultate (z. B. die Thatsache, dafs die Vergleichung zweier Gewichte nicht merklich gest\u00f6rt wurde, als das eine viermal so rasch bewegt wurde, als das andere) sollen gegen die Theorie von M\u00fcller und Schumann sprechen, nach welcher wir beim Vergleichen zweier Gewichte f\u00fcr beide Hebungen denselben motorischen Impuls erteilen und dann das schneller emporsteigende Gewicht f\u00fcr das leichtere halten. Indessen ist zu beachten, dafs die Verfasser nur mit Gewichten von 100 g operiert haben, w\u00e4hrend die erw\u00e4hnte Theorie aus Versuchen, die mit wesentlich schwereren Gewichten angestellt sind, sich ergeben hat. Die erhaltenen Resultate k\u00f6nnen daher nur die Ung\u00fcltigkeit der Theorie f\u00fcr die Vergleichung sehr kleiner Gewichte beweisen. Dies konnte man aber schon von vornherein erwarten, da ein Gewicht von 100 g gegen\u00fcber der eigenen Schwere des Armes sehr zur\u00fccktritt. Allerdings sollen auch noch die Resultate der Versuche \u00fcber die Sch\u00e4tzung der Kraft und der Zeitdauer der Armbewegung gegen die Theorie sprechen, da aus ihnen hervorgehe, dafs die Kraft einer Bewegung besser gesch\u00e4tzt werden k\u00f6nne, als ihre Zeit, und dafs die Zeitsch\u00e4tzung dem WEBERSchen Gesetze besser entspreche, als die Sch\u00e4tzung der Kraft. Diese Resultate k\u00f6nnen indessen schon deshalb nicht gegen die Theorie ins Feld gef\u00fchrt werden, weil es nach der Ansicht der genannten Autoren bei Versuchen mit gehobenen Gewichten haupts\u00e4chlich ankommt auf die Sch\u00e4tzung der Geschwindigkeit, welche die Gewichte in den ersten Stadien der Hebung besitzen, w\u00e4hrend es sich bei den Versuchen der Verfasser um Sch\u00e4tzung der Gesamtdauer einer umfangreichen Bewegung gehandelt hat.\nSchumann (G\u00f6ttingen).\nR. Otto. Untersuchungen \u00fcber Sehnervenver\u00e4nderungen bei Art\u00e9rioscl\u00e9rose. Springer, Berlin, 1893. 132 S. 4 Tafeln.\nVerfasser hat gefunden, dafs der Nervus opticus in der Gegend des Foramen opticum durch Art\u00e9rioscl\u00e9rose der benachbarten Gef\u00e4fse (carotis, ophthalmica) gewisse Ver\u00e4nderungen erleiden kann, die sich makroskopisch als Abplattungen oder Einbuchtungen oder als Kerben des Nerven dokumentieren; mikroskopisch entspricht ihnen eine Abplattung und Verschm\u00e4lerung der unter normalen Verh\u00e4ltnissen rundlichen Nervenb\u00fcndeln mit entsprechender Verschm\u00e4lerung der dazwischenliegenden Septen; besonders bemerkenswert und der Ursache nach noch nicht aufgekl\u00e4rt ist der Umstand, dafs die mikroskopische \u00c4nderung zuerst an den centralen Nervenb\u00fcndeln eintritt. N\u00e4her auf die vorliegende, aufser-ordentlieh fleifsige, fast rein pathologisch-anatomische Arbeit einzugehen, w\u00fcrde dem Zwecke dieser Zeitschrift nicht entsprechen ; der Ophthalmologe und der Neurologe, f\u00fcr die die Monographie vorzugsweise bestimmt ist, werden sie jedenfalls mit Freuden begr\u00fcfsen und mit Interesse lesen.\nE. Schultze (Bonn).","page":478}],"identifier":"lit15495","issued":"1894","language":"de","pages":"475-478","startpages":"475","title":"G. S. Fullerton and J. McKeen Cattell: On the Perception of small Differences. Philadelphia 1892","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:16.856871+00:00"}