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{"created":"2022-01-31T15:57:44.131960+00:00","id":"lit15505","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, L. William","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 486-489","fulltext":[{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"486\nLitteraturbericht.\nZahl mit m\u00f6glichst gleicher Betonung und in m\u00f6glichst gleichen Intervallen einmal vorgelesen wurden mit der Aufforderung, dieselben im Ged\u00e4chtnis zu behalten und auf ein bestimmtes Signal hin niederzuschreiben. Von den Schlufsfolgerungen, welche der Verfasser aus den ^Resultaten zieht, sind haupts\u00e4chlich die folgenden zu erw\u00e4hnen:\n1.\tDer Umfang des Ged\u00e4chtnisses \u00fcberschreitet nicht die Zahl von sechs Ziffern; er w\u00e4chst mit dem Alter der Kinder und ihrer \u00dcbung.\n2.\tDer Umfang des Ged\u00e4chtnisses mifst die F\u00e4higkeit der Kinder, ihre Aufmerksamkeit zu konzentrieren.\n3.\tScharfer Verstand ist zwar \u00f6fter von einem grofsen Ged\u00e4chtnisumfang begleitet, aber durchaus nicht immer,\n4.\tM\u00e4dchen behalten besser, als Knaben.\n5.\tBeim Vergessen sind drei Stadien zu unterscheiden. Beim ersten\nStadium verwirrt sich die Keihenfolge der Ziffern; beim zweiten fallen einige Elemente aus, indem sich andere daf\u00fcr substituieren ; beim dritten tritt ein Verlust einiger Elemente ohne jeden Ersatz ein.\t'\n6.\tEs ist eine Tendenz vorhanden, die Zahl der Vorstellungen zu\n\u00fcbersch\u00e4tzen, wenn dieselbe auch nur wenig das Maximum des Ged\u00e4chtnisumfanges \u00fcberschreitet, w\u00e4hrend die Zahl in der Hegel untersch\u00e4tzt 'VI1'd. ^\t; ; Schumann (G\u00f6ttingen),\nMax Offner. \u00dcber die Grundformen der Vorstellungsverbindung.\nPsychologische Studie. Ph\u00fcos. Monatshefte. Bd. 28. S. 385\u2014416 und \u25a0 513-547. (1892.)\nEine verdienstliehe Arbeit, die unter weitgehender Ber\u00fccksichtigung der Litteratur und unter Beachtung der experimentellen Arbeiten dennoch mit Selbst\u00e4ndigkeit die psychologische Entstehungsweise der Associationen in ihren s\u00e4mtlichen Hauptformen zu analysieren sucht.\n\u2014\tIndem sich 0. sowohl . gegen die schulm\u00e4fsige Einteilung der Associationen, wie auch gegen diejenige Wundts wendet,. erkennt er als die Hauptarten der Vorstellungsverbindung nur die Association gleichzeitiger und die aufeinanderfolgender Vorstellungen an. Zur. Erkl\u00e4rung der eigentlichen Simultanassociation glaubt er die psychophysische Hypothese annehmen zu d\u00fcrfen, dafs bei gleichzeitiger Erregung zweier \u00f6rtlich getrennter Ganglienkomplexe \u201eder Process ;auf diejenige Eeitu\u00fcgsbahn \u00fcbergeht, welche beide Punkte verbindet\u201c. Hierdurch wird eine funktionelle Disposition, der Ganglien und der Leitungsbahnen geschaffen, so dafs bei erneuter Erregung des einen Komplexes der Procefs wieder denselben Ablauf nimmt. Einige gegen eine derartige Lokalisation erhobene Bedenken sucht er zu entkr\u00e4ften.\n\u2014\tNur als eine Unterart der Simultanass\u00f6ciation betrachtet Verfasser die sogenannte Association nach \u00c4hnlichkeit, und seine scharfsinnigen Auseinandersetzungen \u00fcber diesen Punkt verdienen besondere Beachtung. Sehr gut unterscheidet er an dieser Vorstellungsverbindung zwei Stufen. Die erste ist die eigentliche \u00c4hnlichkeits-association. Eine gegenw\u00e4rtige Vorstellungsgruppe enth\u00e4lt Elemente, die schon fr\u00fcher einmal als Bestandteile einer anderen Gruppe im B.ewufstsein waren. Indem nun die Erregung, die jene gemeinsamen","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"LitterqturberidU.\n487\nElemente ausl\u00f6st, irradiiert in ihre dazu disponierten Leitungshahnen, wird die gesamte fr\u00fchere Vorstellungsgruppe reproduciert. Sind nun aber einmal oder mehrmals zwei \u00e4hnliche Vorstellungskomplexe auf diesem Wege gemeinschaftlich ins Bewufstsein gelangt, so tritt zwischen ihnen einfache Simultanassociation ein und diese \u00fcbernimmt dann die weitere und immer fester werdende Verkn\u00fcpfung. (\u201eMai des Lebens\u201c f\u00fcr Schiller \u00c4hnlichkeits-, f\u00fcr uns Ber\u00fchrungsassociation.) \u2014 Wie aber, wenn die beiden Vorstellungen, die uns \u00e4hnlich scheinen, einfach sind, d. h. gar keine \u00fcbereinstimmenden Einzelmerkmale haben? Auf diese begr\u00fcndete H\u00f6ffding insbesonders seine Theorie der \u00c4hnlichkeitsassociation, indem er behauptete, dafs jeder, auch der Ber\u00fchrungsassociation ein \u201eWiedererkennen\u201c vorhergehe, d. h. ein psychischer Akt, welcher die \u00dcbereinstimmung der gegenw\u00e4rtigen mit einer vergangenen Vorstellung konstatiere. Dagegen Offnes: Eine augenblickliche und eine ihr v\u00f6llig gleiche fr\u00fchere Vorstellung sind \u00fcberhaupt nicht zwei geschiedene Vorstellungsindividuen, sondern schlechthin identisch, stimmen sie genau \u00fcberein, so. ist es undenkbar, sie zu trennen, sie als Zweiheit auseinanderzuhalten. Der Begriff des Wiedererkennens schliefst also den der Verschiedenheit in sich. Der leichtere Ablauf .und die daraus folgende Lustbetontheit der zweiten Empfindung gen\u00fcgt nun nach O. nicht, eine \u201eBekanntschaftscjualit\u00e4t\u201c herzustellen, vielmehr kommt er zu dem Ergebnis, dafs als Ursache der Scheidung zweier einfacher Vorstellungen das unter der Bewufstseinsschwelle vor sich gehende Mitspielen von Neben umst\u00e4nden sei, die fr\u00fcher mit dem Element verbunden waren und sich mit den jetzigen Nebenumst\u00e4nden nicht decken. Dies Hineinspielen verleiht dem Bewufstseinskomplex eine eigent\u00fcmliche E\u00e4rbung, und dieselbe wird als Bekanntschaftscpralit\u00e4t verwandt. Freilich, mufs uns die.Erfahrung durch das eigentliche bewufste Wiedererkennen erst lehren, dafs jene F\u00e4rbung ein Merkmal von dem schon fr\u00fcheren Vorhandensein einer entsprechenden Vorstellung ist; und so ist das; sogenannte mittelbare Wiedererkennen elementarer, als das \u201eunmittel-Imve\u201c. -- Wiederum eine Unterart .der eben behandelten Form ist die Xontrastassoeiation. Zwei entgegengesetzte Vorstellungen, verbinden,siph lediglich -auf Grund ihrer \u00fcbereinstimmenden Merkmale, haben daher auch weniger Aussichten, sich zu associieren, als Vorstellungen, die mehr. \u00c4hnlichkeit und weniger Verschiedenheit aufweisen. Es m\u00fcssen daher, sobald kontrastierende Vorstellungen zur Association gekommen, sind, beg\u00fcnstigende Nebenumst\u00e4nde mitgewirkt haben. Ist die Verbindung einmal gebildet, so erfolgt als zweite .Entwickelungsstufe des Processes die fernere Reproduktion und Festigung wieder vermittelst einfacher Simultanassociation. \u2014 In ganz \u00e4hnlicher Weise sucht D. die Association des Teiles zum Ganzen und die einer untergeordneten Vorstellung mit. der \u00fcbergeordneten zu analysieren; erstere f\u00fchrt er auf blofse Kontiguit\u00e4t zur\u00fcck, letztere in den meisten F\u00e4llen auf \u00c4hnlichkeitsverbindung; nur Wenn der \u00fcbergeordnete Begriff durch das Lautbild des entsprechenden Wortes symbolisiert .wird, findet auch hier Ber\u00fchrungsassociation statt.\nDie zweite Grundform der Vorstellungsverbindung ist die Association successiver Vorstellungen. Bei deren Er\u00f6rterung sieht Verfasser in der","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"488\nL\u00fcteraturbericht.\nBek\u00e4mpfung M\u00fcnsterbergs, der die Existenz jener Assosiationsart \u00fcberhaupt geleugnet hat, seine Hauptaufgabe, indem er dessen theoretische Deduktionen zu widerlegen, seine Experimente umzudeuten sucht. M\u00fcnsterberg behauptet: Scheinbar successive Associationen kommen dadurch zu st\u00e4nde, dafs die einzelnen aufeinanderfolgenden Vorstellungen, von sich gleichbleibenden Spannungszust\u00e4nden oder Empfindungen begleitet w\u00fcrden, mit denen ,sie sich simultan associieren, und dafs diese Komplexe dann auf Grund jener \u00fcbereinstimmenden Merkmale durch \u00c4hnlichkeitsassociation verkn\u00fcpft w\u00fcrden. 0. erwidert: Woher kommt es dann, dafs, wenn die successiven a, b, c und d mit dem konstanten m verbunden sind, sie in eben dieser Reihenfolge sich reproducieren? K\u00f6nnte sich nicht md dann ebensogut an mb, wie an mc anschliefsen? Innehaltung der urspr\u00fcnglichen Anordnung w\u00e4re dann die Ausnahme, nicht die Kegel, Eerner, angenommen, m bliebe sich nicht immer gleich, sondern ver\u00e4ndere sich allm\u00e4hlich (amlt bm%, cma . .), so w\u00e4re zwar denkbar, dafs die Keihenfolge gewahrt bliebe wegen der zwischen den benachbarten Gliedern bestehenden gr\u00f6fsten \u00c4hnlichkeit ; viel wahrscheinlicher aber w\u00e4re es, wenn am, ein einer fr\u00fcheren Vorstellungsreihe angeh\u00f6riges xm (wo ein Element gleich ist), als 6m2 (wo ein Element nur \u00e4hnlich ist), reproducierte. \u2014 Scheinbar successive Association wird nach M. ferner dadurch m\u00f6glich, dafs die aufeinanderfolgenden Vorstellungen parallel liefen mit einer Keihe gleichzeitiger reflektorischer Bewegungen oder Bewegungsantriebe. Der hierdurch einge\u00fcbte und dann wiederholte Ablauf der Bewegungen f\u00fchre durch simultane Association die entsprechenden Vorstellungen zur\u00fcck. 0. sagt: Dadurch ist das Problem nur zur\u00fcckgeschoben, denn der Ablauf der ' Bewegungen in gleicher Keihenfolge ist ebenso unerkl\u00e4rt, wie der der Vorstellungen. \u2014 Auf die Erage, wie die Association zweier successiver, verschiedenen Sinnesgebieten angeh\u00f6riger Eindr\u00fccke (z. B. Blitz und Donner) zu verstehen sei, antwortet M. : Der Geh\u00f6rseindruck des Donners reproduciert durch \u00c4hnlichkeit den Keizungszustand des Ohres im Augenblick des Blitzes, jener durch Simultaneit\u00e4t den Blitz. I 0. meint: Der Erregungszustand des Geh\u00f6rs w\u00e4hrend des Blitzes hat wenig Anlage zum Keproduciert-werden, da er schwach und von der Aufmerksamkeit vernachl\u00e4ssigt sei ; vielmehr w\u00fcrde der Donner einen fr\u00fcheren Donner durch \u00c4hnlichkeit reproducieren k\u00f6nnen, und so sei der \u00dcbergang zum Blitz nie gegeben. \u2014 Und nun zu M\u00fcnsterbergs Experimenten. Bei denselben waren bekanntlich successive Eindr\u00fccke vors Auge gef\u00fchrt worden, welche die Versuchsperson sich das eine Mal in jeder beliebigen Weise einpr\u00e4gen durfte, w\u00e4hrend sie das andere Mal gleichzeitig mit Kopfrechnen besch\u00e4ftigt war. Es stellte sich nun heraus, dafs im zweiten Palle die einzelnen Elemente ganz gut, ihre Keihenfolge aber viel schlechter behalten wurde, als im ersten. M. folgerte nun so : Da in der zweiten Keihe jene (oben erw\u00e4hnten) Bedingungen sorgf\u00e4ltig ausgeschlossen waren, welche eine scheinbare successive Association h\u00e4tten herbeif\u00fchren k\u00f6nnen (insbesondere die Mitwirkung der parallelen Reihe der Sprachbewegungen), so fand \u00fcberhaupt keine successive Association statt, d. h. eine solche im eigentlichen Sinne ist nicht m\u00f6glich. Hier-","page":488},{"file":"p0489.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n489\ngegen bringt nun Offner zwei Argumente vor, die mir eine betr\u00e4chtliche Beweiskraft zu haben scheinen: 1. Hat M\u00fcnsterberg recht, so m\u00fcssen alle die F\u00e4lle, in denen bei der zweiten Versuchsserie doch die richtige Reihenfolge angegeben wurde, auf Zufall beruhen. Daf\u00fcr aber sind die Zahlen viel zu hoch; sie betragen das 12-, bezw. 43- u. 121fache von dem, was die Wahrscheinlichkeitsrechnung bei blofsem Zufall erg\u00e4be. Dies doch noch so h\u00e4ufige Festhalten der rechten Reihenfolge mufs also einen besonderen Grund haben, d. h., da simultane Association durch die Versuchsanordnung ausgeschlossen ist, mufs successive Association als. Thatsache existieren. 2. Die Ged\u00e4chtnisversuche von Ebbinghaus zeigen, dafs beim Wiederlernen einer schon einmal eingepr\u00e4gten Silbenreihe im Vergleich zum Neulernen Zeit erspart wird, selbst dann noch, freilich in weit geringerem Mafse, wenn man das zweite Mal die Reihe mit Auslassung von Gliedern lernt. M\u00fcnsterberg w\u00fcrde nun nach 0. die geringere Zeitersparnis im letzten Falle dadurch erkl\u00e4ren, dafs jene Reihe der Sprachbewegungen auseinandergerissen war, die beim erstmaligen Lernen die Vorstellungsreihe begleitete; nur die Thatsache, dafs die isolierten Silben schon bekannt waren, bewirkte die Abk\u00fcrzung der Lernzeit. In diesem Falle aber, meint nun 0., m\u00fcfste Zeitersparnis, bezw. Zeitverlust ganz gleich sein, in welcher Reihenfolge auch die einmal auseinandergerissenen Silben wiedergelernt wurden, vorausgesetzt nur, dafs der fr\u00fchere Sprachmechanismus nicht mithelfen konnte. Nun zeigen aber die Versuche, dafs bei \u00dcberspringung nur eines Gliedes die Ersparnis gr\u00f6fser war, als bei dem von zwei u. s. w., und somit ist bewiesen, \u201edafs jedes einzelne Glied mit jedem einzelnen sich verkn\u00fcpft hat mit abnehmender St\u00e4rke bei zunehmendem Abstand, d. h. sich associiert hat nach Mafsgabe der Succession\u201c. \u2014 So giebt es denn nach 0. eine selbst\u00e4ndige, freilich der simultanen nahe verwandte, successive Association. Auch bei dieser findet Simultaneit\u00e4t statt, aber nicht zwischen den beiden Vorstellungen, sondern zwischen der einen Vorstellung und einer unter der Schwelle abfliefsenden Nachwirkung der. anderen, die oft noch lange Zeit nach dem Verschwinden der eigentlichen Vorstellung gen\u00fcgende St\u00e4rke haben kann, \u201eum dem zwischen den beiden successiv erregten Centren liegenden Verbindungsweg eine gewisse Disposition zu verschaffen\u201c. Nat\u00fcrlich ist eine solche Disposition und dementsprechend die daraus hervorgehende Association schw\u00e4cher, als die eigentliche simultane, womit auch die kleineren Zahlen in M\u00fcnsterbergs zweiter Versuchsreihe \u00fcbereinstimmen.\tW. Stern (Berlin).\nL. William Stern. Die Analogie im volkst\u00fcmlichen Denken. Eine psychologische Untersuchung. Mit einer Vorbemerkung von Prof. M. Lazarus. (Selbstanzeige.) Berlin, R. Salinger, 1893. 164 S.\nIn logischen Lehrb\u00fcchern findet man die Analogie meist nur auf wenigen Seiten behandelt, und das mit Recht; denn als Form des aus^ gebildeten wissenschaftlichen Denkens ist sie: von verh\u00e4ltnism\u00e4fsig geringer Wichtigkeit. Aber man kann eine Denkform auch unter ganz andersartigen Gesichtspunkten betrachten, nicht nur in ihrem Sein, als starres, fertiges, in sich abgeschlossenes Gebilde, sondern in ihrem","page":489}],"identifier":"lit15505","issued":"1894","language":"de","pages":"486-489","startpages":"486","title":"Max Offener: \u00dcber die Grundformen der Vorstellungsverbindung. Psychologische Studie. Philos. Monatshefte, Bd. 28, S. 385-416 und 513-547, 1892","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:57:44.131965+00:00"}