Open Access
{"created":"2022-01-31T15:52:26.033611+00:00","id":"lit15510","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 6: 494-495","fulltext":[{"file":"p0494.txt","language":"de","ocr_de":"494\nLitter'aturbericlit.\nE. Krapelin. Psychiatrie. Eil! kurzes Lehrbuch f\u00fcr Studierende und \u00c4rzte. 4. Aufl. Leipzig 1893.. Abel. 702 S.\nDieses Werk, welches Verfasser dem Andenken Bernhard von Gtjddens gewidmet hat, stellt eine vollst\u00e4ndige Neubearbeitung der vorhergehenden Auflage dar. Wenn auch dasselbe an dieser Stelle nicht genauer besprochen und gew\u00fcrdigt werden kann, so sei doch die Lekt\u00fcre des sehr fleifsigen und anregend geschriebenen Werkes angelegentlichst empfohlen.\nE. Schultze (Bonn).\nJo:llt. \u00dcher Irrtum und Irrsein, \u00dfede, gehalten,zur Feier des Stiftungstages der milit\u00e4r\u00e4rztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1893. Berlin 1893. A\u00fcg. Hirschwald. 32 S.\t...\nJolly macht hier die Beziehungen von Irrtum und Irrsein zum Gegenst\u00e4nde einer h\u00f6cht anziehenden und geistreichen Besprechung, und wenn er sich auch, durch die Grenzen des Vortrages gebunden, nicht auf eine eingehendere Beschreibung einlassen kann, so fehlt.-es andererseits doch, nicht an mannigfachen Ausblicken und an Hinweisungen auf die Fragen des Tages.\nWenn auch Irrt\u00fcmer in den mannigfachsten Formen zu den. r.egel-m\u00e4fsigen und wichtigsten Symptomen geistiger St\u00f6rung geh\u00f6ren, so kommt;doch viel weniger der Irrtum an Sich, als vielmehr die Art seiner Entstehung und das Verh\u00e4ltnis, in das er zu anderen psychischen Vorg\u00e4ngen tritt, f\u00fcr die psychiatrische Beurteilung in Betracht, und. zwar liegt die Differenz in gewissen Zust\u00e4nden des Gehirns, durch welche ein \u00dcberwiegen oder ein Schwinden einzelner Glieder des .psychologischen Vorganges bedingt wird.\t, i, 1\nZum Teil sind es Unvollkommenheiten der Sinnesorgane selbst, die solche Verschiedenheiten erkl\u00e4ren, viel h\u00e4ufiger aber liegen M\u00e4ngel des eigentlichen Perceptionsvorganges zu'Grunde. Die durch den Sinneseindruck unmittelbar wachgerufenen Erinnerungsbilder, in deren Identifi-cierung der Wahrnehmungsakt besteht, sind dann nicht die seiner Form, entsprechenden, sondern mehr oder weniger davon abweichende. Die subjektive Zuthat, die in jeder Wahrnehmung liegt, ist falsch gegriffen und \u00fcberliefert somit'ein unrichtiges Bild des erregenden Objektes. Es handelt sich hier schon um eine Art der Sinnest\u00e4uschung,. und zwar um die '.Illusion. Aber diese Erscheinung kommt keineswegs nur bei Geisteskranken vor, sie mischt sich vielmehr unaufh\u00f6rlich in unsere Wahrnehmungen ein, und dies ist zumal dann der Fall, wenn die Klarheit unseres Vorstellens durch \u00e4ufsere oder innere Einfl\u00fcsse, so. z. B. beim Einschlafen, durch Alkohol, Affekte oder dergleichen, beeintr\u00e4chtigt und die bewufste Association gelockert wird.\nSolange wir im Stande sind, diese Irrt\u00fcmer zu -korrigieren, geh\u00f6ren; sie noch dem physiologischen Gebiete an, Um dies jedoch sofort zu verlassen, und zum pathologischen Irrtum \u2014 dem Wahne \u2014 zu werden; wenn jenes nicht mehr gelingen will. N\u00e4chst,, den St\u00f6rungen der Wahrnehmungen sind es solche des Ged\u00e4chtnisses, die den Irrtum in mannigfaltiger Gestalt erzeugen, und zwar sind es partielle Defekte und Verf\u00e4lschungen des Ged\u00e4chtnisinhaltes, die sich entweder als Er-","page":494},{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"Litteratwbericlit.\n.495\ninnerungst\u00e4uschung oder als Erinnerungsf\u00e4lschung \u00e4ufsern, je nachdem man eine Wahrnehmung schon fr\u00fcher gemacht, eine Situation durchlebt zu haben glaubt, oder wo das nicht mehr oder nur unklar Erinnerte kurzweg durch irgend ein Phantasiegebilde ersetzt wird.\n\u00c4hnlich geht es mit zwei anderen psychischen Erscheinungen, die schon mehr aufserhalb der direkten Verkettung des Denkens gelegen sind, und die man als Einfall, oder, wenn tiefere Probleme in Betracht kommen, als Inspiration^ oder Intuition bezeichnet.\nMeist ein Kennzeichen des Genies und eine Bedingung seiner Gr\u00f6fse,. verlangen sie jedoch auch die Kraft des Genies, der intuitiven Erkenntnis die logische Pr\u00fcfung und die induktive Beweisf\u00fchrung folgen zu lassen und jede Intuition abzulehnen, die dieser Kritik nicht standh\u00e4lt. Ist dies nicht der Pall, so f\u00fchrt der Weg direkt zu Irrtum und Wahn.\nNoch direkter thut dies die Zwangsvorstellung, die zwar an sich noch kein Irrsein bedingt, aber doch durch den Zwang des Vorstellens leicht zu einem falschen Vorstellen werden kann.\nSo kurz Jolly auch bei der Reichhaltigkeit seines Materiales vier\u00bb fahren null's, so vers\u00e4umt er doch nie, auf die \u00dcberg\u00e4nge vom Gesunden zum Kranken aufmerksam zu machen, wie sie in allen Kategorien Vorkommen, und er betont mehrfach, wie der pathologische Irrtum \u00fcberall da zu st\u00e4nde kommt, wo in den einzelnen Gebieten Reizerscheinungen mit allgemeiner oder partieller Schw\u00e4che der h\u00f6heren bewufsten Associationen einhergehen. Auf diese Weise erkl\u00e4rt sich auch die Einwirkung gewisser Kategorien von Geisteskranken auf Gesunde, und wie sie diese alsdann zu Gunsten ihres Wesens mit sich fortreifsen, so dafs es unter Umst\u00e4nden zu einer f\u00f6rmlichen epidemischen Verbreitung gewisser Ideenrichtungen kommen kann. Die Nutzanwendung an verschiedenen Vorkommnissen der neuesten Zeit ergeben sich von selbst,, und Jolly begn\u00fcgt sich damit, sie anzudeuten und die weiteren Schl\u00fcsse seinen Zuh\u00f6rern zu \u00fcberlassen.\nJolly schliefst mit der Bemerkung, dafs, wenn auch der einzelne Irrenarzt auf das allgemeine Menschenrecht Anspruch erheben d\u00fcrfe, gelegentlich lrrtiunern zu unterliegen und in einem einzelnen Palle nicht ganz das Richtige zu treffen, die Psychiatrie als Erfahrungswissenschatt jedoch hiervon unber\u00fchrt bliebe und \u00fcber hinreichende Kriterien verf\u00fcge, um Irrtum von Irrsein zu unterscheiden.\nHiermit kehrt Jolly zu seinem Anf\u00e4nge zur\u00fcck, wo er auf die falschen Auffassungen des Begriffes der Geisteskrankheit hinwies, und wie selbst in unserer Zeit. wieder Versuche auftauchen konnten, die Zust\u00e4ndigkeit des Psychiaters f\u00fcr die Entscheidung zwischen geistiger Gesundheit und Krankheit zu bestreiten und gesetzlichen Schutz gegen seine vermeintlichen \u00dcbergriffe anzurufen.\tPelman.\nJules Voisin. L\u2019Idiotie. Psychologie et \u00e9ducation de l\u2019idiot. Paris, F. Alcan, 1893. 295 S.\nF\u00fcr die Ver\u00f6ffentlichung seiner in dem Hospice de la Salp\u00eatri\u00e8re zu Paris gehaltenen Vorlesungen \u00fcber Idiotie verdient Verfasser Dank, giebt er uns damit doch \u2014 was bis jetzt in der Litteratur fehlte \u2014 ein","page":495}],"identifier":"lit15510","issued":"1894","language":"de","pages":"494-495","startpages":"494","title":"Jolly: \u00dcber Irrtum und Irrsein, Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der milit\u00e4r\u00e4rztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1893. Berlin 1893, Aug. Hirschwald","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:52:26.033634+00:00"}