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{"created":"2022-01-31T16:06:19.123016+00:00","id":"lit15534","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Martius, G\u00f6tz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 220-222","fulltext":[{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nLitter aturbericht.\nden der Verfasser bei einem melancholischen Manne ausf\u00fchrlich beschreibt, mit dem Unterschiede, dafs bei ihm die Empfindung des Durchn\u00e4fst-seins von Kopf bis zu den F\u00fcfsen auch spontan, und an unbedeckten Teilen, im Gesicht, an den H\u00e4nden, \u2014 bei objektiv wahrnehmbarer Trockenheit der Haut \u2014 sich einstellt. Wie dort, werden feucht oder glatt miteinander verwechselt, warm und kalt aber genau unterschieden. Aufserdem wurde, wie in Ramadiers zweitem Falle, eine leise Geh\u00f6rsst\u00f6rung auf beiden Ohren beobachtet.\nAus diesen Thatsachen folgert Tambroni, dafs das Feuchtigkeitsgef\u00fchl eine von den \u00fcbrigen Qualit\u00e4ten unabh\u00e4ngige St\u00f6rung sei, lokalisiert an der Basisrinde der grofsen Hemisph\u00e4ren, da bei der Sektion des an Enteritis Verstorbenen Erweichung am vorderen unteren inneren Teile des Schl\u00e4fen-Keilbeinlappens beider H\u00e4lften gefunden wurde.\tFraenkel.\nAlfred Lehmann. \u00dcber die Beziehung zwischen Atmung und Aufmerksamkeit. Philos. Stud. Bd. IX. S. 66\u201495.\nAuf dem psychologischen Kongrefs in London hatte A. Lehmann bereits Mitteilungen von Versuchen gemacht, welche die Abh\u00e4ngigkeit der bekannten sogenannten Aufmerksamkeitsschwankungen und ihrer Perioden von der Atmung darthun sollten. Von Herrn Sch\u00e4fer wurde bei der Diskussion auf die Unwahrscheinlickeit einer solchen Annahme vom physiologischen Standpunkte aus hingewiesen, w\u00e4hrend Referent die von ihm mitH.MARBE gemachten und von diesem sp\u00e4ter mitgeteilten Versuche {Philos. Stud. Bd. VIII. S. 615) entgegenhielt, nach welchen die Schwankungen eine deutliche Abh\u00e4ngigkeit von der St\u00e4rke der gew\u00e4hlten Reize zeigen und die Intermissionen der Empfindung mit abnehmender Intensit\u00e4t des untersuchten Reizes zunehmen. Inzwischen waren auch die denselben Gegenstand behandelnden Arbeiten der Herren Eckener und Pace erschienen. {Philos. Stud. Bd. VIII.)\nDie jetzige Ver\u00f6ffentlichung des Herrn Verfassers stellt in ihrem zweiten Teile ebenfalls die Abh\u00e4ngigkeit der Schwankungen von der Reizst\u00e4rke fest, ohne die Arbeit des Herrn Marbe mit einem Worte zu erw\u00e4hnen; im ersten Teile sucht sie den Einflufs der Atmung auf die Schwankungen durch neue Versuche zu erh\u00e4rten. Vorausgeschickt ist eine Kritik fr\u00fcherer Arbeiten, namentlich der von M\u00fcnsterberg und Eckener. Die ansprechende Versuchsanordnung bestand in zwei MAREYSchen Schreibapparaten, durch welche unmittelbar untereinander die Atmungskurve und die Reaktionen auf die Empfindungsschwankungen verzeichnet wurden. Untersucht wurden akustische, optische und elektrische Reize.\nDer Verfasser deutet die Ergebnisse nach unserer Ansicht allzu optimistisch zu Gunsten seiner Hypothese. Dieselbe entstammt einer Erkl\u00e4rungsart, die in doppelter Weise Gefahren in sich schliefst. Einmal ist der Atmungsprozefs, so wesentlich er als wichtigste Lebensbedingung auch f\u00fcr das Gehirnleben ist, doch als rein physiologische Erscheinung so weit von den eigentlichen psychophysischen Processen entlegen, die","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00c0tteraturbericht.\n221\nBeziehung ist eine so indirekte, dafs es von vornherein nicht berechtigt ist, bestimmte psychische Einzelerscheinungen in direkter Abh\u00e4ngigkeit vom Atmungsprozefs anzunehmen. Bei dem Rhythmus in Musik und Metrik, noch mehr bei den Affekten ist die Beziehung zwischen Atmung und psychischer Erscheinung verst\u00e4ndlich, nicht so hier. Die Gehirn-hvperh\u00e4mien, welche bei Lehmann die Br\u00fccke sind, sind doch ebenfalls ganz allgemein Bedingungen f\u00fcr jede Bewufstseinserscheinung. Es w\u00fcrde kaum gelingen, die Associationen und das Tempo des Vorstellungsverlaufes als Punktion des Tempos der Atmung zu erweisen, ein Versuch, der auf genau gleichem Boden mit demjenigen L.\u2019s stehen w\u00fcrde. Aus der allgemeinen Abh\u00e4ngigkeit eine Abh\u00e4ngigkeit im engeren direkten Sinne zu machen, ist ein Sprung, der nur auf direkte Beweise hin gewagt werden darf. Als solcher kann nur gelten, wenn die Zeiten einer Phase der Atmung mit denjenigen einer Sinnesschwankung als konstant \u00fcbereinstimmend sich erg\u00e4be, wenn \u00c4nderungen der Atmungsperioden mit solchen der Schwankungsperioden in erkennbarer Weise verbunden w\u00e4ren.\nMit dieser Forderung ist der zweite gef\u00e4hrliche Punkt des Unternehmens L.\u2019s ber\u00fchrt. Vergleicht man zwei periodische Erscheinungen ganz heterogener Art, so wird es nicht schwer sein, eine Beziehung zwischen ihren Zeiten experimentell zu finden und graphisch darzustellen. Es beruht ja darauf die graphische Methode selbst. Die Perioden und Geschwindigkeiten der Umdrehung der Kymegraphiontrommel treten in Beziehung zu denen der Atmung; eine solche Beziehung ist aber darum keine Abh\u00e4ngigkeitsbeziehung. Vergleicht man eine regelm\u00e4fsig periodische Erscheinung, wie das Atmen mit unregelm\u00e4fsig periodischen Erscheinungen, wie die Sinnesschwankungen, so ergiebt sich ebenfalls unter allen Umst\u00e4nden eine Beziehung, die darum aber auch noch keine Abh\u00e4ngigkeitsbeziehung ist. Je nach dem Grade der Unregelm\u00e4fsigkeit des einen Vorganges und dem Zeitverh\u00e4ltnis der Perioden werden sich Maxima und Minima des Zusammenfallens bestimmter Phasen der beiden Reihen ergeben. Bestimmte Abh\u00e4ngigkeiten derselben von einander w\u00e4ren nur anzunehmen, wenn eine alle Zuf\u00e4lligkeit ausschliefsende konstante Beziehung sich herausstellt. Die gesamten Versuchsergebnisse entsprechen aber dem Bilde, welches die nur zuf\u00e4llige Beziehung der zwei Reihen erwarten l\u00e4fst. Maxima und Minima der Reaktionen verteilen sich auf Inspiration, Exspiration und Ruhepause (Fig. 7), es ist kein Punkt der Atmungskurve durch ein konstantes Maximum oder Minimum ausgezeichnet. Auch die Ergebnisse beim elektrischen Reize, die zun\u00e4chst g\u00fcnstiger erscheinen, bieten das gleiche Bild. Der Umstand, dafs die ganzen Perioden hier nahezu \u00fcbereinstimmen, beweist allein gar nichts, sondern h\u00e4tte gerade zur Vorsicht mahnen m\u00fcssen. Die von L. auch hier festgestellte Abh\u00e4ngigkeit der Intermissionen von den Intensit\u00e4ten (das wertvollste Ergebnis der Arbeit) schliefst schon die Verteilung des Eintretens der Schwankungen \u00fcber die ganze Atmungsperiode ein. Die Regelm\u00e4fsigkeit, welche Verfasser in Figur 3 (Taf. I) finden will, vermag Referent nicht zu entdecken, und bei den momentanen Versuchen ist der Unterschied zwischen den beiden Reagenten (Fig. 8 und 9) ein so grofser,","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLitteraturbericht.\ndafs auch hierdurch die Gesetzm\u00e4fsigkeit der Beziehung widerlegt wird. Zum Schlufs die Bemerkung, dafs auch die Annahme, hei den Gesichtsempfindungen sei das Zittern der Accommodationsmuskeln die Mitursache der Schwankungen, aus mehrfachen Gr\u00fcnden mehr als unwahrscheinlich ist (cf. Philos. Stud. Bd. VIII. S. 619 ff.).\tG\u00f6tz Martius.\nA. Binet. M\u00e9moire visuelle g\u00e9om\u00e9trique. Rev. philos. Bd. 35. S. 104-106.\n(Jan. 1893).\nA. Binet. Notes compl\u00e9mentaires sur M. Jaques Inatjdi. Ebda. S. 106\u2014112. J. M. Charcot et A. Binet. Un calculateur du type visuel. Ebda\nS. 590-594. (Juni 1893.)\nDiese drei Arbeiten besch\u00e4ftigen sich mit den H\u00fclfsmitteln, deren sich ausgezeichnete Ged\u00e4chtnisk\u00fcnstler bei ihren Leistungen bedienen. Die erste derselben behandelt die Resultate einer von Binet angestellten Enquete \u00fcber die Art des Ged\u00e4chtnisses von Schachspielern, welche mehrere Partien gleichzeitig ohne Betrachtung des Schachbretts spielen k\u00f6nnen. Er fand dabei zwei verschiedene Typen. Bei dem einen wird das ganze Schachbrett samt den Figuren in Form und Farbe konkret vorgestellt (m\u00e9moire visuelle concr\u00e8te), wobei jedoch unwesentliche Einzelheiten, wie Schatten, Lichtreflexe etc., vernachl\u00e4ssigt werden. Die Spieler des zweiten Typus dagegen stellen sich die Figuren nur durch ihre m\u00f6glichen Bewegungen vor. Ein Springer oder L\u00e4ufer ist ihnen nicht eine Figur von der und der Form, sondern eine Figur, die diese oder jene Z\u00fcge machen kann. Binet bezeichnet diese abstraktere Form als \u201em\u00e9moire visuelle g\u00e9om\u00e9trique\u201c.\nDer Rechenk\u00fcnstler Inaudi bedient sich wesentlich des Geh\u00f6rbildes. Er geh\u00f6rt also zum \u201etype auditif\u201c Charcots. Beweisend daf\u00fcr ist \u2014 mehr als seine eigene Aussage \u2014 der Umstand, dafs er erst mit zwanzig Jahren die Ziffern lesen lernte, w\u00e4hrend er seine Rechenk\u00fcnste schon mit sechs Jahren begann.1 Trotz seiner grofsen Unbildung wird Inaudi als ein intelligenter Mann geschildert. Seine Fertigkeit scheint er, wie andere Rechenvirtuosen, weniger einer nat\u00fcrlichen Anlage als einer einseitigen Dressur zu verdanken. Dabei ist die Fassungskraft seines Ged\u00e4chtnisses auf Kosten der Dauer ausgebildet, ja, Inaudi sucht absichtlich die Ziffern einer Sitzung zu vergessen, um gewissermafsen Raum f\u00fcr neue zu erhalten.\nIm Gegensatz zu Inaudi ist der griechische Rechner Diamandi, von welchem der dritte der citierten Aufs\u00e4tze handelt, ein Beispiel visuellen Ged\u00e4chtnisses. Dies erhellt nicht nur aus seinen eigenen Angaben, sondern weit deutlicher aus einer Anzahl Versuche, welche Binet und Charcot mit ihm und Inaudi anstellten. Sie liefsen beide dieselbe Tafel von 25 Ziffern, welche in f\u00fcnf Reihen zu je f\u00fcnf geordnet waren, auswendig lernen und dann die Ziffern in vertikaler, diagonaler und spiraliger Reihenfolge wiederholen. Obwohl nun Inaudi viel schneller lernte, gelangen diese Wiederholungen doch dem Diamandi in weit k\u00fcrzerer\n1 \u00dcber die Beziehungen seines Ged\u00e4chtnisses zum Rhythmus s. M\u00fcller und Schumann: diese Zeitschrift Bd. VI. S. 282.","page":222}],"identifier":"lit15534","issued":"1894","language":"de","pages":"220-222","startpages":"220","title":"Alfred Lehmann: \u00dcber die Beziehung zwischen Atmung und Aufmerksamkeit. Philos. Stud. Bd. IX, S. 66\u201395","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:06:19.123022+00:00"}