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{"created":"2022-01-31T16:33:07.570951+00:00","id":"lit15535","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn, Jonas","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 222-223","fulltext":[{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLitteraturbericht\ndafs auch hierdurch die Gesetzm\u00e4fsigkeit der Beziehung widerlegt wird. Zum Schlufs die Bemerkung, dafs auch die Annahme, bei den Gesichtsempfindungen sei das Zittern der Accommodationsmuskeln die Mitursache der Schwankungen, aus mehrfachen Gr\u00fcnden mehr als unwahrscheinlich ist (cf. Philos. Stud. Bd. VIII. S. 619 ff.).\tG\u00f6tz Martius.\nA. Binet. M\u00e9moire visuelle g\u00e9om\u00e9trique. Rev.philos. Bd. 35. S. 104 -106.\n(Jan. 1893).\nA. Binet. Notes compl\u00e9mentaires sur M. Jaques Inaudi. Ebda. S. 106\u2014112. J. M. Charcot et A. Binet. Un calculateur du type visuel. Ebda.\nS. 590-594. (Juni 1893.)\nDiese drei Arbeiten besch\u00e4ftigen sich mit den H\u00fclfsmitteln, deren sich ausgezeichnete Ged\u00e4chtnisk\u00fcnstler bei ihren Leistungen bedienen. Die erste derselben behandelt die Resultate einer von Binet angestellten Enquete \u00fcber die Art des Ged\u00e4chtnisses von Schachspielern, welche mehrere Partien gleichzeitig ohne Betrachtung des Schachbretts spielen k\u00f6nnen. Er fand dabei zwei verschiedene Typen. Bei dem einen wird das ganze Schachbrett samt den Figuren in Form und Farbe konkret vorgestellt (m\u00e9moire visuelle concr\u00e8te), wobei jedoch unwesentliche Einzelheiten, wie Schatten, Lichtreflexe etc., vernachl\u00e4ssigt werden. Die Spieler des zweiten Typus dagegen stellen sich die Figuren nur durch ihre m\u00f6glichen Bewegungen vor. Ein Springer oder L\u00e4ufer ist ihnen nicht eine Figur von der und der Form, sondern eine Figur, die diese oder jene Z\u00fcge machen kann. Binet bezeichnet diese abstraktere Form als \u201em\u00e9moire visuelle g\u00e9om\u00e9trique\u201c.\nDer Rechenk\u00fcnstler Inaudi bedient sich wesentlich des Geh\u00f6rbildes. Er geh\u00f6rt also zum \u201etype auditif\u201c Charcots. Beweisend daf\u00fcr ist \u2014 mehr als seine eigene Aussage \u2014 der Umstand, dafs er erst mit zwanzig Jahren die Ziffern lesen lernte, w\u00e4hrend er seine Rechenk\u00fcnste schon mit sechs Jahren begann.1 Trotz seiner grofsen Unbildung wird Inaudi als ein intelligenter Mann geschildert. Seine Fertigkeit scheint er, wie andere Rechenvirtuosen, weniger einer nat\u00fcrlichen Anlage als einer einseitigen Dressur zu verdanken. Dabei ist die Fassungskraft seines Ged\u00e4chtnisses auf Kosten der Dauer ausgebildet, ja, Inaudi sucht absichtlich die Ziffern einer Sitzung zu vergessen, um gewissermafsen Raum f\u00fcr neue zu erhalten.\nIm Gegensatz zu Inaudi ist der griechische Rechner Diamandi, von welchem der dritte der citierten Aufs\u00e4tze handelt, ein Beispiel visuellen Ged\u00e4chtnisses. Dies erhellt nicht nur aus seinen eigenen Angaben, sondern weit deutlicher aus einer Anzahl Versuche, welche Binet und Charcot mit ihm und Inaudi anstellten. Sie liefsen beide dieselbe Tafel von 25 Ziffern, welche in f\u00fcnf Reihen zu je f\u00fcnf geordnet waren, auswendig lernen und dann die Ziffern in vertikaler, diagonaler und spiraliger Reihenfolge wiederholen. Obwohl nun Inaudi viel schneller lernte, gelangen diese Wiederholungen doch dem Diamandi in weit k\u00fcrzerer\n1 \u00dcber die Beziehungen seines Ged\u00e4chtnisses zum Rhythmus s. M\u00fcller und Schumann: diese Zeitschrift Bd. VI. S. 282.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n223\nZeit, als jenem, weil er eben das Bild als Ganzes simultan Lm Ged\u00e4chtnis hatte und gewissermafsen ablesen konnte, w\u00e4hrend Inaudi die successiven Geh\u00f6rserinnerungen kombinieren mufste.\tJ. Cohn (Leipzig).\nA.\tLalande. Sur les paramn\u00e9sies. Rev. philos. Bd. 36. S. 485\u2014497.\n(Nov. 1893.)\nDdgas. Observations sur la fausse m\u00e9moire. Ebenda. Bd. 37. S. 34\u2014 45.\n(Jan. 1894.)\nB.\tBourdon. La reconnaissance de ph\u00e9nom\u00e8nes nouveaux. Ebenda.\nBd. 36. S. 629 -631. (Decbr. 1893.)\nAlle drei Abhandlungen behandeln dasselbe Thema, die Paramnesie oder Erinnerungst\u00e4uschung. Diese besteht in der Illusion, dafs man glaubt, man nehme zum zweiten Male ein Schauspiel, eine Redensart, eine Lekt\u00fcre oder irgend ein anderes Zusammensein von Empfindungen wahr, w\u00e4hrend doch alles dieses in Wirklichkeit neu ist. Die Paramnesie charakterisiert sich durch das Wiedererkennen aller Einzelheiten des Schauspiels oder des wahrgenommenen Objekts. Z. B. wird man bei einer Landschaft nicht nur die allgemeinen Umrisse, sondern jeden Baum, jedes Blatt, jede Wolke, jeden Sonnenstrahl wiedererkennen. Die Erscheinung ist begleitet von einem peinlichen Affekt. Manche Personen empfinden eine Unruhe oder einen Druck in der Brust, andere eine Art von Schwindel. Ein Herr glaubte, Amsterdam wiederzuerkennen, obwohl er zum ersten Male in den Strafsen umherwandelte. Ein anderer bemerkt eine Frau, welche ihm entgegenkommt. Bevor er, durch seine Kurzsichtigkeit beeintr\u00e4chtigt, im st\u00e4nde ist, ihre Z\u00fcge zu unterscheiden, empfindet er eine Ersch\u00fctterung und merkt, dafs er sie schon einmal gesehen hat. Er empfindet ein Gef\u00fchl der Erwartung bis zu dem Augenblicke, wo er ihre Z\u00fcge und Kleidung unterscheiden kann, welche ihm vollkommen bekannt erscheinen.\nDas Subjekt erkennt aber nicht allein die Thatsachen wieder, sondern es sieht die Folgen derselben voraus oder meint, sie vorauszusehen. Ein Physiker, welcher zum ersten Male einem bestimmten Schauspiele beiwohnte, erkannte alle Einzelheiten wieder. Ein an Paramnesie leidender Milit\u00e4rarzt wohnte einem Schauspiele bei. Als ein Schauspieler eine Tirade begann, sagte er sofort die ersten S\u00e4tze davon seinem Freunde.\nDie Paramnesie ist so weit verbreitet, dafs man sie nicht als ein pathologisches Ph\u00e4nomen ansehen kann. Sie kommt h\u00e4ufig bei gesunden Leuten vor, und zwar bei Leuten jeden Standes, Alters und Geschlechtes. Sie wird hervorgerufen durch eine Erregung der geistigen Funktionen und ist das Resultat einer \u00fcberm\u00e4fsigen Anstrengung des Geistes. Auch bei der M\u00fcdigkeit kommt sie vor, wenn dieselbe, wie nach einem langen Marsche, nach einer intellektuellen Arbeit eine erregende ist.\nAnjel (Arch. f. Psychiatrie. Vol. VIII) erkl\u00e4rt die Erscheinung f olgendermafsen :\nM\u00f6glicherweise gehen Empfindung und Wahrnehmung in diesem Falle getrennt vor sich, nicht, wie sonst, dicht hintereinander. Die Empfindungen werden bei ihrem Auftreten vom Geiste nicht sogleich organisiert und lokalisiert. Wenn er dann endlich diese Arbeit vollbringt,","page":223}],"identifier":"lit15535","issued":"1894","language":"de","pages":"222-223","startpages":"222","title":"I. A. Binet: M\u00e9moire visuelle g\u00e9ometrique, II. A. Binet: Notes compl\u00e9mmentaires sur M. Jaques Inaudi, III. J. M. Charcot et A. Binet: Un calculateur du type visuel. Rev. philos. Bd. 35, S. 104\u2013106, Jan. 1893, Ebda., S. 106\u2013112, Ebda., S. 590\u2013594, Juni 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:07.570957+00:00"}