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{"created":"2022-01-31T16:05:32.879328+00:00","id":"lit15540","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Goldscheider","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 232-233","fulltext":[{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"223\nLitteraturbericht.\nA. Mielecke. St\u00f6rungen der Schriftsprache bei Schulkindern. Monatsschr. f. d. ges. Sprachhlkde. Februar und M\u00e4rz 1893. S. 40\u201451, 103\u2014114.\nVerfasser teilt aus seinen Unterrichtserfahrungen (er ist Lehrer in Spandau) mit, dafs das dem Lautstammeln analoge Schreibstammeln nicht blofs bei Idioten, sondern auch bei Schulkindern mit noch normaler Intelligenz vorkomme. Die Erscheinung besteht darin, dafs z. B. Parcht statt Pracht, Keild statt Kleid u. s. w. geschrieben wird ; es handelt sich also im wesentlichen um Fehler in der zeitlichen Folge der sich abrollenden Schriftbild-Vorstellungen. Interessant ist nun, dafs, wie Verfasser mitteilt, diese Fehler physiologisch bei den ersten Schreibversuchen der Kinder Vorkommen. Er f\u00fchrt daher das Zur\u00fcckbleiben solcher Fehler bei gereifteren Sch\u00fclern auf mangelhafte \u00dcbung und Unaufmerksamkeit zur\u00fcck. In der That gelang es ihm, durch methodische \u00dcbungen das Schreibstammeln fast v\u00f6llig zum Verschwinden zu bringen.\nGoldscheider (Berlin).\nA. Pick. Beitr\u00e4ge zur Lehre von den St\u00f6rungen der Sprache. Arch, f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten XXIII. S. 896\u2014918. (1892.)\nVerfasser teilt einige sorgf\u00e4ltig analysierte Krankengeschichten von grofsem Interesse mit. Zun\u00e4chst berichtet er in einem \u201e\u00dcber Pseudo-Apraxie\u201c \u00fcberschriebenen Abschnitte \u00fcber eine paralytische Kranke, welche nach paralytischen Anf\u00e4llen einen sonderbaren geistigen Zustand darbot, welcher auf den ersten Blick ungemein an Apraxie erinnerte. (Mit \u201eApraxie\u201c bezeichnet man den Verlust des Verst\u00e4ndnisses f\u00fcr den Gebrauch der Dinge, insofern dies Symptom nicht etwa durch eine allgemeine Herabsetzung der psychischen Funktionen bedingt ist.) Die eingehendere Beobachtung jedoch ergab, dafs die \u00c4hnlichkeit nur eine scheinbare war, dafs die Kranke die Objekte und ihre Verwendung kannte, und dafs es sich in Wirklichkeit nur um ein abnorm langes, pathologisches Festhaften an einem eben zugegangenen Eindruck oder einer eben ausgel\u00f6sten Bewegung, auch Sprachbewegung, handelte. Ein Beispiel erl\u00e4utert dies am besten: \u201eEine gezeigte Photographie nennt die Kranke Schl\u00fcssel, welches Wort sie w\u00e4hrend des Examens wiederholt gebraucht: Festhaften im sprachlichen Gebiet ; sie macht eine sch\u00f6pfende Bewegung mit der Photographie, wie sie vorher mehrfach mit dem L\u00f6ffel ge\u00fcbt: Festhalten in der Darstellung des Gebrauches des Gegenstandes.\u201c\nDieses krankhafte Festhalten, welches zu der vom Verfasser als \u201ePseudo-Apraxie\u201c bezeichneten St\u00f6rung gef\u00fchrt hat, ist nach Verfasser vielleicht auf Erm\u00fcdungszust\u00e4nde zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nIn einem zweiten Abschnitt : \u201eZur Lokalisation der Apraxie (Asym-bolie)\u201c berichtet Verfasser \u00fcber einen Fall von chronischer Hirnentz\u00fcndung (Encephalitis), bei welchem es zu Demenz und allgemeiner Herabsetzung der Perceptionen gekommen war; unter den mannigfachen cerebralen St\u00f6rungen liefsen sich Worttaubheit, Seelenblindheit, Paraphasie heraussch\u00e4len ; ferner bestand Hemianopsie und Bindenepilepsie. Die Sektion ergab hochgradige Ver\u00e4nderungen in beiden","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n233\nSchl\u00e4fenlappen, ferner Insula Reilii, und linkerseits in den vorderen H\u00e4lften der Gyri occipito-temporales inf., des Gyrus occipitalis III und der unteren H\u00e4lfte des Gyrus supramarginalis et angularis. Verfasser bespricht nun die Erkl\u00e4rung der Seelenblindheit aus dem vorliegenden Befunde, was aber besser im Original einzusehen ist. Dieselbe stellt \u00fcberhaupt eine Teilart oder Variet\u00e4t der sog. Apraxie dar. Verfasser wendet sich speziell gegen eine von A. Starr aufgestellte Behauptung, dafs die Apraxie durch einseitige und haupts\u00e4chlich linksseitige L\u00e4sionen bedingt sei.\nVon grundlegender Bedeutung ist, die in dem dritten Abschnitt: \u201eZur Lokalisation der Worttaubheit\u201c niedergelegte Beobachtung. Die anatomische Grundlage der Worttauhheit (Kussmaul) oder subkortikalen sensorischen Aphasie Wernickes bildet einen wegen seiner Dunkelheit und principiellen Bedeutung besonders interessanten Punkt der Lehre von der Aphasie, Bei dem in Hede stehenden Fall hat sich nun eine Erweichung des Schl\u00e4fenlappens, der REiLSchen Insel, einzelner Teile der vorderen Central- und untersten Stirnwindung rechterseits, das Gyrus sphenoidalis I und das Gyrus supramarginalis linkerseits ergeben. Eine W\u00fcrdigung dieses Befundes zu geben, w\u00fcrde die Grenzen eines Referates \u00fcbersteigen ; derselbe wird in der Litteratur der Aphasie seine Rolle spielen. In einem vierten Aufsatz endlich bespricht Verfasser in treffenderWeise einen Fall, welcher nach dem \u00fcblichen Schema als eine Kombination von transkortikaler sensorischer Aphasie mit motorischer Aphasie aufgefafst werden konnte.\tGoldscheider (Berlin).\nH. Gossen. \u00dcber zwei F\u00e4lle von Aphasie. Dissert. Berlin. 50 S. Auch Arch. f. Psychiatrie. Bd. XXV. Heft 1. (1893.)\nDer Verfasser untersuchte zwei F\u00e4lle von Aphasie in der ersten medizinischen Klinik zu Berlin nach dem von Rieger angegebenen Schema t\u00fcr ein Inventar der menschlichen Intelligenz. Er fand in dem ersten Falle (36j\u00e4hrige Arbeiterfrau) St\u00f6rungen der gesamten psychischen Funktionen, besonders des Erinnerungsverm\u00f6gens. Am schlechtesten war das optische Ged\u00e4chtnis (nur 3 Buchstaben wurden behalten), etwas besser das akustische (4\u20145 Buchstaben, 3\u20144 Silben). Von taktilen Eindr\u00fccken wurden nur 3 richtig lokalisiert. Rein passive Bewegungen, wie die bei geschlossenen Augen zum Schreiben von Zahlen oder Figuren gef\u00fchrte Hand, konnten nicht in Erinnerung behalten werden. Unmittelbare Nachahmung war ebenfalls gering (wegen der mangelhaften Association zwischen optischen und motorischen Funktionen). Rechts und links wurde dabei h\u00e4ufig verwechselt., Intellektuelle Vorg\u00e4nge, die auf rein innerer Association beruhen, sowie die Th\u00e4tigkeit des identificierenden Erkennens waren wesentlich verlangsamt.\nBeim Lesen konnte Patientin einige kurze Silben nur dann lesen, wenn sie vorher laut buchstabieren durfte. Bei zweiziffrigen Zahlen erkannte sie die Ziffern richtig, ohne jedoch den Begriff der Zahl zu erfassen. \u00c4hnlich beim Schreiben. Bemerkenswert war auch, dafs Patientin gewisse Formen des Schmeckens nicht benennen konnte, z. B. bei Chinin gab sie ihrem Widerwillen Ausdruck, wufste aber nicht","page":233}],"identifier":"lit15540","issued":"1894","language":"de","pages":"232-233","startpages":"232","title":"A. Pick: Beitr\u00e4ge zur St\u00f6rungen der Sprache. Arch. f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten XXIII, S. 896\u2013918, 1892","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:05:32.879334+00:00"}