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{"created":"2022-01-31T16:00:19.025409+00:00","id":"lit15547","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fraenkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 237-239","fulltext":[{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n237\nPatient, 18 Jahre alt, tr\u00e4gt Degenerationszeichen: Zur\u00fcckliegende Stirn, Platykephalie, vorspringenden rechten Scheitelh\u00f6cker und vorgew\u00f6lbte Ohrmuscheln. \u2014 Gesichtsausdruck starr. Blick leer. Katatonische Muskelstarre mit Zittern bei passivem Versuch, den Gliedern eine andere Stellung zu geben. Patient spricht nicht. In heftigem Wutanfall Angriff auf die W\u00e4rterinnen. Trotz Zwangsjacke und auch nachdem dieselbe entfernt ist, klopft er mit H\u00e4nden und F\u00fcfsen in regel-m\u00e4fsigem Tempo, ohne wieder in Wut zu geraten, zuckt bei Kneipen der Haut; der am Ellenbogen kontrahierte Arm, ebenso die Hand der einen Seite wird mit Gewalt aufgebrochen, er klopft weiter mit der anderen, der Arm kr\u00fcmmt sich wieder, die H\u00e4nde bleiben offen, nur der Daumen stark abduciert. \u2014 Die Masturbation wird durch Drohung mit der Zwangsjacke verhindert. \u2014 Die Wutangriffe auf das Personal wiederholen sich.\nDiese scheinbar willk\u00fcrlichen Zornausbr\u00fcche sind aber rein automatisch, unabh\u00e4ngig von sensorischer Heizung und Wahnvorstellung. \u2014 F\u00fcr den automatischen Charakter der Bewegungen sprechen nicht nur die in regelm\u00e4fsigem Tempo sich wiederholende Flexion und Extension der Arme, sondern auch vor allem die Extensionsstellung der aufgebrochenen Hand, die in die vorige Lage h\u00e4tte zur\u00fcckkehren m\u00fcssen, wenn es sich um einen willk\u00fcrlichen Akt oder um Hallucination gehandelt h\u00e4tte. Der Fall beweist somit die direkte Erregung motorischer Centren.\tFraenkel.\nG. Minoazzini. Sul collezionismo nelle diverse forme psicopatiche.\nEie. di freniatria. XIX. Heft 4. S. 541. (1893.)\nObgleich der Sammeltrieb, um den es sich hier handelt, eine in Irrenanstalten sehr gew\u00f6hnliche Erscheinung ist, so ist derselbe in seiner Besonderheit noch wenig untersucht und wird sogar in den grofsen Handb\u00fcchern \u00fcber Psychiatrie nur obenhin gestreift. Thats\u00e4chlich wird der Sammeltrieb nicht selten mit dem von Marc in die Wissenschaft eingef\u00fchrten Ausdruck Kleptomanie verwechselt. Allerdings giebt es Zwischenzust\u00e4nde, in denen Sammeltrieb und Stehlsucht vereinigt Vorkommen. Daraufhin unterscheidet Verfasser folgende Formen:\n1.\tSammeltrieb, der sich auf bestimmte Einzeldinge beschr\u00e4nkt (Monokollektivismus), wie B\u00fccher, Bilder, Postmarken, Autographen, Schr\u00e4nke u. a. m. Solange alle diese Dinge Kunst- und wissenschaftlichen Zwecken dienen, ist das Sammeln derselben berechtigt, wird jedoch pathologisch, wenn die Freude am Besitz in Leidenschaft ausartet, die zu ihrer Befriedigung, nicht selten bei \u00fcbrigens normalen Individuen, zu Verm\u00f6gensverschwendung und zu gesetzwidrigen Mitteln verf\u00fchrt. Diese Form findet Verfasser bei Geisteskranken selten; nur bei 6,3% derer, die \u00fcberhaupt sammeln.\n2.\tDie Form, bei der alles ohne Unterschied gesammelt wird (Polykollektivismus), kommt nur bei Geisteskranken vor. Die aufgelesenen Gegenst\u00e4nde sind in erster Reihe Abf\u00e4lle von Efswaren, Brot, Fleisch, K\u00e4se. (Efsbar freilich ist f\u00fcr einen Geisteskranken auch alles andere, Glas, N\u00e4gel, Steine. Von einem meiner Spezialisten wurden","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nLitteralurbericlii.\nneben sonstigem guten Appetit solche Mengen greiserer und kleinerer Kiesel verschlungen, dafs eines Tages das Klosett trotz Wassersp\u00fclung verstopft war. lief.) Dann Toilettengegenst\u00e4nde: Kn\u00f6pfe, Halst\u00fccher, Str\u00fcmpfe, Seife; seltener N\u00e4hutensilien, wie Nadeln, Fingerh\u00fcte, Baumwolle ; am seltensten Blechst\u00fcckchen, H\u00f6lzer. \u2014 Die M\u00e4nner suchen mehr das, was frei auf der Erde, die Frauen das, was unter den Betten liegt; die Idioten durchw\u00fchlen die M\u00fcllhaufen und lesen Schmutzdinge auf, die Alkoholisten bevorzugen Efswaren, Cigarren und Papier.\nDer Wert , den die Kranken auf ihre Funde legen, die sie in den Taschen, M\u00fctzen, auf der Brust verstecken, ist je nach der Bewufstseins-st\u00f6rung verschieden. Die Intelligenteren, Alkoholisten, Verr\u00fcckten, Epileptischen werden meistens ungehalten und wehren sich, wenn man ihnen die Taschen durchsucht, w\u00e4hrend die Idioten, die an konsekutiver und namentlich an Alters- und paralytischer Demenz (doch nicht in den Anfangsstadien. Bef.) Leidenden ihre vermeintlichen Sch\u00e4tze gleichm\u00fctig hingeben und wieder zu sammeln anfangen.\nFragt man die Kranken, warum sie sammeln, so erh\u00e4lt man entweder keine, oder eine ungen\u00fcgende Antwort, eine Art von Entschuldigung, als: die Sachen seien ja nichts wert, oder man wolle die anderen damit beschenken, die Lappen dienten dazu, sich zu w\u00e4rmen, das Papier zu Beinlichkeitszwecken, endlich um sich die Zeit zu vertreiben. Auff\u00e4lligerweise liefsen sich die Frauen eher zum Antworten herbei, als die M\u00e4nner, w\u00e4hrend jene nur in 22\u00b0/o, diese in 36% unter den Sammlern vertreten waren.\n3.\tDie Form des mit Stehlsucht verbundenen Einheimsens spezieller Gegenst\u00e4nde (Monokleptokollektivismus) findet sich nicht bei normalem Geisteszust\u00e4nde, wenngleich sie auch aufserhalb der Irrenanstalten vorkommt. Matthey erz\u00e4hlt von einem Beamten in Wien, der Mobilien stahl und sammelte, ohne sie zu gebrauchen, Lombroso von W\u00e4schedieben, denen die gestohlenen Sch\u00fcrzen, Str\u00fcmpfe etc. zur Befriedigung des Geschlechtstriebes dienten. Verfasser fand in seiner Anstalt nur f\u00fcnf Kranke, die lediglich Kn\u00f6pfe, Frauenstr\u00fcmpfe, Brot und sonstige Efswaren stahlen und versteckten.\n4.\tDie Form des Polykleptokollektivismus \u2014 Entwenden und Sammeln von allerlei \u2014 ist weit h\u00e4ufiger in Irrenanstalten vertreten, namentlich unter den Frauen. Bei Greisendemenz' geschieht die Entwendung fast immer mit Gewalt, bei Imbecillit\u00e4t und Epilepsie ebenso, oder mit Verschmitztheit, bei Paralyse coram publico. Die Epileptischen lassen sich ihren Baub ohne Widerstreben wieder abnehmen.\nUnter den Antworten auf die Frage, warum sie stehlen, interessieren insbesondere zwei: a) um nicht hinter den anderen zur\u00fcckzustehen, b) um etwas zu thun zu haben.\nQuoad statum mentis findet Verfasser, dafs der Sammeltrieb bei Kindern auf der Neigung, sich zu belehren, beruht, das Sammeln und Entwenden einzelner Gegenst\u00e4nde charakteristisch f\u00fcr angeborene Degenerationszust\u00e4nde ist (Imbecillit\u00e4t, Idiotie), das Sammeln und Entwenden von allerlei Gegenst\u00e4nden bei erworbenen Geistesst\u00f6rungen, wo es. meist auf Wahnvorstellungen beruht, sobald es konstant wird, den","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"L i tier a turbericht.\n239\n\u00dcbergang in geistigen Verfall und Demenz bedeutet. Namentlich sei das der Fall bei der Erweiterung des Mono- zum Polykollektivismus.\nDen pathogenetischen Vorgang der Verkehrung des Eigentums -begriffes im Hirn des Geistesgest\u00f6rten weiter zu verfolgen, vermeidet der Verfasser.\tFraenkel.\nA. G. Blanchi. (Mitglied des Corriere della Serra in Mailand.) Der Roman eines geborenen Verbrechers. Selbstbiographie des Strafgefangenen Antonio M_________ Mit einem psychiatrischen Gutachten des\nProfessor Silvio Venturi, Direktor der Provinzial-Irrenanstalt in Catanzaro. Autorisierte deutsche \u00dcbersetzung von Dr. Fr. R amhorst. Berlin und Leipzig, Alfr. H. Fried & Cie. 1894. 288 S. (3 it.)\nZu den wunderbaren Bl\u00fcten, wie sie eine mifsverstandene und kritiklose Nachahmung Lombrosos gezeitigt hat, geh\u00f6rt auch das vorliegende Buch, wenn wir nicht aus der Art der \u00e4ufseren Ausstattung \u2014 sch\u00f6nes gelbes Titelblatt mit schwarzem und rotem Druck und der Photographie des Herrn Verbrechers \u2014 den Schlufs zu ziehen haben, dafs die anscheinende Wissenschaftlichkeit nur eine Maske sei und es sich in Wirklichkeit um eine ganz gew\u00f6hnliche Bauernf\u00e4ngerei handle. In jedem Falle aber \u2014 gute oder b\u00f6se Absicht vorausgesetzt, gleichviel \u2014 w\u00fcrde Lombroso gut thun, wenn er den lieben Gott ersuchte, ihn vor seinen guten Freunden zu sch\u00fctzen. Das Buch ist n\u00e4mlich ein Unfug von A bis Z, und es ein wissenschaftliches Dokument zu nennen (pag. IV) ist baarer Unsinn.\nAn diesem harten Urteil vermag selbst das sogenannte psychiatrische Gutachten nichts zu \u00e4ndern, wobei ich allerdings die starke Vermutung hege, dafs die Hauptschuld hierf\u00fcr auf den Herrn \u00dcbersetzer entf\u00e4llt, dem ich ganz im Vor\u00fcbergehen das Zeugnis ausstellen will, dafs er vom deutschen Stil und wahrscheinlich auch von der italienischen Sprache keine rechte Ahnung hat.\nWem dieses Urteil zu hart erscheinen m\u00f6chte, der sei zur Strafe seines Mifstrauens auf das Buch selber verwiesen, und nur im Interesse der weniger ungl\u00e4ubigen Gem\u00fcter hebe ich hier einige Stellen besonders hervor.\n\u201eXLIX. Auch er hatte seine Periode gew\u00f6hnlichen Simulantentums, worin sich die Eile, das gew\u00fcnschte Urteil zu erlangen, \u00e4ufserte.\nLI. Genau gesprochen, halten wir ihn befallen von Formen des instinktiven Verbrechertums, des moralischen Irrsinns, des Verfolgungsund Gr\u00f6fsenwahns, welche alle, obwohl urspr\u00fcnglich die Erzeugnisse der reversiven Degeneration, von der Epilepsie beherrscht werden, an der M .. . auch leidet, und auch diese ist wie die anderen krankhaften Erscheinungen, im rudiment\u00e4ren Zustande vorhanden.\nLII. Die fl\u00fcchtigen und seltenen Anzeichen des Genies in ihm deuten darauf hin, dafs die Natur von demselben Stoff wie f\u00fcr die abnormale Entwickelung die Elemente jedes f\u00fcr die Erhaltung des Gleichgewichtes in der menschlichen Gesellschaft bestimmten Instruments","page":239}],"identifier":"lit15547","issued":"1894","language":"de","pages":"237-239","startpages":"237","title":"G. Mingazzini: Sul collezionismo nelle diverse forme psicopatiche. Rev. di freniatria XIX, Heft 4, S. 541, 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:00:19.025415+00:00"}