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{"created":"2022-01-31T14:55:51.948109+00:00","id":"lit15550","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, L. William","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 249-278","fulltext":[{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\nVon\nL. William Stern, Dr. phil.\n(Mit 2 Figuren im Text.)\nSo gr\u00fcndlich die Wahrnehmung von Unterschieden nach allen Eichtungen hin psychologisch durchforscht worden ist, so wenig ist dies mit der Wahrnehmung von Ver\u00e4nderungen geschehen, ja, man hat \u00fcberhaupt nur in seltenen F\u00e4llen bemerkt, dafs hier ein besonderes und h\u00f6chst interessantes Problem verborgen ist. Denn psychisch ist die Auffassung vom Anderssein zweier Dinge durchaus verschieden von der des Anderswerdens eines Dinges. Der Wahrnehmungsakt des \u00dcberganges eines Empfindungszustandes in einen anderen ist eine ganz charakteristische Bewufstseinsthatsache, die jedenfalls nicht ohne weiteres mit der blofsen gesonderten Auffassung des Anfangs- und Endstadiums identificiert werden darf. Doch nicht nur heterogen ist die Ver\u00e4nderungswahrnehmung der Auffassung von Unterschieden, sondern auch reicher, als dieselbe, indem hier ein Faktor ganz neu hinzutritt: die Zeit. Die Ver\u00e4nderung kann mit verschiedener Schnelligkeit zwischen den beiden Grenzstadien vor sich gehen ; und die Abh\u00e4ngigkeit der Wahrnehmung von dieser Geschwindigkeit des \u00dcberganges ist eines der wichtigsten Momente, die eine Untersuchung der Ver\u00e4nderungsauffassung zu erforschen hat.\nI. Bisherige Ergebnisse.\nDas einzige Gebiet, auf dem die Forschung sich schon der Wahrnehmung von Ver\u00e4nderungen zugewandt hat, ist das des Gesichtssinnes; doch beziehen sich hier die meisten Untersuchungen auf Ortsver\u00e4nderungen, also auf das Sehen von","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nL. William Stern.\nBewegungen. Yon Helligkeitsver\u00e4nderungen sind nur jene Erscheinungen in den Bereich der Forschung gezogen worden, die das Grenzgebiet zwischen dem Eindr\u00fccke des Flimmerns und dem der Gleichm\u00e4fsigkeit bilden, und auch diese oft mit anderer Fragestellung.\nGeht eine periodische Helligkeitsver\u00e4nderung sehr schnell vor sich, so wird bei einer gewissen Geschwindigkeit die Ver\u00e4nderungswahrnehmung ihre obere Grenze erreichen; es wird nicht mehr der Wechsel wahrgenommen, sondern alle Teileindr\u00fccke kombinieren sich zu einem konstanten Gesamteindruck. Diese Grenze ist abh\u00e4ngig von der Schnelligkeit der Periode, von der Gr\u00f6fse der Ver\u00e4nderung innerhalb jeder Periode, von der mittleren Helligkeit des Gesamteindruckes, von den Dauern der zu einer Periode geh\u00f6rigen Einzelreize, endlich von der Netzhautgegend, auf welche das Bild f\u00e4llt.\nHierauf bez\u00fcgliche Versuche unternahm zuerst Plateau1 an schnell rotierenden Scheiben, die abwechselnd gleichgrofse helle und schwarze Sektoren dem Auge vorf\u00fchrten. Um den Flimmereindruck aufh\u00f6ren zu machen, durfte jede Periode nicht l\u00e4nger als ca. 0,4 Sekunden w\u00e4hren. Ungef\u00e4hr die gleiche Zahl fand Emsmann,2 viel kleinere Helmholtz3 (rund VaoSekunde). Die physiologischen Vorg\u00e4nge, die bei intermittierenden Lichteindr\u00fccken auftreten, sucht Exner4 zu analysieren. Exner ist es auch, der dann sp\u00e4ter die speciellere Durchforschung der Flimmererscheinungen einleitet, indem er dieselben experimentell im indirekten Sehen studiert.5 6 * 8 Er bedient sich hierzu nicht mehr, wie es die fr\u00fcheren gethan, der rotierenden Scheiben, die ja nicht nur Helligkeits-, sondern auch Bewegungsph\u00e4nomene darbieten, sondern eines Apparates, durch den unter Ausschlufs der Ortsbewegungen lediglich Intensit\u00e4tsver\u00e4nderungen erzeugt werden. Eine \u00e4hnliche Versuchsanordnung benutzen Bell arminow \"\n1\tPogg. Ann. Bd. XX. S. 311 ff.\n2\tPogg. Ann. Bd. XOI. S. 611 ff.\n3\tHelmholtz, Physiol. Optik. H. Aufl. S. 489.\n4\tS. Exner, Bemerkungen \u00fcber intermittierende Netzhautreizung.\nPfl\u00fcgers Arch. Bd. III. S. 214 ff. (1870.)\n6 S. Exner, \u00dcber die Funktionsweise der Netzhautperipherie etc.\nGraefes Arch. Bd. XXXII. Abt. I. S. 233 ff. (1886.)\n8 Bellarminow, \u00dcber intermittierende Netzhautreizung. Graefes Arch. Bd. XXXV. Abt. I. S. 25 ff. (1889.)","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Lie Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\n251\nund Baader;1 Marbe2 kehrt wieder zur rotierenden Scheibe zur\u00fcck.\nEs ist vielleicht nicht unangebracht, s\u00e4mtliche Ergebnisse, die, insbesondere durch die neueren Arbeiten, auf dem Gebiete der Flimmergrenze erzielt worden sind, in wenige S\u00e4tze zusammenzufassen :\n1.\tDie zur Erzeugung eines kontinuierlichen Eindruckes erforderliche Zahl der Perioden ist um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser die objektive mittlere Helligkeit ist. (Helmholtz. Baader. Marbe.)\n2.\tDie erforderliche Zahl der Perioden ist um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser die Differenz des Helligkeitsmaximums und -minimums der Periode ist. (Baader.)\n3.\tDie erforderliche Zahl der Perioden ist auch davon abh\u00e4ngig, wie lange der helle Teil der Periode im Verh\u00e4ltnis zum dunklen w\u00e4hrt. (Bellarminow. Marbe. \u2014 Entgegengesetzter Ansicht sind Plateau, Filehne3 und auch noch Helmholtz, welche meinen, dafs bei rotierenden Scheiben das Aufh\u00f6ren des Flimmerns nur von der Zahl, nicht von der \"Winkelbreite der weifsen Sektoren abh\u00e4nge. Doch scheinen die Versuche von Bellarminow und Marbe diese Ansichten zu widerlegen.)\na)\tDie erforderliche Zahl der Perioden ist am gr\u00f6fsten, wenn der helle und der dunkle Teil der Periode von gleicher Dauer sind. (Marbe.)\nb)\tW\u00e4hren beide Teile verschieden lang, so bedarf es zur Erreichung des gleichm\u00e4fsigen Eindruckes einer geringeren Zahl der Perioden. (Im specielleren widersprechen sich hier die Ergebnisse von Bellarminow, der das fr\u00fchere Eintreten der Verschmelzung bei k\u00fcrzerer Dauer des helleren Reizes behauptet, und von Marbe, der meint, dafs das zeitliche \u00dcberwiegen des intensiveren Reizes der Verschmelzung g\u00fcnstiger sei.)\n1 E. G-. Baader. \u00dcber die Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr Lichtwechsel. Dissert\u00e2t. Freiburg 1891.\ns K. Marbe, Zur Lehre von den Gresichtsempfindungen etc. Philos. Studien. Bd. IX. S. 384 ff. (1893.)\n8 Filehne, \u00dcber die Entstehungsart des Lichtstaubes etc. Graefes Arch. Bd. XXXI. Abt. II. S. 1 ff.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nL. William Stern.\nc. Die erforderlichen Unterschiede der Dauern (zwischen dem hellen und dunklen Teil einer Periode) nehmen mit wachsenden Intensit\u00e4ten zu. (Marbe.)\n4.\tDie zur Verschmelzung erforderliche Zahl der Perioden ist ceteris paribus beim indirekten Sehen betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser, als beim direkten; nur bei sehr hohen Intensit\u00e4ten scheint sich dieses Verh\u00e4ltnis umzukehren. Als physiologisches Substrat hierf\u00fcr dient wahrscheinlich der Umstand, dafs in der Peripherie die Intensit\u00e4t der positiven Nachbilder gr\u00f6fser, ihre Dauer dagegen k\u00fcrzer ist. (Exner. Bellarminow.)\n5.\tDie Gr\u00f6fse des Gesichtsfeldes und die Form der Objekte ist nicht von Bedeutung f\u00fcr die Zahl der zur Verschmelzung n\u00f6tigen Perioden. (Bellarminow. Baader.)\n6.\tDagegen ist Konturenbewegung, die den Helligkeitswechsel begleitet, wohl von Einflufs: unter sonst ganz gleichen Bedingungen ist die Zahl der erforderlichen Perioden bei schnellerer Bewegung eine geringere. (Filehne. Baader.)\nII. Eigene Versuche.\nHatten alle bisherigen Versuche der oberen Grenze der Ver\u00e4nderungswahrnehmung gegolten, so wandte ich meine Aufmerksamkeit der unteren Grenze zu, indem ich die Bedingungen untersuchen wollte, unter denen eine langsame Helligkeitsver\u00e4nderung eben wahrgenommen wird. Ver\u00e4ndert sich eine Helligkeit nicht zu schnell, so w\u00e4hrt es eine gewisse Zeit, bis die Ver\u00e4nderung merklich wird; es hat somit dieser Wahrnehmungsakt zwei charakteristische Momente: erstens die Zeit, die vom Beginn der objektiven Ver\u00e4nderung bis zu deren Merklichwerden verstreicht, zweitens die Grenzen, innerhalb deren die objektive Intensit\u00e4t sich indessen vermehrt oder vermindert hat. Jene Zeit bezeichne ich als die Ver\u00e4nderungsdauer, das Verh\u00e4ltnis des (positiven oder negativen) Helligkeitszuwachses zur Anfangshelligkeit giebt die relative Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit. Beide Momente sind in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Anfangsintensit\u00e4t, von der Geschwindigkeit der objektiven Ver\u00e4nderung, von den aufnehmenden Netzhautteilen und endlich auch voneinander zu erforschen.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helliglceitsver\u00e4nderungen.\n253\nHierzu habe ich nun von Anfang Oktober bis Ende December 1893 in dem psychologischen Laboratorium des Herrn Prof. Ebbinghaus zu Berlin, von dessen freundlichem Rat unterst\u00fctzt, eine Reihe von experimentellen Untersuchungen angestellt. Bei denselben stand mir Herr cand. ehern. Franz Lustig zur Seite, indem er dauernd als Beobachter fungierte.\nZun\u00e4chst handelte es sich um die Konstruktion eines Apparates, der in recht gleichm\u00e4fsiger Weise Helligkeitsver\u00e4nderungen erzeugte, d. h. m\u00f6glichst derart, dafs in gleicher Zeit gleiche Intensit\u00e4tsquanta zugef\u00fcgt oder fortgenommen werden konnten. Aufserdem mufste darauf Bedacht genommen werden, dafs mit der Helligkeitsver\u00e4nderung nicht auch eine Gr\u00f6fsenver\u00e4nderung oder Konturenverschiebung des beobachteten Bildes verquickt war. Zu diesem Zwecke liefs ich aus Holz einen 50 cm langen, 40 cm breiten und 33 cm hohen Kasten anfertigen (s. Fig. 2, S. 258), dessen Hinterwand herausziehbar war, und in dessen Vorder wand sich zwei \u00d6ffnungen befanden, die eine (vom Beschauer rechts) kreisrund mit einem Durchmesser von 10 cm, die andere (links) quadratisch mit 10 cm Seitenl\u00e4nge. Im Inneren war der Kasten ganz und gar mit schwarzem Sammetpapier ausgeschlagen. Das viereckige Loch sollte als Guckloch dienen; die runde \u00d6ffnung wurde mit einer grofsen Linse von ca. 21 cm Brennweite ausgefjillt, welche das Bild eines leuchtenden Objektes auf die Hinterwand des Kastens entwerfen sollte. Als leuchtendes Objekt erwies sich ein Au er scher Gasgl\u00fchlichtbrenner wegen seines gleich-m\u00e4fsigen Lichtes als das geeignetste. Von dessen Gl\u00fchk\u00f6rper wurde durch ein kreisrundes Diaphragma der intensivste und in sich homogenste untere Teil herausgeschnitten und die das Diaphragma passierenden Strahlen durch eine hier eingesetzte Linse konvergenter gemacht. Diese gleichm\u00e4fsig und stark erleuchtete Diaphragmalinse fand in einer solchen Entfernung (36 cm) von der grofsen Linse Aufstellung, dafs ihr Bild genau auf die Hinterwand des Kastens fiel ; hier wurde ein kreisrundes weifses Papierst\u00fcck angebracht, das sich scharf mit dem hellen Bilde deckte. Der in den Kasten hineinschauende Beobachter sah somit nichts, als auf tiefschwarzem Grunde eine intensiv und gleichm\u00e4fsig erleuchtete, weifse Scheibe. (Gegen seitlich einfallendes Licht war er durch schwarze Papierschirme gesch\u00fctzt.) Wurde nun von der grofsen Linse in der vorderen","page":253},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nL. William Stern.\nEinstellungen des Schiebers war es m\u00f6glich, Yiertelmillimeter zu sch\u00e4tzen.) Fast alle Reihen wurden wiederholt, manche sogar drei- und viermal. Um endlich eine noch geringere Anfangsintensit\u00e4t zu erzeugen, bedeckte ich bei zwei Versuchsreihen das Diaphragma der Lampe mit einer Milchglasscheibe.\nIm ganzen wurden 27 Reihen zu 12 Beobachtungen, also 324 Versuche, gemacht. Um die Grenze zu bestimmen, w\u00e4hlte ich aus jeder Reihe nur die Beobachtungen, welche ein bestimmtes \u201eJa\u201c oder \u201eNein\u201c nicht herbeigef\u00fchrt hatten, und nahm aus diesen das Mittel. Es wurden also nur Antworten wie: \u201eUnsicher\u201c, \u201eKaum\u201c, \u201eJa?\u201c, \u201eNein?\u201c, \u201eSehr schwach\u201c ber\u00fccksichtigt.\nTabelle I zeigt die gefundenen Resultate. Rubrik a giebt die Breite der dauernden (vertikalen) Verdunkelungen an, Rubrik b die H\u00f6hen der Fl\u00e4chenstreifen der Linse, deren momentane Aufhellung eben als Ver\u00e4nderung wahrgenommen wurde (jeder Zahl unter b liegt eine Zw\u00f6lferreihe zu Grunde); Rubrik c giebt die Mittel aus den zu gleichen Anfangsintensit\u00e4ten geh\u00f6rigen Werten sub b, und indem ich diese Zahlen durch 57 dividierte, erhielt ich das Verh\u00e4ltnis der momentan erhellten Streifen zu der gesamten Fl\u00e4che, die nach Fortnahme des Schiebers erhellt ist (Rubrik d).\nTa b e 11 e I.\na.\tb.\tC.\td.\nBreite der dauernden Verdunkelung in mm\tH\u00f6he der momentanen Erhellung in mm\tMittel aus den Einzelwerten von b\tVerh\u00e4ltnis \u2022 der momentan erhellten Linsenfl\u00e4che zur ganzen\n0\t2,1 2,19\t2,15\t0,038\n5\t2,1\t2,1\t0,037\n10\t1,93 1,58\t1,75\t0,031\n15\t2,00 1,94\t1,97\t0,035\n20\t1,72 1,95\t1,83\t0,032\n25\t1,69 1,81\t1,75\t0,031\n30\t2,10 2,50 2,50 2,00\t2,28\t0,040\n35\t1,82\t1,82\t0,032\n40\t1,88 2,19\t2,04\t0,036\n45\t1,94 1,67 1,67 2,31\t1,90\t0,033\n50\t2,25 2,17\t2,21\t0,039\nMit\t1 0\t2,08\t2,08\t0,037\nMilchglas ) 25\t2,25\t2,25\t0,039","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\n257\nDa wir nun ann\u00e4hernd das Verh\u00e4ltnis der erhellten Linsen-fl\u00e4chen dem der durch sie passierenden Helligkeitsquanten gleichsetzen k\u00f6nnen, so zeigen die Versuche eine evidente Best\u00e4tigung des WEBERschen Gesetzes: Bei beliebigen absoluten Intensit\u00e4ten (die ja durch die dauernden Verdunkelungen variiert werden) wird eine momentane Erhellung eben wahrgenommen, wenn die Zuwachshelligkeit zur Gesamthelligkeit ein konstantes Verh\u00e4ltnis hat, d. h. die relative Empfindlichkeit f\u00fcr Momentan\u00e4nderungen ist auf dem Gebiete der Lichtintensit\u00e4ten konstant. Dieselbe betr\u00e4gt bei \u2022obigen Versuchen etwa \u2018/so; die Schwankungen bewegen sich innerhalb der sehr engen Grenzen von 31/iooo und 4%ooo. Die relative Empfindlichkeit f\u00fcr momentane Ver\u00e4nderungen ist somit betr\u00e4chtlich kleiner, als die f\u00fcr simultane Unterschiede.\nVielleicht liegt in obigen Versuchen, denen freilich methodisch noch manche Unvollkommenheiten anhaften, die Hindeutung auf eine neue Methode f\u00fcr Experimente \u00fcber das WEBERsche Gesetz; der bekannten Methode der eben merklichen Unterschiede w\u00fcrde sie als die der eben merklichen Momentan\u00e4nderungen an die Seite gestellt werden k\u00f6nnen.\nZu den ferneren Versuchen, in welche nun der Zeitfaktor mit einbezogen werden sollte, mufste dem Schieber eine solche .Bewegung erteilt werden, dafs er in gleichen Zeitr\u00e4umen gleiche Linsenfl\u00e4chen passierte. Ich brachte daher den Faden, an dem er hing, mit dem Gewichte eines Chronoskops in Verbindung. Durch Hollen war es dann, wie aus Fig. 2 zu erkennen ist, leicht, die gleichm\u00e4fsige sinkende Bewegung dieses Gewichtes in umgekehrtem Sinne genau auf den Schieber zu \u00fcbertragen.1 Diese Anordnung hatte noch den weiteren grofsen Vorteil, dafs es nun m\u00f6glich war, an dem Chronoskop direkt die Zeit abzulesen, w\u00e4hrend deren der Schieber gestiegen war. \"War der Strom geschlossen, welcher das Chronoskop mit der Batterie verband, so waren die Zeiger in das Uhrwerk eingeschaltet und begannen in demselben Moment zu laufen, in welchem der Mechanismus in Gang, d. h. das Gewicht, und\n1 Die dem Chronoskopgewicht n\u00e4here Bolle befand sich in Wirklichkeit h\u00f6her, als die Zeichnung es darstellt, so dafs die gleichm\u00e4fsige Bollen\u00fcbertragung auch dann noch stattfand, wenn der Schieber den \u2022unteren Band der Linse ber\u00fchrt.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VU.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nL. William Stern,\nmit ihm der Schieber, in Bewegung gesetzt wurde. Der Beobachter wiederum hatte den Strom durch Druck auf einen Taster in dem Augenblicke zu unterbrechen, da er die Erhellung\nwahrnahm; die Zeiger wurden arretiert, und die Differenz zwischen ihrer jetzigen und der Anfangsstellung ergab die Ver\u00e4nderungsdauer (freilich einschliefslich der Reaktionszeit, s. S. 265, 270).\nHatte ich oben ausgef\u00fchrt, dafs ann\u00e4hernd durch gleiche Fl\u00e4chenst\u00fccke der Linse gleiche Helligkeitsquanta durchgingen,","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\n259\nso suchte ich jetzt (da alle Teile der Linse vom Schieber bestrichen werden sollten) dieser \u00dcbereinstimmung noch n\u00e4her zu kommen, indem ich die eine seitliche Begrenzung der Linse \u00e4nderte, und zwar nach folgendem Princip. Ich liefs das Bild\u00bb beobachten, w\u00e4hrend ich einen schmalen, horizontal gehaltenen Pappstreifen vor der Linse sehr schnell auf und ab bewegte, doch stets innerhalb des quadratischen Fensters. Bei v\u00f6lliger Gleichm\u00e4fsigkeit des Lichtdurchganges d\u00fcrfte dann diese Bewegung auf die Intensit\u00e4t des Bildes keinen Einfiufs haben, da ja der Streifen in jeder Lage gleich viel Licht abblenden w\u00fcrde. In Wirklichkeit machten sich nun kleine Unregel-m\u00e4fsigkeiten bemerkbar, die ich fortzubringen suchte, indem ich dort, wo durch den Streifen zu viel Licht, verglichen mit anderen Stellen, abgeblendet wurde, das sichtbare St\u00fcck der Linse etwas schm\u00e4ler machte, und umgekehrt. Mit diesen Emendationen fuhr ich fort, bis auf dem ganzen Linsenfelde die Streifenbewegung keine \u00c4nderung mehr erzeugte.\nNach diesen Vorbereitungen kann man annehmen, dafs Linsenstrecken gleicher H\u00f6he gleiche Helligkeiten durchlassen ; und da andererseits der Schieber in gleichen Zeiten gleiche H\u00f6hen passiert, so gilt f\u00fcr alle folgenden Versuche: dafs das Bild in gleichen Zeiten um gleiche Helligkeiten w\u00e4chst. Es sei erlaubt, nach naheliegender Analogie den Zuwachs der Helligkeit in der Zeiteinheit als die absolute Erhellungsgeschwindigkeit zu bezeichnen; diese ist w\u00e4hrend der Bewegung des Schiebers \u00fcber die gesamte Linsenfl\u00e4che konstant. (Relative Erhellungsgeschwindigkeit w\u00e4re dann das Verh\u00e4ltnis des in der Zeiteinheit erfolgten Zuwachses zur Anfangsintensit\u00e4t; dieselbe ist nat\u00fcrlich bei gleichm\u00e4fsiger Schieberbewegung in verschiedenen Teilen der Linsenfl\u00e4che verschieden. Diese neuen Ausdr\u00fccke, welche dem absoluten und relativen Reizzuwachse bei Unterschiedsversuchen entsprechen, sind hier wegen des Mitspielens der Zeitfunktion vonn\u00f6ten.)\nDie Versuche wurden nun so angeordnet, dafs jede Reihe zehn Beobachtungen unter gleichartigen Bedingungen, insbesondere bei derselben Anfangsstellung des Schiebers, umfafste. Als Seitenmafsstab des Fensters blieb vor der Hand noch die Millimeterskala, die oben mit 0 begann und unten mit 57 endete. Wieder leiteten vier Metronomschl\u00e4ge jeden Versuch\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nL. William Stern.\nein; beim ersten \u00f6ffnete der Beobachter das Auge, um es dem bestehenden Eindr\u00fccke zu adaptieren; synchron mit dem vierten wurde das Chronoskop vom Experimentator in Gang gesetzt. Nachdem dasselbe wieder durch die Reaktion des Beobachters zum Stillstand gebracht worden war, notierte der Experimentator die Zeigerstellung, und zwar nur die am unteren Zifferblatt, das Zehntelsekunden angiebt; bei den verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofsen Zeiten war eine Feststellung der Hundertstel- und Tausendstelsekunden irrelevant. Auf Zehntelsekunden als Einheit sind daher alle in den folgenden Tabellen enthaltenen Zeitwerte zu beziehen.\nVorerst lag mir daran, ein Bild von den Ver\u00e4nderungsdauern zu erhalten, welche bei verschiedenen Anfangsintensit\u00e4ten erzielt werden, und gleichzeitig diese Ver\u00e4nderungsdauern in den verschiedenen Netzhautgebieten zu untersuchen.\nIch machte daher zun\u00e4chst in direktem Sehen bei acht verschiedenen Schieberstellungen zweimal je zehn Versuche (also im ganzen 160) und zog aus den 20 zu einer Anfangsintensit\u00e4t geh\u00f6rigen Dauern die Mittel, welche in Tabelle II, Rubrik c, enthalten sind. (Rubrik d ist so gebildet worden, dafs ich aus jeder Zehnerreihe besonders die mittleren Abweichungen berechnete und dann aus den mittleren Abweichungen von je zwei zusammengeh\u00f6rigen Zehnerreihen wiederum das Mittel zog.) Sodann machte ich ganz dieselben Reihen (nur nicht doppelt) bei indirektem Sehen. War auch der Kasten innen \u00fcberall geschw\u00e4rzt, so reflektierte doch die dem Bilde n\u00e4here Seitenwand ganz wenig das von dem hellen Kreise ausgesandte Licht, jedenfalls gen\u00fcgend, um die Grenze dieser Wand von der tief dunklen Hinterwand eben erkennen zu lassen. Diese Kante benutzte der Beobachter als Fixationslinie, wobei das helle Bild seitlich noch ganz entschieden sichtbar war. Die Mittelwerte aus den so gewonnenen Reihen giebt Rubrik e. Rubrik b endlich liefert die den verschiedenen Schieberstellungen entsprechenden Anfangsintensit\u00e4ten, wenn wir die Intensit\u00e4t bei unbedeckter Linse, entsprechend deren H\u00f6he, mit 57 bezeichnen.\nWie zu erwarten war, zeigte sich bei direktem, wie bei peripherem Sehen eine mit wachsender Anfangsintensit\u00e4t","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Relligkeitsver \u00c4nderungen.\n261\nwachsende Ver\u00e4nderungsdauer,1 so dafs sich hieraus schon der Satz ableiten l\u00e4fst (der durch alle weiteren Versuche Best\u00e4tigung fand): Nimmt eine Helligkeit mit gleicher absoluter Geschwindigkeit zu, so dauert es um so l\u00e4nger, bis sie merklich wird, je gr\u00f6fser die Anfangsintensit\u00e4t (oder was dasselbe sagt: je kleiner die relative Erhellungsgeschwindigkeit) ist.\nTabelle II.\na.\tb.\tC.\td.\te.\n\t\t\t\tIndirekte s\nAnfangsstellung\tAnfangs-\t\t\tSehen.\nde s Schiebers\tintensit&t\tMittel aus je\tMittlere\tMittel aus je\n\t\t20 Zeitwerten\tAbweichungen\t10 Zeitwerten\n45\t12\t14,6\t0,58\t\n40\t17\t15,4\t1,13\t9,15\n35\t22\t16,9\t1,05\t. 9,15\n30\t27\t18,4\t2,01\t11,4\n25\t32\t18,3\t2,16\t12,3\n20\t37\t18,9\t1,56\t13,8\n15\t42\t19,8\t1,33\t14,3\n10\t47\t23,3\t2,26\t14,8\nDie Tabelle zeigt ferner, dafs ceteris paribus Helligkeitsver\u00e4nderungen im seitlichen Sehen viel schneller wahrgenommen werden, als im direkten. Dies Ergebnis ist eine Erg\u00e4nzung des bei Flimmerversuchen gefundenen (s. S. 252): waren dort schnelle Ver\u00e4nderungen an der Netzhautperipherie noch sichtbar, die es im Centrum nicht mehr waren, so sind nach unseren Hesultaten langsame Ver\u00e4nderungen an den Seitenteilen schon bemerkbar, die es in der Centralgrube noch nicht sind. Die Netzhautperipherie besitzt somit an der oberen, wie an der unteren Grenze der Ver\u00e4nderungswahrnehmung eine gr\u00f6fsere Empfindlichkeit.\n1 Der eine Wert der Rubrik c, der von der aufsteigenden Tendenz um ein geringes herausf\u00e4llt, bat keine grofse Bedeutung. Dies beweisen die mittleren Abweichungen, welche gerade dort ihr Maximum haben und somit die numerische Sicherheit jener Reihe fraglich machen.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nL. William Stern.\nNunmehr folgte der Hauptteil meiner Untersuchungen, der nicht nur auf die Ver\u00e4nderungsdauer, sondern vor allem auf die Erforschung der Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit gerichtet war, und beide bei mannigfach variierten Bedingungen feststellen wollte. Hierzu nahm ich an der Versuchsanordnung wiederum zwei Modifikationen vor. Die eine bezweckte die Variierbarkeit der absoluten Erhellungsgeschwindigkeit. Dies geschah durch schnell rotierende Pappscheiben mit heraus-geschnittenen Sektoren, die ich excentrisch zum Mittelpunkte des Lampendiaphragmas dicht vor diesem so aufstellte, dafs bei der Rotation das Licht bald abgeschnitten, bald ganz durchgelassen wurde. (S. Fig. 2.)1 Bei schneller Drehung war hinten am Bilde von Flimmern nichts zu merken. Betrug nun z. B. die Summe der herausgeschnittenen Sektoren 180\u00b0, so wurde dann in der Zeiteinheit nur die H\u00e4lfte des Lichtquantums durchgelassen ; dadurch verminderte sich nicht nur die Intensit\u00e4t des Bildes auf die H\u00e4lfte, sondern auch der Zuwachs in der Zeiteinheit, d. i. die absolute Erhellungsgeschwindigkeit. Ich benutzte im ganzen vier Scheiben, welche Verdunkelungen um Vs, 2/s, Vs und 3/5 herbeif\u00fchrten. \u2014 Die Scheiben brachten freilich den grofsen \u00dcbelstand mit sich, dafs ihre Rotation ein sehr starkes, beinahe peinigendes Ger\u00e4usch erzeugte, welches die Resultate wesentlich beeinflufste. Um die Art dieses Einflusses zu ermitteln, machte ich an einem Tage hintereinander zwei ganz gleiche Versuchsreihen, die eine mit dem begleitenden Ger\u00e4usch der Scheibe (die nat\u00fcrlich hierbei nicht vor der Lampe stand), die andere ohne dasselbe. Jede Serie enthielt vier Zehnerreihen; die Versuche jeder Reihe hatten unter sich gleiche Schieberstellungen. Die in beiden Serien gewonnenen Werte zeigt nebenstehende Tabelle III.\nEs ergiebt sich hieraus, dafs das Ger\u00e4usch durchschnittlich die bedeutende Verl\u00e4ngerung der Dauer von f\u00fcnf Zehntelsekunden herbeif\u00fchrte, und dafs die St\u00f6rung bei den verschiedensten Intensit\u00e4ten ungef\u00e4hr den gleichen Wert besafs. Die Gr\u00f6fse der Verz\u00f6gerung findet zum Teil in der Ablenkung der Aufmerksamkeit ihre Erkl\u00e4rung, zum Teil in der Verl\u00e4ngerung, welche bekanntlich die Reaktionszeit durch die\n1 Sog. Episkotister.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helliglceitsver\u00e4nderungen.\n268\nEinwirkung heterogener Sinneseindr\u00fccke erleidet.1 Infolge der Gew\u00f6hnung nahm sp\u00e4ter die durch das Ger\u00e4usch herbeigef\u00fchrte Verlangsamung der Ver\u00e4nderungswahrnehmung betr\u00e4chtlich ab; jedenfalls lehren aber obige Versuche, dafs der Einflufs der St\u00f6rung, da er bei verschiedenen Helligkeiten ziemlich derselbe ist, in der Form einer additiven Konstante ausgedr\u00fcckt werden kann. \u2014 Bei den folgenden Versuchen habe ich stets, selbst wenn ich die Scheiben nicht benutzte, eine derselben laufen lassen, damit die \u00e4ufseren Versuchsbedingungen, zu welchen ja auch das Ger\u00e4usch geh\u00f6rte, sich gleich blieben.\nTabelle III.\nVer\u00e4nderungsdaner\nSchieberslellung\tAnfangsintensit\u00e4t\tmit Ger\u00e4usch\tohne Ger\u00e4usch\tDifferenz\n45\t12\t19,9\t14,82 (14,6)\t5,1\n35\t22\t21,0\t16,4 (16,9)\t4,6\n25\t32\t23,3\t17,85 (18,3)\t5,4\n15\t42\t24,8\t19,75 (19,8)\t5\nDie zweite Modifikation bestand in einer Ver\u00e4nderung des Mafsstabes. Zum Zweck bequemerer Berechnung w\u00e4hlte ich jetzt einen solchen, der die H\u00f6he des sichtbaren Linsenst\u00fcckes in 125 Teile teilte und seinen Nullpunkt unten hatte. Die Intensit\u00e4t, welche durch Verr\u00fcckung des Schiebers um einen Teilstrich hinzugef\u00fcgt wurde, w\u00e4hlte ich als Einheit, so dafs die h\u00f6chste m\u00f6gliche Intensit\u00e4t bei ganz aufgehellter Linse und ohne rotierende Scheibe 125 Einheiten betrug.\nDie Hauptuntersuchung umfafste nun f\u00fcnf zusammengeh\u00f6rige Versuchsserien, jede aus acht (bezw. sieben) Zehnerreihen bestehend. Jede Serie wurde immer an einem Tage erledigt; sie enth\u00e4lt alle Versuche, die bei gleicher dauernder Verdunkelung (durch Eotationsscheiben) ausgef\u00fchrt wurden. Bei der ersten Serie betrug diese Verdunkelung 0, bei der zweiten Vs u. s. w. Somit waren die absoluten Erhellungsgeschwindigkeiten\n1 S. W. Wundt, Physiol. Psychol. IV. Aufl. Bd. II. S. 353.\n* Die Ver\u00e4nderungsdatier a ohne Ger\u00e4usch decken sich fast v\u00f6llig mit den in Klammern beigesetzten entsprechenden Werten aus Tab. II.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nL. William Stern.\ninnerhalb einer Serie stets konstant; sie belief sich in der zweiten Serie auf 4/s der ersten u. s. w. Wie besonders angestellte Kontrollversuche erwiesen, durchlief der Schieber in einer Sekunde 7,7 Teilstrecken. Da wir nun die Zehntelsekunde als Zeiteinheit und die Helligkeit, welche bei Nichtanwendung der Rotationsscheiben durch eine Teilstrecke hinzugef\u00fcgt wird, als Intensit\u00e4tseinheit festsetzten, so ist 0,770 f\u00fcr die erste Serie das Mafs der absoluten Erhellungsgeschwindigkeit. In der zweiten Serie treten pro Zehntelsekunde nur 4/sX 0,770 Intensit\u00e4tseinheiten hinzu, sie hat also die absolute Geschwindigkeit 0,616. Ebenso berechnen sich die Geschwindigkeiten f\u00fcr die letzten drei Serien auf 0,462, 0,385, 0,308.\nDie Versuche je einer Zehnerreihe erfolgten bei gleicher Schieberstellung ; die Schieberstellungen der verschiedenen Reihen differierten um je 10 Teilstriche, und zwar benutzte ich meist die zwischen 25 und 95, nur bei der vierten Serie die von 30\u2014100, weil die so entstehenden Intensit\u00e4ten sich besser mit denen der ersten Reihe vergleichen liefsen. Tabelle IV (S. 266) giebt die Liste aller so erzeugten Anfangsintensit\u00e4ten.\nDa es m\u00f6glich war, dafs f\u00fcr jede Reihe die Beschaffenheit der unmittelbar vorausgegangenen Reihe (namentlich deren gr\u00f6fsere oder geringere Intensit\u00e4t) von Einflufs war auf die Ver\u00e4nderungsdauer, so suchte ich diese Fehlerquelle zu meiden, indem ich jede Zehnerreihe in zwei F\u00fcnferreihen zerlegte und diese F\u00fcnferreihen zuerst aufw\u00e4rts (von Schieberstellung 25\u201495), sodann abw\u00e4rts (von 95\u201425) vornahm. Die Reihen gr\u00f6bster Intensit\u00e4t lagen also stets in der Mitte. Die in Tabelle V (S. 266) dargestellten Zahlen sind die Zeiten, wie sie sich als Mittel aus je 10 gleichartigen Versuchen ergeben.\nBetrachten wir vorerst einmal die Resultate, die sich hieraus f\u00fcr die Ver\u00e4nderungsdauern ergeben, so finden wir vor allem unseren obigen Satz best\u00e4tigt, dafs bei gleicher absoluter Erhellungsgeschwindigkeit die Dauern um so gr\u00f6fser sind, je gr\u00f6fser die Anfangsintensit\u00e4ten sind.1\n1 Nur die zweite Serie zeigt bei Schieberstellung 75 einen scharfen Knick; diese Serie ist \u00fcberhaupt sehr wenig zuverl\u00e4ssig; das beweisen die auffallend grofsen Zeitwerte und die bei ihr besonders grofsen (in die Tabelle nicht aufgenommenen) mittleren Abweichungen der einzelnen Zehnerreihen. Vielleicht war der Beobachter an jenem Versuchstage indisponiert.\t*","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"I\nDie Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\t265\nDie Beobachtungen bei gleichen Schieberstellungen und verschiedenen dauernden Verdunkelungen fallen von links nach rechts im allgemeinen, schwach ab; d. h. bei gleicher relativer Erhellungsgeschwindigkeit sind die Ver\u00e4nderungsdauern um so kleiner, je kleiner die Anfangsintensit\u00e4ten sind. Die Unregelm\u00e4fsigkeiten und Abweichungen hiervon r\u00fchren, wie sp\u00e4tere Versuche ergaben, besonders daher, dafs die hier verglichenen Werte den verschiedenen Versuchstagen entnommen sind. (Dasselbe gilt vom Folgenden.)\nDie Zeiten ferner, die bei gleichen Anfangsintensit\u00e4ten, aber verschiedenen absoluten Geschwindigkeiten erzielt worden sind, steigen von links nach rechts im allgemeinen schwach an. So finden sich f\u00fcr die Anfangsintensit\u00e4t 45 in der ersten, dritten und vierten Serie die Zeiten 11,6; 16,4; 16,75. Vergleicht man die Gegenden gleicher Intensit\u00e4t der ersten Serie mit denen der anderen, besonders der vierten, welche die halbe Erhellungsgeschwindigkeit hat, so zeigt sich das Resultat recht deutlich. (Nur die zweite Serie macht zum Teil wiederum eine Ausnahme.) Dieses Ergebnis kann so formuliert werden: Bei gleicher Intensit\u00e4t ist die Ver\u00e4nderungsdauer um so l\u00e4nger, je geringer die absolute (und damit auch relative) Erhellungsgeschwindigkeit ist.\nUm nun endlich die relativen Unterschiedsempfindlichkeiten zu berechnen, mufste man vor allem die Zuwachsintensit\u00e4ten kennen; hierzu war es aber nicht einfach erlaubt, die Zeiten der Tabelle V mit den in der Zeiteinheit zugef\u00fcgten Intensit\u00e4ten, also den absoluten Geschwindigkeiten, zu multipli-cieren. In Wahrheit n\u00e4mlich enth\u00e4lt jene Tabelle gar nicht die eigentlichen Ver\u00e4nderungsdauern, sondern diese einschliefs-lich der R eaktionszeit des Beobachters. Diese war also zun\u00e4chst zu ermitteln, und zwar in ihrem Werte bei den eigent\u00fcmlichen und komplicierten Umst\u00e4nden des Versuches, der sich mit den bekannten, einfachen Reaktionszeiten nicht ohne weiteres vergleichen l\u00e4fst. Ich stellte nun hier\u00fcber besondere Versuche an, \u00fcber die ich erst weiter unten berichten will, um hier die Diskussion der in Tabelle V niedergelegten Ergebnisse nicht durch einen l\u00e4ngeren Exkurs unterbrechen zu m\u00fcssen. Nach jenen Untersuchungen hatte die Reaktionszeit des Beobachters","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nL. William Stern.\nTabelle IV,\nenthaltend die Anfangsintensit\u00e4ten.\n\t\tErste Serie\tZweite Serie\tDritte Serie\tVierte Serie\tF\u00fcnfte Serie\n\t\tDauernde Verdunkelung durch rotierende Scheiben:\t\t\t\t\n\t\t0\tl S\t2 S\t1 2\t3 S\n\t\tAbsolute Erhellungsgeschwindigkeit :\t\t\t\t\n\t\t0,770\t0,616\t0,462\t0,385\t0,308\nAnfangsstellung des Schiebers:\t\tAnfangsintensit\u00e4ten :\t\t\t\t\n25\t30\t25\t20\t15\t15\t10\n35\t40\t35\t28\t21\t20\t14\n45\t\t45\t36\t27\t25\t18\n\t50\t55\t44\t33\t\t22\n55\t\t\t\t\t30\t\n\t60\t\t\t\t\t\n65\t70\t65\t52\t39\t35\t26\n75\t\t75\t60\t45\t40\t30\n\t80\t\t68\t51\t\t34\n85\t\t85\t\t\t45\t\n\t90\t\t\t\t\t\n95\t100\t95\t76\t57\t50\t38\nTabelle V,\nenthaltend die Ver\u00e4nderungsdauern.\n\t\tErste Serie\tZweite Serie\tDritte Serie\tVierte Serie\tF\u00fcnfte Serie\n\t\tDauernde Verdunkelung durch rotierende Scheiben:\t\t\t\t\n\t\t0\tl S\t2 S\t1 2\t3 S\n\t\tAbsolute Erhellungsgeschwindigkeit :\t\t\t\t\n\t\t0,770\t0,616\t0,462\t0,385\t0,308\nAnfangssteUung des Schiebers:\t\tV er\u00e4nderungsdauern :\t\t\t\t\n25\t\t\t8,9\t8,65\t7,5\t\t\n\t30\t9,1\t\t\t\t6,85\n35\t\t\t12,2\t10,75\t\t\n\t40\t\t\t\t10,85 11,0\t\n45\t\t11,6\t14,8\t12,15\t\t9,5\n\t50\t\t\t\t\t\n55\t\t14,3\t15,05\t12,85\t13.1\t9,85\n\t60\t\t\t\t\t\n65\t\t15,0\t17,55\t13,3\t14,45\t11,3\n\t70\t\t\t\t\t\n75\t\t16,4\t15,85\t16,4\t15,9\t11,4\n\t80\t\t\t\t\t\n85\t\t18,0\t19,05\t16,1\t16,75\t13,05\n\t90\t\t\t\t\t\n95\t\t18,7\t19,1\t16,7\t18,75\t13,5\n\t100\t\t\t\t\t","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\n267\nTabelle VI,\nenthaltend die relativen Ver\u00e4nderungsempfindlichkeiten.\n\t\tErste Serie\tZweite Serie\tDritte Serie\tVierte Serie\tF\u00fcnfte Serie\n\t\tDauernde Verdunkelung durch, rotierende Scheiben:\t\t\t\t\n\t\t0\tl\t2 5\t1 2\t8 5\n\t\tAbsolute Erhellungsgeschwindigkeit :\t\t\t\t\n\t\t0,770\t0,616\t0,462\t0,385\t0,308\nAnfangsstellung des Schiebers:\t\tZusatzintensit\u00e4t, dividiert durch Anfangsintensit\u00e4t:\t\t\t\t\n25\t30\t\u2014\t0,120\t0,112\t0,063\t0,040\n35\t\t0,090\t0,154\t0,127\t\t\n\t40\t\t\t\t0,111\t0,077\n45\t\t0,111\t0,167\t0,122\t\t\n\t50\t\t\t\t0,093\t0,067\n55\t\t0,103\t0,141\t0,110\t0,105\t\n\t60\t\t\t\t\t0,075\n65\t\t0,118\t0,147\t0,098\t\t\n\t70\t\t\t\t0,104\t0,066\n75\t\t0,118\t0,111\t0,118\t\t\n\t80\t\t\t\t0,105\t0,073\n85\t\t0,118\t0,127\t0,101\t\t\n\t90\t\t\t\t0,101\t0,069\n95\t\t0,111\t0,115\t0,096\t\t\n\t100\t\t\t\t0,111\t\n\t\tMittel aus den\t\tje sechs letzten Werten:\t\t\n\t\t0,113\t0,135\t0,108\t0,103\t0,070\n\t\t\tMittlere Abweichungen :\t\t\t\n\t\t0,005\t0,017\t0,009\t0,004\t0,004\nden bedeutenden Wert von etwa 5 Zehntelsekunden. Wurde dieser Wert von den Zeiten der Tabelle V abgezogen und der Best mit der absoluten Erhellungsgeschwindigkeit der betreffenden Serie multipliciert, so erhielt man die Intensit\u00e4t, welche bis zum Augenblicke der Ver\u00e4nderungswahrnehmung hinzugef\u00fcgt war; diese, dividiert durch die Anfangsintensit\u00e4t, ist das Mafs der relativen Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit. Tabelle VI enth\u00e4lt die so gewonnenen Werte.\nZun\u00e4chst ersieht man sofort, dafs jede Serie in sich eine fast v\u00f6llige Konstanz aufweist. Nur die ersten Werte (und in der ersten und letzten Serie auch die bei Schieberstellung 35) weichen ein wenig ab. Zieht man der \u00dcbereinstimmung wegen von allen Serien nur die sechs letzten Werte in Betracht und","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nL. William Stern.\nnimmt aus ihnen das Mittel, so sind \u00fcberall \u2014 mit Ausnahme der zweiten Serie, die auch hier wieder etwas herausf\u00e4llt \u2014 die Abweichungen von diesen Mitteln kleiner, als Vioo ; ja, in drei Serien betr\u00e4gt ihre G-r\u00f6fse nur V200. Es ist somit bei jeder Serie f\u00fcr sich innerhalb eines grofsen Intensit\u00e4tsgebietes das WEBERsche Gesetz g\u00fcltig. \u2014 Vergleicht man die Mittel der einzelnen Serien unter einander, so ergiebt sich \u2014 wieder mit der bewufsten Ausnahme \u2014 von links nach rechts eine deutliche Zunahme der Empfindlichkeit.\nDiese Ergebnisse lassen sich so formulieren: Bei gleicher absoluter Erhellungsgeschwindigkeit ist innerhalb eines grofsen Intensit\u00e4tsgebietes die relative Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit konstant. Nimmt die absolute Geschwindigkeit ab, so nimmt die relative Empfindlichkeit zu.1\nNehmen wir diesen Satz f\u00fcr richtig an, so mufs er zwei Folgerungen nach sich ziehen. Da n\u00e4mlich die Empfindlichkeit nicht von der absoluten Anfangsintensit\u00e4t abh\u00e4ngig ist, sondern nur von der absoluten Erhellungsgeschwindigkeit, so mufs bei beliebigen Intensit\u00e4ten diejenige mit geringerer absoluter Geschwindigkeit gr\u00f6fserer Empfindlichkeit begegnen. Da nun bei gleicher relativer Geschwindigkeit die absolute um so kleiner ist, je kleiner die Anfangsintensit\u00e4ten, so w\u00fcrde sich ergeben: Bei gleicher Schieberstellung, d. h. gleicher relativer Geschwindigkeit, ist die Empfindlichkeit um so gr\u00f6fser, je kleiner die Anfangsintensit\u00e4t ist. \u2014 Ferner: Da die Anfangsintensit\u00e4ten beliebig sein k\u00f6nnen, k\u00f6nnen sie z. B. auch gleich sein; dies erg\u00e4be das eigent\u00fcmliche Resultat, dafs bei gleichen Anfangsintensit\u00e4ten die Empfindlichkeit um so gr\u00f6fser ist, je langsamer die Helligkeit zunimmt.\nDie Richtigkeit beider Folgerungss\u00e4tze l\u00e4fst sich nun schon aus Tabelle VI einigermafsen erkennen; jedoch sind die Differenzen so klein, dafs hier die Verschiedenheit der Tage, denen die einzelnen Werte entnommen sind, in erh\u00f6htem Mafse\n1 Es ist verlockend, aus obiger Tabelle zu schliefsen, dafs absolute Geschwindigkeit und relative Empfindlichkeit geradezu umgekehrt proportional verlaufen^ die Resultate der zweiten, dritten und f\u00fcnften Serie w\u00fcrden sich so deuten lassen; jedoch halte ich diese \u00dcbereinstimmung f\u00fcr g\u00e4nzlich zuf\u00e4llig.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von HelUgJceitsver\u00e4nderungen.\n269\ndie Genauigkeit beeintr\u00e4chtigt. Um diesen Fehler zu eliminieren, liefs ich nun noch einige besondere Yersuchsserien folgen, welche die Bedingungen der beiden Folgerungss\u00e4tze an je einem Versuchstage vereinigt enthielten. Zwei Serien umfafsten Beihen gleicher relativer Erhellungsgeschwindigkeit, d.h. gleicher Schieberstellung bei verschiedener dauernder Verdunkelung; drei weitere enthielten Beihen gleicher Anfangsintensit\u00e4t. Die folgenden Tabellen geben die Dauern und darunter die nach obiger Methode berechneten relativen Empfindlichkeiten. (Tab. VIII s. n\u00e4chste Seite !)\nTabelle VII.\nZwei Serien, bestehend aus je f\u00fcnf Zehnerreihen gleicher relativer Geschwindigkeit.\nSchie berstellung 55.\nAbsolute Geschwindigkeit\t0,770\t0,616\t0,462\t0,385\t0,308\nDauer\t Relative Empfindlichkeit..\t13,35 0,119\t12,00 0,111\t11,5 0,100\t10,7 0,088\t10,85 0,090\nSchieberstellung 95,\nAbsolute Geschwindigkeit\t0,770\t0,616\t0,462\t0,385\t0,308\nDauer \t Relative Empfindlichkeit..\t13,5 0,068\t16,05 0,090\t15,85 0,088\t13,35 0,069\t13,65 0,069\nDiese Tabellen best\u00e4tigen nun unsere bisherigen Annahmen, sowohl was die Zeiten, als auch was die Empfindlichkeiten anlangt. Tabelle VII lehrt: Bei gleicher relativer Erhellungsgeschwindigkeit ist die Ver\u00e4nderungsdauer umsok\u00fcrzerunddieEmpfindlichkeitumsosch\u00e4rfer, je kleiner die Anfangsintensit\u00e4ten und damit die absoluten Geschwindigkeiten sind. (Nur der erste Wert der zweiten Serie ist etwas abnorm.) Tabelle VIII giebt an: Bei gleicher Anfangsintensit\u00e4t w\u00e4chst die Ver\u00e4nderungsdauer, wenn die absolute Geschwindigkeit abnimmt; gleichzeitig wird trotz der l\u00e4ngeren Dauern die relative Empfindlichkeit sch\u00e4rfer. (Von dem ersten Teile dieses Satzes weicht der letzte Wert der dritten Serie ab, von dem zweiten Teile kein einziger Wert.)","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nL. William Stern.\nTabelle VIII.\nDrei Serien, enthaltend Reihen gleicher Anfangsintensit\u00e4t.\nAnfangsintensit\u00e4t 30.\nAbsolute Geschwindigkeit\t Schieberstellung\t\t0,770 30\t0,462 50\t0,385 60\t0,308 76\nDauer \t Relative Empfindlichkeit\t\t10,3 0,135\t12,4 0,114\t12,45 0,095\t12,9 0,081\nAnfangsintensit\u00e4t 60.\nAbsolute Geschwindigkeit\t Scbieberstellung\t\t0,770 60\t0,616 75\nDauer \t Relative Empfindlichkeit\t\t17,55 0,161\t18,95 0,143\nAnfangsintensit\u00e4t 45.\t\t\nAbsolute Geschwindigkeit\t\t0,770\t0,462\t0,385\nSchieberstellung\t\t45\t75\t90\nDauer \t\t14,15\t14,8\t13,5\nRelative Empfindlichkeit\t\t0,156\t0,101\t0,073\nEs bleiben nun noch die Versuche nachzutragen, welche zur Feststellung der Reaktionszeit dienten. Um diese unter den besonderen und komplicierten Bedingungen unserer Versuchsanordnung zu messen, mufsten diejenigen Zeiten in Betracht gezogen werden, welche das Chronoskop angab, wenn die Ver\u00e4nderung momentan wahrnehmbar war. Zu diesem Zwecke bedeckte ich etwa ein Zehntel der Linse mit einem Pappst\u00fcck, welches ich genau in demselben Momente rasch fortzog, in dem ich die Uhr in Gang setzte. Diese Erhellung um 10% war zweifellos momentan wahrnehmbar. Es stellte sich nun heraus, dafs die Reaktionszeit schwankte zwischen f\u00fcnf und vier Zehntelsekunden, niemals kleiner war. Diese Zeit verifieierte ich noch auf einem anderen \"Wege. Je tiefer der Schieber steht, um so gr\u00f6fser ist die relative Erhellungsgeschwindigkeit, bei den tiefsten Stellungen so grofs, dafs hier die Momentaneit\u00e4t der Wahrnehmung wahrscheinlich ist. Ich liefs daher bei allen f\u00fcnf Arten dauernder Verdunkelung die","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver \u00c4nderungen.\n271\nVer\u00e4nderungen beobachten, w\u00e4hrend nur die niedrigsten Schieberstellungen benutzt wurden. Fast bei allen Versuchen hatte der Beobachter den subjektiven Eindruck des Momentanen, dennoch gehen die Zeiten (mit zwei Ausnahmen) nie unter 4Vs herunter, w\u00e4hrend 5 und 5V2 am h\u00e4ufigsten vorkamen. Tabelle IX sucht dies zu veranschaulichen; hier sind die verschiedenen Schieberstellungen unter die einzelnen Zeitwerte eingeordnet, die bei ihnen erzielt wurden.\nTabelle IX.\nDauernde\t\tDa\tuer i\tn Zehntels\tekund\tf en\t\t\nVer-\t\t\t\t\t\t\t\t\ndunkelung\t7\t\u00ab1\t6\t\t5\t\t4\t\n0\t17\t17\t18; 18\t16\t_\t\t14; 16\t\n1 5 2 5\t14; 18\t15\t17\t17 25; 20\t14; 18 19\t17\t\u2014\tStellungen\n1 2\t\u2014\t25\t\u2014\t25; 18; 19\t19; 21\t18\t\tSchiebers.\n5\t35\t\t20\t25; 20; 17; 15\t15\t\t\t)\nDafs wir uns hier bei f\u00fcnf Zehntelsekunden in der Gegend des Momentanen befinden, zeigt auch schon der Umstand, dafs dieselben Schieberstellungen bei den verschiedensten dauernden Verdunkelungen hier die gleiche Dauer bewirkten. W\u00e4re diese Dauer eigentliche Ver\u00e4nderungsdauer, so m\u00fcfste dieselbe, wie oben nachgewiesen, bei gleicher relativer Erhellungsgeschwindigkeit sich den Anfangsintensit\u00e4ten parallel ver\u00e4ndern. Dies ist nicht der Fall. Ist aber die Zeit nur Reaktionszeit, also die Auffassung momentan, so sind diese Zahlen Best\u00e4tigungen meiner zu allererst angestellten Versuche, welche ergeben hatten, dafs bei momentan wahrnehmbaren Ver\u00e4nderungen lediglich das Verh\u00e4ltnis der Intensit\u00e4ten, nicht ihr absoluter Wert in Betracht komme. \u2014 Aus allen diesen Gr\u00fcnden hielt ich mich f\u00fcr berechtigt, bei der Ermittelung der Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit den Betrag von f\u00fcnf Zehntelsekunden als Reaktionszeit in Anrechnung zu bringen.\nDie auffallende L\u00e4nge dieser Reaktionsdauer scheint mir in mehreren Thatsachen ihre Erkl\u00e4rung zu finden. \u2014 Erstens ist der Reiz, auf den reagiert wurde, nur eben von dem vorher","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nL. William Stern.\ndagewesenen unterscheidbar; nun ist aber anderweitig1 nachgewiesen, dafs auf Reize in der Gregend der Unterschiedsschwelle die Reaktionszeit erheblich verl\u00e4ngert ist; das w\u00fcrde hier eine, wenn auch modificierte, Anwendung finden k\u00f6nnen. \u2014 Zweitens wurde die Reaktionsdauer durch das Gler\u00e4usch der rotierenden Scheiben erheblich vergr\u00f6fsert, betrug doch die St\u00f6rung durch dasselbe in der ersten Zeit allein schon 5/io Sekunden. Sp\u00e4ter wurde dieser Einflufs durch Gew\u00f6hnung zwar stark vermindert, dennoch d\u00fcrfen wir ihn mit 1 \u2014 2 Zehntelsekunden wohl in Anrechnung bringen. \u2014 Drittens ist zu beachten, dafs wir es bei unseren Versuchen, da die Aufmerksamkeit fast ausschliefslich auf die optische Wahrnehmung gerichtet war, sicherlich mit den l\u00e4nger w\u00e4hrenden sensoriellen Reaktionen zu thun haben.\nDamit hatten meine Versuche ein Ende erreicht; die entsprechenden Verh\u00e4ltnisse bei allm\u00e4hlichen Verdunkelungen zu untersuchen, war mir leider nicht mehr m\u00f6glich. \u00dcbrigens m\u00f6chte ich die gesamten hier geschilderten Experimente lediglich als provisorische betrachtet wissen; sie sollten nur im Umrifs ein Bild dessen geben, was man sp\u00e4ter bei genaueren Versuchen erwarten darf, und sie sollten vor allem zu solchen anregen. Der Mangel geeigneterer H\u00fclfsmittel erlaubte mir leider nicht eine exaktere Gestaltung. Aus gleichem Grunde haftet den gesamten Resultaten, die ich im folgenden zusammenfasse, ebenfalls nnr ein provisorischer Charakter an; eine gr\u00fcndliche Nachpr\u00fcfung derselben w\u00e4re aufserordentlich w\u00fcnschenswert.\nErgebnisse der Experimente.\n1. Bei ann\u00e4hernd momentan erfolgenden und momentan merklichen Erhellungen ist die relative Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit konstant; es gilt also das WEBE\u00dfsche Gesetz. Die relative Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit betrug bei meinen\n1 Wundt, Physiol. Psychol. IV. Aufl. Bd. II. S. 345 ff.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von HeUigJceitsver\u00e4nderungen.\n273\nVersuchen V\u00e4o, ist also nicht so fein, wie die Unters chiedsempfindlichkeit.\n2.\tW\u00e4hrt eine objektive Ver\u00e4nderung einige Zeit, ehe sie bemerkt wird, so teilen sich die Ergebnisse in solche \u00fcber Ver\u00e4nderungsdauer und solche \u00fcber relative Empfindlichkeit.\na)\tBei gleicher absoluter Erhellungsgeschwindigkeit sind die Ver\u00e4nderungsdauern um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser die Anfangsintensit\u00e4ten sind; die relative Ver\u00e4nderungsempfindlichkeit bleibt bei beliebigen Intensit\u00e4ten konstant.\nb)\tBei gleicher relativer Erhellungsgeschwindigkeit sind die Ver\u00e4nderungsdauern um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser die Anfangsintensit\u00e4ten sind, die relativen Empfindlichkeiten um so sch\u00e4rfer, je kleiner die Anfangsintensit\u00e4ten sind.\nc)\tBei gleicher Anfangsintensit\u00e4t sind die Ver\u00e4nderungsdauern um so gr\u00f6fser, je kleiner die absoluten Geschwindigkeiten sind; gleichzeitig verfeinert sich die relative Empfindlichkeit.\n3.\tIm indirekten Sehen sind ceteris paribus die Ver\u00e4nderungsdauern k\u00fcrzer, die relativen Empfindlichkeiten gr\u00f6fser, als im direkten.\n4.\tDie relative Empfindlichkeit bei Ver\u00e4nderungen, zu deren Sichtbarwerden einige Zeit vergehen mufs, ist geringer, als bei momentan wahrnehmbaren Ver\u00e4nderungen; bei meinen Versuchen war erstere nur ein halb bis ein viertel so fein, wie letztere.\n5.\tDie Reaktionszeit beiWahrnehmung allm\u00e4hlicher Helligkeitsver\u00e4nderungen hat eine betr\u00e4chtliche Gr\u00f6fse.\nEs ist mir eine angenehme Pflicht, den Herren Professoren H. Ebbinghaus und A. K\u00f6nig f\u00fcr den Rat und die Unterst\u00fctzung, die sie mir bei meinen experimentellen Versuchen haben zu\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nL. William Stern.\nteil werden lassen, den herzlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich Herrn cand. chem. Lustig f\u00fcr die Bereitwilligkeit, mit der er sich monatelang als Beobachter zur Verf\u00fcgung stellte, zu grofsem Danke verpflichtet.\nIII. Psychologische Analyse der Wahrnehmung von Helligk eit s Ver\u00e4nderungen.\nIn den einleitenden Worten dieser Arbeit hatte ich betont, dafs psychisch die Wahrnehmung der Ver\u00e4nderung, des Anders wer dens, eine ganz charakteristische Bewufstseins-thatsache sei, die der Auffassung des Unterschiedes, des Anders-seins, durchaus heterogen sei. Es ist nun die Frage: Worin besteht psychologisch die eigent\u00fcmliche Beschaffenheit der Ver\u00e4nderungswahrnehmung? Versuchen wir, diese zu analysieren.\nAm n\u00e4chsten liegt es, den Ver\u00e4nderungseindruck als das Resultat zweier Empfindungsmomente hinzustellen, deren jeder einzelne eine (in sich konstante) Phase der Ver\u00e4nderung erfafst. Die im gegenw\u00e4rtigen Momente anwesende Empfindung wird mit dem Erinnerungsbilde der fr\u00fcheren, von demselben Objekt erzeugten, verglichen, und diese Vergleichung zeigt uns, dafs beide Eindr\u00fccke nicht \u00fchereinstimmen ; man schliefst dann, dafs der eine sich in den anderen verwandelt habe. Unter dieser Voraussetzung w\u00e4re der Ver\u00e4nderungseindruck thats\u00e4ch-lich nur eine Wahrnehmung vomAnderssein zweier Empfindungsinhalte ; das Charakteristische best\u00e4nde dann darin, dafs 1. der eine Empfindungsinhalt nur als Erinnerungsbild, der andere als frische Sensation vorhanden ist, 2. die beiden als verschieden erkannten Empfindungsinhalte einem Objekte zugeschrieben werden.\nEs ist nun sicher, dafs wir Helligkeits\u00e4nderungen unter Umst\u00e4nden durch einen derartigen Schlufs erkennen, besonders, wenn sie sehr langsam vor sich gehen. So wird z. B. das Fortschreiten der D\u00e4mmerung nur daran erkannt, dafs wir die einzelnen, in sich konstant scheinenden Phasen, bezw. deren Erinnerungsbilder, miteinander vergleichen. Meine Experimente scheinen \u00fcbrigens zu zeigen, dafs selbst bei dieser Art der Wahrnehmung nicht nur die einzelnen Phasen, sondern auch die zwischen ihnen verflossene Zeit (die Geschwindigkeit) eine Rolle spiele. \u2014 Aber sicherlich ist damit nicht das ganze Gebiet der Ver\u00e4nderungswahrnehmung ersch\u00f6pft. Es giebt Bedingungen, unter denen nicht zwei Empfindungsmomente","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von HelligJceitsver\u00e4nderungen.\n275\nn\u00f6tig sind zur Erzeugung des Eindruckes, sondern ein einziger gen\u00fcgt, Bedingungen, unter denen die Ver\u00e4nderung nicht erschlossen, sondern unmittelbar gesehen wird. Dies gilt namentlich bei gr\u00f6fserer Geschwindigkeit des \u00dcberganges. Vergleichen wir mit obiger Auffassung der zunehmenden D\u00e4mmerung den Wahrnehmungsakt, wenn eine Lampe rasch herabgeschraubt wird: man erkennt sofort, dafs der Eindruck nicht nur graduell verschieden ist; er ist ganz: andersartig, die Ver\u00e4nderungsauffassung ist viel unmittelbarer,, nicht reflexionsm\u00e4fsig, nicht erschlossen; die Ver\u00e4nderung wird geradezu empfunden. Wir finden hier also ganz jene Verschiedenartigkeit des Eindruckes, wie sie analog auf dem Gebiete der Bewegungswahrnehmung zuerst von Exner1 konstatiert worden ist. \u2014 Zu einschl\u00e4gigen Beobachtungen boten auch meine Experimente Gelegenheit, besonders bei den zuerst geschilderten Versuchsreihen. Hier dauerte die Erhellung bekanntlich verschwindend kurze Zeit, w\u00e4hrend vorher und nachher der Eindruck konstant war. Oft nun glaubte ich, die Ver\u00e4nderung wahrgenommen zu haben, ohne dafs ich zwischen den konstanten Eindr\u00fccken vorher und nachher einen Unterschied erkennen konnte. Beide schienen mir gleich; ich wufste nicht, ob eine Erhellung oder Verdunkelung stattgefunden habe; das Einzige, was ich bemerkt hatte, war ein momentanes Zucken auf dem Bilde; ein undefinierbares Etwas huschte dar\u00fcber hin, doch nur, um die scheinbare Stabilit\u00e4t des Eindruckes f\u00fcr einen Moment zu unterbrechen. Nach einiger \u00dcbung war ich dessen sicher, dafs, selbst wenn ich Anfangs- und Endstadium deutlich als verschieden erkannte, aufserdem noch dieser Eindruck des \u00dcberganges selbst, dieses momentane Flimmern, als Drittes zu dem ganzen Wahrnehmungskomplexe trat. \u00c4hnliche Selbstbeobachtungen hat auch Herr Lustig gemacht. \u2014- Noch eine andere Thatsache spricht f\u00fcr die Wahrscheinlichkeit einer momentanen Ver\u00e4nderungsauffassung. Wird eine eben noch ungereizte Netzhautstelle pl\u00f6tzlich neu gereizt, so haben wir nicht nur den Eindruck, dafs wir jetzt etwas wahrnehmen, sondern auch den, dafs diese Wahrnehmung eine neue ist; und zwar ist letztere N\u00fcancierung des Eindruckes\n1 S. Exner, \u00dcber das Sehen von Bewegungen etc. Wiener \u00c4kad. 1875. III. Abt. S. 156 ff.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nL. William Stern.\neine scharf ausgesprochene. Eine frisch auftretende Empfindung ist eben etwas durchaus anderes, als die intensiv, qualitativ und lokal gleiche Empfindung, wenn sie schon l\u00e4ngere Zeit unver\u00e4ndert besteht. Diese \u201eNeuheitsqualit\u00e4t\u201c kennt jeder aus tausendf\u00e4ltiger Erfahrung, und jeder weifs, dafs dieselbe nichts weniger als nur reflexionsm\u00e4fsig ist; sie haftet unmittelbar der augenblicklichen Empfindung an, entsteht nicht etwa nur durch Yergleichung des gegenw\u00e4rtigen Zustandes mit dem Erinnerungsbilde des fr\u00fcheren Zustandes der Nichtreizung. Nun ist Neureizungnichts anderes als eine Ver\u00e4nderung des urspr\u00fcnglichen Reizungszustandes, die zwar mit rapider Schnelligkeit, aber doch nicht sprunghaft, sondern mit Durchmessung aller dazwischenliegenden \u00dcbergangsstufen erfolgt; somit ist die \u201eNeuheitsqualit\u00e4t\u201c nichts anderes, als jene eigent\u00fcmliche \u201e\u00dcbergangsqualit\u00e4t\u201c, die, wie oben geschildert, dem momentanen Yer\u00e4nderungseindrucke anhaften kann.\nIst nun diese \u201e\u00dcbergangsqualit\u00e4t\u201c psychologisch noch zu analysieren, auf bekannte Eigenschaften der Empfindung zur\u00fcckzuf\u00fchren? In Bezug auf die Bewegungswahrnehmung wird die M\u00f6glichkeit einer solchen Analyse von Exner bestritten; f\u00fcr ihn ist die Thatsache von der Existenz dieser Qualit\u00e4t zugleich das Zeugnis f\u00fcr die Existenz einer Empfindung sui generis, der \u201eBewegungsempfindung\u201c. Diesen Schlufs kann ich ohne weiteres nicht f\u00fcr berechtigt halten. Die Heterogeneit\u00e4t und Momentaneit\u00e4t des Eindruckes, verglichen mit der aus zwei Eindr\u00fccken erschlossenen Ver\u00e4nderung, k\u00f6nnte auch darin ihren Ursprung haben, dafs in dem Momente des \u00dcberganges irgend eine andere Empfindung, vielleicht sogar eines anderen Sinnesgebietes, auftritt und nun dem ganzen in jenem Momente vorhandenen VVahrnehmungskomplexe sein eigent\u00fcmliches Gepr\u00e4ge aufdr\u00fcckt. Dafs etwas Derartiges bei der Bewegungswahrnehmung thats\u00e4chlich der Fall ist, hoffe ich demn\u00e4chst an anderer Stelle nachweisen zu k\u00f6nnen. \u2014 Auch bei den uns hier besch\u00e4ftigenden Helligkeitsver\u00e4nderungen l\u00e4ge es nahe, an gewisse Muskelempfindungen zu denken, die ja jetzt mit Vorliebe zur Erkl\u00e4rung der mannigfachsten psychischen Ph\u00e4nomene herangezogen werden. Da sich n\u00e4mlich mit wachsender Helligkeit die Pupille verengt, mit abnehmender erweitert, so findet thats\u00e4chlich im Momente des \u00dcberganges die Kontraktion der Pupillarmuskeln statt, die von Muskelempfindungen begleitet","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von HeUigJceiisver\u00e4nderungen.\n277\nsein kann. Indessen, mag dies auch ein wenig beitragen zur Eigenartigkeit des Yer\u00e4nderungseindruckes, so scheint mir doch das Wesentliche der \u201e\u00dcbergangsqualit\u00e4t\u201c auf optischem Gebiete zu liegen.\nIch halte in der That die Existenz einer specifischen optischen Yer\u00e4nderungs- oder \u00dcbergangsempfindung nicht f\u00fcr unm\u00f6glich. Einerseits sprechen die oben angef\u00fchrten Fakta der Selbstbeobachtung daf\u00fcr, und andererseits w\u00fcrde das physikalische und physiologische \u00c4quivalent f\u00fcr eine solche Empfindung sich sehr wohl denken lassen. Ich m\u00f6chte hier zwei Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten erw\u00e4hnen. l.Wiebei der Tonempfindung experimentell nachgewiesen, so ist es auch beim Lichtsinn zu vermuten, dafs, um die einfache Empfindung zu erzeugen, eine gewisse Mindestanzahl von Schwingungen n\u00f6tig ist. Sind diese physikalischen Konstituenten einer Elementarempfindung an Schwingungsl\u00e4nge und Amplitude unter sich v\u00f6llig gleich, so ist das Ergebnis die Empfindung einer bestimmten Farbe von bestimmter Helligkeit. Wie aber, wenn sie verschieden sind? Wenn z. \u00df. die zur Hervorbringung einer einzigen Empfindung n\u00f6tigen Schwingungen in Bezug auf ihre Amplitude eine aufsteigende Reihe bilden? Es ist doch sehr wohl denkbar, dafs die resultierende Primitivempfindung (wenn man diesen scheinbar absurden Ausdruck gebrauchen darf) sich dementsprechend specifisch von obiger Empfindungsart unterscheide. Da nun objektive Intensit\u00e4tszunahme identisch ist mit Wachsen der Amplitude, so h\u00e4tten wir hier eine Yer\u00e4nderungsempfindung sui generis. -\u2014 2. Wenn ein \u00e4ufsererReiz einige Zeit unver\u00e4ndert besteht, so ist die nerv\u00f6se Erregung im Sinnesorgane diesem Reize vollkommen adaptiert. Yer\u00e4ndert sich der letztere nun, so mufs sich der Vorgang in den Nervenendigungen dem neuen Zustande erst wieder anpassen, was freilich sehr schnell geschieht. Vielleicht nun, dafs diese momentane Inkongruenz zwischen dem einwirkenden Reiz und der Funktion des aufnehmenden Nerven eine specifische Empfindungsqualit\u00e4t zu erzeugen im st\u00e4nde ist; vielleicht auch, dafs die mit dem Ausgleich verbundene Th\u00e4tigkeit eine Begleiterscheinung bildet, die dem gesamten Wahrnehmungsakte seinen besonderen Charakter verleiht.\nErscheint so die Existenz einer Ver\u00e4nderungsempfindung sui generis auf dem Gebiete der Helligkeitswahrnehmung nicht","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nL. William Stern.\nals unm\u00f6glich, so ist dieselbe doch nichts weniger als erwiesen, und es wird einer sp\u00e4teren Zeit Vorbehalten bleiben, auf Grund eines umfassenderen Thatsachenmaterials und gewichtigerer Argumente sich daf\u00fcr oder dagegen zu entscheiden. Als That-sache scheint mir gegenw\u00e4rtig nur das gelten zu d\u00fcrfen, dafs unter gewissen Bedingungen ein einzelner Empfindungsmoment ausreicht, um in uns den eigent\u00fcmliche!). Eindruck einer Helligkeitsver\u00e4nderung wachzurufen, und dafs dieser \"Wahrnehmungsakt von der anderen Art, Ver\u00e4nderungen zu erkennen (n\u00e4mlich durch Vergleichung zweier Phasen) sich grunds\u00e4tzlich unterscheidet. Beide Wahrnehmungsarten wirken oft zusammen, k\u00f6nnen aber auch zuweilen gesondert auf-treten, und zwar die Phasenvergleichung, wenn die Ver\u00e4nderung sich sehr langsam, aber innerhalb eines gr\u00f6fseren Intensit\u00e4tsgebietes vollzieht; der momentane \u00dcbergangseindruck, wenn sie innerhalb sehr enger Grenzen mit grofser Geschwindigkeit vor sich g eht.\nDie kleine Mitteilung Scriptures,1 die mir erst nach Fertigstellung dieser Arbeit zu Gesicht kam, berichtet \u00fcber einige Versuche in betreff der allm\u00e4hlichen \u00c4nderung von Tonh\u00f6hen. Leider wird uns nicht gesagt, ob das \u201eann\u00e4hernd gleichm\u00e4fsige Sinken der Tonh\u00f6he\u201c im Sinne der absoluten oder relativen Geschwindigkeit zu verstehen ist. Daher w\u00fcrden auch die beiden Arten der \u00c4nderungsempfindlichkeit, die er konstatieren zu k\u00f6nnen glaubt, die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsempfindlichkeit, einer genauen Formulierung bed\u00fcrfen. Die Resultate S.\u2019s scheinen sich nur zum Teil mit den meinigen zu decken; freilich beziehen sie sich ja nicht nur auf ein anderes Sinnesgebiet, sondern auch auf Ver\u00e4nderungen der Qualit\u00e4t, w\u00e4hrend ich es mit solchen der Intensit\u00e4t zu thun hatte.\n1 E. W. Scripture, \u00dcber die \u00c4nderungsempfindlichkeit. Diese Zeitschrift. Bd. VI. S. 472. (1894.)","page":278}],"identifier":"lit15550","issued":"1894","language":"de","pages":"249-278","startpages":"249","title":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:55:51.948115+00:00"}