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{"created":"2022-01-31T15:57:25.868858+00:00","id":"lit15552","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Somya","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 305-307","fulltext":[{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei F\u00e4lle von Gr\u00fcnsehen.\nVon\nDr. Somya,\nAssistenzarzt der Prof. SoH\u00f6LEBSchen Augenklinik in Berlin.\nIn der ScH\u00f6LERschen Augenklinik stellte sich Ende September 1893 ein 42j\u00e4hriger Arbeiter vor, der die merkw\u00fcrdige Angabe machte, auf dem linken Auge alles gr\u00fcn zu sehen. Es bestand ein leichter Konjunktivalkatarrh auf diesem Auge und Myopie von 2Vs Dioptrien; auf dem rechten Auge Myopie von einer Dioptrie, Sehsch\u00e4rfe links 2/s, rechts 1. Die Untersuchung des Augenhintergrundes ergab keinerlei pathologische Ver\u00e4nderungen. Bei Pr\u00fcfung des Farbensinnes zeigte sich nun, dafs Patient auf dem rechten Auge eine normale, ja eine aufser-ordentlich sichere und feine Farbenunterscheidungsgabe besafs, indem er auch die feinsten Nuancen prompt und kunstgerecht bezeichnete, dafs er aber mit dem linken total unsichere Angaben machte, kurz alles als mehr oder weniger gr\u00fcn bezeichnete. Er war sich dieses Zustandes auch vollkommen bewufst und gab an, dafs das Gr\u00fcnsehen seit ca. 8 Tagen best\u00e4nde.\nMit begreiflichem Interesse bestellten wir den Mann zu einer eingehenden Untersuchung auf den zweitfolgenden Tag, aber \u2014 das Ph\u00e4nomen war verschwunden, links wie rechts werden die feinsten Farbennuancen erkannt, Sehsch\u00e4rfe wie oben, Gesichtsfeld frei, ophthalmoskopisch linke Macula und der Glask\u00f6rper nicht ganz so klar wie rechts, jedoch auch dies nur angedeutet und von einem anderen Beobachter bestritten.\nLeider bekam ich diesen Patienten nicht wieder zu Gesicht und wollte schon von einer Ver\u00f6ffentlichung des Falles, obwohl er unser lebhaftestes Interesse erregte, wegen mancher dunklen\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nSomya.\nPunkte und wegen nickt abgeschlossener Beobachtung Abstand nehmen, als Hr. Prof. Sch\u00f6ler mir ca. 6 Wochen sp\u00e4ter aus seiner Privatsprechstunde eine Dame in die Klinik schickte, die \u00fcber Gr\u00fcnsehen auf beiden Augen klagte.\nHier handelte es sich um eine frische Chorioiditis der Maculagegend mit geringen chorioi-ditischen Ver\u00e4nderungen peripher und leichter Glask\u00f6rperverdunkelung.\nDie Sehsch\u00e4rfe war beiderseits \u2019A, hob sich aber mit -f- 1 Dioptrie auf SA ; mit 4\" 4 Dioptrien wurde feinster Druck erkannt. Alle Farben wurden erkannt, doch immer erscheinen sie der Dame wie mit einem meergr\u00fcnen Scheine \u00fcberzogen. Die Gesichtsfeldpr\u00fcfung ergiebt ein deutliches centrales und nach rechts paracentral sich ausdehnendes, relatives Skotom f\u00fcr alle Farben, und zwar besteht im Gebiete dieses Skotoms eine subjektive Gr\u00fcnempfindung.\nW\u00e4hrend einer sechsw\u00f6chentlichen klinischen Behandlung, die in der ScH\u00d6LERschen Klinik eingeleitet wurde und aus Inunktion von ca. 200 Gramm Unguentum cinereum und sonstiger ableitender Behandlung bestand, hob sich die Sehsch\u00e4rfe ohne Glas auf 1; die Presbyopie betrug 2 Dioptrien.\nW\u00e4hrend der ganzen klinischen Kur aber blieb das Ph\u00e4nomen des Gr\u00fcnsehens bestehen; allerdings wurde der \u201egelbgr\u00fcne Nebel\u201c oder der \u201egr\u00fcnliche Schimmer\u201c allm\u00e4hlich heller, war aber am Perimeter stets als centrales und paracentrales Skotom mit subjektivem Gr\u00fcnsehen im Bereiche desselben nachweislich.\nDie chorioditischen Ver\u00e4nderungen gingen zur\u00fcck, der Glask\u00f6rper war bei der Entlassung v\u00f6llig klar.\nAuch diese Krankengeschichte hat ihre dunklen Punkte, aber zum Teil hellen sich diese bei einem Vergleich mit dem ersten Fall auf, da beide manches \u00dcbereinstimmende zeigen. So die ganz \u00e4hnliche Angabe der beiden Patienten \u00fcber die Gr\u00fcnempfindung. Beide geben sie als \u201emeergr\u00fcn\u201c an, als einen leichten gr\u00fcnlichen Nebel oder Schein, der \u00fcber die Gegenst\u00e4nde, die sie grade betrachteten, gebreitet schien. Die Patientin im zweiten Falle konnte gegen Ende der klinischen Kur durch den gr\u00fcnlichen Nebel hindurchsehen, der sie aber trotzdem am ganz klaren Sehen hinderte. Aufserdem lege ich besonderes Gewich't auf den ophthalmoskopischen Befund, und zwar darauf, dafs in beiden","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei F\u00e4lle von Gr\u00fcnsehen.\n307\nF\u00e4llen die sichtbaren ophthalmoskopischen Ver\u00e4nderungen so \u00e4ufserst geringe waren. Aber gerade durch den so \u00e4ufserst d\u00fcrftigen, fast negativen, ophthalmoskopischen Befund werde ich zu der Hypothese geleitet, als ob in seltenen F\u00e4llen geringe pathologische Ver\u00e4nderungen in der Chorioidea die Farbenperception zu beeinflussen scheinen, oder doch eine bestimmte Farbenempfindung ausl\u00f6sen.\nSollte diese meine Beobachtung auch dem Physiologen von einigem Interesse sein, so ist der Zweck dieser Zeilen mehr als erreicht.\nZum Schlufs sei es mir gestattet, einen kurzen Anhalt \u00fcber die Litteratur des Gr\u00fcnsehens, der Chloropie, zu geben.\nSie ist nach Hilbert1 eine sehr d\u00fcrftige. Derselbe kommt nach Mitteilung seines Falles von Chloropie, eine sehr nerv\u00f6se, zeitweise an Flimmerskotomen leidende Dame betreffend, zu dem Schlufs, dafs das Gr\u00fcnsehen central bedingt zu sein scheint, und, wie auch die anderen Chromatopien, als eine Art von Gesichtshallucination, als eine Farbenhallucination betrachtet werden mufs.\nHirschberg berichtet sp\u00e4ter2 \u00fcber einen Fall von Gr\u00fcnsehen bei makularer Netzhautabl\u00f6sung. Er h\u00e4lt da f\u00fcr die Ursache der Netzhautabl\u00f6sung und des Gr\u00fcnsehens einen syphilitischen Aderhautherd in der Macula. Bei Netzhautabl\u00f6sung sind aufserdem schon alle m\u00f6glichen Farbenph\u00e4nomene beobachtet worden.\nIn den von mir berichteten F\u00e4llen ist keine Netz-hautabl\u00f6sung vorhanden gewesen; wohl aber halte ich die feinen, ungemein zarten Ver\u00e4nderungen in der Chorioidea f\u00fcr den Anlafs des seltenen Ph\u00e4nomens \u201eGr\u00fcnsehen\u201c.\n1\tHilbert, Die Chloropie. Centralblatt f\u00fcr Augenheilkunde, 17. Jahrg. S. 50\u201452. 1893. (S. Ref. in dieser Zeitschrift. Bd. V. S. 352.)\n2\tHirschberg, Gr\u00fcnsehen auf einem Auge. Centralbl. f. pr. Augenheilk. 17. Jahrg. S. 110\u2014111. 1893.\n20*","page":307}],"identifier":"lit15552","issued":"1894","language":"de","pages":"305-307","startpages":"305","title":"Zwei F\u00e4lle von Gr\u00fcnsehen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:57:25.868863+00:00"}