Open Access
{"created":"2022-01-31T16:19:33.795079+00:00","id":"lit15564","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, L. William","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 395-397","fulltext":[{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\nNachtrag.\nVon\nL. William Stern, Dr. phil.\nEs sei mir, im Anschlufs an meine j\u00fcngst in dieser Zeit-Schrift (Bd. VII. S. 249 ff.) ver\u00f6ffentlichte Arbeit : \u201eDie Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen\u201c nachtr\u00e4glich noch gestattet, auf einen von mir nicht sofort bemerkten Zusammenhang zwischen zwei dort hervorgetretenen Resultaten aufmerksam zu machen, auf einen Zusammenhang, der, wie mich d\u00fcnkt, einerseits eine scheinbare Absurdit\u00e4t beseitigt und andererseits zur Sicherung einer daselbst aufgestellten psychologischen Hypothese erheblich beitr\u00e4gt.\nDie Absurdit\u00e4t ergiebt sich, wenn man das S. 269 unten ausgesprochene Gesetz in seinen vollen Konsequenzen verfolgt. Das Gesetz lautet: \u201eBei gleicher Anfangsintensit\u00e4t w\u00e4chst die Ver\u00e4nderungsdauer, wenn die absolute Geschwindigkeit abnimmt ; gleichzeitig wird, trotz der l\u00e4ngeren Dauern, die relative Empfindlichkeit sch\u00e4rfer.\u201c Uns interessiert hier gegenw\u00e4rtig nur der Teil des Satzes, welcher besagt: Je schneller die Helligkeit zunimmt, desto k\u00fcrzer sind die Dauern, desto geringer die Empfindlichkeiten. Der Satz selbst ist aus solchen Versuchen gezogen, bei denen eine mefsbare Zeit zwischen dem Beginn der objektiven Ver\u00e4nderung und deren Wahrnehmung verflofs ; der Grenzfall aber w\u00e4re der, wo die Erhellungsgeschwindigkeit so grofs ist, dafs die Ver\u00e4nderung momentan wahrgenommen wird. Gilt hier noch das Gesetz? In betreff der Dauern allerdings, denn sie sind am k\u00fcrzesten, der Null sich n\u00e4hernd. Dagegen ist die Empfindlichkeit, statt sehr gering zu sein, hier aufserordentlich grofs; sie ist, wie meine Versuche ergaben, 2 bis 4 mal so scharf, wie bei Ver-","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nL. William Stern.\n\u00e4nderungen, zu deren Sichtbarwerden einige Zeit vergehen mufste (s. S. 273, No. 4), und auch die allt\u00e4gliche Erfahrung lehrt es zur Evidenz, dafs wir empfindlicher sind f\u00fcr momentane, als f\u00fcr langsame Ver\u00e4nderungen. Der Satz ist also hier nicht g\u00fcltig.\nDieser \"Widerspruch scheint aufs deutlichste zu beweisen : dafs eine Anwendung des Gesetzes, welches bei allm\u00e4hlich wahrnehmbaren Ver\u00e4nderungen gilt, auf momentan sichtbare nicht berechtigt ist. In jenen beiden Arten der Ver\u00e4nderungswahrnehmung herrscht eine verschiedene Gesetzm\u00e4fsig-keit, d. h. sie sind heterogen. Dieses Ergebnis aber ist genau das gleiche, welches ich auf einem ganz anderen Wege, n\u00e4mlich dem der psychologischen Analyse, gefunden hatte. Die Selbstbeobachtung f\u00fchrte mich n\u00e4mlich zu der Annahme: \u201edafs unter gewissen Bedingungen ein einzelner Empfindungsmoment ausreicht, um in uns den eigent\u00fcmlichen Eindruck einer Helligkeitsver\u00e4nderung wachzurufen, und dafs dieser Wahrnehmungsakt von der anderen Art, Ver\u00e4nderungen zu erkennen (n\u00e4mlich durch Vergleichung zweier Phasen), sich grunds\u00e4tzlich unterscheidet\u201c (s. S. 278). \u2014 Die Wahrnehmung durch \u201ePhasenvergleichung\u201c ist identisch mit derjenigen, bei welcher zwischen dem Beginn der objektiven Ver\u00e4nderung und ihrem Sichtbarwerden eine merkliche Zeit verfliefst, und wenn sich nun auf dem Wege des experimentellen Nachweises ergiebt, dafs diese und die momentane Wahrnehmung von Ver\u00e4nderungen durchaus verschiedene Gesetzm\u00e4fsigkeiten besitzen, so scheint die Annahme der psychologischen Heterogeneit\u00e4t derselben eine evidente Best\u00e4tigung zu erfahren.\n\u00dcbrigens darf die Anwendung des Gesetzes, von dem ich ausging, auch nach der anderen Seite hin nicht eine allzuweite Ausdehnung erfahren. Es w\u00fcrde sich hier n\u00e4mlich ergeben, dafs bei einer aufserordentlich langsamen Ver\u00e4nderung die Empfindlichkeit aufs \u00e4ufserste gesteigert, und bei einer unendlich langsamen Ver\u00e4nderung ins Unendliche wachsen w\u00fcrde. Ganz abgesehen von dem Widersinn letzterer Folgerung stellt sich aber schon bei einer Ver\u00e4nderung von so geringer Geschwindigkeit, dafs sie bis zum Moment ihrer Wahrnehmung etwa eine Minute gew\u00e4hrt hatte, die Empfindlichkeit nicht als","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen.\n397\nsehr grofs, sondern als sehr gering heraus; und dies ist in erh\u00f6htem Mafse bei noch kleinerer Erhellungsgeschwindigkeit der Fall. \u2014 Es gilt also jenes Gesetz nur innerhalb eines Zeitgebietes, das wenige Sekunden umfafst, und vielleicht geht man nicht fehl, wenn man dieses Gebiet mit jenem des vielf\u00e4ltig angenommenen prim\u00e4ren oder Sinnenged\u00e4chtnisses identifiziert. Handelt es sich ja bei Ver\u00e4nderungen, die erst nach gewisser objektiver Dauer bemerkt werden, um eine Art Ged\u00e4chtnisvorganges (Vergleichung eines sp\u00e4teren Eindruckes mit einem nur noch in der Erinnerung befindlichen fr\u00fcheren), doch um einen Vorgang, der mit dem Prozefs des gew\u00f6hnlichen, einen weiteren Zeitraum umfassenden Ged\u00e4chtnisses sich nicht in Einklang bringen l\u00e4fst.","page":397}],"identifier":"lit15564","issued":"1894","language":"de","pages":"395-397","startpages":"395","title":"Die Wahrnehmung von Helligkeitsver\u00e4nderungen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:19:33.795085+00:00"}