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{"created":"2022-01-31T16:17:39.622240+00:00","id":"lit15565","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Rau, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 398-399","fulltext":[{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\nJ. Segall-Socoliu. Zur Verj\u00fcngung der Philosophie. Psychologischkritische Untersuchungen auf dem Gebiete des menschlichen Wissens.\nErste Reihe. Das Wissen vom specifisch Menschlichen. Berlin. C. Duncker.\n1893. 261 S.\nIn dem ersten Kapitel sucht der Verfasser zu zeigen, dafs die physiologische Gesamtth\u00e4tigkeit des Organismus und das physische Weltgeschehen \u00fcberhaupt ein l\u00fcckenloses kausales Ganzes bilden, das aber vor dem \u201epsychischen Komplex\u201c vorheiziehe, ohne ihn zu ber\u00fchren. Im zweiten Kapitel wird dagegen nachgewiesen, dafs \u201edas Vorhandensein irgend eines Bewufstseinszustandes schlechterdings an das Vorhandensein irgend einer physiologischen Funktion gekn\u00fcpft\u201c sei. Wie wird nun der aufgezeigte Gegensatz \u00fcberbr\u00fcckt? Wie ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Reihen hergestellt? Es bleibe da nichts weiter \u00fcbrig, meint der Verfasser, als den Begriff der ,Funktion\u201c heranzuziehen. Dieser Begriff wird an vier Beispielen erl\u00e4utert. Wir w\u00e4hlen das dritte, weil sich an diesem das Verworrene und Unklare in dem Gedankengange am k\u00fcrzesten nachweisen l\u00e4fst. \u201eEin materieller Punkt bewegt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit v geradlinig im Raum. Da wird er offenbar nach einer bestimmten Zeit, vom Beginn der Bewegung ab gerechnet, eine bestimmte Strecke zur\u00fcckgelegt haben. Die durchgelaufene Strecke ist also eine ,Funktion\u201c der verstrichenen Zeit und umgekehrt. ,Zeit\u201c und ,Weg\u201c sind aber zwei Gr\u00f6fsen, die nichts miteinander zu thun haben. Da mufs es ein ,Drittes\u201c geben, welches diese thats\u00e4chlich statthabende Beziehung erst vermittelt. Und dieses ,Dritte\u201c ist die Geschwindigkeit.\u201c Nach der Ansicht des Referenten sind aber Zeit und Weg zwei Gr\u00f6fsen, welche in direkter begrifflicher Beziehung stehen, so dafs man die Zeit durch den Weg und umgekehrt bestimmt. Wenn wir sagen: der Weg von A nach B betr\u00e4gt eine Stunde, so heifst dies: wenn wir den Weg von A nach B zur\u00fccklegen, so beschreibt die Sonne auf ihrer scheinbaren Bahn den Weg von A nach B, oder aber der grofse Zeiger einer Uhr vollendet eine Kreisbewegung. Um also die Zeit festzustellen, vergleichen wir in der That nur zur\u00fcckgelegte oder zur\u00fccklegbare Wegstrecken untereinander; die Zeit ist also ein Begriff, welcher aus solchen Wegstrecken geradezu hervorgegangen ist. Wenn es f\u00fcr uns keine zur\u00fccklegbaren Wege mehr giebt, dann ist uns auch die Zeit entschwunden, und wir befinden uns in der Ewigkeit.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n399\nDafs es mit dem Begriff seiner ,Punktion1 nicht abgethan ist, scheint der Verfasser selbst zu f\u00fchlen; wenigstens verfolgt er ihn nicht weiter und schl\u00e4gt nun denjenigen Weg ein, den vor ihm jeder andere Dogmatiker eingeschlagen hat; es ist der der willk\u00fcrlichen begrifflichen Synthese. Kurzerhand bestimmt er, dafs Bewegung und Empfindung ein und dasselbe seien. Ganz unrichtig mag dies bei richtiger Interpretation nicht sein; aber man will doch wissen, wieso und warum. So leicht, wie sich\u2019s der Verfasser macht, geht das Ding nicht; er sagt n\u00e4mlich in seiner verschwommenen Art : \u201eIst nun das, was wir uns \u2014 freilich in ganz \u00fcberfl\u00fcssiger Weise \u2014als h\u00f6chst komplicierte Bewegung der Ganglienzelle denken, in Wirklichkeit, d. i. konkret, die Empfindung selbst, was sind nun, wiederum konkret genommen, die Zust\u00e4nde der Ganglienzelle bei Abwesenheit jeder Empfindung, desgleichen die noch immer hoch komplicierten Vorg\u00e4nge in den Nerven, in der Betinaaus-breitung? Wir m\u00fcssen sie alle zu dem Genus der Empfindung z\u00e4hlen \u2014 diejenigen der Ganglienzelle etwa als ,unterbewufste\u2018 und die \u00fcbrigen als unbewufste Empfindungszust\u00e4nde. Und in gleicher Weise m\u00fcssen wir die \u00e4ufseren \u00c4therschwingungen als unbewufste ,Empfindungsdifferentiale1 auffassen. Und so gestaltet sich uns der Monismus nicht allein als eine Aufhebung der einen der Glieder des Dualismus, weil \u00fcberfl\u00fcssig und unbegr\u00fcndet, sondern auch als eine Aufhebung des Gegensatzes \u00fcberhaupt. Nicht ist die eine Seite auf Kosten der anderen erweitert worden, sondern beide Seiten sind in gleicher Weise aufgehoben und in gleicher Weis\u00ab beibehalten.11 Beferent findet, dafs der Autor noch ein Drittes aufgehoben und leider nicht wieder hergestellt hat, n\u00e4mlich die M\u00f6glichkeit eines Verst\u00e4ndnisses; wenigstens findet er ein solches Verfahren ebenso willk\u00fcrlich als unverst\u00e4ndlich und verzichtet seinerseits darauf, diese Gedankenspr\u00fcnge weiter zu verfolgen. Zu bemerken d\u00fcrfte noch sein, dafs der Verfasser die Absicht hegt, uns mit vier oder f\u00fcnf B\u00fcchern dieser Art zu beschenken. Dafs daraus ein Gewinn f\u00fcr die philosophische Betrachtungsweise sich ergehen werde, mufs, nach dem Vorliegenden beurteilt, entschieden verneint werden. Dem Herrn Autor fehlt es ganz und gar an einer sauberen, zuverl\u00e4ssigen Methode der Begriffsbildung. K\u00fchnheit und Absprechen \u00fcber die Leistungen anderer reichen zur \u201eVerj\u00fcngung der Philosophie\u201c heute nicht mehr aus.\tA. Bau (M\u00fcnchen).\nJ. Makk Baldwin, A new method of child study. Science. Vol. XXI.\nS. 213\u2014215. (21. April 1893.)\n-----Distance and color perception by infants. Science. Vol. XXI,\nS. 231 u. 232. (28. April 1893.)\nErster Artikel. Die zuverl\u00e4ssige Verwertung von Beobachtungen und Experimenten am kleinen Kinde ist deswegen so schwierig, weil die Deutung der kindlichen Aufserungen eine gar so unsichere ist. B. exemplificiert auf die Versuche \u00fcber den Farbensinn. Wenn z. B. ein Kind Farben, die ihm vorgelegt werden, benennen soll, so ist gar nicht zu bestimmen, welchen Anteil Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Farben, Farbenged\u00e4chtnis, Schwierigkeit der Aussprache, Festigkeit der Asso-","page":399}],"identifier":"lit15565","issued":"1894","language":"de","pages":"398-399","startpages":"398","title":"J. Segall-Socoliu: Zur Verj\u00fcngung der Philosophie, Psychologisch-kritische Untersuchungen auf dem Gebiete des menschlichen Wissens, Erste Reihe: Das Wissen vom specifisch Menschlichen. Berlin, C. Duncker 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:17:39.622245+00:00"}