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{"created":"2022-01-31T16:08:32.867241+00:00","id":"lit15568","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, L. William","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 401-402","fulltext":[{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n401\nJe wichtiger derartige Untersuchungen sind, um so bedauernswerter ist es, dafs die n\u00e4heren Angaben \u00fcber die Versuchsanordnung fehlen. Gerade in dieser Frage ist letztere von der gr\u00f6fsten Bedeutung. So schreibt Bechterew selbst der Nahrungsaufnahme einen hohen Einflufs zu und gieht anderseits nicht einmal Zahl und Zeit der t\u00e4glichen Mahlzeiten an. Auch die Besch\u00e4ftigung in den Zwischenstunden ist in keiner Weise n\u00e4her bezeichnet. Ja seihst die Anzahl der Versuche, aus denen die einzelnen Resultate gewonnen sind, wird nicht mitgeteilt. Oder soll die Angabe gen\u00fcgen, dafs an jeder Person 1500\u20142000 Versuche angestellt wurden ! Wie verteilen sich diese auf die einzelnen angef\u00fchrten psychischen Prozesse? In welchen Zwischenr\u00e4umen fanden die einzelnen Versuche statt? Umfafste jede Sitzung alle Arten der oben angef\u00fchrten psychischen Prozesse? etc.\nAuch die Erkl\u00e4rung der beobachteten Thatsachen kann durchaus nicht als eine befriedigende bezeichnet werden. Wie schon Higier bemerkt, reicht der Einflufs der Nahrungsaufnahme nicht hierzu aus. Vielmehr w\u00e4ren andere physiologische und psychologische Thatsachen noch zu ber\u00fccksichtigen gewesen.\nDafs nach alledem ein festes Urteil \u00fcber den Widerstreit der Beobachtungen beider Gew\u00e4hrsm\u00e4nner nicht m\u00f6glich ist, liegt klar auf der Hand. Higiers Ansicht st\u00fctzt sich ferner nur auf Additionsaufgaben, wie \u00fcberhaupt auf Versuche, die zu ganz anderem Zwecke angestellt sind. Wie schwer letzteres ins Gewicht f\u00e4llt, kann jeder, der experimentell psychologisch arbeitet, beurteilen. Hierzu kommt noch die individuelle Anlage, die Anzahl und Methode der Versuche, Verwertungsart der Resultate etc. Vor allem jedoch ist darauf hinzuweisen, dafs in beiden F\u00e4llen die Maxima experimentell nicht festgestellt wurden, was eine gen\u00fcgende Anzahl von Versuchen zu jeder Tages- und Abendstunde erfordern w\u00fcrde. Ja Bechterew experimentierte gerade in den Stunden, die Higier frei liefs. Wenn man sich auf ein Erschliefsen der wirklichen Maxima einlassen will, so liefsen sich verschiedene Hypothesen aufstellen, nach denen die Differenz des Tages- und Abendmaximums \u2014 dies ist ja der eigentliche strittige Punkt \u2014 gar nicht eine so bedeutende ist.\nDies jedoch lernen wir aus den Untersuchungen, mit welchem Rechte bereits Fechner auf genaue Innehaltung derselben Tageszeit bei Versuchen, die verglichen werden sollen, drang.\nArthur Wreschner (Berlin).\nJ. Ward. \u201eModern\u201c Psychology: a Reflexion. Mind. (N. S.) H. No. 5.\nS. 54\u201482. (1893.)\nWie jede neue Geistesrichtung es mit sich bringt, dafs manche ihrer Vertreter zu Neuheitsfanatikern werden und das richtige Mafs in ihrer Anwendung nicht zu halten verm\u00f6gen, so ist es auch der physiologischen Psychologie ergangen. Eine Methode, die neben anderen eine h\u00f6chst wichtige Rolle zu spielen berufen ist, n\u00e4mlich die experimentelle, wird als die alleinseligmachende gepriesen; ein Problem, dessen L\u00f6sung allerdings h\u00f6chst bedeutungsvoll ist, n\u00e4mlich die Frage nach dem\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie VII.\t26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nLitteraturhericht.\nphysiologischen \u00c4quivalent der psychischen Vorg\u00e4nge, wird zu Unrecht als das einzige hingestellt, das \u00fcberhaupt die Psychologie zu l\u00f6sen habe; ein Forschungsobjekt, das, fr\u00fcher vernachl\u00e4ssigt, in den letzten Jahren erst die geb\u00fchrende Beachtung und Untersuchung gefunden hat, n\u00e4mlich die Empfindung, wird unberechtigterweise zum Allerweltsprinzip gemacht, das jedem Bewufstseinsakt, heifse er nun Wille oder Gef\u00fchl, zu Grunde liegen m\u00fcsse. \u2014 Diese Einseitigkeiten und \u00dcbertreibungen sind vorhanden, und es kann nur von Vorteil sein, wenn ein Forscher wie Ward auf dieselben aufmerksam macht und sie der Kritik unterzieht. Freilich, so allgemein wie er es glaubt, sind jene Erscheinungen doch wohl nicht; die Mehrzahl der modernen Psychophysiker und Experimentalpsychologen hat wohl Besonnenheit genug, um die Schranken ihres Gebiets und ihrer Methodik zu erkennen. W.s Kritik gilt, wie mir scheint, insbesondere jenseits des Oceans.\nAllein mit den obengenannten Fehlern ist das S\u00fcndenregister der \u201emodernen\u201c Psychologie nach W. noch nicht ersch\u00f6pft, ja sie werden sogar nur beil\u00e4ufig gestreift, w\u00e4hrend der Hauptteil der W.sehen Ausf\u00fchrungen sieb um einen anderen Punkt dreht, um die Begriffe des \u201eSubjekts\u201c, des \u201eIch\u201c, des \u201eSelbstbewufstseins\u201c. Der \u201emoderne\u201c Psychologe wolle das Subjekt objektivieren, das \u201eIch\u201c zu einem \u201eMich\u201c machen, das Bewufstsein in eine Reihe von \u201eBewufstseinsinhalten\u201c aufl\u00f6sen. Er \u00fcbersehe, dafs das Selbstbewufstsein nicht ein seelischer Vorgang neben vielen anderen sei, sondern das einigende Band zwischen ihnen, die Form ihrer Beziehung ; er beachte nicht, dafs dasich sich nicht selbst vorstellen kann, weil es es selber ist. Sogar Wundt, der ja in der \u201eApperception\u201c die spontane Th\u00e4tigkeit des subjektiven Ich postuliere, falle in dem Augenblicke dem gleichen Fehler anheim, da er im Gehirn ein besonderes Centrum f\u00fcr diese Apperception neben den Centren anderer Seelenvorg\u00e4nge aufzustellen suche. \u2014 Nun mag zugegeben werden, dafs die neueren Psychologen thats\u00e4chlich ziemlich allgemein das Bestreben zeigen, die Ichvorstellung, das Selbstbewufstsein u. s. w einer psychologischen Analyse zu unterziehen und als kommensurabel mit anderen Seelenerscheinungen zu betrachten. Die Frage, ob sie hierzu berechtigt sind, will ich an dieser Stelle nicht untersuchen, nur auf eines m\u00f6chte ich hinweisen. Derartige Bestrebungen treten wohl auf in der modernen Psychologie, aber sie sind nicht ihr allein eigent\u00fcmlich. Vielmehr sind sie seit Hume nicht mehr vom Schauplatze der Forschung verschwunden und haben w\u00e4hrend unseres Jahrhunderts in der Schule Herbarts die ausgepr\u00e4gteste Gestalt angenommen. Mag man daher jenen Versuchen je nach dem Standpunkte, den man einnimmt, die Berechtigung zu- oder absprechen: ein Charakteristikum speziell der \u201emodernen\u201c Psychologie scheinen sie mir jedenfalls nicht zu sein.\tW. Stern (Berlin)\n1.\tR. von Koeber: JEAN PAULs Seelenlehre. Schriften der Gesellsch. f\u00fcr psychologische Forschung. Heft 5. S. 517\u2014551. Leipzig. Abel. 1893.\n2.\tMix Offner: Die Psychologie Charles Bonnets. Ebda. S. 553\u2014722.\nDas f\u00fcnfte Heft der Schriften der Gesellschaft f\u00fcr psychologische Forschung enth\u00e4lt zwei Beitr\u00e4ge zur Geschichte der Psychologie.","page":402}],"identifier":"lit15568","issued":"1894","language":"de","pages":"401-402","startpages":"401","title":"J. Ward: \"Modern\" Psychology: A Reflexion. Mind. II, No. 5, S. 54\u201382, 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:08:32.867247+00:00"}