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{"created":"2022-01-31T16:20:24.204972+00:00","id":"lit15587","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 415-417","fulltext":[{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n415\n2.\tAssociation eines Buchstaben mit einem anderen. Hier ist bemerkenswert, dafs die F\u00e4lle der Association nach \u00c4hnlichkeit (z. B. b und p) h\u00e4ufiger sind als diejenigen nach Kontiguit\u00e4t im Alphabete.\n3.\tAssociation einer Farbe im Anschlufs an einen Buchstaben. Bourdon findet, dafs zwischen Buchstaben und Farben keine konstante, enge und unerkl\u00e4rliche Verbindung bestehe. Seine Folgerung, dafs damit ein Argument gegen gewisse Theorien \u00fcber die \u201eaudition color\u00e9e\u201c gegeben sei, erscheint mir nicht gerechtfertigt; vielmehr lassen jene Ergebnisse nur den Schlufs zu, dafs unter seinen Versuchspersonen niemand war, der jenes immerhin seltene und abnorme Ph\u00e4nomen besafs.\n4.\tAssociation eines Wortes mit einem anderen. Es stellte sich heraus, dafs nicht sowohl lautliche \u00c4hnlichkeit, als die Bedeutung f\u00fcr die Association von Worten untereinander mafsgebend ist. In den weitaus meisten F\u00e4llen waren die associierten Vorstellungen den asso-ciierenden homogen und koordiniert.\nBetreffs der Schl\u00fcsse, die Bourdon aus den individuellen Besonderheiten der Associationsergehnisse auf Veranlagung und Charaktereigenschaften der associierenden Personen glaubt ziehen zu k\u00f6nnen, und in Betreff weiterer Einzelheiten verweise ich auf den Artikel seihst.\nW. Stern (Berlin).\nP. Carus. Le probl\u00e8me de la conscience du moi. Trad, de Vanglais par Monod. Paris. F. Alcan. 1893. 144 S. Fr. 2.50.\nDie Schrift behandelt in ansprechender Weise einige wichtige Probleme, welche sich auf das Selbstbewufstsein beziehen, und zwar zun\u00e4chst die Natur des Selbstbewufstseins, hierauf die Bedeutung der Zust\u00e4nde des Bewufstseins und die Telepathie der Seele, sodann die durch die Erfahrung gegebenen Thatsachen und ihre Tragweite, ferner Vergn\u00fcgen und Schmerz, die Natur der Seele, die Reflexbewegung, Empfindungen und Ideen, die Entstehung des Bewufstseins, Sitz des Bewufstseins, Erhaltung der Form, Tod und Unsterblichkeit, Theismus. \u2014 Im allgemeinen werden wenig neue Gedanken geboten. Meist erscheinen bereits vorhandene in neuem Gew\u00e4nde oder mit einigen Erweiterungen. Aber als Einf\u00fchrung in die auf das Selbstbewufstsein bez\u00fcglichen Probleme und als Anregung zum weiteren Versenken in dieselben ist die vorliegende Schrift sehr zu empfehlen.\tMax Giessler (Erfurt).\nFr. Hitschmann. Der Blinde und die Kunst. Vierteljahrsschr. f. wissenschaftl.\nPhilos. Bd. XVII, 3. S. 312\u2014320. (1893.)\nNeben fremden teilt H. vor allem seine eigenen Erfahrungen \u00fcber den Einflufs der Kunst auf das Innenleben des Blinden mit. Derartige Selbstbeobachtungen sind um so sch\u00e4tzenswerter, je seltener sie sich hei anormalen Menschen finden und je ergiebigere Fundgruben f\u00fcr die Psychologie sie bilden.\nH. h\u00e4lt den Einflufs der Kunst auf den Lichtlosen f\u00fcr bedeutender als auf den Sehenden, da einerseits bei jenem das Innenleben an und f\u00fcr","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nLitteraturbericht.\nsich erregter, andererseits das Interesse nicht auf \u00e4ufsere Eindr\u00fccke abgelenkt ist.\nDie bildenden K\u00fcnste bieten zu wenig Material, die musikalischen Empfindungen nichts Abnormes. Daher beschr\u00e4nkt sich H. auf die Poesie. Den Genufs dieser h\u00e4lt er f\u00fcr uneingeschr\u00e4nkt, sobald es sich lediglich um die Darstellung des Psychischen handelt, wie namentlich in der Lyrik. Bei der Schilderung der Aufsenwelt wie in Epen und Romanen, wo die Charaktere aus der \u201eUmgebung\u201c sich entwickeln, kommt der Blinde nicht zum vollen Genufs. Er ist hier auf Surrogatvorstellungen angewiesen. Allerdings sollen diese oft eine merkw\u00fcrdige Vollst\u00e4ndigkeit erlangen, was H. durch das Gedicht eines Blinden zu beweisen sucht, welches hei der Schilderung der \u201eMaiensonne\u201c eine Reihe von Farbenbildern enth\u00e4lt. Hierbei hat H. leider verfehlt, das Alter und den Bildungsgrad des Dichters vor seiner Erblindung anzugeben. \u00dcberhaupt scheint mir die einmal vorhandene Sehf\u00e4higkeit viel zu wenig ber\u00fccksichtigt zu sein, wenn auch die Erblindung bereits vor 20 Jahren eintrat. Ob auch ein Blindgeborener von dem \u201eFunkeln und Blitzen der Diamantspitzen\u201c, von \u201eder Smaragde bl\u00e4ulich Gr\u00fcn auf dem weifsen Grund\u201c sprechen wird, mufs erst erwiesen werden. Auch sonst untersch\u00e4tzt H. den Einflufs der Gesichtseindr\u00fccke selbst bei Schilderungen rein psychischer Vorg\u00e4nge. Wieviele Stimmungen, Leidenschaften etc. entstehen durch Gesichtseindr\u00fccke und werden dann durch deren Schilderung wachgerufen! Eine so strenge Scheidung zwischen der Darstellung des Milieu und der inneren Zust\u00e4nde entspricht nicht den Thatsachen. \u2014\nUnter den Romanen nehmen nur die \u201eBildungsromane\u201c, wie Wilhelm Meister, eine Sonderstellung ein. Warum der Genufs anderer Romane so gering sein soll, ist nicht ersichtlich. Denn die Charaktere gehen doch nicht aus den toten Gegenst\u00e4nden der \u00e4ufseren Umgebung hervor, sondern, wie H. wohl selbst durch die Worte \u201eaus dem Charakter der Umgebung\u201c andeutet, aus den umgebenden sozialen, famili\u00e4ren und anderen psychologischen Verh\u00e4ltnissen. Warum soll f\u00fcr diese der Blinde weniger Verst\u00e4ndnis haben.\nGanz besonderes Interesse nimmt der Blinde an Dialogen, Novellen und vor allem an Dramen, sobald deren Wert und Wirkung nicht in der Darstellung liegt (Theaterdramen). Daher h\u00e4lt H. den Blinden f\u00fcr den geeignetsten Beurteiler des \u00e4sthetischen Wertes eines Dramas, namentlich was die sprachliche Vollkommenheit und den Rhythmus anlangt. Hierf\u00fcr soll der Blinde einen so ausgepr\u00e4gten Sinn haben, dafs er in der Poesie jeden metrischen Fehler, in der Prosa jeden unwillk\u00fcrlich eingestreuten Vers mit gr\u00f6fster Leichtigkeit und ohne grofse Aufmerksamkeit bemerkt. Mit Recht f\u00fchrt H. diese interessante That-sache auf die einseitige, daher auch um so vollkommenere Ausbildung des Geh\u00f6rs zur\u00fcck! Dagegen wird man der Folgerung, dafs der Blinde der kompetente Beurteiler eines Kunstwerks ist, nicht beitreten k\u00f6nnen. H.untersch\u00e4tzt wiederum den \u00e4sthetischen Wert der Gesichtsempfindung. Das Spiel eines Dramas ist an und f\u00fcr sich von hoher k\u00fcnstlerischer Bedeutung. \u2014 Recht bemerkenswert ist noch die Beobachtung des Verf., dafs die Nach-","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n417\nahmung yon Ger\u00e4uschen, z. B. der k\u00fcnstlich erzeugte Donner, st\u00f6rend und zerstreuend auf den Blinden wirkt. Sollte diese Thatsache nicht rein subjektiver Natur sein, so li\u00e8fse sie sich kaum durch den Satz erkl\u00e4ren, dafs solche Geh\u00f6rseindr\u00fccke nur die Illusion verst\u00e4rken, aber nicht hervorbringen k\u00f6nnen. Warum dieses? Vielmehr scheint im Gegenteil das Fehlen des Gesichtssinnes als einer Kontrolle die Illusion zu stark werden zu lassen und dadurch das unangenehme Gef\u00fchl der Wirklichkeit des Donners zu veranlassen. Auch die einseitige Richtung der Aufmerksamkeit auf die Geh\u00f6rswahrnehmung tr\u00e4gt zur Erh\u00f6hung der Illusion bei.\nAm Schlufse sucht H. noch die Bedeutung der Kunst f\u00fcr die psychische Entwickelung des Blinden n\u00e4her zu bestimmen und findet sie a) in der Bereicherung des Geistes mit Vorstellungen, des Gem\u00fctes mit Empfindungen, b) in der Ausbildung einer idealen Gesinnung.\nArthur Wreschner (Berlin).\nTh. Lipps. Der Begriff der Verschmelzung und damit Zusammenh\u00e4ngendes in Stumpfs Tonpsychologie. Bd. II. Philos. Monatsh. 28. S. 547\u2014591.\nVerfasser bem\u00fcht sich ebenso vergeblich, wie andere vor und nach ihm, dem STUMprschen Begriff der Tonverschmelzung ein v\u00f6lliges Verst\u00e4ndnis abzugewinnen, und kommt zu dem Resultate, dafs die Fortsetzung der \u201eTonpsychologie\u201c namentlich bei der Durchf\u00fchrung der Theorie von Konsonanz und Dissonanz oder von Harmonie und Disharmonie ihren Autor werde veranlassen m\u00fcssen, jenen Grundbegriff zu revidieren. Aus der Einzeler\u00f6rterung, die Lipps auch Gelegenheit gibt seine eigenen fr\u00fcher (in den \u201eGrundthatsachen\u201c und den \u201ePsychologischen Studien\u201c) mitgeteilten Ansichten zu erl\u00e4utern oder zu rechtfertigen, seien folgende Punkte besonders hervorgehoben.\nStumpfs \u201eEmpfindungen\u201c, die aus einem Klange oder Zusammenklange analysiert werden k\u00f6nnen, sind nach Lipps nicht \u00fcberall als bewufst zu denken, sondern m\u00fcssen vielfach in dem Sinne, wie er von Lipps festgestellt wird, als ein unbewufst Psychisches angesehen werden. TTnbewufste Empfindungen sind potenziellen Empfindungen gleichzusetzen, d. h. solchen psychischen Elementen, die als Bestandteile oder unmittelbare Bedingungen oder Faktoren in dem Bewufstseinsinhalte eines Momentes nachgewiesen werden k\u00f6nnen. Das Unbewufste in diesem Sinne d\u00fcrfte auch als Unbemerktes bezeichnet werden. Es kn\u00fcpfen sich daran satirische Ausf\u00e4lle gegen \u201egehirnkundige\u201c Psychologen, gegen die, einseitige Neigung Moderner, alles physiologisch zu interpretieren* Sodann wird die Gefahr psychologischer Allgemeinbegriffe treffend gew\u00fcrdigt und an der Behandlung, die Stumpf der Aufmerksamkeit hat angedeihen lassen, schlagend illustriert. Eine Verst\u00e4rkung der Empfindungen wird nach Lipps durch die Aufmerksamkeit nicht bewirkt.\nAuch nach dem Verfasser (wie nach Cornelius, Natorp u. a.) sind Verschmelzung und Analyse Wechselbegriffe, so dafs jene aufh\u00f6rt, wenn oder soweit diese stattfindet, w\u00e4hrend bekanntlich Stumpf die Verschmelzung auch nach der Analyse einfach fortbestehen l\u00e4fst. Die Ablehnung der \u201espezifischen Synergie\u201c f\u00fchrt den Verfasser sodann zu\nZeitschrift fiir Psychologie VII.\t27","page":417}],"identifier":"lit15587","issued":"1894","language":"de","pages":"415-417","startpages":"415","title":"Fr. Hitschmann: Der Blinde und die Kunst. Vierteljahresschr. f. wissenschaftl. Philos., Bd. XVII, 3. S. 312\u2013320, 1893","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:20:24.204978+00:00"}