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{"created":"2022-01-31T16:20:35.579398+00:00","id":"lit15588","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"K\u00fclpe, Oswald","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 417-418","fulltext":[{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n417\nahmung yon Ger\u00e4uschen, z. B. der k\u00fcnstlich erzeugte Donner, st\u00f6rend und zerstreuend auf den Blinden wirkt. Sollte diese Thatsache nicht rein subjektiver Natur sein, so li\u00e8fse sie sich kaum durch den Satz erkl\u00e4ren, dafs solche Geh\u00f6rseindr\u00fccke nur die Illusion verst\u00e4rken, aber nicht hervorbringen k\u00f6nnen. Warum dieses? Vielmehr scheint im Gegenteil das Fehlen des Gesichtssinnes als einer Kontrolle die Illusion zu stark werden zu lassen und dadurch das unangenehme Gef\u00fchl der Wirklichkeit des Donners zu veranlassen. Auch die einseitige Richtung der Aufmerksamkeit auf die Geh\u00f6rswahrnehmung tr\u00e4gt zur Erh\u00f6hung der Illusion bei.\nAm Schlufse sucht H. noch die Bedeutung der Kunst f\u00fcr die psychische Entwickelung des Blinden n\u00e4her zu bestimmen und findet sie a) in der Bereicherung des Geistes mit Vorstellungen, des Gem\u00fctes mit Empfindungen, b) in der Ausbildung einer idealen Gesinnung.\nArthur Wreschner (Berlin).\nTh. Lipps. Der Begriff der Verschmelzung und damit Zusammenh\u00e4ngendes in Stumpfs Tonpsychologie. Bd. II. Philos. Monatsh. 28. S. 547\u2014591.\nVerfasser bem\u00fcht sich ebenso vergeblich, wie andere vor und nach ihm, dem STUMprschen Begriff der Tonverschmelzung ein v\u00f6lliges Verst\u00e4ndnis abzugewinnen, und kommt zu dem Resultate, dafs die Fortsetzung der \u201eTonpsychologie\u201c namentlich bei der Durchf\u00fchrung der Theorie von Konsonanz und Dissonanz oder von Harmonie und Disharmonie ihren Autor werde veranlassen m\u00fcssen, jenen Grundbegriff zu revidieren. Aus der Einzeler\u00f6rterung, die Lipps auch Gelegenheit gibt seine eigenen fr\u00fcher (in den \u201eGrundthatsachen\u201c und den \u201ePsychologischen Studien\u201c) mitgeteilten Ansichten zu erl\u00e4utern oder zu rechtfertigen, seien folgende Punkte besonders hervorgehoben.\nStumpfs \u201eEmpfindungen\u201c, die aus einem Klange oder Zusammenklange analysiert werden k\u00f6nnen, sind nach Lipps nicht \u00fcberall als bewufst zu denken, sondern m\u00fcssen vielfach in dem Sinne, wie er von Lipps festgestellt wird, als ein unbewufst Psychisches angesehen werden. TTnbewufste Empfindungen sind potenziellen Empfindungen gleichzusetzen, d. h. solchen psychischen Elementen, die als Bestandteile oder unmittelbare Bedingungen oder Faktoren in dem Bewufstseinsinhalte eines Momentes nachgewiesen werden k\u00f6nnen. Das Unbewufste in diesem Sinne d\u00fcrfte auch als Unbemerktes bezeichnet werden. Es kn\u00fcpfen sich daran satirische Ausf\u00e4lle gegen \u201egehirnkundige\u201c Psychologen, gegen die, einseitige Neigung Moderner, alles physiologisch zu interpretieren* Sodann wird die Gefahr psychologischer Allgemeinbegriffe treffend gew\u00fcrdigt und an der Behandlung, die Stumpf der Aufmerksamkeit hat angedeihen lassen, schlagend illustriert. Eine Verst\u00e4rkung der Empfindungen wird nach Lipps durch die Aufmerksamkeit nicht bewirkt.\nAuch nach dem Verfasser (wie nach Cornelius, Natorp u. a.) sind Verschmelzung und Analyse Wechselbegriffe, so dafs jene aufh\u00f6rt, wenn oder soweit diese stattfindet, w\u00e4hrend bekanntlich Stumpf die Verschmelzung auch nach der Analyse einfach fortbestehen l\u00e4fst. Die Ablehnung der \u201espezifischen Synergie\u201c f\u00fchrt den Verfasser sodann zu\nZeitschrift fiir Psychologie VII.\t27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nLitteraturbericht.\neiner Rechtfertigung seiner Theorie der Harmonie und Disharmonie. Nicht ganz gerecht wird er, wie uns scheint, der STUMPFSchen Annahme eines \u201er\u00e4umlichen Grundkapitals\u201c bei der Geh\u00f6rslokalisation. Die F\u00e4higkeit, die Eindr\u00fccke des rechten von denen des linken Ohres zu scheiden, mufs allerdings als eine urspr\u00fcngliche, nicht erst durch Assoziationen vermittelte angesehen werden, so schwer es bei dem jetzigen Stande unseres Wissens auch sein mag, dar\u00fcber verst\u00e4ndliche und sichere Aussagen zu machen. Zum Schlufs wendet sich Verfasser noch mit Recht gegen Stumpfs Behauptung, dafs ein Zusammenklang als Ganzes die H\u00f6he des tiefsten Tones habe, und gegen die Konstruktion der Klangfarbe aus den Tonfarben der einzelnen den Klang bildenden T\u00f6ne.\nO. K\u00fclpe (Leipzig).\nAlfred J. Ritter von Dutczynski. Beurteilung und Begriffsbildung der Zeitintervalle in Sprache, Vers und Musik. Psycho-philosophische Studie vom Standpunkt der Physiologie. Leipzig. Schulze. 1894.\nDer Inhalt der vorliegenden Arbeit ist ein sehr mannigfaltiger. Verfasser bietet uns theoretische Er\u00f6rterungen \u00fcber Rhythmus in Sprache und Musik, \u00fcber Reim und Alliteration, \u00fcber Versmafse und metrische Prinzipien im allgemeinen, \u00fcber Einflufs des Sprechens und des Anh\u00f6rens von Takten auf Blutumlauf und Atmung, \u00fcber Naturalismus in der Dichtkunst, Erziehung der Sinne; sodann erhalten wir eine l\u00e4ngere \u201eAbschweifung\u201c \u00fcber Begriffsbildung und ein \u201epsychophysikalisches Definitionsverfahren\u201c, an das sich \u201edie moderne Philosophie\u201c \u201ewird halten m\u00fcssen\u201c, \u201ewenn sie nicht wieder zur Sophistik, Dialektik und dergleichen Klopffechtereien herabsinken will\u201c (S. 19); endlich teilt der Verfasser einige Experimente \u00fcber H\u00f6rf\u00e4higkeit und Blutumlauf mit, um deren willen Referent die Arbeit f\u00fcr erw\u00e4hnenswert h\u00e4lt. Die Sprache des Verfassers ist eine ganz absonderliche. Sein Lieblingswort ist das schreckliche \u201ediesbez\u00fcglich\u201c, er schreibt konsequent \u201eAcceleration\u201c und bildet f\u00fcr \u201ebeschleunigen\u201c das k\u00fchne Wort \u201esich accellieren\u201c ; er kennt eine \u201eMuscula densor tympanii\u201c, ein Foramen spinosus\u201c, eine \u201eArteria temp, superficialis\u201c, einen Singularis \u201edie Intervalle\u201c u. s. w. und versichert uns zum Schlufs seiner Schrift: \u201eWir Deutsche \u2014 ich meine \u00d6sterreichisch-Deutsche \u2014 vernachl\u00e4fsigen unsere Sprache in ganz gewissenloser Weise\u201c (S. 47), wozu er zahlreiche und treffende Argumente beigebracht hat.\nDie Geringsch\u00e4tzung, mit der der Verfasser von den Philosophen spricht, wird jeder vern\u00fcnftige Leser entschuldigen, denn wie kann man sch\u00e4tzen, wen man nicht kennt? Mit Emphase versichert uns von Dutcztnski, \u201e\u00fcber den Zeitsinn selbst ist aufserordentlich wenig geschrieben worden\u201c (S. 21), und dabei sindihm von der ganzenZeitsinnlitteratur nur Vierordts und Machs Schriften bekannt. Aufserdem versteht der Verfasser die wenigen ihm bekannten Experimente vielfach falsch. Er weifs nicht, dafs gegen Br\u00fcckes Versuche, skandierende Sprechbewegungen zu registrieren, l\u00e4ngst der Einwand gemacht ist, dafs skandierendes Sprechen etwas v\u00f6llig anderes ist als das freie k\u00fcnstlerische Deklamieren, wie es dem \u00e4sthetischen Eindr\u00fccke entspricht, und bei Vierordts Experiment \u00fcber","page":418}],"identifier":"lit15588","issued":"1894","language":"de","pages":"417-418","startpages":"417","title":"Th. Lipps: Der Begriff der Verschmelzung und damit Zusammenh\u00e4ngendes in Stumpfs Tonpsychologie. Bd. II., Philos. Monatsh. 28, S. 547\u2013591","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:20:35.579403+00:00"}