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{"created":"2022-01-31T16:10:29.934481+00:00","id":"lit15593","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 7: 422-424","fulltext":[{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nLitteraiurbericht.\nrischen Sehst\u00f6rungen, vielleicht auch der hysterischen Motilit\u00e4ts- und Sensihilit\u00e4tsst\u00f6rungen \u00fcberhaupt, m\u00f6chte Iv \u2014 allerdings einstweilen noch hypothetisch \u2014 einen mangelhaften Markgehalt der betreffenden Nervenfasern, also gewissermafsen eine Entwickelungshemmung ansehen.\nPeretti (Grafenberg).\nMoritz Benedikt. Hypnotismus und Suggestion. Eine klinisch-psychologische Studie. Leipzig und Wien. 1894. M. Breitenstein. 90 S.\nDas Werk Benedikts ist eines jener Opera, die man am liebsten unber\u00fchrt und unbesprochen liefse, wenn es sich nicht doch am Ende empfehlen w\u00fcrde, ihm die Warnung mit auf den Weg zu geben: hic niger est, hunc tu, Eomane, caveto!\nEin wunderliches Werk in der That, dem man die Bezeichnung einer \u201eklinisch-psychologischen Studie\u201c, die ihm Benedikt gegeben, vielleicht zugestehen kann, wenn auch in einem anderen Sinne, wie er es wahrscheinlich beabsichtigt hat. Was zun\u00e4chst den wissenschaftlichen Teil anbetrifft, so werden wir uns hier ohne besondere Schwierigkeiten mit Benedikt verst\u00e4ndigen k\u00f6nnen. Benedikt hat sich seit langer Zeit mit dem Hypnotismus besch\u00e4ftigt, und schon im Jahre 1880 hat er in einem Y ortrage mit unleugbarem Geschick die Schwierigkeiten hervorgehoben, die sich gerade den Untersuchungen \u00fcber Hypnotismus entgegensetzen. Ein objektives Urteil in diesen Dingen sei \u00fcberaus schwierig, die Fehlerquellen grofs, der Untersuchende m\u00fcsse ebensowohl wie sein Objekt volle Garantie des Vertrauens gew\u00e4hren, und dies um so mehr, je schwieriger Kontrollversuche seien.\nWie damals gegen die Leugner, so geht er jetzt gegen die kritiklosen Anbeter vor, und auch darin wird man ihm Recht geben.\nBenedikt ist ein unbedingter Gegner des Hypnotismus in seinei Anwendung als Heilmittel. Seiner festen \u00dcberzeugung nach beruhen 90% der vermeintlichen Heilungen auf absichtlicher oder unabsichtlicher T\u00e4uschung, und da die Hypnose \u00fcberdies eine Versetzung in einen minderwertigen geistigen Zustand bedeutet, so liegt ohnehin in ihrer Anwendung eine Gefahr, vor der er warnt.\nDie Summe seiner Erfahrungen fafst er in folgenden 4 Gesetzen zusammen (pag. 69):\n1.\tOhne Beweis der Objektivit\u00e4t k\u00f6nnen hypnotische Versuche \u00fcberhaupt nicht als wissenschaftliche, beweisende Thatsachen verwendet werden.\n2.\tNur Versuche an unbefangenen, mit den Mysterien der Hypnose unbekannten Individuen haben einen Wahrscheinlichkeitswert. Versuche an \u201eMedien\u201c sind wertlos.\n3.\tF\u00fcr diese Therapie eignen sich im allgemeinen nur sehr wenige Personen und sehr wenige Zust\u00e4nde. Wer die therapeutische Wirkung der Hypnose leugnet, begeht daher ein kleines Unrecht, wer t\u00e4glich und an der Mehrzahl seiner Nervenkranken Versuche macht, ist inkorrekt.\n4.\tDer Umstand, dafs die Hypnose einen minderwertigen geistigen Zustand darstellt und sich bei fortgesetzten Versuchen Hypnotisabilit\u00e4t und das Bed\u00fcrfnis nach Hypnose steigern, erweisen, dafs die Hypnoti-","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbmckt.\n423\nsierung und vor allem die Erziehung zum Medium ein Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens ist.\nIn einem Nachtrage (pag. 85) erweitert er diese Gesetze an der Hand neuer Erfahrungen.\nBenedikt behauptet n\u00e4mlich, dafs sich in jedes wiederholte Experiment mehr Aufmerksamkeit und Klarheit hineinmische und dadurch um so mehr Erfahrungen und Erinnerungen aus dem wachen Zustande in den hypnotischen hineingetragen w\u00fcrden, je h\u00e4ufiger die Versuche wiederholt werden. Selbstverst\u00e4ndlich nehme in demselben Mafse die T\u00e4uschung zu.\nDies gilt ganz besonders f\u00fcr das posthypnotische Verhalten, das, wo es nicht Kom\u00f6die sei, durch das Auftauchen von Erinnerungen aus den Schlafzust\u00e4nden bedingt werde. Im somnambulen Zustande tauchen Erinnerungen an fr\u00fchere somnambule Zust\u00e4nde auf, und wenn sie gleichen oder \u00e4hnlichen Inhalt haben, so erg\u00e4nzen sie sich leicht gegenseitig. Ebenso gehen aus dem wachen Zustande Erinnerungen in den somnambulen Zustand \u00fcber und beeinflussen das Verhalten in ihm. Diese Erinnerungen aus dem wachen Zustande sch\u00e4rfen die Aufmerksamkeit im somnambulen und erregen eine gewisse Konsequenz und Systemisierung des Verhaltens die bei Unbefangenen fehlt. Die im Beginne des Versuches antizipirte Aufmerksamkeit kann den somnambulen Zustand sogar in einen normal hewufsten umwandeln, und so erkl\u00e4rt Benedikt das R\u00e4tsel der Medienfabrikation f\u00fcr gel\u00f6st.\nBis hierher weicht Benedikts Schrift nicht besonders von \u00e4hnlichen ab, die f\u00fcr oder gegen den Hypnotismus erschienen sind und deren Zahl nachgerade zu einer recht betr\u00e4chtlichen angewachsen ist. H\u00e4tte er nichts anderes gethan, als die Anpreisungen und Lobeserhebungen zur\u00fcckzuweisen, die dem Hypnotismus von anderer Seite zuteil werden, so k\u00f6nnte man ihn getrost diesen Herren von der strengeren Observanz \u00fcberantworten, die ihm sicherlich nichts schenken werden.\nDas ist aber leider nicht der Fall. Benedikt hat die Gelegenheit f\u00fcr g\u00fcnstig gehalten, oder vielmehr, er hat das ganze Buch nur zu dem Zwecke geschrieben, sich selber zu verherrlichen und einen Gegner herabzusetzen, und er thut beides in einer Art und Weise, die das Mafs des bei uns Gewohnten und des Erlaubten \u00fcberhaupt weit \u00fcberschreitet.\nAls Z\u00f6llner vor Jahren sein Buch \u00fcber die Natur der Kometen dazu benutzte, um seiner pers\u00f6nlichen Verstimmung in einer Reihe von Angriffen gegen hochangesehene Gelehrte Luft zu machen, hatte er wenigstens soviel guten Geschmack, um den Liebhabern litterarischen Skandals diese pers\u00f6nlichen Angriffe gesondert z\u00fc servieren, es war eine Art von Zwischengericht, dessen man sich bedienen, das man aber auch vor\u00fcbergehen lassen konnte.\nGanz anders Herr Benedikt.\nEr ist g\u00e4r nicht im st\u00e4nde, auch nur einen Augenblick von sich und der ihm widerfahrenen Unbill ahzusehen, \u00fcberall dr\u00e4ngt sich m\u00e4chtig seine eigene Person in den Vordergrund, und die Schilderung, die er uns von sich, dem \u201eeinzigen Ess\u00e4er unter den Pharis\u00e4ern\u201c, entwirft, d\u00fcrfte ohne allen Zweifel M. Nordau Veranlassung zu recht weitgehenden","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nLitteraturbericht.\nSchl\u00fcssen an die Hand geben, die sich allerdings mit der Seihsteinsch\u00e4tzung Benedikts nicht ganz decken werden.\nDafs neben der gigantischen Figur Benedikts sein Gegner Hrafft-Ebing recht schlecht weg kommt, versteht sich von selbst.\nBenedikt entwirft eine \u201eAnalyse\u201c seines Widersachers, er will ihn \u201epsychisch in seine Elemente aufl\u00f6sen und sie zur Stichprobe der Analyse wieder zusammensetzen\u201c.\nUm die Art und Weise dieses \u201ewissenschaftlichen Sports\u201c wird ihn niemand beneiden, der sich eine Spur anst\u00e4ndigen Denkens und das Gef\u00fchl f\u00fcr eine anst\u00e4ndige Polemik erhalten hat, und dabei d\u00fcrfte man heim besten Willen kaum im st\u00e4nde sein, Benedikt die Rechtswohlthat der Wahrung berechtigter Interessen zu gute kommen zu lassen.\nKrafft-Ebing hat sich n\u00e4mlich seinen Zorn dadurch zugezogen, dafs er die \u201enotorische, international bekannte Thatsache\u201c ignoriert, dafs Benedikt ein Neurologe sei, dafs er, wie er an einer anderen Stelle von sich behauptet, \u201eeine autoritative Stellung in der internationalen Welt der Psychopathologen einnehme\u201c.\nWenn er sich demgem\u00e4fs selber f\u00fcr einen grofsen Psychiater h\u00e4lt, was man ihm am Ende nicht verwehren kann, so folgt daraus doch keines-wegs, dafs diese Meinung auch von anderen geteilt werden mufs, und da dies in Deutschland wenigstens nicht der Fall ist, so werden wir deutschen Irren\u00e4rzte uns auf \u00e4hnliche \u201eAnalysen\u201c gefafst machen m\u00fcssen. Eine Probe dessen, was das bei Benedikt besagen will, hat er uns schon in seinem Nachruf auf Billroth zum Besten gegeben, wo er von dem Pharis\u00e4ertum des deutschen Professors und von einer spezifischen akademischen Moral insanity redet, w\u00e4hrend er \u201esich auf der H\u00f6he einer gekl\u00e4rten Produktion befindet\u201c.\nDen \u201eEpilog zum Prager Prozefs Waldheim\u201c (Wiener mediz. Wochenschrift 1893. 4 und 6), dem die letzten Worte entlehnt sind, m\u00f6chte ich \u00fcberhaupt allen denen zur Einsicht empfehlen, die noch an der Bef\u00e4higung Benedikts zur Psychiatrie Zweifel hegen. Er wird sie gr\u00fcndlich beseitigen.\tPelman.\n1.\tJ. Grossmann. Suggestion, speziell hypnotische Suggestion, ihr Wesen und Heilwert. Zeitschr. f. Hypnotismus, Suggestionstherapie u. s. w. 1893.\n2.\t\u2014 Herr Str\u00fcmpell und der therapeutische Hypnotismus, ein Wort der Abwehr. Ebda.\n3.\tJ. Delboeuf. Zwei F\u00e4lle, in denen die chirurgische Diagnose mit Hilfe der Hypnose gestellt wurde. Ebda.\nGrossmann wie Delboeuf bekennen sich zu dem BERNHEiMSchen Ausspruch : Il n\u2019y a pas d\u2019hypnotisme, il n\u2019y a que de la suggestion. Die Suggestion ist ein Vorgang, bei dem sich eine Vorstellung einem Gehirn aufzuzwingen versucht; dasselbe gilt von der Auto suggestion. Spielt er sich im wachen Zustande bei vollkommen normalem Bewufstsein ab, so ist das eine Wachsuggestion, w\u00e4hrend der Hypnose, eine hypnotische Suggestion. Vermittelt wird die Suggestion durch Worte oder Geberden (Personal- und Objektsuggestion) und des Bekannten mehr. Die nat\u00fcrliche, jedem Menschen innewohnende Gl\u00e4ubigkeit, die physio-","page":424}],"identifier":"lit15593","issued":"1894","language":"de","pages":"422-424","startpages":"422","title":"Moritz Benedikt: Hypnotismus und Suggestion. Eine klinisch-psychologische Studie. Leipzig u. Wien 1894, M. Breitenstein","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:29.934487+00:00"}