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{"created":"2022-01-31T14:36:56.570158+00:00","id":"lit15785","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Swan, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 7: 324-328","fulltext":[{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nzwifchen beiden Erfcheinungen ein CaufalnexnS Statt findet, ift wahrfcheinlich, aber bis jetzt noch nicht er-wielen.\nVon den angef\u00fchrten Thatfachen k\u00f6nnte ich viele Anwendungen machen, \u00fcberlalfe diefe aber dem Le-fer, und bemerke nur zum Schluffe , wie die gew\u00f6hnliche Athmungstheorie keine pathologifche Erfchei-nung aufzukl\u00e4ren im Stande gewefen ift, dagegen die, welche die W\u00e4rme unter den Einflufs des Nervenfyftems fetzt, alle, und befonders die Entz\u00fcndungsw\u00e4rme begreiflich macht. Sie leitet mithin den doppelten Ur-fprung derfelben,. den man feit Lavoifwr der thieri-fchen W\u00e4rme immer zutheilen mufste, aus einem und demfeiben Principe her, und vereinfacht fo dielen Theil der Phyfiologie.\nXIII.\nJ. Swan \u00fcber die Phyfiologie des Ohres.\n(Med. chir. Transact. Vol. XI. p. 330 ff.)\nIn einem fr\u00fchem Auffatze *) fuchte ich zu beweifen, dafs, wenn der Geh\u00f6rgang verichloffen und ein fclial-lender K\u00f6rper an das Gelicht u. f. w. gebracht wird, der Schall lieh nicht mechanifch zum Geh\u00f6rnerven fortpflanzt, und wahrfcheinlich zu machen, dafs bei den Fil'chen die Empfindung des H\u00f6rens durch die an dein Umfange des Kopfes fich verbreitenden, und die in ihnen bewirkten Ver\u00e4nderungen zu dem Geh\u00f6rnerven fortpflanzenden Nerven hervorgebracht wird, dafs auch der Menfch auf diefe Weife bei Unvollkommenheit des ge-\n1) Diefes Archiv, B. V. S. 357.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"wohnlichen Mechanismus gut h\u00f6ren kann, mithin Taub-ftumme bei normaler Befchaffenheit des Geh\u00f6rnerven auf diefelbe Weife h\u00f6ren lernen k\u00f6nnten, wobei ich mich auf einige mir eigne Beobachtungen ft\u00fctzte. In Bezug auf die M\u00f6glichkeit, Taubftumme h\u00f6rend zu machen, konnte ich damals nur Vermuthungen anf\u00fch-ren, der folgende Fall aber beweift die grofse Em-pf\u00e4nglichkeit des Antlitznerven f\u00fcr den Schall, mithin die Ausf\u00fchrbarkeit meiner Anfichten.\nE. Robies, alt 36 Jahr, wurde mit auf beiden Seiten verfchloffenem Geh\u00f6rgange geboren. Im rechten Ohre findet fich eine fchvvache Spalte, das \u00e4ufsere Ohr befteht nur aus dem L\u00e4ppchen und einem Theile der Leifte. Im linken ift die Spalte etwas ft\u00e4rker, aber auch nur ein Sechzehntel Zoll tief. Es findet fich die Geftait des \u00e4ufsern Ohres, indeffen find die Erhabenheiten nicht deutlich, und die Communication zwifchen der \u00e4ufsern Luft und den Paukenfellen, falls diefe vorhanden ift, ift vollkommen verfchloffen. Erft mit dem Anfang des achten Jahres fing fie an verft\u00e4ndlich zu fprechen, und erft als fie zw\u00f6lf Jahr alt war, fprach fie gut. Jetzt fpricht fie v\u00f6llig verft\u00e4ndlich und h\u00f6rt vollkommen, wenn man fich ihr auf fcchs bis fieben Fufs n\u00e4hert. Steht der Sprechende hinter ihr, fo h\u00f6rt fie lange nicht fo gut. Eine Uhr h\u00f6rt fie nur, wenn fie in Ber\u00fchrung mit einem Theile des Antlitzes ift, nicht wenn fie fichbiofs im Munde bafindet. Sie und ihre Bekannten glauben, dafs fie durch Mund und Naie h\u00f6rt und auf den Sinn der Worte aus der Bewegung der Lippen fchliefst. Hiergegen fpricht aberfchon der eben erw\u00e4hnte Umftand, dann die Bemerkung, dafs fie auch bei verfchloffenen Augen, eben fo bei verfchloffenem Munde und Nafe deutlich h\u00f6rt. Bisweilen wird durch ein \u00fcber den Mund gelegtes Tuch, und","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nZubalten der Nafe eine kleine Verfchiedenbeit bewirkt, nur aber, glaube ich, fo viel, als auf diefe Weife die Oberfl\u00e4che des Antlitzes vermindert wird. leb dr\u00fcckte meine Finger gegen die Stelle des Geh\u00f6rgangs ja felbft ein dickes St\u00fcck Tuch darauf, fie h\u00f6rte aber eben fo gut. Sie h\u00f6rte mich vollkommen in der Entfernung von vier Fufs, w\u00e4hrend ihr Gefleht mit einem leinenen Tuche bedeckt war, felbft wenn Flanell dar\u00fcber gelegt wurde, durchaus gar nicht aber, als ein grofser wollner Rock dar\u00fcber gedeckt ward. Nach Wegnahme aller Decken verband fie fogleich alles. An einem andern Tage wurden diefelben Verfuche wiederholt, fie h\u00f6rte alle Fragen, doch defto fchw\u00e4cher, je mehr Bedeckungen fie erhielt. Die erften Verfuche wurden in ihrem Haufe, ganz allein, die zweiten in dem meinigen, in Gegenwart Mehrerer, nachdem fie fchnell gegangen war, gemacht, und immer wird fielt hierbei einige Verfchieden-heit finden, die auf Rechnung der Verfchiedenbeit der St\u00e4rke der Stimme und der Bedeckungen gefchrieben werden kann. Deutlich h\u00f6rte fie fiebert bis acht Fufs weit T\u00f6ne auf dem Clavier, fchw\u00e4cher, als das Gefleht, wie vorher, bedeckt wurde. Andr\u00fccken eines Tuchs auf die Geh\u00f6rgangsftelle \u00e4nderte nichts. Sie wurde auf einem Stuhl am Clavier gefetzt, das Gefleht verh\u00fcllt, fo dafs fie fchlechter h\u00f6rte, dann die Hand auf das Clavier gelegt, worauf fie fogleich weit beffer h\u00f6rte. Feflcs Binden eines feidenen Tuches um den Arm verminderte das H\u00f6ren, das fogleich nach Wegnahme deffelben deutlicher ward. Setzt fie das Gefleht oder die Z\u00e4hne in Ber\u00fchrung mit dem Clavier, fo h\u00f6rt fie fehr leicht. Glocken h\u00f6rt fie nur fehr in der N\u00e4he, wenn gleich die des Doms fehrgrofs il't und mehrere (englifche) Meilen weit geh\u00f6rt wird.\nIn dieletn Falle wurden nur die allgemeinen Erziehungsmittel angewandt und namentlich gab man lieh","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"327\nkeine M\u00fche, fie etwas verftehn zu laffen ; es fragt fich daher, weshalb Taubftumme, mit denen man Geh fo viel M\u00fche giebt, nicht bisweilen h\u00f6ren lernen ? Abge-fehn naliirlich von denen, wo der Geh\u00f6rnerv unvollkommen ift, fo r\u00fchrt dies wohl davon lier, dafs ihre Aufmerkfamkeit ganz auf Zeichen gerichtet ift und gar keine Mittel zur Vergr\u00f6fserung der immer zu Erg\u00e4nzung der Unvollkommenheit des \u00e4ufsern Geh\u00f6rgangs u. f. w. vorhandene Anhalten angewandt werden, ln der That wird ja die Empfindlichkeit der Sinnesnerven \u00fcberhaupt durch Uebung erh\u00f6ht. F\u00fcr das Geh\u00f6r bevveift dies folgende Thatfache. Viele junge Leute haben kein mufikalifches Geh\u00f6r und w\u00fcrden es, ohne darauf verwandte Aufmerkfamkeit, nie bekommen, in-deffen glaube ich, dafs faft immer bei zweckm\u00e4fsi-gem Unterricht und Aufmerkfamkeit Mulik erlernt und ein fo richtiges Urtheil \u00fcber jeden Theil derfelben erworben werden kann, als viele von denen befitzen, welche von Natur das hefte mufikalifche Geh\u00f6r haben. Eben fo vergr\u00f6fsern lieh ja Nerven und Muskeln durch fortdauernde Uebung. Die Nerven eines heftig gereizt gewefenen Gliedes findet man weit \u00fcber die Stelle der Krankheit hinaus vergr\u00f6fsert und dabei gefund. Der Antlitznerv ift bei Menfchen mit flark ausgewirkten Z\u00fcgen gr\u00f6fser, und hat dem Anfchein nach zahlreichere Aefte, bei alten, faft empfindungslofen Menfchen ift er dagegen fo klein und d\u00fcnn, dafs die F\u00e4den nur feil wer aufgefunden werden. Hiernach darf man offenbar vermuthen, dafs Uebung der Antlitznerven das Geh\u00f6r verbeffern muffe. Ohne Zweifel h\u00f6ren Viele mit dem Geficht auch bei vollkommenem Bau des Ohres, denn h\u00e4ufig habe ich die menfchliche Stimme, ungeachtet ich ein Ohr v\u00f6llig verlchlofs, vernommen. In einem Falle war eine Zeit lang das Ohr mit Ohrenfehmalz lo v\u00f6llig verfcbloffen, dafs alle gew\u00f6hnlichen Unannehm-","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"338\nlichkeiten entbanden, und dennoch fand durchaus keine Taubheit Statt.\nHiernach darf man wohl hoffen, dafs durch zweckm\u00e4fsige Uebung des Antlitznerven bei Taubftum-men feine Kr\u00e4fte vollkommen entwickelt werden k\u00f6nnen. Unftreitig m\u00fcfsten wohl zuerft Inftrumente angewandt werden,, um die Wirkung des Schalles zu verft\u00e4rken, dann aber, wenn diefe ihren Endzweck erreicht h\u00e4tten, mtifste man ihre St\u00e4rke allm\u00e4hlich vermindern, bis gew\u00f6hnliche Laute verbanden werden.","page":328}],"identifier":"lit15785","issued":"1822","language":"de","pages":"324-328","startpages":"324","title":"\u00dcber die Physiologie des Ohres: Med. chir. Transact., Vol. XI, p. 330 ff","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:36:56.570163+00:00"}