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Beitrag zur Erörterung der Frage: findet in den thierischen Körpern ein directer Uebergang von Substanzen von der Applicationsfläche in das Blutsystem Statt, oder nicht?

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{"created":"2022-01-31T16:14:28.513967+00:00","id":"lit15806","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Westrumb, A. H. L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 7: 525-555","fulltext":[{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"525\nIII.\nBeitrag zur Er\u00f6rterung der Frage: findet in den thierifcben K\u00f6rpern ein directer Feber-gang von Subftanzen von der Applicatioris-fl\u00e4che in das Blutfyftem Statt, oder nicht? Von Dr. A. H. L. Westrumb, praktifchem Arzte zu Hameln.\nILs ift eine allgemein bekannte, durch mannichfache Beobachtungen bewiefene, und durch eigene Verfuche leicht zu beit\u00e4tigende Thatlache, dafs ein mehr als reichlicher Genufs kalter Mineralw\u00e4lTer, w\u00fcrzhafter Biere, geiftiger warmer und \u00e4hnlicher Getr\u00e4nke, felbft des blofsen Waffers, bei fonft ganz gefunden Menfchen eine vermehrte und verfchnellerte Harnausleerung hervorruft, und der Harn oft fchon nach wenig Minuten die Kennzeichen der eben genoffenen Getr\u00e4nke und der vielleicht abfichtlich beigemifchten Subftanzen als der Rhabarher u. f. w. an fielt tr\u00e4gt. Obgleich nun Dreiin-court 1 ) bei Thieren, denen er an die durchlchnittenen Harnleiter Gl\u00e4schen befeftigt hatte, den Harn zwar verfchieden ftark, aber ununterbrochen in die Gl\u00e4schen fliefsen fah; obgleich die F\u00e4lle, wo bei Menfchen mit einer vorliegenden und umgeft\u00fclpten Harnblafe, eine ftete Ausfickerung des Harns aus den zu Tage liegenden Harnleiterm\u00fcndungen bemerkt wurde, die ununterbrochene, eben nicht fo fehr langfam vor fich gehende Harnabfonderung beweifen, obgleich endlich Getn\u00fcths-affecten meifter.s eine quantitativ und qualitativ ver\u00e4nderte Harnausleerung hervorrufen, und diefe Thal-fachen vielleicht eine ganz nat\u00fcrliche Erkl\u00e4rung jener Erfcheinungen zulaffen, fo fanden dennoch hochgeach-\nl) Boerhaave Praslect. T, II. S. 303. 1743. 4-","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\ntete Phyfiologen jene Erfcheinungen, vorz\u00fcglich wegen des fchnellen und unausgefetzten Ueberganges, mit den gew\u00f6hnlichen Anlicliten \u00fcber Alfunilation nicht reim-bar. Sie glaubten vielmehr fogenanute geheime Harnwege annehmen zu k\u00f6nnen, durch welche Getr\u00e4nke fowohl als andere unzerfetzt im Harne erfcheinende Subftanzen ohne in den Kreislauf der S\u00e4fte und des Elutes zu gelangen in die Harnorgane \u00fcbergef\u00fchrt w\u00fcrden. Doch nicht blofs diefe Erl'cheinungen bewogen fie , geheime Harnwege anzunehmen, fondern in vielen andern Umft\u00e4nden glaubten fie ihre Annahme begr\u00fcndet zu finden, die mich indefien, wollte ich alle jene mehr oder weniger haltbaren Gr\u00fcnde hier anf\u00fchren, zu weit von meinem Vorwurfe entfernen w\u00fcrden; ich verweile deshalb den Lefer auf meine, die Gefchichte der geheimen Harnwege umfaffende Abhandlung J), in der ich, wie ich mir fcbmeichle, mit ziemlicher Ge-wifsheit dargethan habe: dafs weder die angegebenen Gr\u00fcnde, noch andere Erfcheinungen, das Vorhandenfeyn o-eheimer Harnwege beweifen, londern dafs alle Erfchei-nungen theils in dem grofsen Einflufle des Nervenfy-ftems auf die Harnfecretion, theils in einer von den Venen des Darmkanals namentlich ausgef\u00fchrten Auffau-guiig, ihre Enthebung und Erkl\u00e4rung fanden.\nEine innige Freude gew\u00e4hrte mir die Bemerkung in der Anzeige l) 2 3) meiner Commentation, die eben angef\u00fchrte Meinung f\u00fcr lehr wahrfcheinlich angegeben zu finden, und der dort tiusgefprochene Vv'unfch, die von mir verfprochene Fortfetzung meiner Verfuche bald bekannt zu machen, ward f\u00fcr mich ein Sporn, die gr\u00f6fste\nl) Comment, da phaenom. quae ad vias fie dictas loti! clande-\nftinas demonftrandas referuntur. Gottingae lSx,9\u00ab 4.\n3) Salzburger med. chir. Zeitung igso* lNTo. 43, S. 265*","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"Sorgfalt und Genauigkeit bei den in diefen Zeilen mit-zutheiienden Verfuchen anzuvvenden. Sie enthalten zwar wenig Neues, fondera beft\u00e4tigen meil\u2019t fcbon bekannte Rei'ultate, allein trotz dem glaubte ich Manchem mit ihrer Bekanntmachung einen kleinen Gefallen zu thun, fo wie Stall's *) Auslpruch; eft etiam non infi-mum meritum aliorum praeclara obfervata confirmare fuis, denfelben gewifs eine g\u00fctige Aufnahme und nachfichtsvolle Beurtheilung verfchaffen wird.\nI.\tFe rfu che \u00fc h e r d i e H a r n b il dun g, den\nEinjlufs der Nerven und die Gefchwindig-keii, mit welcher Subftanzen im IIum\u00bb erfch einen.\n\u00a7. I. Zur Bildung und Secretion derjenigen AuS-wurfsfl\u00fcffigkeit, die wir Harn nennen, lind die doppelt vorhandenen Nieren beftimmt. Zwar glauben einige Phyfiologen, dafs nicht aller ausgeleerte Harn Product der th\u00e4tigen Nierenfecretion fey, fondern auf directen Wegen durch befondere Gef\u00e4fse in die Harn-werkzeuge tibergef\u00fchrt w\u00fcrde, allein meines Bediin-kens leidet es wohl keinen Zweifel, dafs die in ihrem innern Baue offenbar das Gepr\u00e4ge fehr th\u00e4tig abfon-dernder Organe tragenden Nieren bei gefunden Men-fchen einzig mit der Bildung des Harne:; fich befallen, und aller durch die gew\u00f6hnlichen Wege ausgeleerte Harn Product aus dem durch die Nierenarterien zugef\u00fchrten arteriellen Blute ift. Um jedoch (liefe Meinung durch directe Verfuche zu beft\u00e4tigen, Heilte ich folgende Verfuche an.\nl) Ratio tnedendi. Th. j, S, 245.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nEi'fter Verfuch.\nEinem Kaninchen wurden beide Nierenarterien, gleich nach ihrem Urfprung aus der Aorte, forgf\u00e4ltig unterbunden , die Bauchwunde geheftet, und nachdem das Thier fich von der Operation, w\u00e4hrend welcher es urinirte, etwas erholt hatte, demfelben zwei Loth einer fehr faturirten w\u00e4l'srigen Rhabarberabkochung in den Magen gefpritzt. Aufser einiger Unruhe und Mattigkeit in den Bewegungen war kein Symptom, welches befonders bemerkbar gewefen w\u00e4re , aufzufinden j im Gegentheil hatte das Thier lieh gegen Abend, zehn Stunden nach Aufteilung des Verfuches ziemlich wieder erholt und frais etwas braunen Kohl, Darmausleerungen waren unter diefer Zeit mehrere eingetreten, und der Koth faft diinnfl\u00fcffig. Am folgenden Morgen \u25a0ward die Einfpritzung wiederholt und drei Stunden nachher das Kaninchen get\u00f6dtet.\nDie Section gab folgende Refultate: die Nieren \u25a0waren blafs, welk und blutleer, beide Arterien durch das Band vollkommen gefchlofleti, und es hatte fich bereits in denfelben vor der Ligatur ein Trombus coa-gulabler Lymphe abgelagert. Die Harnblafe war leer und zufamtnengefailen, die \u00fcbrigen Organe normal, nur fchienen die H\u00e4ute der Harnblafe etwas ger\u00f6thet zu feyn. Die Rhabarber fand ich durch H\u00fclfe k\u00e4uflicher Kalilauge irn ganzen Darmkanal bis zum Maftdann verbreitet, in dem Parenchyma der Milz und Leber und dem Blute der augenfcheinlich mit Blut \u00fcberf\u00fcllten Unter leibsgef\u00e4fse. Wenigftens war das \u00fcber das Parenchyma jener Organe gegoffene Waffer und das Blut br\u00e4unlich gef\u00e4rbt. ln der Subftanz dar Nieren, des Harns und der Lungen, fo wie in dem aus dem Bruft-gange aufgefangenen Chylus brachte die Kalilauge keine Reaction hervor. Eben fo wollte die Lymphe, die ich\naus","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"aus den Dr\u00fcfen des Mefenterii gueifchte, keine Rhabarber anzeigen,\nZweiter V e r f u c h.\nEinem viertelj\u00e4hrigen Dachshunde wurden beida Nierenarterien an genannter Stelle unterbunden, die Harnleiter kurz vor ihrer Infertion in die Blafe durchfchnitten und ebenfalls unterbunden. Nachdem diefes gefchehen, die \u00e4ufsere Bauchwunde geheftet und dem Hunde etwas Ruhe gelaffen war, fpritzte ich ihm eine Drachme blaufaures Kali mit einer Unze Waffer in den Magen ein. Drei Stunden nach Beendigung des Verfuches ward der Hund der lieh bis dahin ziemlich ruhig und leidend verhalten hatte, fehr unruhig, fo dafs die Hefte der Bauchwunde auffprangen und ich mich denfelben zu t\u00f6dten beeilte. Die Section zeigte in den D\u00e4rmen nichts widernat\u00fcrliches, keine Spur einer beginnenden Entz\u00fcndung war wt\u00eeder in den D\u00e4rmen noch \u00fcbrigen Organen zu feilen, fo dafs ich die heftige Unruhe des Hundes mir nicht recht zu erkl\u00e4ren weifs. Der ganze Darmkanal reagirte durch fchwefel-faures Eiten auf blaufaures Kali, namentlich nahm die t\u00f6aica vitlofa eine lehr fch\u00f6ne blaue Farbe an. Dia Ligaturen hatten die Nierenarterien vollkommen ge-fchloffen, die Nieren felbft waren aber kaum in ihrem Aeufsern ver\u00e4ndert zu nennen; ihr Inneres war blutleer und reagirte keineswegs auf vorhandenes blaufaures Kali. Die unterbundenen Harnleiter waren ganz' leer, die Blafe dagegen enthielt einige Tropfen eines gelblichen Harns. Schwefelf\u00e4ure, Eifenfolution brachte in dem mit Salpeterf\u00e4ure verletztem Blute der Pfortader, der Aorte und \u00fcbrigen grofsen Unterleibsgef\u00e4fse, welches ich fo viel wie m\u00f6glich in befondern GJ\u00e4l'ern aul'-fing, eine gr\u00fcnlich blaue F\u00e4rbung hervor. ln dein Parenchyma der Leber, Milz und Lunge, in diefer je-M. d. Archiv. Vll. 4.\tLI","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"doch felir fchwach, trat diefelbe F\u00e4rbung ein. Der Bruftgang ftrotzte vonChylus, der fich bogenf\u00f6rmig, als er angeftoehen wurde, aus dernfelben ergofs, allein aller angewandten M\u00fche ungeachtet, liefs fich keine Spur von blaufaurem Kali in denfelben auffinden.\nDritter Verfuch.\nAn einem andern Hunde wurde diefelbe Operation \u25a0wiederholt, und ihm zwei Unzen faturirter Rhabarber-abkochung in den Magen gefpritzt. Da der Huncl \u25a0w\u00e4hrend der Operation urinirt hatte, fo wurde ihm fo-gleich Ruhe gelaffen. Am Abend des Tages reichte ich dem Thiere eine Wafferfuppe mit Brod, die es begierig frafs. Den folgenden Morgen aber wurde der Hund get\u00f6dtet und ge\u00f6ffnet. Die Adern waren blafs, welk, gleichfam zufammengefchrumpft, die Harnblaie vollkommen leer, die \u00fcbrigen Organe normal, nur fchienen die Milz und die Unterleibsgef\u00e4fse mit Blut \u00fcberf\u00fcllt zu feyu. Von der eingefpritzten Rhabarber zeigten fich kaum noch Spuren im Innern des Darmkanals, und mehr in dem untern dicken, als obern d\u00fcnnen Theile. Deutlich trat die Rhabarber in dem Parenchyma der Leber und Milz hervor, das Blutwaffer der Pfortader ward dunkelbraunroth gef\u00e4rbt, und die forp-faltig mit Waffer ausgezogenen H\u00e4ute der Blafe, gaben dem mit \u00e4tzender Kalilauge verletztem Waffer, eine fchwache r\u00f6thliche Farbe. Der fich bogenf\u00f6rmig aus dem angeftochenen Bruftgange ergiel'sende Cbylus dagegen, zeigte auf keine Weile eine auf Rhabarber hindeutende Reaction.\nVierter Verfuch.\nEinem Kaninchen ward blofs die rechte Nierenarterie und der linke Harnleiter unterbunden, und eine halbe Drachme blaufaures Kali mit einer Unze","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"531\nWaffer eingefpritzt. Sechs Stunden nach Beendigung der Operation ward das Kaninchen get\u00f6dtet, und die Section gab folgende Kefuitate. Dia Niere der rechten Seite fchien bi\u00e4ii'er und welker, wie die linke Niere, deren Parenchyma nach einem Einfchnitte fehr blutreich erfchien. Die Harnblafe und der rechte Harnleiter waren leer und collabiret, dagegen war der linke unterbundene Harnleiter ftark vom Harne ausgedehnt. Schwe-felfaures im Maximo oxydirtes Eifen f\u00e4rbte den Harn auf der Steile fcli\u00f6n blau, und diefelbe F\u00e4rbung nahm das Parenchyma der Niere, der Leber und Milz an. Chylus und Lymphe blieben unver\u00e4ndert, auch brachte fchwefeli\u2019aures Eilen keine Reaction in ihnen hervor.\n\u00a7. 2. Diefe Vcrfuche wurden noch mehrmals wiederholt, boten mir aber ftets die angegebenen Erfchei-nungen in gr\u00f6fserm oder geringerm Grade dar. Mit Unterbindung der Nierenarterien fntirtp fogieich in den Nieren der Secretionsprocefs, gewifs der deutlichfte Beweis, dafs die Secretion des Harns auf dem Zufluffe des arlericllen Blutes beruhe, und aus diefem durch die eigent\u00fcmliche Lebensth\u00e4tigkeit der fecernirenden Nierengef\u00e4fse gebildet werde. W\u00fcrden n\u00e4mlich, wie einige Schriftfteller behaupten, Subftanzen ohne in den S\u00e4ftekreislauf aufgenommen zu werden, direct india Harnwerkzeuge \u00fcbergef\u00fchrt, lo h\u00e4tte ich in den drei erften Verfucheu, wo blofs der Zuflnfs des Blutes zu den Nieren gehemmt war, die eingefpritzten Subftanzen in der Harnblafe, wie ich glaube, auffinden rniillen. Diefe war indeffen meiltens leer, oder es reagirte doch der enthaltene Harn keinesweges auf die eingefpritzten Subftanzen, und wenn im dritten Verfuche das Waffer, worin die H\u00e4ute der Harnblafe ausgezogen waren, auf Rhabarber reagirten, fo ift diefe Reaction keineswegs einer durch die geheimen Harnwege entftandenen Ablagerung der Pvhabarber, fondera den unz\u00e4hligen Ge-\nL1 2","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"f\u00e4l\u2019sen der Harnblafe zuzufchreiben, die gleich allen \u00fcbrigen Blutgef\u00e4fsen des Unterleibes mit der Rhabarber Im* pr\u00e4ginirt feyn mufsten. Vielmehr war die Erfcbeinung der Rhabarber in den Blafenh\u00e4uten fchon der Anfang einer vicariirenden Th\u00e4tigkeit diefes Organs, f\u00fcr die aufgehobene Ausfcheidung in den Nieren!? \u2014\nVor allen Dingen aber beft\u00e4Ligt fich meine Behauptung durch die Refultate des vierten Verhiebes. Hier zeigte fich das eingelpritzte blaufaure Kali in dem Harne, der fich in dem unterbundenen Harnleiter der freige-laffenen linken Niere gefammelt hatte, w\u00e4hrend dem die Niere der rechten Seite blafs, welk, der Harnleiter und die Blafe leer und zufammengefallen w aren, und keine Spur von blaufaurem Kali enthielten.\nNach diefen Verlachen glaubte ich mein Hauptaugenmerk auf den Einflul's des Nervenfyftems bei der Harnfecretion richten zu muffen, von dem ich Vieles bei Verrichtung diefer Function erwartete. Ich ftelite deshalb nachftehende yerfuche an.\nF\u00fcnfter Verfucb.\n3. Nach mehrmals vergeblichem Bem\u00fchen, trennte ich einem Kaninchen das verl\u00e4ngerte R\u00fcckenmark durch einen Schnitt zwilchen den eilten Halswirbel und dem Hinterhauptsbeine, vom Hirne. Die begleitende Blutung war eben nicht Tehr bedeutend, ward bald zum Stehen gebracht, und dem Kaninchen darauf eine Drachme blaufaures Kali mit der geh\u00f6rigen Menge Waf-fer in den Magen gefprkzt. Vermittelft eines in die Luftr\u00f6hre unterhalb des Kehlkopfes eingebracht en, an einem kleinen Blafebalg feftgefchrobenenTubulus, ward atmofph\u00e4rifche Luft in die Lungen geblafen, und der Athmungsproeefs auf diefe Weife kiinftlich zu unterhalten gefucht. Alles ging nach Wunfch, der beim Anf\u00e4nge des Lufteinblafens nur noch zitternde Herzlchiag","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"533\nward wieder f\u00fchlbar, die zufammengezogene Iris zeigte wieder Reizempf\u00e4nglichkeit f\u00fcrs Licht, die thierifche W\u00e4rme, welche, ehe der Verfuch begonnen, im After das Thermometer auf 340 R. trieb, und beim Beginn des Lufteinblafens auf 290 R- gefallen war, erhob Geh rach einem viertelft\u00fcndigen k\u00fcnftlichen Athmungspro-ceffe auf 31,5\u00b0 R., nahm aber nach und nach Wieder ab, und war am Ende des Verfuches auf 22,5\u00b0 R. gefallen. Die Temperatur des Zimmers ftand zwilchen 140 und 150 R. Etwa eine Stunde ward diefer kiinft-Jiche Athmungsprocefs fortgeletzt, und darauf zur Section gefchritten. Die Nieren hatten ein etwas bl\u00e4ffe-res Anfehen wie im gew\u00f6hnlichen Zuftande und fchwe-felfaures im Maximo oxydirtes Eifen auf ihr Parenchyma angewandt, zeigte durch Entftehung einer gr\u00fcnlich blauen Farbe das Vorhandenfeyn des blaufauren Kalis. Die Harnblafe enthielt einige Tropfen eines hellen, fehr d\u00fcnnen Harns, der aber blaufaures Kali keineswegs beigemifcht enthielt. Im ganzen Verlaufe des Darmkanals, in der Leber, der Milz, den durch das Lufteinblafen emphyfematifch aufgetriebenen Lungen, in den Schleimh\u00e4uten der Speife- und Luftr\u00f6hre hingegen trat das blatifaure Kali deutlich hervor. Das Blutwaffer der Pfortader und der Aorte, gab mit fchwe-felfaurer Eifenfolution, nach vorausgegangener Eei-mifchung von Salpeterf\u00e4ure zum Blute eine bl\u00e4ulichgr\u00fcne Farbe. Keine Spur des blaufauren Kalis zeigte fich im Hirne, dem R\u00fcckenmark, dem Chylus und der Lymphe, wenigl\u2019tens brachte Eifenfolution in diefer\u00bb Organen keine Reaction hervor.\nSechster Verfuch.\nEinem alten, allein noch ziemlich robuftsn Hunde, wurde das R\u00fcckenmark an derfelben Stelle durebfehnit-ten, zwei Unzen Rhabarberabkcchung in den Magen","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"\n654\ngefpritzt, und mit demfelben gl\u00fccklichem Erfolge anderthalb Stunden die Refpiration k\u00fcnftlich unterhalten. Die thierifche W\u00e4rme fiel w\u00e4hrend des Verfuches von 39.5\u00b0 R. auf 17,45\u00b0 R. Die Farbe der Nieren fchien unver\u00e4ndert, die \u00dflafe enthielt etwas r\u00f6thlichen Harn, tlelfen Farbe aber, wie die chemifche Pr\u00fcfung ergab, lteinesweges von der den Harn rothf\u00e4rbenden Rhabarber abhing, obgleich das Parenchyma der Nieren durch kauftifches Kali deutlich auf Rhabarber reagirte. Au-fserdem zeigte fielt diefelbe im Darmkanal, war in das Blut der Pfortader \u00fcbergegangen, iiefs fielt aber nicht in dem bogenf\u00f6rmig aus dem Bruftgange hervorfpritzen-den Chyius anfnndett.\nS i e b e n t er V crfu c h.\nEin anderer auf diefelbe Weife behandelter Huncl erhielt zwei Drachmen blauiaures Kali mit drei Unzen Waffer. Die Athrnungsbewegungen wurden eiue Stunde unterhalten , tutet die Section gab folgende Erfcheinun-gen. Die Nieren nahmen in ihrem Innern durch aufgetr\u00f6pfelte Eiferifolution eine l'ch\u00f6ne blaugr\u00fcne Farbe an. Die Harrtblafe, welche ich zuvor durch einen Druck vorn Maftdarm aus zu entleeren vergeffen hatte, enthielt ziemlich vielen Harn, der eine rpthliche Farbe hatte, allein auf blauf\u00e4ures Kali nicht reagirte, welches itch in dem Elute der Unterleibsgef\u00e4fse und verfchiede-nen Organen zeigte, keineswegs aber in dem Chyius und der Lymphe hervortrat.\n$\u2022 4* Die Reiultate diefer fehr wenigen, der gro-fsen Schwierigkeit wegen nicht wiederholten Verhielte, ichliefsen fielt, glaube ich, genau an die fchon von Stuck *) gemachte und nachher von Dumas J), Ber-\nl'j Sialographia Cap. TT.\ns) Principes de Phyfio].. Sec. edit. T. s. S. 44,","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"535\nZcl/MS *) und Andern beft\u00e4tigte Beobachtung, dafs n\u00e4mlich Unterbindung oder Durchfchneidung der zu einer Dr\u00fcfe gehenden Nerven, \u00fcberhaupt Unterbrechung des Nerveneinfluffes, den Secretionsproceis der Driife k\u00f6re oder g\u00e4nzlich aufhebe, wenn gleich der Blutlauf keineswegs geh\u00f6rt fey, an. Der biindigfte Beweis, dafs der Nerveneinflufs die Ausfcheidung der Subftanzen in den Nieren, \u00fcberhaupt die wahre Harnabfonderung vermittle, liegt in dem Mangel der eingefpritzten Subftanzen in der wenigen r\u00f6thlich gef\u00e4rbten Fliiffigkeit der Blafe, be-fonders weil jene Subftanzen ihre Gegenwart in aer Cortical und Medullarfubftanz der Nieren durch eine kr\u00e4ftige Reaction beurkundeten. Ich lebe wenigftens keinen andern Grund f\u00fcr das Nicbterfcheinen jener Subftanzen in der harnartigen Fl\u00fcffigkeit der Blafe, f\u00fcr ihre Nichtausfcheidung in den Nieren, die doch in andern F\u00e4llen fo ungemein hark ift, als den durch die Durchfchneidung des R\u00fcckenmarks aufgehobenen Ein-ilufs der Nerven auf die Nieren und den dadurch hervorgerufenen geh\u00f6rten Secretionsprocefs. Wenigftens fcheintmir Ki'burner's 1 2) intereffante Beobachtung, dafs man durch einen galvanifchen Procefs, den wegen aufgehobenen Nerveneinfluffes aufgehobenen Uebergang unzerfetzter Subftanzen in den Harn wiederherftellen\nk\u00f6nne, ein beh\u00e4tigender Beleg f\u00fcr meine Meinung zu feyn, Krimmer n\u00e4mlich durchfchnitt einem Hunde beide Vagi, entleerte die Harnolafe, und brachte dem Thiere eine Rhabarberabkochung in den Magen. Nebft andern Erfcheinungen, die Folge des Verfuches waren.\n1)\tReit* Archiv, Bd. I\u00ee. S. lo%\n2)\tPhy\u00dfologifche Unterfacbungen. Leipzig \u00ee$\u00eeo. Ich kenne diele Unterfuchungen blofs aus der in der Salzb. 2eitusig *8-1. No. 13. gegebene Anzeige,","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nzeigte Geh der Harn formt ver\u00e4ndert, dais er keine Spur von Rhabarber enthielt. Nach dreien Tagen, in denen das Thier fahr abgemagert war, ward die Infu-fion wiederholt, die Enden der clurchfchnittenen Nerven mit den Polleitern einer fechspaarigen Voltaifchen S\u00e4ule verbunden, worauf der Harn zwar blafsgelb uncl durchfichtig war, aber durch Atzkali auf Rhabarber reagirte, die indeflen fogleic\u2019n wieder verfchwand, als die Polleiter weggenommen wurden.\nWas ferner das Nichterscheinen fonft unzerietzt in den Harn \u00fcbergehender Subftanzen , und das Aufh\u00f6ren der Harnfecretion betrifft, fo erhielten aut'ser Brodle 1 ) auch Lummerer a) und Krimmer 5) den ineinigen oben angef\u00fchrten, fehr \u00e4hnliche Refultate. Lammerer bemerkte n\u00e4mlich bei Kaninchen, denen er das R\u00fcckenmark durchschnitten, die Refpiration k\u00fcnftlich unterhalten, und blaufaures Kali dargereicht hatte, diefes in die verfchiedenartigften Organe, nur nicht in den, in dem eri\u2019ten Verfuche die \u00dflafe f\u00fcllenden Harn iiber-gegangeu, und in den \u00fcbrigen Vcrfuchen die BJafe vollkommen leer. Krimmer fand bei Thieren, denen das R\u00fcckenmark durchfchnitten war, ein g\u00e4nzliches Aufh\u00f6ren der Harnfecretion, und eben fo bemerkte er, dafs der Harn eines Hundes, deffen Nierennerven alle durchfchnitten waren, nach acht Stunden eine rothe Farbe zeigte, aber ehsmilch unterfucht, weniger Harn-ftoff und S\u00e4ure, und mehr Eiweifsftoff als gew\u00f6hnlich enthielt. Die Menge der phosphor - und falzfaumi Salze\nl) Heils Archiv, Bd. 12. S. T.'O,\n2} Obfervata de nervorum in fecretiortes imrerio, eorumque vi lTritamentoium unprefJiones eonducendi. Tubingae 3319. S. t%.\n3) A. a. 0","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"537\nwar verringert, une! von der nach f\u00fcnf Stunden einge-fpritzten Rhabarber war keine Spur zu finden. Den rothf\u00e4rbenden Beftandtheil des Harns h\u00e4lt Krimmer f\u00fcr Blutf\u00e4rbeftoff, und auch ich bin geneigt, die r\u00fcthliehe Farbe der in der Blafe enthaltenen harnartigen Fliiffig-keit, dem durch die Nieren ausgefchwitzten Blutfarbe\u00ab ftoff zuzufchreiben. Zwar ift diele beiderieitige Anficht blofse Muthniafsung , indem weder Krimmer noch ici* die wahre Natur diefer r\u00f6thlichen Farbe durch che-mifche Pr\u00fcfung dargethan haben, allein die Natur der Sache felbft, giebt uns volle Bet\u00e4tigung diefer Anficht. Wenn gleich n\u00e4mlich die Refultate der angegebenen Verfuche hinreichend beweifen, die Secretion des wahren Harns iey ein durch die Nerven bedingter Procefs, fo d\u00fcrfen wir auf der andern Seite den Nieren felbft, wegen ihres eigent\u00fcmlichen ganz zur Secretion ge-fchaffenen Baues, nicht allen Antheil an der Secretion abfprechen. Der Harn verliert nur, fobald der Ner-veneinflufs aufgehoben ift, und wie diefes nach Z)\u00fc> mas ') bei allen lecernirten S\u00e4ften der Fall ift, immer mehr und mehr feinen eigent\u00fcmlichen Charakter, es s treten Mifchungsver\u00e4nderungen ein, und fo lange das Blut noch mit den durch die r\u00fcckfaugenden Gef\u00e4fse der Blafe reforbirten harnartigen Beftandtheilen impr\u00e4-gnirt, werden diefe, wegen der zwifchen ihnen und den Nieren beftehenden Wahlverwandtfchaft, in diefen Organen abgelagert werden. Immer mehr und mehr wird der Harn feinen eigent\u00fcmlichen Charakter verlieren, und fo nach und nach wahrfcheinlich blofse Exfudation von Blutwaffer werden, da diefe Organe hauptf\u00e4chlich zur Entfernung der im Blute circulirenden wiifsrigen Beftandthe\u00fce beftimmt find. Es ift diefes zwar blofse Vermutung, und Schade, dafs die Lebensf\u00e4higkeit\n\u00ef) A. a. O.","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nder Thiere nach durchfchnittenem R\u00fcckenmarks zu fchnell erl\u00f6fcht, um durch directe Verfuche \u00fcber diefe Vermuthung ins Reine zu kommen,\n\u00ff. e. Nach diefen Verluchen nun, die mich ver-gewi fl'crt hatten, die Subftanzen die un zerfetzt im Harne erfcheinen, w\u00fcrden mit der Maffe des arteriellen Blutes zu den Nieren gef\u00fchrt, und durch die Lebensth\u00e4tig-keit dicier Organe mit den zur Harnbildung beftimm-ten Beftandtheilen des arteriellen Blutes ausgefchieden, glaubte ich zur Beantwortung der wichtigen Frage: wie viel Zeit n\u00e4mlich eine Subftanz brauche, um vom Magen aus in die Harnwerkzeuge tiberzugehen, fchrei-len zu k\u00f6nnen. Ich ftellte dieferhalb folgende Verfuche an.\nAchter V er inch.\nN\u00fcchtern nahm ich eines Morgens zwei Loth der w\u00e4fsrigen Rhabarbertinctur , und trank in kurzen Zwi-fchenr\u00e4umen eine halbe Kruke Selterwaffer nach. F\u00fcnf Minuten nach Einnahme der Rhabarber liefs ich den n\u00e4chtlichen Harn, der fchon fchwach mit Atzkali auf die Rhabarber reagirte. Nach Verlauf einer Vier-telftunde ftellte fich von Neuern Trieb zum Uriniren ein, und diefer Harn ward durch Aetzkali braunroth gef\u00e4rbt. Eine Stunde nach dem Genuffe fchien der Uebergang der Rhabarber in die Harnwerkzeuge den h\u00f6chften Punkt erreicht zu haben , denn von nun an verfchwand fie immer mehr und mehr, und die eintretende Wirkung auf den Darrokanal, liefs fie vielleicht nach fechs Stunden gar nicht mehr in den Harn \u00fcbergehen, da der um diefe Zeit gelaifene Harn keinesvve-ges reagirte.\nNeunter Verfucb.\nEinige Tage darauf nahm ich eine Unze Terpentin\u00f6l und trank in kurzen Abs\u00e4tzen zwei Glas Waffer","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"539\nnach, deren jedes zwanzig Gran blaufaures Kali ge]oft enthielt. Nach zwanzig Minuten itelite fieh ein unertr\u00e4glicher Drang zum Uriniren ein, und unter leichten Brennen liefs ich einen durchs ganze Zimmer riechenden , mit Eiienfolution eine fch\u00f6ne blaue Farbe annehmenden Harn. Kurz darauf forderte die Natur eine andere Befriedigung, die mit etwas Tenesmus verbunden war. In der fkiffigen, nach Terpentin\u00f6l ftark riechenden Darmausleerung war zugleich blaufaures Kah mit enthalten, nach welchem ich Umft\u00e4nde halber weiter nicht in dem Harne forfchen konnte.\nZehnter Verfuch.\nNach mehrern vergeblich angeftellten Verfuchen, brachte ich einem grofsen und ftarken Kaninchen in die durchfchnittenen Ureteren zwei feine, filberne R\u00f6hrchen ein, deren anderes Ende ich mit zwei kleinen, unter dem Bauche befeftigten Gl\u00e4fern verband. Nach Vollendung diefer Operation ward dem Thiere eine Unze Rhabarberabkochung eingefpritzt, und nun forg\u00ab faltig auf beide Gl\u00e4schen geachtet. Drei Minuten nach gefchehener Einfpritzung ward die erfte Portion, des in die Gl\u00e4fer gefieberten Harnes gepr\u00fcft, derfelbe zeigte aber noch keine Spur von beigemifchtem Rhabarber, fondera diefer war erit, in der nach f\u00fcnf Minuten unterfuchten zweiten Portion bemerkbar. Der Harn zeigte lieh nun, von f\u00fcnf zu f\u00fcnf Minuten unterfueht, immer mehr und mehr mit Rhabarber impr\u00e4gnirt, fo clafs ich nach einer Stunde das Thier zu t\u00f6dten nicht anhand. Schwache Spuren der Rhabarber fanden lieh nach der Section in dem Darmkanal, ft\u00e4rkere in dem Blute der Pfortader , und noch ft\u00e4rkere in den Nierenarterien, keine dagegen in dem forg f\u00e4hig unterfuchten Cbylus.","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"Elfter V e r f u c h.\nDiefelbe Operation wurde an einem kleinen Dachshunde wiederholt, und ihm eine halbe Drachme hlaul'aures Kali mit zwei Unzen Waffer in den Magen gefpritzt. Nach zwei Minuten ward die Farbe des in dieGl\u00e4fer eintr\u00f6pfelnden Harnes fchon leicht blau, nach zehn Minuten dunkelblau und fofort faturirter, fo dafs ich den Hund bald t\u00f6dtete. Die chemifchePr\u00fcfung zeigte das blaufaure Kali in den verfchiedenartigften Organen, nur nicht in dein Chylus und der Lymphe verbreitet.\n\u00a7, 6. Aus diefen Verfuchen glaube ich mit Recht die oben ber\u00fchrten Refultate ziehen zu k\u00f6nnen. Wie indeffen h\u00f6re ich fragen, konnten fich die eingefpritz-ten Subftanzen im Blute, im Harne und in den \u00fcbrigen Organen zeigen, da He in dem Chylus und tier Lymphe fehlten? Auch ich ft.utz.te anfangs \u00fcber diefe auffallende Erfcheinung, febob das Nicbtaeffmden jener Subftanzen auf meine Ungefchicklichkeit im Experi-mentiren, bis mich die fogleich zu erz\u00e4hlenden Ver-fuche von der wirklichen Abwesenheit diefer Subftanzen in dem Chylus, und zugleich von der M\u00f6glichkeit \u00fcberzeugten, dafs Subftanzen vom Darmkanal aus, ohne in den Milchfalt- und lymphatifchen Gef\u00e4fsen zu kreifen, in den Kreislauf des Blutes gelangen k\u00f6nnten. Doch diele Verhiebe felbft werden diefer Anficht am beften das Wort reden.\n27. Verfuch e \u00fcber den direct en V eher gang v erfehle den er S u bft a n zen in den Kreislauf des Elutes.\nZw\u00f6lfter Verfuch.\nEinem halbj\u00e4hrigen Dachshunde wurde nach zw\u00f6lf-ft\u00fcncligem iahen, alle Viertelitunden das Gemenge von","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"einer Drachme Terpentin\u00f6l, einem Scrupel Indigo und einer halben Unze Gummifchleim in den Magen ge-fpritzt. Drei Stunden nach der letzten Einfpritzung, dia in allem achtmal wiederholt ward, t\u00f6dtete ich den Hund durch Strangulation. Nach Oeffnung des Bruft-kaftens wurden die greisen Gef\u00e4fsft\u00e4mme unterbunden. Herz und Lungen dislociret, und ein Band um dea Bruftgang fo weit wie m\u00f6glich nach oben gelegt, die* fer wenige Minuten darauf unterhalb dem Bande ange-geftochen, und der gleich dem Blute ans der ge\u00f6ffneten Vene hervorfpritzende Chylus in einer fllachen Schale aufgefangen. Derfelbe hatte eine anfangs gelb-lichweifse Farbe, die an der Luft etwas ins R\u00f6thJiche fpielte, gerann, ftiefs aber weder jetzt noch i'paterhin den Geruch des Terpentin\u00f6ls aus. Indigo fchien, infofern fich fein Beigemil'chtfeyn durch die blaue F\u00e4rbung zu erkennen giebt, gleichfalls im Chylus nicht vorhanden zu ieyn. Die aus den Driifen des Mefen-terii ausgequetfehte Lymphe roch weder nach Terpentin\u00f6l, noch zeigte fie die mindefte blaue F\u00e4rbung, Die innere Fl\u00e4che der aufgefchnittenen D\u00e4rme hingegen, ftiefs den lebhafteften Terpentin\u00f6lgeruch aus, und war bis zum Maftdarm blau gef\u00e4rbt. Namentlich fah die flockige Haut der d\u00fcnnen D\u00e4rme fehr fch\u00f6n blau aus. Das Blut der Pfortader war dunkel-fchwarz, fchillerte etwas ins Gr\u00fcnliche und ftiefs dabei den Geruch des Oeles aus, der fich ebenfalls in der Leber, den Lunsen und den Nieren nicht vei> kennen liefs. Der Harn der Blafe war blasgr\u00fcnlich und bei'afs einen Veilchen \u00e4hnlichen Geruch.\nDreizehnter Verfueh.\nF ern Schafe, das an der Drehkrankheit litt, ward mehrere Tage mehrmals eine Mifchung aus Dip-pel\u2019fchen und Terpentin\u00f6l eingefpritzt. Am vierten","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"Tage erhielt es die dreifache Dofis, drei Drachmen Dip-pel'khes \u00f6el und fechs Drachmen Terpentin\u00f6l, zwei Drachmen blaufaures Kali, und ward eine halbe Stunde darauf get\u00f6dtet, abgebalget und forgf\u00e4ltig unterfucht. Das Hirn enthielt im linken Ventrikel einen kleinen Bohnen grofsen Goenurus cerebi'aiis, der nur mit einem Kopfe verleben war. Von dem Ger\u00fcche der Oeie, War in den H\u00f6hlen des Hirns nichts zu bemerken. Die Lymphgef\u00e4fse und Dr\u00fcfen des Mefenterii ftrotzten von Lymphe, die indeflen in reinen Gl\u00fcfern aufgefangen, weder nach jenen Oelen roch, noch blaufaures Kali enthielt. Der Chylus des \u00dfruftganges gab diefelben Refultate. Die innere Fl\u00e4che des Darmkanals ftiefs den penelranteften Oelgeruch aus, .und fchwefelfaure Eifenfolutiou f\u00e4rbte die innere Fl\u00e4che deffelben, namentlich des d\u00fcnnen Theiles fch\u00f6n blau. Diefelbe F\u00e4r-liunp- und derfelbe Geruch, wenn gleich in fchw\u00e4cherm Grade, trat in der Leber, Milz und Nieren ein; das Blut der Pfortader und der Nierenarterien roch nach jenen Oelen und reagirte auf blaufaures Kali, und beide gaben fich auch io dem Harne zu erkennen.\nVierzehnter V e r i u c h.\nEin grofser t\u00fcchtiger Fleifcherhund, erhielt nachdem er achtzehn Stunden geiai\u2019tet, mit einer Schale d\u00fcnner Fieifohbr\u00fche neunzig Gran efligiaures Blei und zwei Unzen Rhabarberabfud. Kaum waren indeffen einige Minuten nacli dem gierig verfchiungenen Frafse verfcliwanden, io ft elite lieh W\u00fcrgen ein\u00ab, dem bald ein heftiges Erbrechen folgte, wodurch die ganze Menge der genoffenen Br\u00fche wieder ausgeleert wurde. Der Hund erhielt daher f\u00fcr dielen Tag Ruhe, am folgenden Morgen aber diefelbe Portion, worauf fich aber wiederum bald W\u00fcrgen einftellie, weshalb ich den Hund fogleich ftrangwlirte. Falt die ganze Portion der","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"genoffenen Bri'ilie war noch im Magen vorhanden, der daher wie der obere Theil des d\u00fcnnen Darms fehr ftark auf Blei und Rhabarber reagirte, Dielelbe Reaction zeigte lieh in der Speifer\u00f6hre, und die Schleimhaut derfelben war gleich wie die innere Haut des Magens hier und da fehr lebhaft gerothet. Die Unterfu-chung der Lymphe und des Chylus gab auf keine Weife beigemifchtes Blei und Rhabarber zu erkennen. Es entftanden n\u00e4mlich in beiden weder durch Zufatz gefchwefelwaflerftoffger Alkalien, noch als ich durch diefelben, nachdem fie mit Waffer diluirt waren, einer\u00bb Strom des Schwefelwafferftoffgafes geleitet hatte, fchwarze Blei anzeigende Flocken, und eben fo bildete fich kein Schwefelblei, als ich den andern Theil des Chylus zu Kohle verbrannte, mit Salpeter verpuffte, in Waffer aufnahrn, mit Salzf\u00e4ure verletzte, und nun filtrirte, und zur durchgelaufenen Fl\u00fclfigkeit Schwefelwafferftofff\u00e4ure mifchte. Die Rhabarber zeigte fich in den wenigen \u00fcbrig gebliebenen Tropfen nicht. Schwache Spuren von Blei fchienen im Blute der Pfortader vorhanden zu feyn, der Rhabarber trat deutlich in demfelben und in dem Harne hervor.\nF\u00fcnfzehnter Verfuch.\nZwei Scrupel des nach der Vogel'ichm Art bereiteten fchwefelblaufauren Kalis wurden mit einer Unze Waffer einem Hunde eingefpritzt. Nach wenigen Minuten refpirirte der Hund \u00e4ngftlich, zog fich krampfhaft zufammen, kam ins heftige W\u00fcrgen, brachte aber blofsen z\u00e4hen weifsen Schleim hervor, der in reichlicher Menge ans dem Maule Hofs. Sieben Minuten nach Anfang des Verhiebes hatte der Hund vollendet. Bei der Oeffnung der Kruft zeigte fich die Oberfl\u00e4che der Lungen mit kleinen br\u00e4unlichen Punkten bel\u00e4et\u00bb lo wie in ihrem Parenchvma den Brom\n4","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"chien und der Luftr\u00f6hre ein weifslicher z\u00e4her Schleim enthalten war, in dem ich fchwefelblauiaures Kali, durch die Reaction auf Eifen und die Entftehung einer rothbraunen Farbe gefunden zu haben glaubte. Das Blot des Herzens und der gr\u00f6lsern Gef\u00e4fse war dicklich, livide, nhlsfarbig, gerann fehnell, und ver\u00e4nderte feine Farbe an der Luft nicht. Die \u00fcbrigen Organe waren alle, dem Anfchein nach gefund. Ein Idols er Zul\u00e4lz des fchwefelfauren Eifens zum Blute, brachte in diei'em keine, fchwefelblaufaures Kali anzeigende Reaction hervor. Diele entltand erft, nachdem das Blut mit Salpeterf\u00e4ure gekocht und filtrirt war, und gab lieh durch eine icli\u00f6ne kirfchbraun-rothe Farbe zu erkennen. Dalfelbe Verfahren beim Ghylus und der Lymphe angewandt, zeigte auch nicht die entferntere Spur von vorhandenen fchwefelblau-faurem Kali an, welches lieh noch fehr deutlich im Darmkanal zu erkennen gab.\nSechzehnter Verfuch.\nEinem alten, noch ziemlich robuften Hunde, wurden fr\u00fch Morgens f\u00fcnf Gran fchwefelblaulaures Kaii mit etwas Brodfuppe gereicht, worauf eine be-fchleunigte, \u00e4ugftliche Prefpiration und krampfartige Symptome folgten, die aber nicht bedeutend waren und bald nachliefsen. Dem Hunde wurde daher jetzt (eine Stunde darauf) die doppelte Dolis gegeben ; fo* gleich traten jene Symptome verlt\u00e4rkter hervor, das Innere des lierabh\u00e4ngenden Maules belegte fich weifs, und es trat W\u00fcrgen ein, dem ftatt des Erbrechens ein fl\u00fcfliger Kothabgang folgte. Am folgenden Morgen erhielt der Hund vierzig Gran des Kalis, worauf er fo-gleich umfiel, heftig wimmerte, fehnell und krampt haft refpitirte, r\u00f6chelte und weifser Schleim vor das\nMaul","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"Maul trieb. Der Herzfchlag war kaum noch f\u00fchlbar, und beftimmt vermag ich die Zeit feines Abfterbens nicht anzugeben. Zwei Stunden nach Aufteilung des Ver-fuches konnte ich erft zur Section fchreiten, welche mir die Oberfl\u00e4che der Lungen mit den mehr erw\u00e4hnten braunen Flecken befetzt, ihr Parenchyma, die Bronchien und Luftr\u00f6hre mit weifsen Schleim erf\u00fcllt zeigte. Magen, Darmkanal, Nieren, Leber, Milz, R\u00fcckenmark und Hirn waren ganz normal. Das Contentum des Magens war z\u00e4her, gelber Schleim, der ftark auf fchwefelblaufaures Kali reagirte. Das Blut war mifs-farbig, dick, fchnell gerinnend, und enthielt fchwefelblaufaures Kali beigemifcht, welches fleh \u00fcberdem auch in den Lungen, der Leber, der Milz-und den Nieren zeigte. Der Ghylus und die Lymphe zeigten, auf die gew\u00f6hnliche Art behandelt, zu meinem gr\u00f6fsten Erftau-nen , beigepiiehtes fchwefelblaufaures Kali, wenigftens nahm hinzugetr\u00f6pfeltes im Maximo oxydirtes fchwefel-faures Eilen eine braunr\u00f6thliche Farbe an.\n\u00a7. 8- Da die Refultate diefer Verfucha, das letztere ausgenommen, im VVefentlichen mit den Erfchci-nungen der eben angef\u00fchrten Verfluche quadrirten, fo reichte ich Thieren nun noch mehrmals fchwefelblaufaures Kali, das zwar diefelbe Wirkung hervorbrachte, allein auf keine Weife in dem Ghylus aufzufinden war. Vergebens habe ich mich bem\u00fcht, irgend einen fcheinbaren Grund f\u00fcr diefe Erfcheinung aufzufinden, und faft dringt fleh mir die Ueberzeugung auf, dafs jene Farbenver\u00e4nderung des Ghylus nicht Folge des vorhandenen fchwefelblaufauren Kalis gewefen fey, i'on-derp ihren Grund in einer andern, mir freilich unbekannten Urfache habe.\nM. cL Archiv. VII. 4,\nMm","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"Denn, verbinden wir mit den Relui taten diefer Verfuche diejenigen, welche FlancLrin1 *'), MagendieJ), Mayer 3), Gmelin und Tiedemann 4 5) aus ihren Verhielten zu ziehen (ich berechtigt glaubten, fo fteht als unbedingte Wahrheit, wie ich glaube, cler Satz da, dafs in der Hegel nur affimilirte, durch die Digeftion ihres eigenthiimlichen Charakters beraubte, in eine homogene Maffe verfchmolzene Subftanzen durch die Milch-faftsgefiifse und den Bruftgang in den Kreislauf des Blutes eintreten, wie ohnehin \u00dfrugmanns *) fchon fr\u00fcher mit wichtigen Gr\u00fcnden behauptet hat, w\u00e4hrend dem unaffimilirte, dem Blute, verfchieclenen Organen und Secretionen unver\u00e4ndert beigemifchte Subftanzen unmittelbar von den Venen des Darmkanals aufgenommen und direct in den Kreislauf des Blutes \u00fcbergef\u00fchrt werden.\nln der Regel, fage ich, fey diel'es der Fall,.den ganz dem lvmphatifchen Syfteme die Abforbtionskraft unaffimilirter Subftanzen abzufprechen, ftritte gegen meine eigenen und Anderer Beobachtungen, doch hiervon mehreres weiter unten. Es fey mir hier erlaubt, die Beobachtungen der M\u00e4nner, auf die ich mich fo eben bezog, mit wenigen Worten anzuf\u00fchren.\nSo konnte Flandrin nie bei Hunden und Katzen den, in verfchieclenen Zeiten und Gaben in die D\u00e4rme gefpritzten Indigo in den Lymphgef\u00e4fsen auflinden,\ni) L\u2019esprit des Journaux 1791, Septbr.\ns) Phy\u00dfologie, tiberf. von Ueujinger. Bd, S. S. 177;\n5) Meckels Archiv, Ed. 3,\n4)\tVerfuche \u00fcber die Wege, auf welchen Subftanzen aus dem\nMagen und Darmkanal ins Blut gelangen u. f, w. Heidelberg 1820.\n5)\tQntyd differt, de abforbc, Tana et morbofa.","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"und ft et s beobachtete er den Cliylus von Pferden, de* nen er mehrere Unzen Indigo gereicht, und die er nach vier, zw\u00f6lf, feohzehn, vier und zwanzig Stunden ge-t\u00f6dtet hatte, von derfelben Farbe, welche der Cbylus anderer, des Gegenverfuches halber get\u00f6dteter Pferde zeigte. So iiefs derl'elbe einem Pferde zwanzig Tage jeden Morgen eine Unze Indigo mit dem Futter reichen. Am zweiten Tage waren die Excremente des Pferdes blau gef\u00e4rbt, am vierten hatte der Harn eine blaue Farbe, die t\u00e4glich an IntenGt\u00e4t zunahm, allein als nach zwanzig Tagen das Pferd get\u00f6dtet wurde, war weder in den lymphatifchen Gef\u00e4fsen noch Dr\u00fcfen eine Spur des Indigo zu finden. Der Cbylus des Bruftgan-ges war r\u00f6thlich, zeigte indeffen nach einiger Zeit oben am Rande einen bl\u00e4ulichen Hof. Die Galle war dunkelgr\u00fcn, die Contenta des DarmkdnaJs durchge-hends blau, und das Blut der Pfortader d\u00fcnner und fcliw\u00e4rzer als gew\u00f6hnlich.\nSo fand Magendie im Harne, nicht aber im Cbylus der Thiere gegebenen Rhabarber und das blaufaure Kali, und im Blute den deutlichen Geruch des Alkohols, fo bemerkten Gmelin und Tiedemann im Blute und verfchiedenen andern Organen und Gebilden den IrtchVo, die F\u00e4rberr\u00f6the, die Rhabarber, die Coccinelle, das Saftgr\u00fcn, die Lackmus - und Alcannatinctur, das Gumrniguttae, das Blei, das effigfaure und blauft.off-faure Queckfilher und den falzfauren Baryt, nie aber in der Lymphe, fo Iiefs fich nie in dem Chylus der Geruch des gereichten Kampfers, Weingeiftes, Terpentin\u00f6ls u. f. vv. entdecken, wenn gleich mit dielen Subftanzen das Blut und andere Organe mehr oder weniger irnpr\u00e4gnirt waren.\n\u00a7. 9. Obgleich nun diefe Refultate meiner oben angegebenen Meinung nur zu fehr das Wort reden io l\u00e4i'st lieh dennoch dem lymphatifchen Syfteme die Aui-\nMm \u00bb","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"faugungskraft heterogener und imzerfetzt in der Lymphe und dem Chykis erfcheiiiender Subftanzen nicht ganz abfprechen, ja es ftritte wider meine eigene Verfuche, wollte ich das bisweilige Vorhandenfeyn unzerfetzter Subltanzen in dem lymphatifchen Syfterne g\u00e4nzlich ab-l\u00e4ugnen. So fand Hunter ') die in unterbundene Darm-ftiicke eingefpritzte Milch, die Venen diefer Theile mochten unterbunden oder frei feyn, blofs in die JVlilchgef\u00e4lse \u00fcbergegangen, und die Lymphe allein nach dem, den [liieren gereichten Mofchus riechend und vom Indi go gef\u00e4rbt. So beobachteten ferner Lifter *), Musgrave 3), Haller 4), F\u00f6lix 5), Blumenbach 6) u. a. eine blaue Farbe in den Lymphgef\u00e4fseu der Thiere, denen fie Indigo gereicht hatten; Iahen Findet und Mattieu 7) den Chylus von Thieren nach dem Ge-nuife von rotheu R\u00fcben und Eigelb eine gelbrothe Farbe annehmen; fand Schreger s) Mofchus, Terpentin\u00f6l und andere Subftanzen in die lymphatifchen Gef\u00e4fse \u00fcbergegangen; wiefen Gmelin und Tiedemann*) che-mifch das gereichte Eifen, fchwefelblaufaures und blau-faures Kali im Blute nach und fand Emmen 1 \u00b0) die Lymphe auf beigcmifchten fallehen Angufturen - Rin-denaufgufs reagiren.\ni) M\u00e9dical Commenta?. Vol. I. S. 4.5, s) Phiiofoph, Transact, Vol. XIII. S. 6.\n3)\tPhiiofoph. Transact. Vol. XXII. S. 956,\n4)\tElement, phyfiol. T. VII. S. 62.\n5)\tIt 1 fieri:, de motu periftaltic. in Haller. Difput, T, VU, \u00c9) Inftit. phyfiol, S. 357.\n7) Tractat. de prima coctione. S. a^o.\nDe funet. placent, uterin. Diff. f) A. a. O. S. 64.\nio) T\u00fcbinger Bl\u00e4tter, Bd. 3. S. Si u. ft","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"Diefes find die mir bekannt gewordenen Beobachtungen, in denen unzerfetzte Subftanzen im lymphati-fchen Syfteme kreilend gefunden wurden, und fo wie es zu weit gehen hiefs, der Rehdtats obiger Verfuche wegen, dem lymphatifchen Syfteme g\u00e4nzlich die Auffau-gungskraft heterogener und unaffimilirter Subftanzen abzufprechen, fo w\u00fcrde es ebenfalls zu weit gegangen feyn, wollte man, diefer letzten Beobachtungen wegen, wie diefes einige Schriftfteller gethan haben, den mei-ftentheils directen Uebergang, der nachher im Blute, verschiedenen Organen und fecernjrten Fl\u00fcffigkeiten unverletzt , gleichfam nur mechanifch beigemifcht erfchei-nenden Subftanzen, in die Venen und aus diefen in den Kreislauf des Blutes abl\u00e4ugnen. Denn nicht blofs die Refultate obiger Verfuche Breiten f\u00fcr die ven\u00f6fe Abforbtionskraft, fondern noch eine Reihe anderer Thatfachen, und namentlich nachftehende Verfuche.\nSiebzehnter Verfuch.\nNach mehreren ungl\u00fccklich ausgefallenen Verfuch en wurde einem Kaninchen, welches Tages zuvor gefaftet hatte, der Bruftgang fo weit wie m\u00f6glich nach oben unterbunden, nachdem diefes gefchehen, eine Drachme blaufaures Kali mit einer Unze Waffer in den Magen gefpritzt, und zwei Stunden nach gefchehen er Infufion das Thier get\u00f6dtet. Der Bruftgang war vollkommen gefchloffen, von der Dicke einer m\u00e4fsig Bar ken Federfpuie, und der Chylus ipritzte bogenf\u00f6rmig' in die untergehaltene Taffe. Derfelbe befafs eine weifs-iiche, an der Luft ins R\u00f6thliche \u00fcbergehende Farbe, und gerann bald. Blaufaures Kali war ihm nicht beigemifcht. Die innere Fl\u00e4che des Darmkanals, namentlich des d\u00fcnnen Darms, und feine Contenta rea-airteu ziemlich Barkauf blaufaures Kali, die aus den\nO\nMefenterialdr\u00fcfen gecjuetf\u00e7hte Lymphe zeigte hingegen","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nkeine Spur. Das Blut der Pfortader gab, mit Salpeter-f\u00e4ure verfetzt und darauf iiltrirt, durch Zul'atz einer im Maximo der Oxydation befindlichen fchwefell'auren Eifenfolution, die \u00dfeimifchung des blaufauren Kalis durch Entitehung einer blaugr\u00fcnen Farbe zu erkennen, irnd das Parenchyma der Nieren und der Blafenharn nahmen ebenfalls eine blaue Farbe, nach hinzugeletzter Eifenfolution, an.\nAchtzehnter Verfuch.\nEinem m\u00e4fsig grofsen Huntie wurden, nachdem der Bruftgang unterbunden war, zwei Unzen eines ftarken Rhabarberabfudes in den Magen gefpritzt, und der Hund drei Stunden darauf get\u00f6 itct. Bei der Un* terfuchung des Bruftganges zeigte lieh derielbe durch das Band vollkommen gefchloffen, und der fleh aus ihm ergie\u00dfende gelbliche weifse Chylus reagirte eben fo wenig wie die Lymphe der Mefenterialdr\u00fcfen auf Rhabarber. Der ganze Darmkanal, das Blut der Pfortader, der Nierenarterien, das Parenchyma der Leber und Mik, und der Blafenharn hingegen, zeigten offenbar durch einen Zulatz von Aetzkaii die beigemifchte Rhabarber an.\nDielen Refultaten ganz gleiche gaben mir au\u00dferdem noch mehrere auf dieielbe Art an Thieren ange-Itedlte Verhielte/ So bemerkte auch Flame 1 ) <lie ein-gefpritzte Rhabarber im Harne, dein Blutwaffer und '.1er Galle von Thieren, denen er den Bruftgang unterbunden hatte; fand Monta z) die Knochen eines Thie-res, trotz des unterbundenen Bruftganges, von der nach der Unterbindung gereichten F\u00e4rberr\u00f6the ger\u00f6thet,\nl) Reil's Archiv, B. is. S. 12$,\n5} Abhandl, f\u00fcr pr\u00bbkt. Aeizte. \u00dfd. 6, S, 260,","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"551\nund fah Mayer *) ebenfalls blaufaures Kali dem Harne und dem Blute von Thieren beigemil\u2019cht, denen er vorher den \u00dfruftgang unterbunden hatte.\nWie, frageich, konnten diefe Erfcheinungen ent-ftehen, w\u00e4re der Bruftgang das einzige verbindende Glied zwilchen dem Kreislauf des Blutes und den Di-geftionsorganen und \u00fcbrigen Applicationsfl\u00e4chen ? Wie h\u00e4tten diele Subftanzen dem Blute, dem Parenchyma verfchiedener Organe und dem Harne beigemilcht feyn k\u00f6nnen, f\u00e4nde nicht im K\u00f6rper, und namentlich vom Darmkanal aus, ein director Uebergang von Subftanzen in das Blutgef\u00e4fsfyftem Statt?\nMan wirft mir vielleicht ein, diefe Subftanzen w\u00e4ren durch den rechten Saugaderftamm in den Kreislauf des Blutes getreten, oder durch die fchon von Joli. Valants * 2 3), Rofert y Val!erlas 3) , Meckel 4 5), Lob/'tein *), Lindner 6), Aftley Cooper 7 * 9) bemerkten, und neulich erft wieder von Ribes s) und Fohmann ?) beobachteten Verbindungen der Saugadern des Darmkanals mit den Aeften der Pfortader in das Blut diefer \u00fcbergef\u00fchrt, allein, wenn ich gleich gern zugebe, dafs durch den rechten Saugaderftamm oder durch die Verbindung der Saugadern des Darmkanals mit der Pfortader, die \u00fcber-\n1J MeckeTs Archiv, Ed. 3. S. 49S.\n2)\tEarthalini Anatome, Ed. V. S. 7g?.\n3)\tDe exIHtent. valor, abforb. in inteltinis.\n4.) Nova experiment, de finib. venarum, S.\n5)\tDe Liene. Argentorat. 1774.\n6)\tDe lympliaticor. Syftemate. Halae 1787,,\n7)\tMedical Records. Lond. 1798. Voi. 1,\ng) M\u00e9m. de l\u2019Acad. d\u2019Emul\u00e2t. T. VIII.\n9) Anat. Uoterfuchungen \u00fcber die V erbindung der Saugadef\u00c4 mit den Venen. Heidelberg ig\u00eei.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"553\ndem bezweifelt werden, das Lehen der Thieve, denen der Bruftgang unterbunden oder zerft\u00f6rt worden ift, Wie tliefes Dupyutrens 1 * ), Coopers 7) und Luver-ney\u2019s 3) Beobachtungen beweifen, hingehalten werden ltann, fo glaube ich dennoch, bei meiner Meinung, dafs der Uebergang diefer Subftanzen in den Kreislauf des Blutes, durch die Venen vermittelt wird, verharren zu muffen.\nW\u00e4ren n\u00e4mlich jene Subftanzen durch den rechten Tymphatifchen Stamm in die Blutmal'fe eingetreten, dann, glaubeich, h\u00e4tten lie fich auch in dem Chylus auffinden laben muffen, da der Einwurf der fcbon ge-fchehenen Abforbtion und des dadurch entftehenden Mangels in der Lymphe dadurch wegf\u00e4llt, ci a ls der Inhalt der D\u00e4rme in allen Verfuchen noch auf die einge-fpritzten Stoffe reagirte. Und ferner konnten die Verbindungen der Saugadern mit der Pfortader die Ueber-gangspunkte f\u00fcr diele Subftanzen nicht feyn, theils wegen der fchon bemerkten g\u00e4nzlichen Abwefenheit in tier Lymphe, theils wegen der von Gmelln und Tiedemann 4 *) angegebenen Gr\u00fcnde.\nDoch nicht blofs djefe gewifs triftigen Gr\u00fcnde be-fl\u00e4tigen die Auffaugungskraft der Venen, fondern noch mehr geht lie aus Ribes f) hoch ft intereffanten Verhielten hervor. Ribes brachte n\u00e4mlich eine R\u00f6hre in die Pfortader, blies diefes Gelais mit Luft auf, und fah kurz darauf nicht nur alle Verzweigungen diefes Ge-f\u00e4fses, fondern auch den Magen, den ganzen Darm-\nl) MeckeFs Archiv. Bd, J, St. S. S. 253.\n\u00ee) 1\u00bb. a. O.\n3)\tM\u00e9moires de l\u2019Acad\u00e9mie cl\u00e9s Sciences de Paris 1765,\n4)\tA. a. O. S. 80.\n5} M\u00e8m. de la Soe, d\u00e9 Emulation. T, VUI, p. 612,","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"555\nkanal und die Milz von der Luft angef\u00fcllt. Die Luft drang felbft zwilchen Ged\u00e4rme und das Bauchfell, das zwiichengelagerte Zellgewebe wurde emphyfematifch aufgetrieben, und das innere fer\u00f6fe Blatt des Bauchfelles erhob lieh durch die Luft, und ward durchfichtig. Die Luft endlich ftr\u00f6mte mit Ger\u00e4ufch aus einem in dia Milz gemachten Loche.\nEben fo fpritzte er die Pfortader mit fchwarz gef\u00e4rbtem Terpentin\u00f6l aus. Sogleich wurden alle Verzweigungen angef\u00fcllt, und die grauweifsliche Farbe des Peritoneums in eine fchwarze ver\u00e4ndert. Das Terpentin\u00f6l war in das zwilchen diele Membran und den D\u00e4rmen gelagerte Zellgewebe gedrungen, mit den Contends des Dannkanals war Terpentin\u00f6l gemilcht, und die Zotten des freien Randes der valvulae conniventes des Duodenum, die Zotten der R\u00e4nder und einige in den Zwifchenr\u00e4umen der Klappen im Jejuno, die Zotten der innern Haut des Ileum und felbft des Colons, \u2022waren mit der Injectionsmaffe gef\u00fcllt, und hatten, im Waffer flottirend, das Anfehen eines fchwarzen Mnoles.\nEr fpritzte ferner die grofse Meferaicalvene mit Oueckfilber aus, und fand in den fogleich ge\u00f6ffneten D\u00e4rmen fehr viel Oueckfilber mit dem Inhalte deri'el-ben gemifcht, und die durch Oueckfilber erf\u00fcllten Darmzotten hatten das Anfehen von fiibernem Sammet.\nZeigen n\u00e4mlich diefe Verfuche nicht deutlich, dafs die Venen des Darmkanals iifeh unmittelbar in die H\u00f6hle deffelben einm\u00fcnden, und den gr\u00f6fsten Antheil an der Bildung der Darmzotten nehmen? Diefe Zotten, deren Venolit\u00e4t durch Emmert's x) Beobachtung, dafs, nach Unterbindung der Gekr\u00f6sblutader, Blutunterlaufungen in der Zottenhaut der D\u00e4rme entftehen, beft\u00e4tigt wird, find aber nun die Organe, durch welche die\nX) Reifs Archiv, B\u00e4. 12. S. 255.","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nfowohl durch die Digeftion zerfetzten als unzerfetzten Subftanzen aus dem Darmkanal gefchafft werden; da fie aber hauptf\u00e4chiich aus ven\u00fcfen Gef\u00e4fsen gebildet find, fo, tollte ich glauben, liege in diefer Bildung ein Hauptbeweis ;rund f\u00fcr die Richtigkeit der ven\u00f6fen Auf-faugungskraft.\nBewiefen wird diefelbe ferner durch Mayer's 1 ) intereffante Verfuche, Thieren Fliiffigkeiten durch eine Oeffnung der Luftr\u00f6hre einzufpritzen, und diefe Subftanzen fchon nach zwei bis f\u00fcnf Minuten, allo viel zu fohnell als das die Abforbtion durch die abforbirenden Gef\u00e4fse gefchehen feyn k\u00f6nnte, dem Blute des linken Herzens beigemifcht zu finden, w\u00e4hrend dem fie in dem Blute des rechten Herzens, (dem fie doch fr\u00fcher beigemifcht feyn mufsten, w\u00e4ren fie durch die abforbirenden Gef\u00e4fse in den Kreislauf des Blutes \u00fcbergef\u00fchrt) nicht vorhanden waren. Ich felblt habe diefe Verfuche an einem Kaninchen widerholt, und ebenfalls das einge-fpritzte blaufaure Kali fr\u00fcher in dem Blute des linken Herzens als des rechten gefunden 2). Beft\u00e4tigt wird diefe Kraft der Venen durch Kn.mer's 3 ) Verfuch, der, nach unterbundenen Magenvenen, die fonft fo leicht aufzufindende Rhabarber weder im Blute noch im Harne des Thieres auffinden konnte. Volle Reft\u00e4tigung findet endlich diefe Behauptung durch die in neuern Zeiten von Emmen 4 5 6), Magendie *), Brodle \u00f6), Emmer 7),\ni) A. a. O.\ns) Comment, de piiaenomenis etc. S. 91,\n3)\tA. a. O.\n4)\tDiSTert. de ac.idi boruftici effectibus. Tubingae I80S. \u20141\nT\u00fcbinger Bl\u00e4tter, Bd. 2. S. 9a. Journ. compl\u00e9ment, du Diet, des Scienc. medical. T, V. Novbr, 1819. S. 33.\n5)\tPbvfiologie. Bd. 3.\n6)\tRe. Vs Archiv. Bd. 12.\n7)\tDe Veneno americano. Tubingae 1817.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"555\nSchabei 1 ), Schnell J) und Andern angeftellten Unter-fuchuugen \u00fcber die Wirkfamkeit der Gifte, aus denen klar hervorgeht, dafs die verletzende oder t\u00f6dtencie Kraft der Gifte lediglich von einem directen Ueber-gange in das Bluti'yi'tem abh\u00e4ngt, w\u00e4hrend dem lia durch das lymphatifche Syftem gar keine Wirkung \u00e4ufsern und die Nerven nur topifch afficiren.\nSollten wir demnach wohl noch an der Abforb-tionskraft der Venen zweifeln k\u00f6nnen? Ich glaube nein. \u2014\nIV.\nUeber das H\u00e4ren oder die Regeneration der Haare. Von Carl Fr. Heusinger. Nachdem ich die fr\u00fcher mitgetheilten Beobachtungen \u00fcber die erfte Entftehung der Haare in dein F\u00f6tus gemacht hatte, richtete ich meine Aufmerkfamkeit auf die Regeneration der Haare. In der That durfte ich nicht lange fuchen, nach Verlauf einiger Wochen lagfaft die ganze Regenerationsgefchichte der Haare vor mir,\nRegeneration der Tafthaare.\nDie Tafthaare oder Barthaare der Thiere liegen in B\u00e4lgen, die man fogleich erblickt, wenn man die Haut neben einem folchen Haare einfehneidet; fie haben in den verfchiedenen Thieren eine verfchiedene Geftalt, doch find fie in der Regel oval. Man findet die Haut des Balges nach oben und befonders in der Mitte viel dicker als unten an dem Boden, welcher auf dem Unterhautzellgewebe ruht, wo fie fehr\ni) De effect, etc.\ns\u2019) Hiftoria veneni u, f. w.","page":555}],"identifier":"lit15806","issued":"1822","language":"de","pages":"525-555","startpages":"525","title":"Beitrag zur Er\u00f6rterung der Frage: findet in den thierischen K\u00f6rpern ein directer Uebergang von Substanzen von der Applicationsfl\u00e4che in das Blutsystem Statt, oder nicht?","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:14:28.513973+00:00"}

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