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{"created":"2022-01-31T13:59:54.885800+00:00","id":"lit15811","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Desmoulins","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 7: 573-584","fulltext":[{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"fchiedenheiten, dagegen habe ich mich clrrcli die TJn-terfuchung mehrerer Gattungen, deren Thiere ich fahe, \u00fcberzeugt, dafs die Schale der weiblichen immer, vorz\u00fcglich in der letzten Windung, viel gew\u00f6lbter ift- wodurch die M\u00fcndung rechterleits weiter wird. Ferner ift die Spindel weniger fchlank und ftumpfer als bei den M\u00e4nnchen. Dies ift vorz\u00fcglich bei Buccinum Cycio-ftoma, Paludina, Atnpuilaria deutlich. Die letztem weichen in der That, wie ich mich durch die Anatomie \u00fcberzeugt habe, fo wenig von einander ab, dafs man fie kaum als eine eigne Gattung aufftelien kann.\nNach dem Vorigen d\u00fcrften die Conchyiiologen bei der Aufhellung von Arten auf die angegebenen Verfehle-denheiten R\u00fccklicht zu nehmen haben.\nVIII.\nDesmoulins \u00fcber die geograpbifclie Verbreitung der Wirbelthiere. (Aus dem Journ. de Phyl\u00eeque. T. 94. p. 19.)\nW\u00e4re die Kr\u00fcmmung der Erde gleichf\u00f6rmig und ihre Oberfl\u00e4che \u00fcberall von derfelben Befchaffenheit, fo w\u00e4ren die Gefetze der W\u00e4rmevertheilung auf ihrer Oberfl\u00e4che und in ihrem Innern ohne Zweifel fehr einfach. Zonen von einer regelm\u00e4fsig abnehmenden W\u00e4rme w\u00fcrden parallel auf einander vom Aequator zu den Polen folgen. N\u00e4hme man nun an, dafs alle Thiere zugleich und an demfelben Orte, namentlich unter dem Aequator, gefchaffen w\u00e4ren, fo w\u00fcrden die verfchiedenen Arten unftreitig nach dem Verh\u00e4ltnifs zwifchen dielen Gefetzen und ihrem Temperament vertheilt feyn. Man miifste dalier von der Zeit ihrer Ver-","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nbreitung an eine gleichm\u00e4fsige Vertlieilnng vom Aequa-tor aus nach Norden und S\u00fcden wahrnehmen. Vorz\u00fcglich w\u00fcrde kein Grund vorhanden feyn, warum diefelbe Zone nicht in ihrem ganzen Umfange von v\u00f6llig \u00e4hnlichen Arten bewohnt w\u00e4re, gleichviel, wie grofs ihre Zahl und die Zahl der Gattungen w\u00e4re, denen lie angeh\u00f6rten, denn offenbar hatte kein klimati-fcher Einfiufs den urfpriinglichen Typus der Arten ab\u00e4ndern k\u00f6nnen, welche durch die vollkommne Ueber-einkunft zwilchen ihrem Temperament und diefer Zone unwandelbar an diefelbe geheftet gewefen w\u00e4ren.\nUngeachtet nun aber untre Feftl\u00e4nder im h\u00f6chften Grade ungleiche Erhabenheiten und Vorfpr\u00fcnge zeigen, ungeachtet fie durch Meere getrennt find, welche fich nur in einer, von einer fehr kleinen Zahl von Arten bewohnten Zone verengen, wendet man nichts defto weniger auf ihre Thiere diele Regeln f\u00fcr ihre Verbreitung an, welche nur auf eine vollkommen fph\u00e4rifche und homogene Oberfl\u00e4che anwendbar find. Die Meere, die grofsen Bergketten, noch andere nat\u00fcrliche Schranken bilden in der That Ahfchnitte, deren Gr\u00e4nzen f\u00fcr die von ihnen bewohnten Thiere eben i'o un\u00fcberl\u2019chreitbar find als die heifise Zone f\u00fcr die Poiarthiere unbewohnbar ift.\nDiefer Schwierigkeit glaubt man durch die Annahme auszuweichen, dafs entweder die von einem einzigen Punkte aus Statt gefundenen Auswanderungswege durch hinreichende Abweichungen in der Breite und L\u00e4nge diefe Hinderniffe \u00fcberwunden haben, oder dafs diele zur Zeit jener Auswanderungen nicht Statt fanden.\nJede diefer Hypothefen gr\u00fcndet fich wieder auf andere, und alle find gleich unzul\u00e4ffig,\nZuv\u00fcrderit fetzen entweder die, in verfchiedenen Richtungen die Meridiane und Parallelen des Aequators durchichneidenuen Auswanderungen voraus, dafs die Klimate fich damals anders als jetzt verhielten, wo fie","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"575\nfilr die in Anfrage hebenden Thiere unbewohnbar find, dies aber ift durch die Astronomie nichts weniger als erwiefen; oder fie gr\u00fcnden fich auf die Annahme, dafs fich die ausgewanderten Arten nach und nach bis zu ihrer gr\u00fcfsten Neigung in der Breite ver\u00e4ndert und nachher das Product diefer Ver\u00e4nderung wieder verloren haben, indem fie fich nach ihrem gegenw\u00e4rtigen Standorte hin begaben. Allein in diefem Falle m\u00fcfs-ten zu diefer allm\u00e4hlichen Racendegeneration geh\u00f6rige Variet\u00e4ten den Weg diefer Auswanderungen als Stufen bezeichnen: dies ift aher nicht der Fall, indem im Gegentheil die Formen pl\u00f6tzlich und fchneidend unterbrochen werden. Hierzu kommt, dafs die zu Hervorbringung diefer Umwandlungen erforderliche Zeit die gegenw\u00e4rtige Lebensdauer auf der Erde weit \u00fcbertreffen w\u00fcrde. Ferner konnten die, heutiges Tages durch ihre K\u00f6rperbefchaffenheit an eine beftimmte Zone ge-feffelten Thierarten nicht friiherhin fie verladen, um nachher unter einem andern Meridian in (ie zur\u00fcckzukehren, indem die Unab\u00e4nderlichkeit ihrer K\u00f6rperbe-fchaffenheit durch die Identit\u00e4t der Gehalt der \u00e4ltefte\u00bb Individuen mit der der jetzt lebenden, ahnen entfpre-chenden erwiefen ift *).\nDie in unfern Klimaten gefunden foffilen Knochen beweifen nichts fiir diefe Umwandlung. Sie k\u00f6nnen nicht auf Thiere zur\u00fcckgeleitet werden, welche die Vorfahren der unfrigen w\u00e4ren, diefe ftammen alfo nicht von ihnen ab, und die Verfchiedenheit der Gehalten h\u00e4ngt daher von keiner Umwandlung des Typus ab, fondern ift urfpr\u00fcnglich l) * 3).\nl) S. die Vergleichung der Skelete des antiken und lebenden\nIbis, und die hieraus gezogenen Schl\u00fcffe in Cuviers Off. foff. du Quadr.- T. 1.\nst) S. Cuvier's Discours prelim, \u00e0 la th\u00e9orie di la terri,","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\nEndlich fprecben die allen Ueberlieferungen nicht von Thieren, welche von denen, die gegenw\u00e4rtig in derselben Gegenden leben, verfchieden w\u00e4ren.\nDer anf\u00e4ngliche Mangel von liinderniffen, fo wie die Exiftenz von einem fp\u00e4ter verh\u00f6rten Zufammen-hange der Feftl\u00e4nder lind Hypothefen, welche l\u2019owohl durch die Geologie, als die Zoologie widerlegt werden. In Folge diefes Zufammcnhanges w\u00fcrden diel\u2019elben Arten in den Gegenden, f\u00fcr welche man ihn annimmt, Vorkommen, Go lind unter dem Nordpule, vvo Europa, Alien und Amerika nahe an einander liegend, durch Ketten von Infein und Eisfeldern zufammenh\u00e4n-gen, einige der, \u00fcberdies wenig zahlreichen, Arten von S\u00e4ugthieren diefen L\u00e4ndern gemeinlchaftiich, io dafs, felbi't wenn jener Zufammenhang fp\u00e4terhin aufgehoben werden follte, diefer Umftand einen Beweis f\u00fcr feine fr\u00fchere Exiftenz abgeben w\u00fcrde. Dagegen ift an den (Jfern aller \u00fcbrigen Feftl\u00e4nder, die einander entgegengewandt find, und wo lieh die angeblichen Verbindungen h\u00e4tten finden muffen, die Verichiedeu-Iieit der Formen am gr\u00f6fsten, und eher findet man im Innern \u00e4hnliche, wenngleich nie diefeiben Arten.\nNoch mehr vergr\u00f6fsern lieh die Schwierigkeiten diefer Anlicht, dafs die Thiere lieh von einem getnein-fchaftlichen Mittelpunkte aus verbreiteten, durch das Vorhandcnfeyn urivermifchter, eigenthiimlicher Tbierfamml urigen in einzelnen Gegenden. Finden lieh liier von jenen Sammlungen verfchiedene, mit denen andrer Gegenden \u00fcbereinkommende, fo kamen lie t'aft immer durch und mit dem Men feilen dahin. Diele eignen und befondern Gegenden nun zeigen keine Ueberg\u00e4nge, fondern lie find eben fo viel Mittelpunkte, deren Umkreife lieh nicht kreuzen und feiten ber\u00fchren. Dennoch finden lieh bisweilen in grofsen Entfernungen \u00e4hnliche Mittelpunkte, ohne dafs man eine\nfr\u00fchere","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"fr\u00fchere Verbindung zwilchen ihnen annehmen k\u00f6nnte. Oft ift \u00fcberdies die Abgrenzung diefer Mittelpunkte von jeden phyfifchen Schranken unabh\u00e4ngig, fo dafs be-ftimmte Formen willkiihrlich und wie durch eine in-ftinctsm\u00e4lsige Nothwendigkeit an eine gewiffe Gegend geheftet erlcheinen. Man fieht aber durchaus nicht, weshalb diefe feite Befchr\u00e4nkung auf einen beftimmten Wohnort nicht immer beh\u00e4nden h\u00e4tte, indem die Annahme, dafs der Inftinct dazu durch grofse klimat\u00dcrhes Umw\u00e4lzungen abge\u00e4ndert worden w\u00e4re, unlogifch feyn w\u00fcrde, fofern die Erdumw\u00e4lzungen immer pl\u00f6tzlich und f\u00fcr die Gefch\u00f6pfe zerft\u00f6rcnd waren.\nDie Erfahrung hebt alfo felir mit dem, was nach diefem Syfteme feyn f\u00fcllte, im Widerfpruch. In der That haben wir f\u00fcr die geographifche Verbreitung der Thiere keine Gefetze und keine Theorie und das Studium ift kaum angefangen. Linn\u00e9 unternahm eine Sammlung der Materialien, indem er, was freilich damals oft ungewifs war, das Vaterland der von ihm be-fchriebenen Thiere angab. Buffen, Zimmermann und Lacep\u00e9de machten dazu Entw\u00fcrfe, fo weit es der Zuftand der VViffenfchaft zu ihrer Zeit erlaubte. Allein da das Wefentliche einer folchen Arbeit das Ver-li\u00e4ltnifs der Menge der Thierbildungen unter einander und nach ihrem Wohnorten ift, feit Kurzem aber heb die Zahl der bekannten Arten beinahe verdoppelt hat, fo m\u00fclfen alle fr\u00fchem Arbeiten nothwendig lehr un-vollft\u00e4ndig, mithin ungenau feyn.\nDie Genauigkeit des erw\u00e4hnten Mengenverh\u00e4ltniffes erfordert in doppelter Hinficht Gewifsheit der That-fachen. Die Arten miiffen i) genau beftimmt feyn, damit keine verfchiedenen vermengt oder k\u00fcnltlich gebildet werden, und 2) find die Wohnorte genauer anzugeben. Hiernach miiffen die verfchiedenen Gegenden nach den in ihnen vorkommenden Thierformen in> M. d. Archiv. VIL 4.\tO o","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"57 B\nBezug auf die Zahl der Arten und der Individuen einer jeden verglichen werden, indem oflenbar eine Art der Gegend urlpr\u00fcnglich angeh\u00f6rt, wo fie fich in gr\u00f6fster Menge findet.\nIn der That gelangt man durch diefe blofs ftatifti-fchen Unterfuchungen fait zur L\u00f6fung eines auf jedem andern Wege kaum auszumittelnden Problems, des Ur-fprungs der Thiere,\nDie Materialien diefer Arbeit find fowohl der Zahl als Genauigkeit nach, noch urivollft\u00e4ndig. Doch giebt es Thierklaffen, f\u00fcr die man wenigftens vorl\u00e4ufig Regeln feftfetzen kann, die fich von den ziemlich genau ausgemittelten nutnerifchen Verh\u00e4ltniffen ableiten laffen.\nSo hat Herr Latreille gezeigt, dafs, wenn man den Erdball in eine gewiffe Zahl von Zonen in der Richtung der Meridiane theilt, die den verfchiedenen Zonen eignen Infekten allm\u00e4hlich verfchwinden und diele wieder aus den folgenden Zonen erfetzt werden, fo dafs von Abfchr.itt zu Abfchnitt an die Stelle der herrfchen-den Arten andere treten und feibft die ganze Art der einen Zone in einer andern v\u00f6llig verfchwindet. Diefe grofsen Ahfchnitte werden durch andere in der Richtung des Aequators verlaufenden Ivreife in Abtheilungen zerlegt, welche \u00e4hnliche Folgen thierifcher Formen zeigen. Herr von Humboldt hat f\u00fcr die Pflanzen eine \u00e4hnliche Verbreitung der Familien nachgewiel'en. Auch hier lieht man, dafs, wenn die Wohnorte der Arten Regeln unterworfen find, die mit den jetzigen phyfifchen Gefetzen in Beziehung flehen, ihre geographifche Verbreitung nur auf geologifehe, nicht mehr beftehende Urfachen zuruckgeftihrt werden kann. Auch f\u00fcr die Verbreitung der Thiere werden fich unftreitig \u00e4hnliche Refukata ergeben.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Der einzige Einwurf gegen die Gewifsheit diefer Piefultate, den man gemacht hat, ift eine blofse Hypo* thefe. Man leitet n\u00e4mlich die Verfehiedenheit der Thierfonnen von einer allm\u00e4hlichen Umwandlung ur-fpriinglicher Formen ab , welche durch das Klima oder durch Vermifchung verfchiedener Arten entftanden und durch die Zeit befeftigt worden w\u00e4re, fo dafs die gegenw\u00e4rtigen Arten rneiftens nur Variet\u00e4ten feyen, die man weife nicht wie, bleibend wurden.\nDies find aber ganz willk\u00fchrliche Behauptungen. Jetzt finden dergleichen Ab\u00e4nderungen felbft mit H\u00fclfe derKunft nicht .Stall, und die Unterfuchung der foffilen Knochen der Schichten, welche einer fp\u00e4tern Periode als der letzten Erdumw\u00e4lzung angeh\u00f6ren, fo wie die Vergleichung der \u00e4lteften Individuen mit den jetzt lebenden beweift, dafs fich die Formen unver\u00e4ndert erhalten. Eben fo wenig ver\u00e4ndert der Einflufs des Klima diefelben, da man nicht nach den Klimater\u00bb Uebergangsbildungen findet, felbft ein neues Klima die urfpr\u00fcngliche Form nicht modificirt. Durch die Behauptung, dafs jene Erfahrungen nicht alt genug feyen, als dafs jener Erfolg dadurch h\u00e4tte hervorgebracht werden, k\u00f6nnen, wirft man fich aufs Neue in grundlofe Hypothefen, die \u00fcberdies mit den meiften iichern Thatfachen im Widerfpruche ftehen. In der That fagt Cuvier ganz richtig, dafs man bei einem folchen Gegenftande auf das, was eine lange Zeit hervorbringen werde, nur durch die in Gedanken vorgenommenen Multiplication des in einer kurzen Hervorgebrachten fchliefsen kann: feit einer Periode, die wenig fp\u00e4-ter als der gegenw\u00e4rtige Zuftand der Erde ift, haben fich aber die Arten unver\u00e4ndert erhalten.\nDie Schl\u00fcffe aus dem Vorigen find vorz\u00fcglich auf die Landf\u00e4ugthiere anwendbar. Auch f\u00fcr die Fifche und Wafferf\u00e4ugthiere, mithin auch f\u00fcr die Amphibien gel-\nO o a","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\nten fie, nicht dagegen f\u00fcr die V\u00f6gel, welche fich in der Luft auf eine nicht zu beftimmende Weife an che entlegenften Stellen begeben k\u00f6nnen.\nln der nachftehenden Unterfuchung werde ich, um vorz\u00fcglich die vorftehenden S\u00e4tze durch die Autorit\u00e4t eines gr\u00f6fsen Phyfikers zu beft\u00e4tigen, zun\u00e4chft die allgemeinen Betrachfungen \u00fcber die Wohnorte der Fifche ber\u00fcckfichtigen, welche zuerft Herr v. Humboldt in feinem Aoffatze \u00fcber die S\u00fcfswafferfifche des mittlern Amerika bekannt gemacht hat.\nIn der Einleitung zu dem eben erw\u00e4hnten Auf-fatze zeigt Herr v. Humboldt durch eigne und von Herrn Ramond beobachtete Thatfachen, dafs die Aufenthaltsorte der Fifche keinen, von den jetzigen phyfi-fchen Gefetzen abh\u00e4ngigen Regeln unterworfen find; dafs die Auswanderungsgr\u00e4nzen weit zahlreicher find als man annahm, dafs in einem durch Einm\u00fcndungen zu-fammenh\u00e4ngenden Syfteme von Fliiffen der W\u00e4rmegrad, die Tiefe uncl die Schneite des Wafl\u2019ers, der Grad der Heile deffelben, die chemifehe Befchaffenheit, die Be-fchaffenheit des Fl\u00fcfsbettes, fofern es fumpfig oder felfig ift, fo bedeutend auf die thierifche \u00d6rganifation ein-fliefst, dafs diele Umft\u00e4ncle einzeln oder zufammen nicht uurfiir die Fifche, fondera felbft f\u00fcr die nur vor\u00fcberee-hend darin vorkommenden Amphibien und felbft die auf der Oberfl\u00e4che fich aufhaltenden Infekten uniiberfteig-liche Hinderniffe werden. Die Gef\u00fcllt des Bodens, der noch oberhalb der Schneegegend der temperirten Zonen bewohnt ift, hat einen noch gr\u00f6fsern Einflufs auf die Verfchiedenheit der amerikanifchen Fifche.\nHinge nun auch bei den Thieren der Standort von der Temperatur der Befchaffenheit des Bodens oder des Waffers ab, fo miifste man auf den Bergen des Ae-quators bei gleich hohem W\u00e4rmegrade diefelben Fifche finden als in der gem\u00e4fsigten Zone. Dies ift aber durch-","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"581\naus nicht der Fall, Nach Herrn Ramond findet man jn den Pyren\u00e4en Fifche nicht \u00fcber II70 lAifen, H\u00f6her oben bleiben die Seen f\u00fcnf bis fechs Monate gefroren, lind nat\u00fcrlich k\u00f6nnen die Fifche nicht im Waffer leben, wo fie fo lange den Einflufs der Atmofph\u00e4re entbehren w\u00fcrden. In diefer H\u00f6he betr\u00e4gt, die mittlere j\u00e4hrliche Temperatur ~p i\u00b0 bis -}- i\u00b0,3 , und die Seen find vier Monate lang gefroren,\nIn den Anden von Quito hat die Luft bei einer um 1300 Toifen betr\u00e4chtlicheren H\u00f6he diefelbe Temperatur. G\u00f6lte alfo f\u00fcr die Fifche daffelbe Standesgefetz als f\u00fcr die Pflanzen, fo w\u00fcrden die Gew\u00e4ffer bis zu 2470 Toifen Fifche und Amphibien enthalten. Ina Gegentheil aber findet manche hier nicht \u00fcber 14-\u2014 1600 Toifen,\nDiefelbe Urfache fcheint alfo dieExiftenz der Fifche in den Pyren\u00e4en und den Anden nicht zu befchr\u00e4n-ken. Hier ift die mittlere Temperatur alle Monate im ganzen Jahre \u00fcber 90, w\u00e4hrend fie bei 1200 Toifen in den Pyren\u00e4en nicht -f- 2\u00b0 erreicht und im Winter die Seen fechs Monate lang zugefroren find, mithin in 'manchen Monaten die Temperatur unter \u2014- 10 oder \u00ef2\u00b0 finkt, Auf dem Antifana aber ift in der H\u00f6he von 2100 Toifen die Lagune von Mika in allen Jahreszeiten frei vom Eife. In den Pyren\u00e4en h\u00f6rt das thierifche Leben da auf, wo es phyfifch nicht l\u00e4nger beftehen k\u00f6nnte, in den Anders weit fr\u00fcher. Demnach w\u00fcrden wohl gewifs dis Fifche, die man auf goo Toifen \u00fcber die Seeen br\u00e4chte, die von ihnen bev\u00f6lkert find, leben, weil in diefer H\u00f6he Land und W\u00e4lder nicht verlafsner find als die gleich warmen Bergfchich-ten der gem\u00e4fsigten Zone,\nDas thierifche Leben erpicht alfo in denn Waffer der hohen Gegenden nicht, weil die jetzigen phyfifchen Kr\u00e4fte es nicht gehalten, und die Gefetze, nach denen","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"5S2\nes befchr\u00e4nkt wird, verfchmelzen mit den Entwick-lungsgefetzen der organifchen K\u00f6rper. Auch fcliliefst Herr Ramond, dais beim jetzigen Stande unferer Kennt-niffe die Annahme, dafs zur Zeit des Erwachens der fchaffenden Kraft fich \u00fcberall aJs Ausfl\u00fcffe derfelben Organismen verbreitet haben, deren Bau der phyfi-fchen \u00dfefchaffenheit jeder Oertlichkeit angemeflen ift.\nWenn die in den Anden Statt findende Entv\u00f6lkerung der h\u00f6hern Gew\u00e4lfer, ungeachtet fie phvfilch f\u00fcr die Thiere bewohnbar find, den fyftematifcben Ideen der Zoologen entgegen ift.'fo werden diele durch die Lage der bewohnten Gew\u00e4ffer felbft vielleicht noch b\u00fcndiger widerlegt. Eine Poeeiiie, die Guapucba , und eine neue Art von Apoden, der Eremophilus, find die einzigen Bewohner des \u00dfogotaflnffes, der fich mehr als 500 Meter tief in das Thal von Magdalena ftiirzt. Ift es wahrfcheinlich, dafs beide gegen die Schnelligkeit und Schwere einer lolchen Waiferf\u00e4ule, bis zur Fl\u00e4che von Bogota 1347 Teilen \u00fcber die Meeresfl\u00e4che gelangt w\u00e4ren. Dann aber m\u00fcfste man fie in dem Magdalenaflufl\u2019e finden, wohin fich jener Flufs ergiefst, und dennoch fehlen fie hier durchaus.\nBei Popayan, in dem kleinen Fluffe Palace und dem Flufle Cauca, \u00fcber der Vereinigung des FJuffes Vinagre, der fein fchwefelhaltiges Waller am Fufse des Puraceberges aufnimmt, lebt, ein andererj einfamer Filch, der von der fenkrechten Stellung feiner Augen den Namen Aftroblepus f\u00fchrt. Vier Stunden tiefer ift der Caucafiui's ohne Bewohner und dieier Fifch er-fclieint nie wieder.\nAuf den Wafferebenen von Quito findet fich in den, dem Fulse der Vulkane entftr\u00f6menden B\u00e4chen nur ein Fifch, Humboldt\u2019s Pimelodes Cyclopum. Er ift feiten, \u25a0und zeigt fich nur des Nachts, aber bei den Ausbr\u00fcchen des Rotopoxi und des Tungaragua t werden oft io viele","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"583\nausgeworfen, dafs Epidemieen eniftehen. Zugleich werden Strome von Thon aus feitlichen, mehr als 1300 Toifen \u00fcber der Wafferebene liegenden Spalten geworfen , wobei ihre Geftalt nicht ver\u00e4ndert wird, was wesen der Weichheit ihres Fleifches und des Rauches der Vulkane doppelt merkw\u00fcrdig ilt. Offenbar kann nach allen diefem ihr Vaterland nicht in jenen B\u00e4chen feyn. Eben fo wenig ftammen fie aus tiefer liegenden Ge-w\u00e4ffern, und man mufs daher annehmen, dafs fie in der Tiefe der Vulkane wohnen, wo man unftreitig un-terirdifche Seen annehmen mufs, die fie, wie der ein-fame Proteus die K\u00e4rntnerfeen, bewohnen. An der Stelle, wo fie jetzt leben, und wohin ihre Verwandte nicht dringen k\u00f6nnen, entftanden fie und leben hier mehr in Folge der Schranken ihres Inftincts und ihrer Ii\u00f6r-perbefchaffenheit, als phyfifchcr Iiinderniffe. Die Annahme eines fr\u00fcheren Meeres, deffen Klippen diefe Fl\u00f6hen, deffen Bewohner diefe Thiere gewefen w\u00e4ren, l\u00f6ft das Problem ihrer gegenw\u00e4rtigen Einfamkeit nicht, fondera erfchwert es, indem fie lieh theils in den Ge-w\u00e4ffern aller Berge finden, theils nicht einfam Vorkommen miifsten.\nAus diefen Unterfuchungen ergiebtfich:\n1)\tDie Verbreitung der Thiere auf der Erde richtet fich nicht nach dem Verh\u00e4ltniffe zwifchen ihrer K\u00f6rperbefchaffenheit und den Gefetzen der W\u00e4rmeyer-theilung auf der Erdoberfl\u00e4che.\n2)\tDie Thierarten derfelben gleich warmen Zone bewohnen nie den ganzen Umfang, fondera nur einert gr\u00f6fsern oder kleinern Bogen derfelben, der bisweilen felbft an mehrern Punkten unterbrochen ift.\n3)\tDie zoologifchen Zonen derfelben Gattung, z. B. der Antilopen, habsn oft nicht deale Iben W\u00e4rmegrad.","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"4)\tDie Abfchnitte derfelben Zone enthalten an einander entgegengefetzten Ufern zweier Kiiftenl\u00e4n-der Sammlungen von Thierforrnen, die entweder durchaus, oder wenigttens immer fpecifileh veri\u2019chie-den find.\n5)\tDerfelbe Gegenfatz findet von einem Pole zum andern Statt.\n6)\tFolglich fand zwifchen den jetzt durch das Meer getrennten Feltl\u00e4ndern nach der Enthebung ihrer Tliiere kein Zufammenhang Statt, indem fonft die Einf\u00f6rmigkeit desKlima\u2019s derfelben Zone die Fortpflanzung derfelben Arten auf dem Zwifchenlande bewirkt haben w\u00fcrde.\n7)\tDer letzte Satz wird durch die Uebereinkunft zwifchen den Arten, welche die Polargegenden von Afrika, Aden und Europa, die durch Infein und Eisfelder verbunden find, bewiefen.\n8)\tDie thierifchen Formen find nach einzelnen Gegenden zufammengeftellt, deren Begrenzungen fich nur feiten durchfchneiden, und deren R\u00e4nder fich nicht immer ber\u00fchren, mithin Scheint jede Thierform einen eignen Punkt, wo fie exiftirt, mithin, wo lie gefchaf-fen wurde, zu haben.\n9)\tDennoch finden fic\u2019n analoge, Mittelpunkte f\u00fcr die Gattungen und Ordnungen, nie aber f\u00fcr die Arten in grofsen Fernen, zwifchen denen man keinen fr\u00fchem Zufammenhang annehmen kann.\n10)\tDie HinJerniffc der Thierwanderungen fine! zahlreicher als man gew\u00f6hnlich annimmt.\n1 x) Mithin kann man nicht annehmen, dafs alle Thiere nur an einer Stelle geichaffen wurden, von der fie fich ausgebreitet h\u00e4tten, fondern offenbar entftanden fie an mehrern, deren Zahl man indefi'en, weil die Zahl der Arten bei weitem nicht genau beftimmt ift, nicht beftimmt angeben kann.","page":584}],"identifier":"lit15811","issued":"1822","language":"de","pages":"573-584","startpages":"573","title":"\u00dcber die geographische Verbreitung der Wirbelthiere: Aus dem Journal de Physique, T. 94, p. 19","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:59:54.885805+00:00"}