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{"created":"2022-01-31T16:35:29.526660+00:00","id":"lit15860","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Bell, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 8: 391-404","fulltext":[{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"391\nfinden fich n\u00e4mlich nur unverzweigte Gef\u00e4fse, w\u00e4hrend zwei Nebengef\u00e4fse durch Aefte benachbarter Haupfge-f\u00e4l'se erfetzt werden. Merkw\u00fcrdig ift es dabei, dafs die ver\u00e4ftelten Gef\u00e4fse, lie m\u00f6gen aus den Magengruben oder deren Zwifchenr\u00e4umen kommen, dunkle K\u00f6rper am Ende haben, die unverzweigten nicht. Jede Magengrube giebt aus der Mitte ihres \u00e4ufsern Randes ein verzweigtes Gef\u00e4fs, obgleich nur vier der zwifchen-liegenden Vorfpr\u00fcnge mit verzweigten Gelais en verfe-hen find.\nXXII.\nC. Bell\u2019s Verfuche \u00fcber den Bau und die Functionen des Nervenfyftems, die zu einer neuen Anlicht defielben f\u00fchren. (Phil. Transact. 1821. p. 398 ff.)\nW\u00e4hrend der k\u00fcrzlich in England eingetretenen Fort-fchritte in den Wiffenfchaften ift auch das Nervenfy-ftem nicht zur\u00fcck geblieben. Sein verwickelter Bau wurde aufgehellt, der eigent\u00fcmliche Bau und die Ver* richtuligen der verfchiedenen Nerven beftimmt, wodurch die fr\u00fcher Statt findende Verwirrung diefes Sy-ftems verfchwand, und die einfache und nat\u00fcrliche Anordnung deffelben nachgewiefen ward. Bei der Dar-ftellung meiner Anficht glaube ich am heften die Methode meines Lehrvortrags zu befolgen.\nV eruvicklung des Nervenfyftems,\nSolange die jetzt geltende Anficht,dafs die Nerven von einem Mittelpunkt ausgehen, alle diefelbe Strectur und Verrichtung haben, alle empfindlich find, behebt,\nCe 3","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"vermehren die Entdeckungen neuer Nervenzweige und Knoten die Dunkelheit des Gegeni'tandes, ftatt fie zu zerftreuen. Wenn der Phyfiolog zwei verfohiedene Nerven zu allen Theilen des Antlitzes ihre Zweige fenden, drei zur Zunge, t ier zum Schlundkopfe und \u00e4ufserft vielfach verflochtene Nerven zum Halle gehen lieht, einen Nerven ohne, einen andern mit zahllofen Knoten findet, \u00fcberhaupt das Nervenfyftem als ein \u00fcberall verbreitetes Netzwerk erkennt, io wird er fait nothwendig durch die anfeheinende Vereinigung und Verwicklung von der Unterfuchung abgefchreckt. In der That aber gelang es mir, diele fo zu l\u00fcfen, dafs felbft der j\u00fcngfte Anf\u00e4nger den Gegenftand vollkommen verfteht.\nGegenftand des jlu ff a tzes.\nIch befch\u00e4ftige mich in diefem Auffatze blofs mit den Athmungsnerven, die aber ein bedeutendes Syftem bilden , welches alle die Nerven begreift, wodurch die, beim Athmen und Sprechen th\u00e4tigen Muskeln verbunden werden.\nZuerft fragt es lieh nat\u00fcrlich, wie viele Muskeln beim Athemholen vereinigt find, dann, wodurch diefe Verbindungen von Muskeln, Behufs des Athemholen bewirkt werden, die von einander getrennt find, und zum Theil befondere Functionen haben. Es kann fon-derbar fcheinen, von Athrnungsiierven des Gefichts, Halfes, der Schulter zu reden, indefien ift dern in der That fo. Ein fchnell laufendes Pferd athmet nicht blofs mit den Muskeln der Rippen, fondera Unterleib, Hals und Nafenl\u00f6clier find in gleich heftiger Bewegung als die Brufth\u00f6hle. Beim Menfchen bemerkt man bei be-fchleunigtern Kreislauf und verft\u00e4rktem Athmen gleichfalls ftatt der feltnern und kaum merklichen Bewegungen der Brufth\u00f6hle, dafs bei jedem Einaihmen die Schul-","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"393\ntern aufgehoben, die Muskeln des Halles, die Lippen lind Nafenl\u00f6cher gleichzeitig mit denen der Brufth\u00f6hle heftig bewegt werden, Linige hundert Muskeln, ctie fo beim Athemholen, H\u00fcften, Niefen, Sprechen, Singen, th\u00e4tig find, muffen offenbar durch Nerven vereinigt werden , und diefe nenne rcb deshalb Athmungs-nerven,\nDer Grad der V ufa m m e n\u25a0 fet ;a n g der Nerve n fteht mit der M a nnichfalt i gkeit der Functio-n e n der O r g a ne. i in g er ade n Ve r h \u00fc Itn if s.\nEine genaue Vergleichung der Nerven des Men-ichen und der Thiere zeigt ein genaues Zufammentref-fen zwifchen der Zahl der Organe und der Zufammen-fetzung ihrer Functionen und der Zahl ihrer Nerven. Organe, die nur eine Art von Th\u00e4tigkeit zeigen, haben nur einen Nerven, fo hoch auch jene gefteigertfeyn mag; zwei oder mehrere verfchiedene Nerven bezeichnen dagegen immer eine doppelte oder mehrfache Function, nie biofse Erh\u00f6hung der Nerventh\u00e4tigkeit, ein Satz, der diefem Theil der Anatomie neues Intereffe giebt.\nSo findet man bei den Thieren, die nicht mit dem Munde atbmen, hier nur einen Nerven. Wo Antlitz, Nafe, Mals, keine zufammengefetzte Beziehung haben, befitzen fie gleichfalls nur einen; ganz anders verhalten lieh diefe Theile beim Menfchen, und man findet fich hier aus dem Labyrinth, worein die f\u00fcnf Nerven diefer Theile verwickeln, wenn man erw\u00e4gt, dafs der Mund fowohl Athmungs-als Kaufunctionen hat, Stimm-, Sprach-und Sinnorgan ift, woes dann vielmehr auffallend w\u00e4re, wenn derfelbe Nerv diefen verfchiedenen Functionen vorfi\u00e4nde. Dies ergiebt fich fchon aus der Betrachtung der Nerven des Menfchen, noch mehr, wenn wir die vergleichende Anatomie zn H\u00fclfe nehmen.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nDie Nerven aller Thiere k\u00f6nnen in zwei Sy-fteme zerf\u00e4llt werden, ein einfaches und einf\u00f6rmiges, und ein unr e ge Im\u00e4J's i g e s und Z u fa mm en g ef etztes.\nDie Nerven des Antlitzes, Mundes, Schlundkopfs und Halfes k\u00f6nnen beim Menfchen, ungeachtet dies anfangs unm\u00f6glich fcheint, leicht und nat\u00fcrlich auf zwei verfehiedene Klaffen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Das leitende Prineip bezieht fich auf die Functionen der Organe, fofern einige zum Leben und Bewegung nothwendjg, andere nur bei hohem Thieren Behufs zufarnmengefetz-ter Handlungen und Gen\u00fclfe zugef\u00fcgt find.\nWo blofs Empfindung und Bewegung, kein Herz, kein eignes Athmungsorgari vorhanden ift, findet man h\u00f6chft einfache Nerven, zwei Str\u00e4nge, die durch den K\u00f6rper verlaufen, und feitlich an die verfchiede-uen Abtheilungen des K\u00f6rpers Zweige geben. Hier finden fielt nicht zwei verfehiedene Svlteme, jeder Theil erh\u00e4lt gleichm\u00e4fsig Nerven, und die Vereinigung in der Mittellinie leicht zu cler Verbindung hin, die zur Ortsbewegung n\u00fcthig ift.\nBeim Menfchen findet fich daffelbe fymmetrifche und einf\u00f6rmige Nervenfyftem als beim Wurme, nur durch viele hinzugef\u00fcgte Nerven verh\u00fcllt, die zu allm\u00e4hlich hinzutretenden Organen gehen, und deren Wegnahme das urfpr\u00fcngliche Nervenfyftem auch beim .Meirichen erkennen l\u00e4fst.\nDie R\u00fcckenmarksnerven und das f\u00fcnfte Paar bilden diefes urfpr\u00fcngliche fymmetrifche Syitem. Alle kommen durch Gedoppeltheit des Urfprungs, Knoten an einer ihrer Wurzeln, feitliche Verbreitung in ge-wiffe Abtheilungen des K\u00f6rpers, w\u00e4hrend fie die ver-fchiedenen Abtheiiungen des K\u00f6rpers nicht vereinigen helfen, Verzweigung an willk\u00fchrliche Muskeln, hohen Grad von Empfindlichkeit, Verbreitung an alle","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Theile, indem He fich in der That \u00fcberall verzweigen, \u00fcberein.\nDiefe Nerven find bei weitem empfindlicher als die accefforifchen. Legt man z. B. im Antlitz eines Thie-res den f\u00fcnften und fiebenten Nerven biofs, fo verlieren die Theile ihre Empfindlichkeit, wenn der erfte, gar nicht, wenn der letzte durchfchnitten wird.\nAtkmungsnerven.\nDie Nerven, welche die innern Athmungswerk-zeuge mit entfernten Theilen in Verbindung fetzen, unterfcheiden lieh von den eben erw\u00e4hnten mehrfach. Sie haben keine doppelte Wurzel, keine Knoten, ihre Urfpr\u00fcnge kommen vom verl\u00e4ngerten Marke und dem obern Ende des R\u00fcckenmarkes.\nEs find folgende:\n1)\tDer pneumoga\u00dfrifche Nerv, der Herz, Lunge und Magen verbindet, die ihre Nerven zugleich von andern Stellen erhallen. Die vergleichende Anatomie fcheint zu beweifen, dafs er f\u00fcr den Magen nicht we-fentlich ift, da er fich nur da findet, wo Herz und Lunge mit einem muskul\u00f6fen Athmnngsapparat in Verbindung zu fetzen find. Die Ph\u00e4nomene beim Erbrechen und Schlucken beweifen die Vereinigung des Magens mit dem Muskelapparat des Athmens.\n2)\tAntlitznerv oder Antlitz- Atlimungsnerv. Alle, mit denen der Brufthohle correfpirenden Bewegungen der Nafe, Lunge, \u00fcberhaupt des Antlitzes, hangen von ihm ab. Darchfchneidung deffelben fetzt das Antlitz aufser Zufammenftimmung mit den Lungen.\n3)\tOberer Atlimungsnerv des Stammes, oder Beinerv. Er entfteht in derfelben Linie mit den vorigen vom obern Theile des B\u00fcckenmarkes, tritt aber in den Sch\u00e4del, dann mit dem pneumogaftrifchen heraus und","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"596\nverlieht Muskeln, die fchon von dem urlpr\u00fcnglichen Nervenfyftem reichlich vcrforgt find.\nEr beftimmt die Tb\u00e4tigkeit der Hals - und Schnl-tarmuskeln als Athmungsmuskeln, indem fie das Schulterblatt emporheben und dadurch die \u00dfrufth\u00f6hle frei machen. Durchfchneidung deffelben vernichtet ihre Ath-mungsth\u00e4tigkeit, nicht ihre willkiihrliche Bewegung \u00fcberhaupt.\n4)\tGro\u00dfer innerer Athmungsnerv, der Zwerch-fei is nerv. Hinl\u00e4nglich bekannt.\n5)\tAeufserer Athmungsnerv. Er wurde bisher \u00fcberleben. Sein Urfprung ift dem des vorigen \u00e4hnlich. Er tritt zwifchen den Halsnerven hervor, ift mit dem Zwerchfellsnerven verbunden, tritt am Halle vor den Hals- und Achfelnerven herab, geht durch die Achfelh\u00f6hle und gelangt an die Aufsenfeite der Rippen, wo die Muskeln fchon von R\u00fcckenmarksnerven mit Zweigen verleben find J).\nDiefe vier letzten Nerven erregen die Muskeln des Antlitzes, Halles, der Schulter und der Eruft-h\u00f6hle bei befchleunigtem Athmen, und find zum Sprechen und der Beftimrnung des Ausdruckes in den Z\u00fcgen durchaus nothwendig.\nAndere, eben fo wefentliche find der Zungen-fchlundkopfnerv, der Zungenfleifchnerv und die Zweige des Lungenmagennerven zum obern und untern Kehlkopf.\nD i e TSr e rv en des Geficktes unt er f c hei de n J'i c h dur ch Bau, E m pfi ndlichkeit und Functionen.\nIm Geficht k\u00f6nnen wir uns am beiten \u00fcber die Beziehung der Nerven zu den Organen unterrichten, und die Wahrheit der eben aufgeftellten S\u00e4tze ausmit-\n1) Er ift hinl\u00e4nglich bekannt.\tM,","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"39\"\nte\u00een, da liier mehrere Functionen, die des Kauecs,, des Athmens, der Sprache und des Ausdrucks in i > Z\u00fcgen vereinigt find. Diefe Bewegungen find w.i -F\u00fchr]ich, aulserdern aber finden wir ganz oder fall Ganz unw\u00fclk\u00fchrliche bei Gemiithsver\u00e4ndcrunsren der hochften und niedrigften Art. Die. anderw\u00e4rts, Behufs der Verbreitung an entfernte Tlieiie, miteinander verwebten Nerven find hier v\u00f6llig getrennt.\nJJ e r dreiget heilte 2V e r v.\nBei allen Tbieren, die einen Magen, F\u00fchl-und Greiforgane um die Speifen zu umfaffen, haben, finden fleh Spuren diefes Nerven, und bei den W\u00fcrmern un-terfcheidet man am leichteften den Speiferobrenring des Nervenfyftems. Ein Taitorgan, das vom Kopf ab-geht, die Antennen des Infekts oder der I*fifiel des Eie-phanten erh\u00e4lt durch Zweige von ihm Empfindlichkeit und Beweglichkeit, dies aber nur als Sinnorgan, nicht als Athmungsorgan.\nVon dem Nerven, der beim Blutige! vom iiufsern Knoten zum Munde geht, kann man bis zu dem b\u00f6ch-ften Thiere einen Gefchmacks- und Kaunerven verfolgen, der fich hier als Sinnesnerv an der Zunge, ferner an den Speicheldr\u00fcfen, den Gefichtsmuskeln, der Flaut als Gef\u00fchlsnerv verbreitet. Er allein entfpringt von den Schenkeln des grofsen und kleinen Gehirns. An feiner Wurzel findet fich ein Knoten, wenn gleich nicht alle feine F\u00e4den durch denfeiben gehen. Vor feinem Austritt aus dem Sch\u00e4del fpaltet er fich in feine drei Aefte f\u00fcr das Geficht, die Kiefern und die Zunge. Er verbreitet fich fehr fein an der Haut und den Muskeln, vorz\u00fcglich denen, welche die Lippen bewegen.\nAntlitz- oder Anti it Zathmv n gs n er v.\nEr findet fich nur da, wo Gefichtsbewegungen, die mit den Athmungswerkzeugen im Zufammenhange","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"ftehn, Vorkommen. Bei den Fifchen geht er nicht nach vorn zum Geficht, fondern nach hinten zu den Kiemen, ja eigentlich fehlt er, und der ihm entfpre-chende Nerv ift ein Aft des Lungenrnagennerven. Er entfpringt beim Menfchen feitlich von dem verl\u00e4ngerten Marke dicht hinter dem Hirnknoten, in einer Linie mit den \u00fcbrigen Athmungsnerven. Er geht durch den Fallopifchen Gang nach aufsen und verbindet lieh auf diefem Wege durch den oberfl\u00e4chlichen Felfennerven und die Paukenfaite mit dem dreigetheilten, wodurch einerfeits Zweige von ihm zu der Nal'enfchleimhaut und den Gaumenmuskeln , andrerfeits Zweige vom vorigen und dem fympatbifchen in das innere Ohr gelangen.\nSeine Haupt\u00e4fte am Geficht gehen an die Muskeln der Stirn, Augenlider oder Wange, der Nafe und des Mundes. Aufserdem begleiten leine Zweige die feinen Hautgef\u00e4fse. Seine untern Zweige verbinden fich mit den Hais - und \u00fcbrigen Athmungsnerven.\nSein Bau kommt mit dem des pneumogaftrifchen fiberein, unterfcheidet lieh aber von dem des dreigetheilten. Seine F\u00e4den find lehr eng gewebt, wie ein kleines Geflecht. Der f\u00fcnfte befitzt grofse, freie, runde F\u00e4den , die weniger verflochten find.\nEr feheint nicht zur hinl\u00e4nglichen Mittheilung von Nervenkraft hinzureichen, da alle feine F\u00e4den mit andern vom dreigetheilten Nerven verbunden find. Es fragt fich daher, ob beide derselben oder verfchiedenen Functionen vorftehen?\nVerfuche \u00fcber den Antlitznerv en.\nEin Efel wurde zu Boden geworfen und einige Secunden lang feine Nafenl\u00fccher zugehalten, fo dais er keuchte und fie bei federn Einathmen ftark erweiterte. Hierauf durchfchnitt man den Antlitznerven einer Seite, worauf fogleich dip Bewegung des Nafen-","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"399\nloches ftill fiant!, w\u00e4hrend die des andern rinunterbrochen fortging. Beim Schnitte gab das Tiner durchaus keine Zeichen von Schmerz, und frais nach der Operation ohne Schwierigkeit.\nBei einem andern Eiei wurde der Oberkiefernerv blofsgelegt. Ber\u00fchrung deffelben veranlafste heftigen Schmerz; Durchlchneidung \u00e4nderte die Athmungsbe-wegungen der Nafeni\u00f6cher nicht ab, die Lippe aber hing herunter und war auf die andere Seite gezogen. Nachdem derfelbe Nerv auf der andern Seite durch-fchnitten worden war, liels man das Thier frei. Es konnte fein Futter nicht mehr greifen, indem die F\u00e4higkeit, die Lippen aufzuheben und vorzuftrecken, verloren war. Um die Lippen zu \u00f6ffnen, dr\u00fcckte es den Mund gegen die Erde und leckte zuletzt den Hafer mit der Zunge.\nMehrmals wurde genau mit dem fchon angegebenen Erfolge bei Hunden und Efeln der Antlitznerv durchfchniaen. DerEfel, deffen Antlitznerv durch-fchnitten war, wurde durch Blutentleerung get\u00f6dtet, wobei man unerwartet Gelegenheit hatte, fich von feinen Functionen zu \u00fcberzeugen.\nO\nWird n\u00e4mlich ein Thier durch Blutverluft unempfindlich, fo dehnt das Herz feinen Einflufs durch heftige Zuckungen \u00fcber alle Athmungsmuskeln aus. Es wird nicht nur gewaltfam Luft eingeathmet, fondern zugleich ziehen lieh alle Gefichtsmuskein krampfhaft zufammen. Bei diel'em Efel nun war die Seite, wo der Nerv durch-fchnitten war, v\u00f6llig ruhig, die unverletzte dagegen befand lieh in allgemeiner kraftvoller Zufammenziehnng.\nHiernach ift diefer Nerv Antlitz Athmungsnen> und beherrfcht die Bewegungen der Lippen, Nale und des Gaumens, wenn die Muskeln diefer Theile mit den \u00fcbrigen Athmnngswerkzeugen zufammen wirken. Dis Wege zu den Lungen find h\u00e4utige, durch Muskeln irritable und","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\ncontractile Kan\u00e4le ; hierzu m\u00fcffen die Muskeln offenbar mit den \u00fcbrigen Athmungsmuskeln zufammcnitimmen und wirken, und diefe Vereinigung wird durch den Antlitznerven vermittelt.\nDas [Siefen und H\u00fcften fteht blofs unter dem Ein-flufs der Athmungsnerven. Kohlenl\u00e4ures Ammonium brachte in der unverletzten Niifter uofers Efels die gew\u00f6hnlichen Bewegungen des Niefens hervor, w\u00e4hrend die entgegerigefetzte, ungeachtet der dreigetheilte und fympathifche Nerv unverletzt waren, ganz ruhig blieb. Bei einem Hunde verhielt es fich v\u00f6llig gleichm\u00e4fsig.\nKein Nerv ift, behufs pbyfiologifcher Anlichten, fo nr.chl\u00e4ffig unterfucht worden als der fympathifche. Wegen feiner allgemeinen Verbreitung iahe man .an als das Band der Beziehung der Augen, Nafe, des Antlitzes, des Zwerchfelles an, da dies doch in der That in den von mir fogenannten Athmungsnerven enthalten ift.\nDas L\u00e4cheln und die, ihm zum Grunde liegende Gemiithsftimmung ift nicht dem Menfchen ei-genthiimlich : man bemerkt einen ganz analogen Ausdruck beim fr\u00f6hlichen Hunde. Durchfchneidet inan aber den Antlitznerven auf einer Seile, fo verfchwin-det es hier, wenn es lieh gleich auf der entgegenge-fetz-ten erh\u00e4lt.\nDurchfcbneidung des Antlitznerven einer Seite bei einer Meerkatze vernichtete augenblicklich die eigen-thiimJiche Beweglichkeit der Z\u00fcge deri\u2019elben, und die Lippen wurden auf die andere gezogen, fo oft fie ihre Z\u00e4hne in der Wuth zu zeigen fuchte.\nElien fo beweifen Tbatfachen, dafs beim Menfchen das Lachen und L\u00e4cheln unter dem Einfluffe diefes Nerven fteht. Bei einem Manne, wo dpr Stamm defiel-ben durch ein Gefchw\u00fcr vor dem Ohre angegriffen war, wurde bei dielen Bewegungen der Mund auffallend nach","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"401\nder andern Seite gezogen. Eben Ib blieb beim Niefen diefe Seite ruhig und beim Pfeifen entbanden l\u00e4cherliche Verzerrungen der Lippen. Eben fo verlor ein Mann, welchem ich eine Gelchwulft vor dem Ohre wegnahm, und dabei einen zum Mundwinkel gehenden Alt diefes Nerven verletzte, die Fertigkeit zu pfeifen.\nV erfuche \u00fcber d e n dr e i get heilte n Nerven,\nOben wurde bemerkt, dafs ein Efel nach Dureh-fchneidung des Unteraugenh\u00f6hlennerven die F\u00e4higkeit, das Futter zu freffen, verlor. Dies fand dagegen nicht nach Durchfchneidung des Antlitznerven Statt.\nAus einem andern Verfuche ergab (ich , dafs nach Durchfchneidung des linken Unteraugenh\u00f6hlennerven und des rechten Antlitznerven hier die Empfindlichkeit unverletzt blieb, dort v\u00f6llig zerft\u00f6rt wurde. Eben fo verfchieclen waren die Zeichen von Schmerz auf beiden Seiten, hier bedeutend, dort matt. Eben fo verfchie-den zeigte lieh der Einflufs auf die Muskelbewegung. Durchfchneidung des Atbmungsnerven, nicht aber des Unteraugenh\u00f6hlennerven, brachte Convulfionen hervor.\nEben fo fahe ich nach Durchfchneidung des Stirn\u00bb nerven wegen des Gefichtslchmerzes, keine L\u00e4hmung des Augenbrauenmuskels entftehen, dagegen wurden die Augenbrauen in einem andern Falle gel\u00e4hmt, wo die obern Zweige des Antlitznerven durch ein Vor dem Ohre befindliches Gefchwiir affieirt waren.\nFragt man , warum ein Athmungsnerv zum Auge und Ohr geht, fo mufs man zuv\u00f6rderft unterTuchen, ob Offenbarung von Leidenfchaften zum Begriff des thierifchen Organismus geh\u00f6rt? Gefleht man dies zu, fo ergiebt fich zugleich, dafs der Antlitznerv als Athmungsnerv bei Menfchen und Thieren auch Aus-drucksnerv ift. Alle Anftrengung, welche das Auge, das Ohr, der ganze Kopf des k\u00e4mpfenden Pfundes","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"zeigen, verfall windlet nach Durchfchneidung deffelben, wie man lieh befonders deutlich durch Durchfchneidung des Nerven der einen Seite \u00fcberzeugt.\nBei Fleifchfreffern febeint die Durchfchneidung diefes Nerven nachtheiliger als bei Pfianzenfrel'fern zu wirken, vermuthlich, weil fie bei der Befriedigung ihres Hungers lieh in einem leidenlchai\u2019tlichern Zuftande als diefe befinden.\nDie vergleichende Anatomie befl\u00e4tigt die vergehenden Schl\u00fcffe. Schon oben wurde bemerkt, dafs die blofs zur Empfindung beltinimten Antennen nur einen Nerven haben. Dagegen hat, wie ich mich k\u00fcrzlich durch Unterfuchung eines jungen Elephanten \u00fcberzeugte, der R\u00fcffel diefes Thieres einen Aft vom Unterallgen-hohlen nerven und einen andern vom Antlitznerven.\nDie vorftehenden Unterfuchungen find nicht blofs phyfiologifch, fondern auch praktifch wichtig; indem durch fie der Arzt befier in den Stand gefetzt wird, die L\u00e4hmung welche vom Gehirn ausgeht, von dem partiellen Leiden der Gefichtsmuskeln zu unterfcheiden, wo diefe durch eine Weniger bedeutende Urfache dem Einlluffe des Atiimungsnetven entzogen find.\nF\u00e4lle der letztem Art find nicht feiten. Entz\u00fcndung der hinter dem Unterkieferwinkel befindlichen Dr\u00fcfen bringt bisweilen L\u00e4hmung einiger Muskeln hervor. Diefe und \u00e4hnliche Leiden des Athmungsnerven wird man von nun an leichter ausmitteln. Der Kranke kann feine Antlitzmuskeln geh\u00f6rig bewegen, allein das geringfte L\u00e4cheln bewirkt Verzerrung, und beim Lachen und Weinen entfteht v\u00f6llige L\u00e4hmung.\nDie Bekanntfchaft mit den Quellen des Ausdrucks f\u00fchrt zu genauerer Beobachtung.\nK\u00fcrzlich hatte ich Gelegenheit, das Athmen eines Kindes zu beobachten, das mehrmals aus einem bewufst-\u00eeofen Zuftande hergeftellt worden war. Zuletzt fanken","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"403\ndie Kr\u00e4fte, ohne dafs ein Anfall wiederkehrte, der ganze K\u00f6rper wurde unempfindlich und unbeweglich, alle Functionen, die durch die Athmungsnerven bewirkten ausgenommen, h\u00f6rten auf. Jeder Athemzug war von einem Zucken der Nafenmuskeln begleitet. Hieraus ergab fielt, dafs das Kind verloren war, indem alle Nerven, mit Ausnahme der Athmungsnerven ihre Th\u00e4tigkeit verloren hatten.\nEs giebt li\u00f6chft gef\u00e4hrliche Zuft\u00e4nde der Lungen , wobei die gew\u00f6hnlichen Zeichen von Schmerz und erfchwerter Bewegung des Bruf'tkaftens fehlen, und nur die durch den Athmungsnerven verfehenen Muskeln des Antlitzes zucken. Die Nafenl\u00f6cher find ungew\u00f6hnlich ausgedehnt, die Lippen bewegen lieh gezwungen, und zugleich ift die Stimme ver\u00e4ndert. Diefer Zuftand tritt oft nach fchweren Verletzungen, Schufswunden, grofsen Operationen u.f.w. ein.\nDiefe Thatfachen f\u00fchre ich an, um zu zeigen, dafs das Studium des Ausdrucks im Geficht der Me-dicin nicht fremd ift. Beobachtung der Th\u00e4tigkeit der Gefichtsmuskeln beft\u00e4tigt die hier aus der Anatomie gezogenen Schl\u00fcffe. L\u00e4cheln wird durch Einwirkung des Antlitznerven auf die Antlitzmuskeln hervorgebracht, und Lachen ift blofs eine weiter ausgedehnte und krampfhaftere Th\u00e4tigkeit der Muskeln, welche durch diefelbe Klaffe von Nerven bewirkt wird. Eben fo wird der traurige Ausdruck, das Seufzen, das Zucken der Lippen bei Traurigkeit, durch diefelben Nerven bewirkt, die beim Weinen th\u00e4tig find.\nSchlafs.\nDie fernere Darftellung der Nerven des H\u00e4lfe\u00bb und der Bruft, und die Vergleichung ihrer Verfchie-","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\ndenheit mit der Verfchiedcnheit des Mechanismus des A\u00fcmiens in der Thierreihe wird zu einer beliern W\u00fcrdigung fier vorftehenden Bemerkungen leiten, in-cl \u25a0 Ti eil diefelbe Verfchiedenheit, die wir hier in den Gesichtsnerven wahrnahmen, noch an andern gr\u00f6fsem naehweifen laffen wird. Es wird fich dann ergeben, tfais Durchfchneirlung diefer Athmungsnerven nach und nach die Bewegungen der verschiedenen, beim Athemholen zufammenwirkenden Theile, nicht blofs des Zwerchfells, Sondern der Seite, der Schulter, des Kehlkopfs und des Schlundkopfs, hemmt, w\u00e4hrend fie durcli ihre \u00fcbrigen Nerven ihre \u00fcbrigen Functionen vollziehen, f\u00fcr andere Reize empf\u00e4nglich, willk\u00fchr-licher Bewegungen f\u00e4hig, aber f\u00fcr den Einflufs des Herzens und der Lungen unempf\u00e4nglich find.\nDiefe Sonderung der Athmungsnerven vereinfacht das \u00fcbrige Nervenfyftem bedeutend. Hiedurch wird die Verzweigung der Nerven, die Verbreitung mehrerer an einem Organe hoch ft intereffant. Es ergiebt fich, dafs die Verbindung und Kreuzung der Nerven zur Vereinigung der Muskeln in verschiedene Klaffen zum Dienft verfchiedener Organe und zur Unterordnung unter eine Nervenkraft dient, welche ficherer als der Wille wirkt.\nDadurch erhalten die anatomifchen Vorlefungen Einfachheit und Ordnung, und es wird ein befferer Grund zur Erkenntnifs und dem Verfiehen der Krank-heitserfcheinungen gelegt.\nXXIII.","page":404}],"identifier":"lit15860","issued":"1823","language":"de","pages":"391-404","startpages":"391","title":"Versuche \u00fcber den Bau und die Functionen des Nervensystems, die zu einer neuen Ansicht desselben f\u00fchren: Phil. Transact., 1821, p. 398 ff.","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:29.526669+00:00"}