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{"created":"2022-01-31T15:59:18.397783+00:00","id":"lit15885","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Nitzsch, Christian L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 8: 559-573","fulltext":[{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"559\nXIX.\nlieber die Haare im Magen des Kuckuks. Von Chr. L. Nitzsch, Profeffor der Na-turgefcliichte in Halle.\nDas Vorkommen feftfitzenrler Haare an den inner\u00ab W\u00e4nden des Kuckuksmagens ift fchon von Buff on 1 ) und Bloch1) und neuerdings von mehrern ornitholo-gifchen Schriftftellern , als von Wolf5 ) , Leisler*), Steinm\u00fcller*), Meyer*), Nilsson*), Brehm6) und\ni) Hifi. nat. des Oiseaux Vol. XI. p. \u00f4rfi. der Zweibr\u00fccker Ausg. \u2014 \u201eDans im jeune Coucou trouv\u00e9 mort au milieu, des bois vers le commencement d\u2019ao\u00fbt la membrane interne du ventricule \u00e9tait velue, les poils longs d'environ une ligne sembloient fe diriger vers l\u2019oefophage.\u201c VergL Buff. V\u00f6gel von Martini und Otto XX. p. zhfi.\nSi) Ornithologifche Rhapsodien, in den Befcl\u00fclftig. der Gefell-fchaft naturf. Fr. zu Berlin \u00eeV- ( vom Jahr 177g.) p. 585. \u201e Beim erften Kuckuk, den ich unterjochte, fand ich im Magen einen recht dichten Haarballen, der unftreitig durch das zufam-mengebackene I-Iaar von den verfpeiften Raupen entftanden ift. Das Sonderbarfte war diefes, dafs die innere Haue des Magens dicht mit Haaren befetzt war, und ausfahe wie das Fell einer raffen Maus. Dafs die Haare nicht von ungef\u00e4hr daran fitzen geblieben, erlicht man daraus, weil Fie durch den Weingeift, in welchem ich ihn eine ZeitSang aufbehalten habe, nicht abgegangen find, und noch gegenw\u00e4rtig, da er trocken ift, daran fitzen.\u201c \u2014 Eine fr\u00fcher in den Schriften der Berl. Gefellfchaft naturf. Freunde vorkommende Stelle, wo dem Kuckuk geradezu ein behaarter Magen zugefchrieben wird, habe ich, da mir Eeber-fchrift der Abhandlung und Name d.es VerfaUers entfallen lind, noch nicht wieder aullinden k\u00f6nnen.\nN.\n5) Meyers und Wolfs Tafchenbuch der V\u00f6gelk. 1. p. UI-\n4)\tMeyers V\u00f6gel Liv- und Efthlands p. 55.\n5)\tOrnithologia Suecica. I. p. 118.\n6)\tBeitrage zur Vogelkunde. 1. p. 4^7* u-","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"Andern beobachtet worden. Einige erklarten diefe Haare f\u00fcr Haare der vomKuckuk verzehrten Raupen, welche zuf\u00e4llig an den Magen w\u00e4nde;) hafteten, andere, dafern fie die Sache nicht unentfebieden liefsen, behaupteten, es fey eine dem Magen wirklich angeh\u00f6rende, regel-m\u00e4fsige Bildung. Die Einen wie die Andern urtheilten nur nach Vermuthung und Schein, ohne, wie n\u00f6thig war, jene Haare mikrofkopifch beobachtet, mit In-fecten- zumal Raupenhaaren verglichen, und die Art ihrer An- oder Einf\u00fcgung geh\u00f6rig ausgemittelt zn haben; und wiewohl die Meinung, riafs es Raupenhaare feyen, an fich die} gr\u00f6fste Wahrfcheinlichkeit haben nuil\u2019sle, fo ward feJbige doch nie mit ' hinl\u00e4nglichen, jeden Zweifel befeitigenden Gr\u00fcnden unterlt\u00fctzt. Es konnte daher noch ganz neuerlich die entgegengefetzte Behauptung Verthekliger finden und indem fie Gegen-ftaud eines heftigen Streites *) ward, in demfelben fcheinbar den Sieg davon tragen,\nkJ\nl) Vergl. Meyer s Zujiitze und Berichtigungen zum Tafchenb. d. Vogelkunde p. cC. \u2014 Brehm\u2019s Beitrage z. V\u00f6gclk. III. p. 898 u. f., und Ostens I\u00dfs, Jahrg. 1825. ater H. p. 222 u. f. \u2014 Oken citirt hier Jenners Abhandlung (Philofophi-cal Transact. Vol. LXXVIII. vom Jahr 1789. iiberf. in Lichtenbergs Magaz.f, d. IHiyfik. VI. 4tes St. p. 58.) und Blumenbachs Handb. d. -vergl. Asiat, p, 54'. ; allein Jenner redet gar' nicht von fe\u00df/itzenden Haaren in den Magenw\u00e4nden, fondera wie G\u00f6ze ( Europ. Fauna IV. p. 556. ) nur von freien Haarballen, \u00fcber deren Natur kein Zweifel obwaltet. In Blumenbaehs Handb. d. vergl. Asiat., hingegen kann ich weder auf der aogef. Seite noch anderswo eine Stelle finden, wo irgend etwas von Haaren des Kuckuks-ntagens getagt w\u00e4re. Es mag die fragliche Erfi.hei.nung noch an mehreren, mir nicht bekannten, Orten erw\u00e4hnt werden; aber viele Schriftfteller, bei denen man die Erw\u00e4hnung derselben vermachen k\u00f6nnte, wie Eleriffant, Hozemann, Pen\u2014 r.ant, Latham, Bekhjiein, Naumann, Gerardin, Bewick,","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"561\nDa inrfeffen eben diefe Behauptung fleh mir als irrig erwiefen und \u00fcberhaupt durch jenen Streit nichts entfchieden worden, fo hotfe ich, es werde die Mit* theilung der nach it eben den Beobachtungen um fo weniger f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcii\u2019g erachtet werden, als die fragliche Erlcheinung, wie fie lieh auch verhalten oder erkl\u00e4rt werden mag, merkw\u00fcrdig genug ilt, lind wohl \u201eein kleines Wunder\u201c *) genannt zu werden verdient.\nUnter einer betr\u00e4chtlichen Anzahl von jungen und alten, m\u00e4nnlichen und weiblichen Individuen des Gueulas canorus, welche ich feit einigen zwanzig Jahren unterfuehte, bot mir zwar zuf\u00e4llig mir ein einziges weibliches und jugendliches St\u00fcck (im Auguft d. Jahres i\u00dft6) jene dichte pelzartige Behaarung der innern Ma-penw\u00e4nde dar, welche z. B. Bloch und vermuthlich alle diejenigen Schriftfteller fahen, die diefe Erfchei-nung f\u00fcr eine felhftft\u00e4ndige Bildung halten 5 allein ich habe den Magen diefes Kuckuks zu einer m\u00f6glich ft genauen Unterjochung benutzt, und, wie ich glaube, dabei alles das wahrgenoinmen, was zur Aufkl\u00e4rung des fraglichen Verh\u00e4ltnifles zu fehen n\u00f6thig war.\nNachdem ich den Magen ge\u00f6ffnet, den in gemeinen B\u00e4renraupen (Arctia Gaja) und lofen Raupenhaaren beftehenden Inhalt heraus genommen, und die innere Fl\u00e4che abgefn\u00fclt hatte, zeigte fich fchon hei oberfl\u00e4chlicher Betrachtung Folgendes:\nDie innere Fl\u00e4che des eigentlichen Magens war fo dicht behaart, dafs die Magenw\u00e4nde wenig und nur\nHs ui us -, Cuvier, Mcifsner. Sohinz, Temminck u. A. \u00fcbergehen .lie g\u00e4nzlich mit Slilllehweigen.\nA\u2019.\nt) S. Okens Handb, \u00fc\u20act Na\u00efurgefebichte III. 2. p. 499.","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"563\nftrichweife ft\u00e4rker hindurchfchimmerten. Die Haare waren durchg\u00e4ngig von einerlei gelbbrauner Farbe, bie waren in einem fehr fpitzen Winkel eingef\u00fcgt, und zum Iheil ihrer ganzen L\u00e4nge nach an die innere Ma-genfl\u00e4che angelegt. Dabei zeigten fie einen ausnehmend regelm\u00e4\u00dfigen, durchaus gleichen, Strich ; indem die an der Bauchfeite der innern Magenfl\u00e4che befindlichen lammtiich abw\u00e4rts nach hinten, die an derRiick-feite fitzenden aber in Fortfetzung jenes Strichs aufw\u00e4rts, dein Schlund zu gerichtet waren ; w\u00e4hrend die, welche an der rechten und linken Seite hafteten, lieh um einen kleinen haarlofen Wirbel oder Mittelpunkt kreisf\u00f6rmig richteten.\nAlle Haare des Magens verfolgten fonach parai-lelifch eine Kreisrichtung um eine gemeinfchaftliche Queerachfe, deren Enden durch die beiden haarlofen Wirbel t welche den Centrls der beiden \u00e4u\u00dfern Sehnen-fchichten der Ma genfeilen entfprachen, bezeichnet werden. Die Haare waren nicht ohne Anwendung einiger Gewalt auszuziehen, jedoch folgten einige fehr leicht dem Zug der Zange, andere hafteten fo feft, dafs beim Anziehen derfelben die innere Magenhaut mit gehoben ward.\nDiefe Feftigkeit, diefe Frequenz, diefe gleiche Farbe und zumal die fo ungemein regelm\u00e4fsige Richtung der Haare, worin fie den glattgeftrichenen Pelz eines S\u00e4ugthieres nachahmten, fchienen fo fehr f\u00fcr eins zweckm\u00e4fsige und felbftft\u00e4ndige Bildung zu fprechen, dafs ich folche vielleicht hier angenommen haben w\u00fcrde, wenn ich die fchon aus meinen Beobachtungen hervorgehende Zuf\u00e4lligkeit der feltfainen Erfeheinung mit jener Annahme h\u00e4tte vereinigen k\u00f6nnen, und verhindert worden w\u00e4re, der Sache weiter nachzuforfchen. Die Aufforderung zu einer genauem Unterfucbung lag freilich fehr nahe. Ich hatte l\u00e4ngft von feftfitzenden","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"563\nHaaren im Kuckuksmagen gelefen und l\u00e4ngft die Anficht gefafst, jene Haare (die ich fo oft g\u00e4nzlich vermifst) k\u00f6nnten nichts anderes als Raupenhaare feyn. Da ich nun wirklich haarige Raupen, in diefem Magen gefunden hatte, fo durfLe ich die Gelegenheit zu einer Vergleichung, deren Refultat entfcheidend feyn konnte, nicht unbenutzt laffen.\nDie Haare der im Magen vorgefundnen B\u00e4ren -Raupen waren von lehr verfchiedener L\u00e4nge, auch von verfchiedener Farbe und St\u00e4rke, einige wohl 5 bis 7 Linien lang, dabei gr\u00f6fstentheils fchwarz, andere ungef\u00e4hr l bis 2 Linien lang und von r\u00f6thlich- oder gelb-lichbrauner Farbe. Diefe kurzem Haare, welche an den Seiten des K\u00f6rpers der Raupen fafsen , w\u00e4hrend die langem den R\u00fccken einnahmen, erfchienen fchon dem unbewaffneten Auge ganz \u00fcbereinl'timmend mit den im Magen gefundenen Haaren, und wirklich beft\u00e4tigte die mikrofkopifche Unterfuchung die v\u00f6llige Gleichheit derfelben.\nDie Raupenhnare hatten die ausgezeichnete Bildung, welche die vergr\u00f6fserte Figur eines B\u00e4renraupenhaars in Lederm\u00fcllers \u201eNachlefe feiner mikrofkopifche 11 Gem\u00fcths- und Augenerg\u00f6tzung\u201c (erfte Sammlung 1762. t. XVII. fig. c.) darftellt. Sie waren n\u00e4mlich in unregelm\u00e4fsigen Abft\u00e4nden an den Seiten mit kurzen, fahr fpitzen Dornen befetzt. Diefe Dornen waren allein einem fehr fpitzenWinkel nach dem freien Ende ries Haares gerichtet, aber mit ihrer Spitze ein wenig abw\u00e4rts gebogen. Die St\u00e4rke der Haare nahm gegen das Ende zu fehr allm\u00e4hlich ab; fie waren ziemlich rigide und etwas br\u00fcchig; ihre Farbe erfchien unter dem Mikrofkope heller, gelblicher.\nGanz diefelben Verh\u00e4hniffe fanden Jlch an den Haaren, welche ich aus den W\u00e4nden des Magens zog. Farbe, St\u00e4rke, Zufpitzung und Seitendornen","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"verhielten Geh genau fo wie bei denRaupenbaaren, und beiderlei Haare unter einander gemilcht konnten felbft unter dem Conrpofitum nicht unterfchieden werden.\nEs hat daher Lederm\u00fcller in der angef\u00fchrten Abbildung eines B\u00e4renraupenhaars zugleich eine gute Dar-ftellung der von mir gefundenen Kuckuksmagenhaare gegeben, und mich der M\u00fche \u00fcberhoben, eine Abbildung derfelben bi\u00a3r beizuf\u00fcgen.\nDiele vollkommene Uebereinttimmung in einer zu* fammengefetzten ausgezeichneten Bildung, konnte wohl jeden Zweifel \u00fcber die Gleichartigkeit der Magen- uncl Raupenhaare befeitigen. indeffen begn\u00fcgte ich mich nicht mit dielem Befunde. Ob gleich die fpitzen, widerhakenden Seitendornen hinl\u00e4nglich zu erkl\u00e4ren leinenen, wie folche Haare an der innern Magenhaut haften und tich felhftda einbohren konnten, fo w\u00fcnfcli-te ich doch n\u00e4here JBcft\u00e4tigung.\nIndem ich verichiedene anatomifche Handgriffe, \u2022und bald ft\u00e4rkere, bald fchwachere Vergr\u00f6fserungen auwandte, fand ich Folgendes: Keins der feftlitzen-den Haare hatte einen Bulbus oder ein befonders gebildetes Wurzelende, fondern he fchienen am hintern Ende rneift wie abgebrochen oder leicht abgerundet. Es fand durchaus keine or'ganifche Continuit\u00e4t zwifchen den Haaren und den Theilen \u00eeles Magens Statt. Viele waren nur durch einige feilliehe Dornen eingehakt, andere aber, vielleicht die meiften, waren mehr oder weniger tief in die innere Magenhaut eingebohrt; jedoch fehlen keins die Haut v\u00f6llig zu durchftechen. Bei mehreren eingebohrten war deutlich zu fehen, rfafs einige Dornen zugleich mit eingedrungen waren, welche mm als Widerhaken die Haare in ihrer Befeftigung zur\u00fcckhielten. Wie in der Art der Anheftung, io zeigte fich auch in der Stellung, Frequenz und L\u00e4nge. der Haare eine regellofe Verfehiedcnbeit, Sie \u00db an den","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"durchaus in ungleichen Entfernungen von einander; hier viel dichter, dort einzelner; hie und da waren ne in kleine Klumpen oder Biifchel zufammengedrangt, und die L\u00e4nge differirte von dem Zehnlheil einer Linie bis zu anderthalb oder zwei Linien.\nAlles dies beft\u00e4tigt, und zwar zumUeberflufs, dafs in dem von mir beobachteten Falle, die an den W\u00e4nden des Kuckiiksmagens fefr\u00dftzenden Haare Raupen-haare waren ; und mit dieiem Refultale fteht ihre merkw\u00fcrdige Kreisrichtung und regelm\u00e4\u00dfige Einf\u00fcgung, (fie lafsen n\u00e4mlich immer nur mit dem Wurzel- oder Hinterende left, dafern fie nicht der ganzen L\u00e4nge nach angelegt waren) keineswegs in Widerfpruch, vielmehr find beide Vcrh\u00e4ltnnfe vollkommen erkl\u00e4rlich.\nDie kreisf\u00f6rmige Richtung der Haare um eine dachte Queerachfe des Magens, kann nur in Zufammen-ziehungen des Magens ihren Grund haben, welche um dielelbe Queerachfe in einer in lieh felbl\u2019t zur\u00fcckkehrenden Kreisrichtung wellenf\u00f6rmig fortfehreitet. Wie n\u00e4mlich die Behaarung der Magenw\u00e4nde dem Bereich der \u00e4ufsern Muskeln oder Muskelfafern entfpricht, fo entfprcchen die beiden haarlofen feitlichen Wirbel dem Centro der rechten und linken, \u00e4ufsern Sehnenfchicht, welche die Magenmuskeln verbinden. Die Behaarung herrfcht alfo da, wo die Bedingungen der Contraction und Bewegung gegeben find, und fehwindet da, wo die Bewegung fchwincien oder gering feyn mul\u2019s. Indem nun bei den rotirenden Zufammenziehungen derMagen-w\u00e4nde der haarige Raupenball, welcher in der Magenh\u00f6hle lieh befindet, gedr\u00fcckt und gew\u00e4lzt wird, fo werden diejenigen Haare, welche in widerftrebender Richtung ihrer Dornen mit den wellenf\u00f6rmig contrahirten Magenw\u00e4nden in Ber\u00fchrung kommen (und zwar nur folche) fich einhaken ; fie werden , wenn fie nicht fchon von den Raupen geloft find, abgehen oder abbreghen,","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nund zum Theilbei ft\u00e4rkerem oder wiederholtem Drucke mit dem Wurzelende wirklich in die innere Magenhaut eindringen, fobald diei'es Wurzelende (was ganz gew\u00f6hnlich der Fall levn mufs) in eine Winkelrichtung gegen die Magenw\u00e4nde kommt. Die Richtung der freien Enden der eingehakten oder eingebohrten Maare mufs folglich der Richtung, in welcher die Zulammen-ziehungen des Magens wellenf\u00f6rmig fortfehreitet, gerade entgegengefetzt fevn, und diele Richtung wird um fo bleibender und vollkommner feyn, da die Bewegung der Magenw\u00e4nde unftreitig immer diefelbe ift, und die Mageidl\u00e4che ftets in demfelben Kreife \u00fcber die Contenta gezogen und geftrichen wird.\nDafs die Raupenhaaie nicht mit ihrer freien End-fpitze in die Magenhaut eindringen k\u00f6nnen, verhindern theils die Bieglamkeit um! Schw\u00e4che der Spitze, theils und vorz\u00fcglich die vviderftrebenden Dornen; w\u00e4hrend diefe Dornen, verm\u00f6ge ihrer Richtung und ihres ab-fch\u00fcffigen, lehr allm\u00e4hlich nach hinten in den Stamm verlaufenden R\u00fcckens gar kein Hindernils f\u00fcr das Eindringen des Wurzelendes der Haare find, im Gegentheil felbige folches bef\u00f6rdern. Denn bei der Richtung und Befchaffenheit diefer Seiteudornen m\u00fcffen die Haare fchon durch jeden ieitlichen Druck immer eher r\u00fcckw\u00e4rts als vorw\u00e4rts gelchoben werden; wie dies leicht abzunehmen ilt, wenn mau mit Grannen von Gr\u00e4fern (z. R. der Gattungen Rlymus, Hordeum, Secale) die eben folche nach der Spitze gerichtete feine Seitendor-nen haben, experjmentirt. Es wird, wie wohl ein Jeder an Roggen - und Gerftengrannen erfahren hat, fchwer gelingen, folche Grannen irn Munde oder in der Hand in der Richtung ihrer Spitze weiter zu f\u00f6rdern , da fie immer nach hinten gleiten werden. Die Contractionswellen des Kuckuksmagens m\u00f6gen aber meift gerade den Dornen vieler, die Magen w\u00e4nde be-","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"567\nr\u00fchrender Praupenhaare entgegen wirken; die Haare werden alfo um fo ficherer aulgehakt, um fo mehr nach ihrem Hinterende gedr\u00fcckt und mit (liefern in die Magenhaut eingefchoben werden, wobei gew\u00f6hnlich ein oder mehrere Seitendornen zugleich mit eindringen und fodann wie Pfeilwiderhaken die Haare in ihrer Einbohrung zur\u00fcckhalten werden.\nDa ich den Kuckuksmagen , welcher zu den liier mitgetheilten Beobachtungen mir Gelegenheit gab, gegenw\u00e4rtig noch in Spiritus aufbewahre, fo kann ich die befchriebenen Verh\u00e4ltniffe jederzeit an demfelben nachweifen ; wie denn diefes Pr\u00e4parat feit lieben Jahren faft in jedem Semefter, im Curfus der Zoologie zu gleichen Zwecke von mir benutzt worden ift. Auf Veranlaffung des neuerlich \u00fcber diefeErfcheinungentftandenen Streites habe ich auch (am igten April d. Jahres) der hiefigcn naturforfchenden Gefellfchaft die Sache vorgelegt, und namentlich den Herren von Veltheim, Meckel, Schwelg-ger, Germar, Meinecke, Kau fu\u00df, Keferftein, Meis-ner und Stolze Gelegenheit gegeben, fielt von der merkw\u00fcrdigen Kreisrichtung der Kuckuksmagenhaare und von ihrer Uebereinftirnmung mit Lederm\u00fcllers Abbildung eines B\u00e4renraupenhaars zu \u00fcberzeugen l). Diefe\nl) Es ftand mir bei jener Demonlmtion nur die gedachte Abbildung zur Vergleichung; zu Gebote, indem die im Magea Vorgefundenen Raupen mir verloren gegangen find, und ich aufserdem keine B\u00e4renraupen damals zur Hand hatte. Jetzt, indem ich diefen Auffatz zum Druck bef\u00f6rdere, kann ich mehrere lebende Raupen der Arctia Caja vergleichen. Die k\u00fcrzer\u00ab Seitenhaare diefer Raupen kommen in St\u00e4rke und Bildung ganz vollkommen mit denen \u00fcberein, die in de\u00ab\u00bb gedachten Kuckuksmagen fitzen ; nur ift die Farbe der letztem ( wahrfehein]ich in Folge der beizenden Wirkung des Magenfaft.es ) brauner und nicht fo fssfi\u00f6n braunroth als die der erften","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"Naturforscher werden daher die Richtigkeit der obigen Schilderung in der Hauptfachc beftntigen k\u00f6nnen.\nEs ift \u00fcbrigens nicht wahrfcheinlich, dafs eine durch fo zuf\u00e4llige Urfachen bedingte Erfcheinung, wie die Behaarung des Kuckuksmagens ift, fich immer in allen Punkten genau fo verhalten werde, als in dem von mir beobachteten Falle. So wie der Magen des Kuckuks, iafofern entweder die Nahrung des Vogels oder die Befchaffenheit der Magenw\u00e4nde nicht die n\u00f6-thigen Bedingungen zur Behaarung gaben, h\u00e4ufig ft ganz glatt und nackt gefunden wird, fo werden im gegenteiligen Falle die fe\u00fc fitzenden Haare bald dichter, bald einzelner ftehen, lind felbft von verichiedener Farbe, L\u00e4nge und Bildung feyn k\u00f6nnen; denn unter den ver-fchiedenen haarigen Infekten - befonclers Raupenarten, welche unfer Kuckuk verzehrt, ift fehr wahrfcheinlich die gemeine B\u00e4renraupe nicht die einzige, deren Haare geeignet find, in den W\u00e4nden des Magens feft zu haften. Wenigltens haben die Haare gar vieler Raupen-arten und felbft die mancher vollkornmnen Infekten, z. B. K\u00e4fer, eine \u00e4hnliche Befchaffenheit, namentlich \u00e4hnliche fpitze, kurze Seitendornen. Zwar m\u00f6gen nicht alle mit Seitendornen befetzten Infektenhaare gleicher-mafsen zum Haften geeignet feyn, da felbft in dem be-, fchriebenen Falle keines der langen R\u00fcckenhaare der B\u00e4renraupen, wiewohl auch diefe dornig find, fich in der Mageniiaut feftgefetzt hatte, was jedoch vielleicht zuf\u00e4llig war; allein ich bin jetzt \u00fcberzeugt, dafs, fob aid die Haare im K uckaksmagen merklich fefijuzeu und einen dichtem Pelz bilden, diefe Haare immer, laie in dem befchriebenen Falle, fowohl mit Seitendornen verfehen a/s auch kreisf\u00f6rmig gerichtet feyn 'meiden ; obgleich beide Verh\u00e4ltnifle von allen Beobachtern, welche den Haarpelz im Kuckuksmagen _ befchrieben haben, \u00fcberfehen worden find.\nUm","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"Um die Dornen der Haare, welche in tier Innern Haut eines Kuckuksmagens fitzen, deutlich zu fehen, werden freilich Icblechte Suchgl\u00e4fer, die nur wenige Male vergr\u00f6fsern, nicht ausreichen. Man inufs zu diefem Zwecke die Haare nusziehen, auf einen gl\u00e4-fernen Objecttr\u00e4ger bringen und im wohl erleuchteten Sehfelde, unter einem guten Compofitum oder einer lehr ftark vergr\u00f6fsernden einfachen Linie, beobachten. Es werden vielleicht zuweilen ausnehmend ftarke Vererr\u00f6-fserungen hiezu noting feyn ').\nDafs die feft eingehakten oder eingebohrten Dornenhaare an den W\u00e4nden eines frifchen oder feucht auf-\ni) ln der innern behaarten Magenhaut eines Ruekuks, welche Herr Profeffor Heufinger in Jena mit Beziehung auf feine Meinung, dafs der Kuckuksmagen diele Haare felbft produ-cire, dem Herrn Herausgeber zugefchiokt und letzterer mir eben , als der Druck des obigen Auffatzes begonnen, zur Un-terfuchung g\u00fctigft mitgetheilt hat, finde ich feftfitzende Haare, die zwar unleugbar Infekt en haare, aber mon denen der B\u00e4renraupe fchr verjehieden find. Diefe Haare find aufserordentlich fein, kaum den zehnten oder zw\u00f6lften Theil fo dick als Jl\u00e4renratipenhaare, dabei von fehr blafsgelb\u00ab br\u2019dinlicher oder blonder Farbe; fie bilden nur einen fpar-famen Pelz, aber He find, wie in meinem Falle, fowohl auf das Regel mafsigfie im Krcife gerichtet als auch mit Sei-tendornen verjehen. Die Seirendornen, die hier viel dichter als an den Ikirenraupenhaai en ftehen , lind jedoch begreiflicher Weife noch viel feiner als die Haare felbft, und unter dem Compofitum erft bei Anwendung eines Object iw glafes , welches den Durchmejjer ws ni g fee ns i5o Mal 'vergr\u00f6\u00dfert , deutlich zu fehen. \u2014- Wer nur folche feine Haara im Kuckuksmagen gefunden hat, dem hat es freilich auch bei guten optifchen Hilfsmitteln nicht fo leicht werde\u00bb k\u00f6nnen, die wahre Natur diefer Erfeheiuung kennen zu lernen.\nN,\nrP\nM. d. Archiv. P UL 3.","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"57\u00f6\nbewahrten, unverkehrten Kuckuksmagens nicht anders als fchief, in einem fpitzen Winkel anfitzen k\u00f6nnen, und einen im Kreile fortgehenden Strich haben muffen, geht aus den Bedingungen ihrer Anheftung hervor. Wenn aber die innere Fl\u00e4che der behaarten Magenhaut umgewendet, folglich aus ihrer H\u00f6hlung eine W\u00f6lbung gemacht worden, und die Haut obendrein getrocknet und zufammengefcbrumpft ilt, fo werden die Haare allerdings mehr oder weniger aufgerichtet, vielleicht auch verworren erfcheinen, und daraus erkl\u00e4rt fich wohl, wie Einige die Stellung der Haare des Kuckuksmagens gegen die Fl\u00e4che der innern Haut fenkrecht nennen konnten.\nOb der Magen desKuckuks zumal in einem gewif-fen Alter oder zu gewiffer Jahreszeit oder immer geeignet fey, mit Raupenhaaren befetzt zu werden, dar\u00fcber m\u00f6chte die Entfcheidung vor der Hand fchwer feyn. Es ift indeffen nicht unwahrfcheinlich und die bisherigen Beobachtungen fcheinen daf\u00fcr zu fprechen, dafs die weichere innere Magenhaut des j\u00fcngeren Kuckuks dazu geneigter ift, als die oft ziemlich harte der alten. Das Gefchlecht kann in diefer HinScht wohl keinen Unler-fchied bedingen. Freilich behauptete Herr Brehm, indem er diefe Behaarung f\u00fcr eine normale Bildung hielt, dafs nur und immer der weibliche Kuckuk einen haarigen Magen habe. Diefe Behauptung ift aber fchon durch die Natur und zuf\u00e4llige Urfache der Erfcheinung von felbft widerlegt. Ich wiederhole daher nur zu allem Ueberflufs, dafs ich bei mehreren weiblichen alten und jungen Kuckuken nicht die minderte Spur von Haaren in der innern Magenhaut fand; wie dies namentlich bei drei alten Weibchen, die ich im Mai 1814 kurz hinter einander erhielt, und bei einem weiblichen fogenannten Cuculus rufus welcher im Herbft gefchof-","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"fen ward, der Fall war1), Dafs aber nicht blofs itn Magen der Weibchen Raupenliaare haften k\u00f6nnen, geht feJbl't aus Herrn Brehms Beobachtungen hervor, da derfeibe bei einigen M\u00e4nnchen die innere Magenhaut einzeln behaart gefunden zu haben berichtet.\nDer feflfitzende Haarpelz im Kuckuksmagen wird durch den \u00f6ftern oder anhaltenden Genufs von B\u00e4ren-oder andern dornhaarigen Baupen verft\u00e4rkt und erneuert werden. Er wird aber auch ohnedem eitiige Zeit dauern, indem fo feftfitzende Haare nur nach und nach, durch Abnutzung ihrer felbft und allm\u00e4hliche Erneuerung der innern Magenhaut, lieh wieder verlieren m\u00f6gen. Man wird daher nicht immer in einem behaarten Kuckuksmagen die Raupenart, welche die Haare dazu lieferte, fondern \u00f6fters ganz andere oder keine vorfinden.\nKeiner unferer einheimifchen V\u00f6gel w\u00e4hlt die Raupen fo zu feiner Hauptnahrung, und mag zumal fo oft B\u00e4renraupen freffen, deren Haare vor allen geeignet zu fevn fcheinen, den dichten Haarpelz des Magens zu\n*\tPp 2\nI) Ich f\u00fchre gerade diefe Individuen hier befonders an , infofern ich bri der Zergliederung derfelben den Mangel der Haare im Magen ausdr\u00fccklich in meinen Adverfarien bemerkt babe. \u2014 Eins der genannten alten Weibchen, welches nur fl\u00fcgellahm gefchoffen war, legte unter fonderbarem Aechzen ein Ei in der Stube. \u2014 Der fogenannte Caculus rufus ife ein jugendlicher oder j\u00fcngerer Cuculus canorus. Es geht dies aus dem Vorkommen folcher Individuen welche das graue Kleid der Allen noch mit einigen federn von der Faibc und Zeichnung des C. rufus vtrmifcht haben, im-l\u00e4ugbar hervor. Ein folches Exemplar fand i.eh auch auf dem Berliner zoologifchen Mufeum. Nur dar\u00fcber d\u00fcrfte noch nicht v\u00f6llig entfehieden feyn, ob das rotlibraune Kleid eine Variet\u00e4t des Jugendkleides \u00fcberhaupt, oder nur das normale zweite, mit elfter Manier eintretende Kleid ift.","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nveranla\u00dfen, wie der Kuckuk. Bei denjenigen V\u00f6geln aber, welche nur mitunter folche Raupen, oder dor-nenhaarige Infekten verzehren, ift vielleicht iiberdem die Befchaffenheit derinnern Magenhaut der Anheftung der Haare meiit hinderlich. Hieraus erkl\u00e4rt lieh wohl, warum jene Erfcheinung bisher nur beim gemeinen Kuckuk beobachtet worden ift. Indeffen habe ich einzelne kleineBiifchel ziemlich feftfitzender und eingebohr-ter Haare a ifc h im Magen eines Ca primul gus europaeus gefunden. Sie fafsen nur in der ob\u00e9ra weichen Region, in der N\u00e4he der Cardia und des Pylorus. Leider wurde ich an der Unterfuchung derfelben verhindert, ver* muthe aber dafs es Haare von K\u00e4fern\tetwa\nvon Melolontlia Jolftitialis, waren, infofern die Haare diefer Art feindornig und wahrscheinlich zum Haften geeignet find.\nHoffentlich wird nunmehr der Streit \u00fcber die Haare im Kuckuksmagen f\u00fcr immer beendigt, und k\u00fcnftig nicht wieder von einer felbftft\u00e4ndigen Behaarung diefes Magens die Rede feyn, deren Annahme an lieh fo wenig durch wahre Analogie 1 2) unterlt\u00fctzt ward,\n1)\tRaupen habe ich n\u00e4mlich noch nie im Magen jene\u00bb oft von\nmir unterfuchten Vogels gefunden, functern fait ohne Ausnahme K\u00e4fer, gew\u00f6hnlich Miftk\u00fcfer (Scarabaeus vernalis und ftercoraiius). Indeffen k\u00f6nnte er mitunter auch wohl Raupen verzehren.\nA\\\n2)\tWiewohl ein normales Behaartfeyn der Magenw\u00e4nde an hob kei-\nneswegs f\u00fcr unm\u00f6glich zu halten ift, fo ift folehes doch niemals bei Riickgraththieren und vielleicht \u00fcberhaupt nur am Raiten-magen einiger Infekten beobachtet worden. Bei mehreren Papageien (namentlich bei Psittacus militaris, Macavuamia, per-tinax und Erithacus) fand ich die innere Fl\u00e4che des Magens (unftreitig als regelm\u00e4\u00dfige. vielleicht der ganzen Gattung zukommende Bildung) mit Zotten hej'etzt ; diefe Zotten aber find unmittelbare oberfl\u00e4chliche gleichartige Rorti'\u00e4Ue der in-","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"573\nund fo viele Zweifel begr\u00fcndende Umft\u00e4nde gegen Geh hatte, dafs man Geh wohl wundern mufs, wie ftdbige i'o leichtgl\u00e4ubig und unvorfichtig gefafst und vertheidigt werden konnte.\nnern Magenhaut, und lehr von Haaren verfchieden. \u2014 Die abnormen Haarbildungen in inneren Theilen des Menfchen und anderer S\u00e4ugthiere, Vielehe Herr Brehm zur Best\u00e4tigung feiner Meinung, dafs der weibliche Kuckuk confiant Haare im Magen habe, anf\u00fchrt, konnten diefer Meinung nur eine fehr unvollkommene St\u00fctze gew\u00e4hren; auch beruht das, \u2022was demfeiben Schriftfteller (S. Beitr\u00e4ge z. Vogelkunde 111. p. 901.) von dem haarigen Magen eines vorl\u00e4ngft in Wittenberg lebenden Fr elfer s erz\u00e4hlt worden ift, auf einem l\u00e4cherlichen Irrthum ; denn das in der Wittenberger anatomi-fchen Sammlung befindliche, von mir oft gefehene Pr\u00e4parat, welches von Unkundigen f\u00fcr des fogenannten Brefs-Kahle's Magen gehalten ward, und die Fabel vom Behaart-feyn deffelben einzig und allein veranlafst hat, ift ein durch Hernia enorm ausgedehntes und darum (ausgeftopft und getrocknet) aufbewahrtes Scrotum, an welchem freilich Haaie find.\nN.","page":573}],"identifier":"lit15885","issued":"1823","language":"de","pages":"559-573","startpages":"559","title":"Ueber die Haare im Magen des Kuckuks","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:59:18.397788+00:00"}