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{"created":"2022-01-31T12:22:53.715305+00:00","id":"lit16368","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schiffer, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 4: 237-247","fulltext":[{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Vorkommen und die Entstehung von Methylamin und .\nMethylharnstoff im Harn\nvon Dr. J\u00ab Schiffer (Berlin-Carlsbad).\n(Aus der chemischen AbtheUung des physiologischen Lsboratoriums zu Berlin.)\n(Der Redaktion zugegangen am 34. April.)\nIn ihrer Arbeit: \u00abUeber das Verhalten des Sarkosins im Organismus\u00bb1) stellten sich Baumann iind v. Mering u. A. die Frage, ob das Sarkosin etwa beim Menschen, zur Bildung prim\u00e4rer Aminbasen Veranlassung gebe. Als sie jedoch zur Contr\u00f4le normalen menschlichen Harn untersuchten, fanden sie, dass schon dieser Isonitrilreaction gebe.und wie es schien nicht schw\u00e4cher, als nach Sarkosingenuss. Sie verfolgten den Gegenstand zun\u00e4chst nicht weiter, kamen aber auch sp\u00e4ter auf denselben nicht mehr zur\u00fcck. E. Sal-kowski2), der mit Milch und Brod gef\u00fctterten Hunden Sarkosin beibrachte, fand an den Sarkosintagen im Harn deutliche Isonitrilreaction, w\u00e4hrend sie an den sarkosinfreien Tagen fehlte. Er versuchte auch den vorausgesetzten Methylharnstoff auf indirectem Wege quantitativ zu bestimmen, indem er den s\u00e4mmtlichen Harnstoff in Ammoniak \u00fcberf\u00fchrte, mit Platin f\u00e4llte, den Platinsalmiak mit chromsaurem Blei und vorgelegtem Kupfer verbrannte und so dessen Kohlenstoffgehalt bestimmte. Der Versuch f\u00fchrte insofern zu keinem entscheidenden Resultat, als auch der von Norm\u00e4ltageii herr\u00fchrende Platinsalmiak sich kohlenstoffhaltig und die Differenz zu Gunsten der Sarkosintage sich als eine sehr\n*) Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. Bd. VIII., p. 587.\n*) Ebendas, p. 638 und Zeilschr. f. phys. Chem. Bd. tV, p. 144* *","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\ngeringe erwies. Bei mit Fleisch gefutterten Hunden erhielt S. bei Verarbeitung gr\u00f6sserer Harnmengen Isonitrilreaction. In einer andern Arbeit behandelt derselbe Autor1) den Gegenstand aus einem andern Gesichtspunkte. Um den Vorgang der Harnstoffbildung aus Ammoniak im Thierk\u00f6rper aulzuklaren gab er Thieren Methyl- oder Aethylamin um danach die etwaige Bildung der entsprechend substituirten Harnstoffe festzustellen. Nach subcutaner Injection von \u00fcber 7 grm. salzsauren Methylamins bei einem Kaninchen, ging ein Theil des Methylamins unver\u00e4ndert in den Harn \u00fcber; der Versuch aus dem Harn Methylharnstoff darzustellen f\u00fchrte zu keinem Resultat. In einem anderen Versuch mit F\u00fctterung von 6 grm. Aethylamin wurde der Harn mit Kalkmilch gemischt, in dem Schl\u00f6singschen Apparat von Ammoniak befreit und darauf die Mischung weiter gepr\u00fcft: sie gab Isonitrilreaction. Eine Kohlenstoffbestimmung in \u00e4hnlicher Weise wie oben ergab niedrige Werthe, so dass Verfasser wohl die Bildung kleiner Mengen substituirten Harnstoffs f\u00fcr wahrscheinlich h\u00e4lt, ohne jedoch seine Versuche f\u00fcr ganz beweisend auszugeben. Schiniedeberg2) gelang es bei Hunden nach F\u00fctterung mit kohlensaurem Aethylamin den Aethyl-harnstoff isolirt darzustellen, jedoch war die Ausbeute eine sehr geringe. Das ist Alles, was mir an Literaturangaben \u00fcb\u00e8r diesen Gegenstand zug\u00e4nglich war.\nBei meinen eigenen Versuchen pr\u00fcfte ich zun\u00e4chst den normalen Harn von Hunden, die mit Pferdefleisch gef\u00fcttert waren. Von diesem Harn wurden 50 Cc. mit 25 Gc. reiner Kalilauge vermischt, vorsichtig destillirt, das Destillat mit Gl H schwach anges\u00e4uert, eingedampft und mit dem R\u00fcckstand die Hofmansche Isonitrilreaction angestellt. Der penetrante Geruch najch Isocyan\u00fcr war in intensiver Weise wahrzunehmen. Das Vorhandensein eines prim\u00e4ren. Amins im Harn des Fleischfressers war damit erwiesen. Beil\u00e4ufig bemerkt er*\n\u2018) Ueber den Vorgang der HarnstofTbildung im Thierk\u00f6rper und den Einfluss der Aminoniaksalze auf denselben. Zeitschr. f. pliys. Chem. Bd. I., p. 33.\nArch. f. exp. Path. u. Ther. Bd. VIII., p. 5.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"239\nhielt ich auch mit menschlichem Ham, wie es auch Baumann und v. Mering angeben (s. oben) dieselbe Reaction,, aber schw\u00e4cher als im Hundeharn nach Fleischf\u00fctterung. In einem weiteren Versuch wurden 25 Cc. von dem gleichen H\u00fcnde-harn mit Kalkmilch vermischt und in den Schl\u00f6singschen Apparat gebracht. Nach 48 Stunden zeigte die aus; dem Apparat entnommene Normalschwefels\u00e4ure ohne Weiteres Isonitrilreaction.' Zu dem Gemisch von Kalkmilch und Harn \\Airde noch etwas Kalilauge hinzugesetzt und wie oben destillirt. Das eingedampfte saure Destillat gab keine, oder durchaus zweifelhafte Isonitrilreaction. Die im Hundeharn vorhandene prim\u00e4re Aminbase wird also durch Kalkmilch im Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat vollst\u00e4ndig ausgetrieben. Es handelte sich nun zun\u00e4chst darum, die so signalisirte Base n\u00e4her festzustellen. Diese Aufgabe versuchte ich auf einem Umwege zu l\u00f6sen.\nZun\u00e4chst untersuchte ich den Harn von Kaninchen, die mit Haferk\u00f6rnern gef\u00fcttert wurden. Derselbe, wie oben behandelt, giebt nur schwache, bisweilen'sogar gar keine Isonitrilreaction. Der diese Reaction veranlassende K\u00f6rper kann alsd im Harn pflanzenfressender Kaninchen gar . nicht, oder h\u00f6chstens in Spuren vorhanden sein.\nWoher r\u00fchrt dieser Unterschied zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern? Welches ist die Substanz, die bei Fleischf\u00fctterung zur Bildung und Ausscheidung prim\u00e4rer Amine f\u00fchrt? 1 Gelingt es diese Quelle aufzudecken, so k\u00f6nnen wir auch \u00fcber die Natur der signalisirten Base Aufschluss erhalten.\nUnser Augenmerk richtet sich zun\u00e4chst auf das Kreatin. Es ist bekannt, dass die Abscheidung desselben wesentlich von der Nahrung abh\u00e4ngt, dass es im Harn fleischfressender Hunde in gr\u00f6sserer Menge, dagegen im Harn mit Pflanzen gef\u00fctterter Kaninchen nur in Spuren vorhanden ist. Dazu kommt, dass unter den Zersetzungsproducten des Kreatins prim\u00e4re Aminbasen erscheinen. Das Kreatin zerfallt d\u00fcrch Oxydationsprozesse in Methylguanidin und Oxals\u00e4ure^ Aus Methylguanidin bildet sich durch Hinzutritt des Wassermo-","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nlec\u00fcls entweder Ammoniak und Methylharnstoff oder Ammoniak, Methylamin und Kohlens\u00e4ure wie die folgenden Formeln leicht veranschaulichen:\nNH = C Z n(CHs) \u2014 CHa ' COOH + 02 =\nKreatin oder Methylguanidinessigs\u00e4ure\nNH ff G - NH(CHa)+ Ca H* \u00b04 Methylguanidin Oxals\u00e4ure\nNH \u2014 C~~\n-NH(CH3)\nMethylguanidin\n+ Hs O = NHa + GO Z jJh(CH\u00bb) Wasser Ammoniak Methylharnstoff\noder\nNH ~ C -NH(GHa) + 2 H* 0 = 2 NHa Methylguanidin Wasser Ammoniak + NHa (CH3) + CO*\nMethylamin Kohlens\u00e4ure\nWahrscheinlich finden im Organismus und besonders im Darm \u00e4hnliche Zersetzungen statt. Diese Vermuthung w\u00fcrde bei der Aehnlichkeit, die zwischen manchen Vorg\u00e4ngen im Darm und F\u00e4ulnissprozessen besteht, eine wesentliche St\u00fctze erhalten, wenn nachgewiesen w\u00e4re, dass das Kreatin durch F\u00e4ulniss gleiche Spaltungsproducte liefert. Einige Angaben in dieser Richtung liegen bereits vor. Voit1) fand, dass das Kreatin im erstarrenden Muskel rasch abnimmt (schon nach 24 Stunden ist die Abnahme deutlich nachweisbar) und zuletzt bei vollkommen ausgebildeter F\u00e4ulniss ganz verschwunden ist. Kreatinl\u00f6sungen mit Hefe oder mit Fleischst\u00fccken versetzt wurden nach wenigen Tagen alkalisch und gaben bedeutende Ammoniakentwickelung. Auch hier verschwand das Kreatin schliesslich ganz. Weitere Mittheilungen \u00fcber sonstige Spaltungsprodukte des faulenden Kreatins scheinen leider nicht vorzuliegen ; es w\u00e4re sehr zu w\u00fcnschen, dass diese L\u00fccke bald ausgef\u00fcllt w\u00fcrde.\nDer hier angedeuteten Hypothese dient ferner noch\n') Zeitschr. f. Biolog. Bd. IV., p. 92.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"241\nal\u00a7 wichtige St\u00fctz\u00eb, dass uns im Organismus kein anderer\nK\u00f6rper bekannt ist, aus dessen Zersetzung prim\u00e4re Aminbasen\n* \u25a0\nhervorgehen k\u00f6nnten, als das Kreatin.\nNach den eben gemachten Er\u00f6rterungen schien es geboten zur Entscheidung der Frage directe Versuche mit Kreatinf\u00fctterung vorzunehmen. Derartige Versuche, freilich aus anderem Gesichtspunkte angestellt, liegen bereits zahlreich vor. Besonders nach der oben citirteii gr\u00f6sseren Arbeit von Voit befestigte sich die Annahme,, dass das Kreatin (resp. Kreatinin) den K\u00f6rper unver\u00e4ndert verl\u00e4sst. Aber aus den Versuchen von Voit geht nur hervor, dass bei F\u00fctterung bedeutender Kreatinmengen der gr\u00f6ssere Theil unver\u00e4ndert abgeht. Ein anderer u. z. recht ansehnlicher Theil konnte im Harn nicht wieder aufgefunden werden, und es steht Nichts im Wege anzunehmen, dass das; Deficit sich, wenigstens zum Theil, auf Ver\u00e4nderungen in der oben angedeuteten Richtung zur\u00fcckf\u00fchren lasse.\nDie Versuche selbst wurden in folgender Weise\u2019 aiisge-f\u00fchrt. Nachdem, wie bereits erw\u00e4hnt, festgestellt war, dass der Harn eines mit Hafer gef\u00fctterten Kaninchens keine oder nur eine schwache Isonitrilreaction gab, wurden einem solchen Thier 1\u20141,5 grm. Kreatin in w\u00e4ssriger L\u00f6sung mittelst Katheters in den Magen gebracht. Das Pr\u00e4parat war von Herrn Professor Baumann aus Cyanamid und Sarkosin synthetisch dargestellt und mir bereitwilligst zur Verf\u00fcgung \u00fcberlassen worden. Nach der Injection wurde das Thier wieder in seinen K\u00e4fig gesetzt, eine Art von grossem Glastrichter, in dem ein Sieb f\u00fcr Trennung der F\u00e4ces vom Harn sorgte. Der in den n\u00e4chsten 24 Stunden gelassene Harn wurde zur Beseitigung etwa beigemischter F\u00e4calien colirt und darauf in der bereits geschilderten Weise destillirt. Der R\u00fcckstand des anges\u00e4uerten, eingedampften Destillats gab starke Isonitrilreaction, unvergleichlich st\u00e4rker, als sie bei normalem Kaninchenharn beobachtet wurde. Auch am 2. und 3. Tage war die Reaction noch in intensiver Weise wahrzunehmen, bei einzelnen Kaninchen sogar noch l\u00e4nger, selbst bis zum 5. Tage. Offenbar bedarf das Kreatin zu","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"\u00bb\n242\nseiner Resorption vom Darmkanal aus einer l\u00e4ngeren, bei den einzelnen Thieren verschiedenen Zeit, so dass die Ausscheidung seiner Spaltproducte mehrere Tage und bei den einzelnen Thieren verschieden lang anh\u00e4lt. Uebrigens hat schon Voit in der mehrfach citirten Arbeit hervorgehoben, dass nach gr\u00f6sseren Kreatingaben eine vermehrte Ausscheidung desselben mehrere Tage andauert. Zur Destillation wurden vom normalen Harn 80\u2014100 Cc. vom Kreatinharn die H\u00e4lfte verwendet. Als Beispiel sei aus meinen Protocollen ein Versuch hier kurz angef\u00fchrt:\nEinem wie gew\u00f6hnlich mit Haferk\u00f6rnern gef\u00fctterten Kaninchen wurde am 12./3. er. die Blase ausgedr\u00fcckt, der so gewonnene Harn mit dem fr\u00fcher gelassenen vereinigt, darauf durch Leinwand filtrirt. Von dem Filtrat wurden 60 Gc. mit 30 Gc. reiner Kalilauge vermischt und das Gemisch vorsichtig \u00fcber kleiner Flamme destillirt. Das Destillat wurde mit Salzs\u00e4ure schwach anges\u00e4uert und eingedampft, der R\u00fcckstand mit wenig Alkohol ausgezogen und damit die Isonitrilreaction gemacht. Sie fiel zweifelhaft aus. Im besten Fall war sie sehr schwach zu nennen. Nun w\u00fcrde dem Thier 1,0 grm. Kreatin in w\u00e4ssriger L\u00f6sung in den Magen gebracht. Am n\u00e4chsten Tage hatte es ca. 40 Gc. Harn gelassen, diese wurden wiederum mit Kalilauge destillirt. Schon jetzt gab das Destillat ohne Weiteres die Hofmann\u2019sche Reaction. Dieselbe trat in intensiver Weise auf, als das Destillat wie oben eingedampft und mit Alkohol aufgenommen wurde, ln den n\u00e4chsten zwei Tagen Hess das Thier keinen Harn, so, dass am 15. erst ein Quantum durch Ausdr\u00fccken der Blase gewonnen wurde. 50 Gc. davon wie oben behandelt gaben noch starke Reaction. Ebenso verhielt es sich am 16. Erst am 17. war die Reaction bedeutend schw\u00e4cher und am IS. kaum mehr nachzuweisen.\nZur Gontrolle wurden 0,5 gr. Kreatin in Wasser gel\u00f6st und mit Kalilauge destillirt. Wie zu erwarten, gab das Destillat keine Isonitrilreaction. Denn beim Erhitzen mit w\u00e4ssrigen Alkalien zerfallt das Kreatin in Ammoniak, Kohlens\u00e4ure","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"243\nund Sarkosin. Das Sarkosin seinerseits zerfallt in Ber\u00fchrung mit starken Alkalien erst bei hohen Hitzegraden, in Methylamin und Kohlens\u00e4ure z. B. beim Gl\u00fchen mit Natronkalk. Immer-\nhin ist es nothwendig vorsichtig zu destilliren. Bei starker\n\u2022. * f\nFlamme z. B. k\u00f6nnen die Seitenw\u00e4nde des Destillirkolbens \u00fcberhitzt werden und so, da die Fl\u00fcssigkeit stark sch\u00e4umt, zur Zersetzung kleiner Kreatinmengen bis zu Methylamin Veranlassung geben.\nDie n\u00e4chste Aufgabe war nun festzustellen, ob die im Kreatinharn der Kaninchen erscheinende Aminbase sich im Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat \u00e4hnlich verh\u00e4lt, wie beim H\u00fcnde-harn. Deshalb wurde der folgende Versuch angestellt. Ein grosses Kaninchen erhielt am 1. April er. 1,5 grm. Kreatin in Wasser gel\u00f6st in den Magen injicirt. Bis zum 3. hatte es erst 10 Cc. Harn entleert. Am 5. fanden sich 205 Cc. vor. Von dieser ganzen Menge wurden 25 Cc. mit Kalkmilch gemischt, in den Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat gebracht. Die nach 48 Stunden aus dem Apparat entnommene Normalschwefels\u00e4ure gab keine Isonitrilreaction.- Auch als die gesammte Schwefels\u00e4ure mit Kalilauge destillirt wurde, blieb das Resultat negativ. Dagegen gab das Gemisch von Harn und Kalkmilch, nachdem es unter Zusatz von etwas Kalilauge destillirt worden war, eine starke Reaction1). Die im Kaninchenharn nach Kreatinf\u00fctterung auftretende Aminbase wird also im Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat durch Kalkmilch nicht ausgetrieben.\nUeberblicken wir nunmehr die Ergebnisse der bisher mitgetheilten Versuche. Wir haben gesehen, wenn wir hier den menschlichen Harn ausser Acht lassen, dass der rior-\n') Ich bemerke hier, dass nach dem Eindampfen des Destillats vom Hunde- und1, vom Kaninchenharn der R\u00fcckstand jedesmal den charakteristischen feumaringerueh zeigte. Derselbe trat besonders deutlich auf, wenn der R\u00fcckstand mit Alkohol \u00fcbergossen wurde. Hoppe-Seyler hat das Cumarin bereits im Pferdeharn nachgewiesen; wie es scheint, ist es jedoch auch im Harn fleischfressender Hunde vorhanden. Bei der Behandlung des menschlichen Harns habe ich auf diesen Punkt nicht geachtet.","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nmale Harn mit Fleisch gen\u00e4hrter Hunde eine prim\u00e4re Aminbase enth\u00e4lt die durch Kalkmilch in der K\u00e4lte vollst\u00e4ndig ausgetrieben wird. Der normale Harn mit Pflanzen gef\u00fctterter Kaninchen enth\u00e4lt eiiie solche Base gar nicht, oder h\u00f6chstens in geringen Spuren. Bringt man aber diesen Thieren Kreatin bei, so giebt ihr Harn dann ebenfalls Isoni-trilreaction. Es gelingt aber nicht die hier vorhandene Aminbasc durch das Schl\u00f6singsche Verfahren auszutreiben; erst durch energischere Zersetzungsmittel, wie Destillation mit starken Alkalien kann sie gewonnen werden.\nWelches ist nun die uns besch\u00e4ftigende Aminbase? An der Hand der bisher mitgetheilten Ergebnisse k\u00f6nnen wir sie wohl mit einiger Sicherheit erschliessen. Da sie im normalen Kaninchenharn nicht vorhanden ist, wohl aber nach Kreatinf\u00fctterung auftritt, so m\u00fcssen wir sie unter den Derivaten dieser Substanz aufsuchen. Als solche k\u00f6nnen aber nur das Methylamin und der Methylharnstoff in Betracht kommen. Durch den Versuch un Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat ist das Methylamin ausgeschlossen, es bleibt also nur der Methylharnstoff \u00fcbrig. Ob dieser sich direct aus dem Kreatin abspaltet, oder sich im Kaninchenk\u00f6rper erst aus Methylamin bildet, das bleibe vorl\u00e4ufig dahingestellt, wir kommen sp\u00e4ter auf diesen Gegenstand zur\u00fcck.\nDass die Aminbasc im Harn des Hundes den n\u00e4mlichen Ursprung habe, wie beim Kaninchen, daf\u00fcr spricht zun\u00e4chst die Analogie. Dazu kommt, dass der Harn des Fleischfressers sich von dem des Pflanzenfressers wesentlich durch die grosse Menge des zur Ausscheidung gelangenden Kreatins unterscheidet. Endlich ist uns im Thierk\u00f6rper, ausser dem Kreatin keine andere Substanz bekannt, wenigstens bis jetzt nicht, die zur Bildung prim\u00e4rer Amine Veranlassung geben k\u00f6nnte. Die hier angedeutete Schlussfolgerung w\u00fcrde eine wesentliche St\u00fctze gewinnen, wenn es gel\u00e4nge, auch im Harn des Fleischfressers die Aminbase bei Darreichung eines kreatinarmen Futters g\u00e4nzlich oder doch nahezu zum Verschwinden zu bringen. Zu dem Zweck wurde derselbe Hund, dessen Harn bei Fleischf\u00fctterung starke Isonitrilreaction gab, mit Milch ge-","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"245\nn\u00e4hrt. Um Durchfalle zu vermeiden wurde zur Milch etwas Gummi arabicum hinzugef\u00fcgt. Schon am 3. Tage nach der Milchf\u00fctterung war eine deutliche Abnahme der Isoni-trilreaction im Hundeharn nachzuweisen; am 5. Tage war die Reaction kaum noch zu constatiren, trotzdem 100 Cc Harn verarbeitet wurden. Ueber den 5. Tag hinaus wurde der Versuch nicht fortgesetzt. Er hatte zur Gen\u00fcge festgestellt, dass mit dem Schwinden des Kreatins auch das der prim\u00e4ren Aminbase im Harn Hand in Hand ging. Allerdings enth\u00e4lt der Organismus auch bei kreatinfreier Nahrung noch immer erhebliche Mengen Kreatin, namentlich in den Muskeln \u2014 f\u00fcr Kaninchenmuskeln giebt Voit 0,3^-0,4 */o an \u2014 ; es scheint jedoch, dass der K\u00f6rper bei einem gewissen niedrigen Bestand an Kreatin dasselbe nur sehr allm\u00e4hlig abgiebt, und es dann eist in gr\u00f6sserer Menge exCernirt, wenn es durch die Nahrung in entsprechendem Maasse zugef\u00fchrt worden ist.\nNach dem eben Mitgetheilten darf man wohl mit einiger Sicherheit schliessen, dass die im Hundeharii nachgewiesene Aminbase sich vom Kreatin herleite. Da sie durch Kalkmilch im Schl\u00f6sing\u2019schen Apparat ausgetrieben wird kann es sich nur um Methylamin handeln. Wir w\u00fcrden demnach anzunehmen haben, dass die Methylguanidingruppe des Kreatins im Hundek\u00f6rper in Ammoniak, Methylamin und Kohlens\u00e4ure \u00fcbergeht. Es ist das N\u00e4chstliegende anzunehmen, dass auch im Kaninchenk\u00f6rper sich zun\u00e4chst die gleiche Zersetzung des Kreatins vollzieht und dass das Methylamin dann im K\u00f6rper in Methylharnstoff \u00fcbergeht und als solcher zur Ausscheidung kommt. Um diesen Analogieschluss durch einen Versuch zu st\u00fctzen, wurden einem Kaninchen 5 Mgrra. salzsauren Methylamins in den Magen gebracht, nachdem .vorher die Blase ausgepresst warv Am n\u00e4chsten Tage hatte das Thier noch keinen Harn entleert. Durch Ausdr\u00fccken der Blase wurden 21 Cc gewonnen. Diese Portion wurde in den Schl\u00f6singschen Apparat gebracht und zwei Tage darin * * gelassen. Die Normalschwefels\u00e4ure gab nun, selbst hach Verarbeitung^der ganzen Menge, eine nur schwache Isonitril-","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nreaction; die 21 Cc. Harn dagegen, wie oben dcstillirt, eine intensive. Das verf\u00fctterte Methylamin war also fast ganz in Methylharnstotf \u00fcbergegangen, nur Spuren waren unver\u00e4ndert zur Ausscheidung gelangt. Es wird durch diesen Versuch sehr wahrscheinlich, dass auch im Kaninchenk\u00f6rper, ebenso wie beim Hund, das Kreatin in Methylamin \u00fcbergeht, und dass sich erst aus diesem durch einen besonderen synthetischen Prozess Methylharnstoff bildet, wahrend das Methylamin den Organismus des Fleischfressers unver\u00e4ndert passirt. Es scheint hier zwischen Fleisch- und Pflanzenfresser ein \u00e4hnlicher Unterschied vorzuliegen, wie er von Sal-kowski, Schmiedeberg, Hallervorden u. A. f\u00fcr die Harnstoffbildung aus Salmiak festgestellt ist. Der Organismus des Fleischfressers, der \u00fcber \u00fcbersch\u00fcssiges Ammoniak verf\u00fcgt, scheidet das stabilere Molek\u00fcl des Methylamins unver\u00e4ndert aus, w\u00e4hrend im K\u00f6rper des Pflanzenfressers, der relativ arm an Ammoniak ist, auch das Methylamin in den entsprechenden substituirten Harnstoff \u00fcbergeht. Insofern freilich ergiebt sich ein gewisser Widerspruch, als Schmie-deberg1) auch bei Hunden nach F\u00fctterung mit kohlensaurem Aethylamin den Aethlylharnstoff im Harn nachweisen konnte. Jedoch giebt Sch. selbst an, dass die Ausbeute trotz ziemlich grosser, verf\u00fctterter Mengen eine \u00e4usserst'geringe war. Der mitgetheilte Versuch mit Methylaminf\u00fctterung ist auch insofern bemerkenswerte als er zeigt, dass so minimale Mengen wie 5 Mgrm. des salzsauren Salzes gen\u00fcgen, um die Base im Harn erscheinen zu lassen.\nDer Ort, wo die Zersetzung des Kreatins haupts\u00e4chlich stattfindet, ist offenbar0 der Darm. Wir wissen, dass bei vielen Zersetzungen im Darm genau dieselben Produkte gebildet werden, wie bei der F\u00e4ulniss, nur dass dort die Prozesse viel rascher ablaufen. Jedoch spricht der folgende Versuch daf\u00fcr, dass m\u00f6glicher Weise auch in den Geweben das Kreatin in der uns besch\u00e4ftigenden Weise zersetzt wird. Einem Kaninchen wurden 0,5 grm. Kreatin subcutan injicirt.\nArch. f. exper. Path. u. Ther. Bd. VIII., p. 5.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\nAm n\u00e4chsten Tage wurden dem Thier 80 Cc. Ham ausgepresst und davon 50 Gc in der bekannten Weise verarbeitet. Es zeigte sich eine ziemlich starke Isonitrilreaction, unzweifelhaft st\u00e4rker als von normalem Kaninchenharn. Der Versuch ist insofern nicht eindeutig, als die M\u00f6glichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass bei Einverleibung einer so grossen Kreatinmenge, die das im Kaninchenk\u00f6rper vorhandene etwa um die H\u00e4lfte steigert, eine Transsudation in den Darm, und sei sie auch noch so gering, stattfindet. Man kann also nur sagen, dass vielleicht auch in den Geweben dieselben Zersetzungen des Kreatins vor sich gehen, wie im Darm, freilich in weniger energischer Weise.\nEs w\u00e4re w\u00fcnschenswerth die hier mitgetheilten Resultate durch quantitative Bestimmungen zu erweitern. Aber abgesehen von der Unvollkommenheit der uns hier zu Gebote stehenden Methoden zwingen mich auch \u00e4ussere Umst\u00e4nde die Arbeit jetzt abzubrechen. Ich hoffe in Kurzem auf den Gegenstand wieder zur\u00fcckzukommen.\nBerlin, 20. April 1880.\n\u2022 J\nI\nl","page":247}],"identifier":"lit16368","issued":"1880","language":"de","pages":"237-247","startpages":"237","title":"Ueber das Vorkommen und die Entstehung von Methylamin und Methylharnstoff im Harn","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:22:53.715311+00:00"}