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{"created":"2022-01-31T14:19:57.983399+00:00","id":"lit16379","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Nencki, M","role":"author"},{"name":"P. Giacosa","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 4: 339-344","fulltext":[{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"I\nUeber die Oxydation des Benzols durch Ozon und die Oxydationen\nim ThierkOrper.\nVon M. Nencki und P. Giacosa.\ni\n\u25a0 \u00ab\n(Der Redaction ziigcganKcn am 29. Juni 1880).\n{ Ausgehend von der wiederholt constatirten Beobachtung, dass zwischen den Oxydationen organischer Verbindungen mittelst Ozon und solcher im Thierk\u00f6rper eine, grosse Aehn-\n\u2022 lichkeit besteht1), haben wir in der Erwartung, dass dabei\n\u00ab \u00ab\nvielleicht Phenol gebildet werde, die Einwirkung \u00f6zonisirten Sauerstoffs auf Benzol untersucht. Houzeau und Renard2), welche bereits vor mehreren Jahren mit diesem Gegenst\u00e4nde sich besch\u00e4ftigt haben, geben an, beim Behandeln von Benzol mit Ozon, ausser Ameisen- und Essigs\u00e4ure, einen weissen, amorphen, explosiven K\u00f6rper erhalten zu haben, den sie Ozobenzol nennen. Dieser sehr unbest\u00e4ndige K\u00f6rper werde von Wasser unter Bildung von Essigs\u00e4ure gel\u00f6st und durch Alkalien gebr\u00e4unt.\nUnsere Versuchsanordnung war folgende: 5\u201410 gr. reines, \u00fcber Natrium rectificirtes und bei 79\u00b0 (710 B.) constant siedendes Benzol wurden mit dem gleichen Gewicht lprocentiger Kalilauge in ein K\u00f6lbchen gebracht, das mit einem doppelt durchbohrten Kork verschlossen war. Durch die eine Oeffnung des Korkes ging ein aufrechtstehender K\u00fchler, durch die andere eine ein wenig in den Hals hinein-ragende Glasr\u00f6hre, durch welche der ozonjsirte Sauerstoff eingeleitet wurde. Der aus dem Gasometer austretende Sauerstoff, nachdem er durch Kalilauge und concentrirte\n') Vergl. hier\u00fcber die Arbeit von Dr. Kaufmann, Journal f\u00fcr prakt. Chemie, Bd. 17, ,S. 81.\n*) Comptes rendus 1873, 3 mars.","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nSchwefels\u00e4ure gereinigt war, trat in einen G ei ssl ersehen Ozonisator. Der austretende ozonisirte Sauerstofl wurde vor dem Eintritt in das mit Benzol gef\u00fcllte K\u00f6lbchen noch durch Wasser gewaschen. F\u00fcr die dunkle electrische Entladung im Ozonisator benutzten wir sechs grosse Bunsen*sehe Elemente und einen.*Bu hm kort t sehen Apparat, der etwa 2 ctm* lange Funken gab. Das K\u00f6lbchen wurde nun auf dem Wasserbade erw\u00e4rmt; wodurch die entweichenden Benzoldampfe der Einwirkung des eintretenden Ozons ausgesetzt wurden. Die in dem K\u00fchlrohr condensirten D\u00e4mpfe fl\u00f6ssen zur\u00fcck und die durch Oxydation entstehenden sauren Produkte wurden an die verd\u00fcnnte Kalilauge gebunden. Schon nach einem halbst\u00fcndigen Einleiten des Ozons tarbte sich die untere alkalische Schicht gelblich und nach 3\u2014\u00f6st\u00fcndigem Einleiten wurde sie dunkelbraun, wahrscheinlich durch Zersetzung des Ozobenzols. Nach Verlauf dieser Zeit haben wir die Operation unterbrochen, die Fl\u00fcssigkeit zur Entfernung des gr\u00f6sstehtheils unzersetzten Benzols auf dem Wasserbade zur Trockene verdunstet, den R\u00fcckstand mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure anges\u00e4uert und aus einem Fractionirk\u00f6lbchen dost ill irt. Das schwach nach Essigs\u00e4ure riechende Destillat in einem Reagenzr\u00f6hrchen mit Bromwasser, oder besser Bromdampf versetzt, tr\u00fcbt sich stark milchig und sofort scheiden sich weisse krystallo aus, die nach ihren Eigenschaften vorwiegend aus Tribromphenol bestehen. Leider war die Ausbeute \u00e4Usserst gering. Sie betrug stets nur wenige Milligramme und trotz vielfacher Variationen der Versuchseinriohtung gelang es uns nicht, die Ausbeute wesentlich zu vermehren. Verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig noch die gr\u00f6sste Menge Phenol wurde erhalten, als wir die Benzold\u00e4mpfe in den Ozonisator selbst ein treten Hessen; nur war dies insofern nicht zul\u00e4ssig, als beim st\u00e4rkeren Strome statt stiller eleo-t rischer Entladung der Funken \u00fcbersprang und die D\u00e4mpfe entz\u00fcndete. Wir h\u00e4tten nicht unterlassen, trotz der geringen Ausbeute das Tribromphenol in f\u00fcr Analysen hinreichender Menge zu bereiten, wenn nicht noch (\u00bbine zweite Schwierigkeit dem Vorhaben sich entgegcngestellt h\u00e4tte. Der durch Brom","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"341\nerzeugte weisse krystallinische Niederschlag zeigte sich schon mikroscopisch betrachtet nicht homogen. Er bestand zum Tlieil wie das Tribromphenol aus feinen rhombischen Nadeln, zum Tlieil aus kurzen, sternf\u00f6rmig vereinigten Prismen. Wurde der Bromniederschlag mit einigen Tropfen verd\u00fcnnter Alkalien behandelt, so l\u00f6ste er sich zum gr\u00f6ssten Tlieil auf, zum kleineren aber blieb er ungel\u00f6st und erst nach l\u00e4ngerem Sch\u00fctteln erfolgte die L\u00f6sung, ln der filtrirten alkalischen L\u00f6sung erzeugte Salzs\u00e4ure einen (lockigen Niederschlag, der unter dem Mikroskope aus feinen Kryslallnadeln bestand, genau so wie eine zum Vergleich mit reinem Tribromphenol. angestellte Probe. Da wir auch den Schmelzpunkt des durch Oxydation des Benzols entstandenen und mit Brom gelallten Produktes zu niedrig \u2014 bei 84\u00b0 \u2014 fanden, so haben wir das Produkt durch Sublimation zwischen zwei Uhrgl\u00e4sern zu reinigen versucht. Das aus langen, feinen Nadeln genau vom Aussehen des sublimirten Tribromphenol bestehende Sublimat schmolz dann bei \u2018.17\u00b0. Eine andere Probe, ebenfalls sublimirten Produktes schmolz aber bei 83\u00b0. Wenn also das von uns erhaltene Produkt nicht homogen war, so ist doch die Oxydation geringer Mengen Benzols zu Phenol kaum zu bezweifeln. Es ist dies seit vorigem Jahre schon der dritte Oxydationsmodus, nach welchem Benzol direkt ui Phenol \u00fcbergef\u00fchrt werden kann. Hoppe-Sey 1er1) fand zuerst, dass Benzol mit Palladium-Wasserstoff und etwas Wasser bei Luftzutritt gesch\u00fcttelt, allm\u00e4hlig unter Bildung verschiedener K\u00f6rper oxydirt wird. Aus den Oxydatioiisprodukten des Benzols isolirte Hoppe-Seyler das Phenol, wenn auch nicht in ganz reinem Zustande und fast gleichzeitig zeigten Friede! und Crafts2), dass wenn Sauerstoff in ein Gemisch von Aluminiumchlorid und Benzol, welches bis Zum Sieden erhitzt wird, geleitet wird, man Phenol und einen rot lien Farbstoff\n3\n(ein Derivat des Phenols) erh\u00e4lt. Das Toluol liefert unter denselben Bedingungen Kresol.\n\u2018\t-V\t. \u2022\t1\nl) Berliner Berichte 1879, S. 1552.\na) Comptes rendus 1879, Vol. i\\ p. 1400.\t. .\nZeitschrift f. yhy\u00bbi<\u00abl. Chemie IV.\t/\t25\u00bb","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Zeit ul\u00ab Schnitzen 'und Nauiiyn1) die so interessante Oxydation des Benzols im Organismus fanden, war es noch nicht gelungen, durch k\u00fcnstliche Oxydation Benzol in Phenol \u00dcberzufuhren, oder wenigstens mit den damaligen\nUntersuchungsrnethoden Phenol unter den Oxydationspro-dukten nachzuweisen. Die gleichzeitig sorgf\u00e4ltig ausgef\u00fchrten Versuche von Car ins2) haben ausser Kohlens\u00e4ure nur noch Ameisens\u00e4ure, Benzoes\u00e4ure und Pldals\u00e4ure als die einzigen definirbaren Oxydationsproduktc des Benzols ergeben.\nAls nun Iloppe-Sey 1er fand, dass in Gegenwart von Palladium-Wasserstoff Benzol mit Luft gesch\u00fcttelt zu Phenol oxydirt werde und den Vorgang so erkl\u00e4rte, dass der Wasserstoff, indem er sich aus dem Molec\u00fcl O2 ein Atom O aneignet, das andere Atom O in P reiheit setzt, also in den status\nnascens versetzt \u00abactiv\u00bb macht, glaubten einige physiologische Chemiker3), dass dadurch ein Verst\u00e4nduiss t\u00fcr die Oxydations-vorg\u00e4nge im Thierk\u00f6rper \u00fcberhaupt auf experimenteller\nGrundlage er\u00f6ffnet werde.\nInsofern die Herren Baumann und Pr eusse mit udiesem allgemeinen Ausspruche sagen wollten, dass im Momente, wo der Blutsauerstoff aus den Capillaren in die Gewebe \u00dcbertritt er aus dem indifferenten in den \u00abactiven\u00bb Zustand\n\u00fcbergeht, also dass das Molec\u00fcl O2 in Atome (O2 = 0 + 0) zerfalle, sind wir mit ihrem Ausspruche einverstanden; denn auch die Oxydation des Benzols durch Ozon l\u00e4sst sich am einfachsten so erkl\u00e4ren, dass das Ozon \u2014 O3 - beim Zusammentreffen mit dem Benzol in O2 + 0 sich spaltet, also dass der Sauerstoff als Atom Benzol z\u00fc^Phenol oxydire.\nAls voreilig m\u00fcssten wir es aber bezeichnen, wenn damit gesagt werden sollte, dass durch den \u00abactiven\u00bb Wasserstoff das \u00ab Activwerden \u00bb des Sauerstoffs im Thierk\u00f6rpei geschieht. Activer Wasserstoff und \u00fcberhaupt Wasserstoff ist bis jetzt weder in den Geweben noch im Blute4) auf-\n*) Hei chert \u2022) Annalen d. *) Baumann\nu. Du Bois-Keymond\u2019s Archiv 1867. Chemie u. Pharmacie, Bd. 148, S. 70. und Pr eusse. Zeitschr. f. phys. Chemie,\nBd. :t,\n'' lo8*) Wir sehen hier nat\u00fcrlich ab von den geringen Mengen von Wasserstoff und Grubengas in der Exspirationsluft, welche ohne Zweife len F\u00e4ulnis\u00ab- und G\u00e4hrungsprocessen im Darmcanale entstammen.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"343\ngefunden worden, und es ist uns nicht wahrscheinlich, dass er \u00fcberhaupt daselbst, etwa durch fermentative Vorg\u00e4nge gebildet werde. Die l\u00f6slichen Fermente \u2014 und nur um solche kann es sich in den lebendigen thierischen Zellen normalerweise handeln \u2014 des Thier- und Pflanzenreiches zersetzen die organischen Verbindungen nur durch Hydratationen, die nicht einmal tiefgreifend sind. Produkte, wie wir sie aus diesen Verbindungen durch Oxydations-, Reductions- oder Condensationsagentien erhalten, treten dabei nicht auf. Dass bei der Zersetzung organischer Verbindungen durch den Lebensprozess gewisser Species der Spaltpilze Wasserstoff frei wird, ist bekannt. Wir sind aber nicht berechtigt, die Lebenserscheinungen dieser einzelligen Organismen ohne weiteres auf die verschiedenen Zellencomplexe des thierischen\nOrganismus zu \u00fcbertragen. Weil die F\u00e4ulniss ein Lebens-piocess ist, so folgt daraus nicht, dass, wie Mitscherlich irrth\u00fcmlicli meinte, \u00abdas Leben nur ein F\u00e4ulnissprozess sei.\u00bb\n( \u00e0 }i\u00e8v fEVTj xat\u00e0 t\u00f9\u00bbv etocMV xanjfojis'Ta:, ta o\u00e8 \u00ca\u00ee\u00cetj xax\u00e2 t\u00fbv yev&v o&x \u00e0vrtoxpt\u00eepEt.\n(Genera quidem de speciebus pr\u00e6dicantur, sed non vic\u00eessim species de generibus) Aristoteles categ. c. 5, p. 2, b. 20.\nGyinol wird im Organismus zu Gumins\u00e4ure oxydirt. Bis vor Kurzem schien diese Art der Oxydation dem Thierk\u00f6rper eigen zu sein, denn durch Oxydation des Gymols mit ver-\nd\u00fcnnter Salpeters\u00e4ure oder saurem chromsaurem Kalium und Schwefels\u00e4ure wurde nur entweder Terephtals\u00e4ure oder Terephtals\u00e4ure und Toluyls\u00e4ure erhalten. In einer Mittheilung an die Pariser Akademie zeigt Herr Etard1) an, dass Cymol durch Chromylchlorid fast quantitativ in Guminaldehyd \u00fcbergef\u00fchrt werden kann. Es entsteht in dieser Reaction zun\u00e4chst eine Doppelverbindung von der Zusammensetzung\nCg p\nC\u00ab H4<Qjja 2 (Cr02 Cla), die durch Wasser in Guminaldehyd,\nGhroms\u00e4ure und Ghromsesquioxyd gespalten wird. Der Mechanismus dieses Prozesses ist allem Anscheine nach der, dass zuerst das angelagerte Chromylchlorid durch Wasser in Chroms\u00e4urehydrat \u00fcbergef\u00fchrt wird. Das Letztere aber zer-\n\u2018j Comptes rendus 1880, T. 90, p. 534.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nfallt in erster Instanz in Chroms\u00e4ureanhydrid und sodann in Chromoxyd und Sauerstoff.\n1 ) Cr Os CI\u00bb + (Hs 0)s = Cr Os + 2 H CI\n2)\tCr Os<q[J = Hs 0 +Cr Os und\n3)\t(Gr Oa)a = Gra Oa + O2 + 0.\nEs w\u00fcrde also auch hier das Atom 0 als \u00abactiver Sauerstoff\u00bb auf das Methyl des Cyinols einwirken. Das Charakteristische aber in dieser Reaction .besteht in der Anlagerung des Ghromylchlorids an den Kohlenwasserstoff. Nach den Untersuchungen Gustavsons1) findet auch bei den Oxydationen mittelst der Friedel\u2019schen Reaction stets die Bildung solcher Additionen von den Kohlenwasserstoffen an das Aluminiumchlorid, resp. -bromid statt. Durch diese Oxydationen aber wird, gleich wie im Thierk\u00f6rper, Benzol zu Phenol und Cumol zu Gumins\u00e4ure oxydirt. Aehnlich wie im Thierk\u00f6rper geschehen ferner diese Oxydationen meistens bei niedrigen Temperaturen. Der Gedanke liegt nahe, dass auch im Thierk\u00f6rper eine \u00e4hnliche Anlagerung der verbrennbaren Bestandtheile der Gewebe an den Sauerstoff wobei der indifferente Sauerstoff des Oxyh\u00e4moglobin's \u00abactiv\u00bb werde, erfolge. Erst weitere physiologische wie chemische Forschungen k\u00f6nnen uns aber Aufkl\u00e4rung \u00fcber diese schwierigen Fragen verschaffen.\nBern im Juni 1880.\nNachschrift.\nErst nach Absendung der vorliegenden Arbeit zum Drucke sind uns die in den Liebigschen Annalen ver\u00f6ffentlichten ausgezeichneten Untersuchungen Radziszcwski\u2019s \u00abUeber die Phosphoresccnz der organischen und organisirten K\u00f6rper\u00bb zugekommen. Durch den Nachweis, dass die meisten Bestandtheile der thierischen Gewebe in alkalischer L\u00f6sung das Sauerstoflmolek\u00fcl in Atome spalten, wobei sie sich ox) -diren, hat Radziszewski auf die einfachste Weise die physiologische Oxydation erkl\u00e4rt.\n*) Berliner Berichte, 1878, S. 1842. 1879 S. 859.","page":344}],"identifier":"lit16379","issued":"1880","language":"de","pages":"339-344","startpages":"339","title":"Ueber die Oxydation des Benzols durch Ozon und die Oxydationen im Thierk\u00f6rper","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:19:57.983404+00:00"}