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{"created":"2022-01-31T12:26:54.832056+00:00","id":"lit16397","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Radenhausen, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 5: 13-30","fulltext":[{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"-I\nDie Frauenmilch.\nVon Dr. P. Radenhansen.\n(Aus dem Laboratorium de\u00ab Herrn Prof. W\u00dcRTZ. Ecole de m\u00e9decine Parla).\nUnter den Fragen der Neuzeit, welche mit der St\u00e4rke und Zahl der Bev\u00f6lkerung in Verbindung stehen und im Grunde mitwirken, die Macht eines Volkes zu bedingen, hat die Pflege der Neugeborenen zunehmend an Bedeutung ge-wonnen. Die Steigerung einer Volkszahl wird nicht nur bedingt durch Zunahme der Geburten, sondern auch durch Minderung der Sterbefalle. Unter letzteren betragen namentlich die Todesf\u00e4lle im S\u00e4uglingsalter erschreckenderm\u00e4ssen durchschnittlich lU der j\u00e4hrlichen Geburten. \u00c8s ist bekannt, dass dazu mehrere Ursachen Zusammenwirken,, dass aber vornehmlich in der Weise der Ern\u00e4hrung die Anl\u00e4sse vieler Sterbefalle zu suchen sind.\nVon keiner Seite wird bestritten, dass die Muttermilch die einzige nat\u00fcrliche Nahrung des S\u00e4uglings sei, da die Ern\u00e4hrung mit dieser eine unmittelbare Fortsetzung der. bisher im F\u00f6tal leben geschehenen bildet. Desshalb wird allseitig das grosse Gewicht darauf gelegt, dass alle M\u00fctter, sofern ihr Gesundheitszustand es erlaubt, ihr Kind selbst ern\u00e4hren. Es gibt aber bekanntlich Ausnahmefalle, die es rechtfertigen, dass eine solche Fortsetzung unterbleibe, wie namentlich erbliche Krankheitsanlage, zunehmende Schw\u00e4che* Milchmahgel u. s. w., weil hier nicht nur das Kind eine unzweckm\u00e4ssige Nahrung erhalten, sondern auch die Gesundheit der Mutter', im h\u00f6chsten Grade bedroht w\u00fcrde. Leider kommen auch noch Gr\u00fcnde hinzu, welche theils \u00e4usserst verwerflich sind, wie die Eitelkeit der M\u00fctter, oder schwer zu rechtfertigen,","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nwie angebliche Hinderung durch den Broderwerb. In vielen F\u00e4llen sind es sogar blosse Bequemlichkeit oder gewisse eingebildete Verh\u00e4ltnisse der Frauen, welche das Stillen durch Ammen zur tadelnswerthen Mode gemacht haben.\nF\u00fcr diese Ausnahmef\u00e4lle, die leider \u00fcberaus gross sind, dienen bekanntlich zwei Aushilfen: erstens Ern\u00e4hrung mittelst Menschenmilch durch S\u00e4ugammen, zweitens Ern\u00e4hrung mit Hilfe t hierischer Milch. Es ist nicht zu l\u00e4ugnen, dass die Ammemnilch das n\u00e4chstkommende Ersatzmittel der Muttermilch bildet. Vollst\u00e4ndig wird dieser Ersatz jedoch nie sein, denn nur die Muttermilch ist so eingerichtet, wie sie zur fortgesetzten naturgem\u00e4ssen] Ern\u00e4hrung gefordert wird. Der zweite Weg der k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung wurde als vollst\u00e4ndig ungen\u00fcgend und sehr sch\u00e4dlich befunden. Da namentlich Paris eine traurige Ber\u00fchmtheit erlangt hat im Punkte der t\u00f6dtlichen Wirkungen solcher k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung, so haben sich viele der dortigen Gelehrten mit dieser Frage besch\u00e4ftigt. Es w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, alle Sch\u00e4den dieses Systems, wie es heute in den meisten grossen St\u00e4dten betrieben wird, zu schildern; es gen\u00fcge desshalb hier ein Ausspruch Broch ard's,20 welcher von der Lage der Kinder, die Zieh-M\u00fcttern zrir Pflege \u00fcbergeben waren und von denen 85\u201492\u00b0/\u00bb (!) starben, sagt: \u00abIst dieses \u00fcberraschend, wenn dieselben im Sommer mit geronnener Milch ern\u00e4hrt werden und im Winter selbst kalte trinken m\u00fcssen ; wenn sie oft als einzige Nahrung eine dicke Wassersuppe haben und kaum bekleidet, auf schlechter Unterlage liegen m\u00fcssen zu dritt oder viert, manchmal in noch gr\u00f6sserer Anzahl, in dem sclieusslichsten Zustande der Unreinlichkeit und des Elends?\u00bb Dass nat\u00fcrlich die entsprechenden Folgen einer solchen Wirthschaf! nicht ausbleiben, zeigt der bekannte Ausspruch eines maire bei Paris: \u00abMein Kirchhof ist gepflastert mit kleinen Parisern.\u00bb Damit stimmt auch der bekannte Berliner Ausdruck, welcher die Zieh-M\u00fctter im Allgemeinen als Engelmacherinnen bezeichnet.\nBei solcher Lage wirtt|sich sonach die Frage auf, wie Verbesserung und Abhilfe zu schaffen sei urid hier gehen die Meinungen weit auseinander. Von der einen Seite, auf","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"15\nwelcher zumeist jene ber\u00fchmten M\u00e4nner Donn\u00e91*, Rou-chut21, Brochard20 u. A. stehen, wird empfohlen gesunde Ammen zu w\u00e4hlen, um die S\u00e4uglinge der Stadt unter den. Augen der Mutter aufzuziehen. Aber dieses Verfahren unterliegt mehreren schweren Bedenken und zun\u00e4chst am schwersten dem, dass das Leben des Stadtkindes erkaiuft wird mitr,dem Leben des Ammenkindes. Rechnet man hinzu die Demoralisation der Landbev\u00f6lkerung, die Gef\u00e4hrdung der Gesundheit und Moralit\u00e4t des Kindes, Sch\u00e4digung der Gesundheit der Amme durch ungewohnte Lebensweise, Beeintr\u00e4chtigung des Wohlseins der Mutter durch Unterdr\u00fcckung der Milch, so zeigt sich, welche Sch\u00e4den die menschliche Gesellschaft erleidet durch das Ammenwesen. Alles dieses wird nicht gen\u00fcgend in Anrechnung gebracht von denen, welche das t Ammenwesen bef\u00fcrworten und zu gleicher Zeit die k\u00fcnstliche Ern\u00e4hrung verwerfen.\nWenn eine Mutter ihr eigenes Kind nicht selbst zu stillen vermag, so muss jedenfalls ein Kind , der k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung ausgesetzt werden und zwar entweder ihr eigenes oder das der Amme. Die Frage der k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung ist also von gr\u00f6sster Bedeutung und darf nicht unter den heutigen Zust\u00e4nden vernachl\u00e4ssigt werden, wenn man sich nicht gerade den ungl\u00fccklichen Malthus\u2019schen Ideen an-schliessen will. Es ist desshalb zu untersuchen, ob die k\u00fcnstliche Ern\u00e4hrung nicht in dem Masse verbessert werden k\u00f6nne, dass sie dem nat\u00fcrlichen Zwecke gen\u00fcge; und hierf\u00fcr ist von gr\u00f6sster Wichtigkeit, die Frauenmilch sorgf\u00e4ltig zu studieren, denn ohne genaue Kenntniss ihrer Bestandtheile ist es nicht m\u00f6glich, ein ann\u00e4herndes Ersatzmittel herzustellen.\nDie f\u00fcr die folgende Untersuchung n\u00f6thige Frauenmilch habe ich durch die g\u00fctige Vermittelung des Herrn Professor Dr. W\u00fcrtz in Paris erhalten, aus der dortigen maternit\u00e9, wo den Ammen nach Vorschrift zu bestimmten Zeiten unter Aufsicht der Ober-Hebamme geringe Quantit\u00e4ten (aus Schonung der Kinder) vor und nach dem Stillen entnommen wurden.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nSpecifisches Gewicht der Frauenmilch.\nDas specifische Gewicht der Frauenmilch schwankt je nach Milchentnahme zwischen den gew\u00f6hnlichen Grenzen von 1,028 bis 1,034. L\u00e4sst man die Milch sich mehrere Stunden in der Dr\u00fcse sammeln, so zeigen bei der Probenahme die zuerst gemolkenen Antheile ein hohes specifisches Gewicht (bei geringem Fettgehalt); bei der weiteren Entleerung der Dr\u00fcse nimmt dann die Dichte best\u00e4ndig ab unter Fettzunahme. Diese Thatsache hat man bisher nicht gen\u00fcgend bei den Mittel- (Dichte-) Bestimmungen ber\u00fccksichtigt, denn n\u00e4hme z. B. ein Forscher seine Milchproben vor dem Stillen und ein Anderer sie w\u00e4hrend oder nach dem Stillen, so w\u00fcrden die Mittel der einzelnen Bestimmungsreihen erheblich von einander differiren.\nDas specifische Gewicht ' der Frauenmilch wurde von Bouchardat und Quevenne14 in den Jahren 1840\u201454 an 58 Proben bestimmt (II. S. 144). \u00abIn der Regel wurde die Milch 3\u20145 Stunden, selten sp\u00e4ter, nach der letzten Milchentnahme gemolken und zwar bis zur vollst\u00e4ndigen Entleerung. Die meisten Proben waren von Frauen, die von ihren S\u00e4uglingen seit 7\u20148 Tagen getrennt waren.\u00bb Von diesen .58 Proben blieben 4 unter 1,029; 50 waren zwischen 1,029 und 1,0335; 4 dagegen \u00fcber 1,0335. Unter den 58 Proben normaler Milchen wichen also noch 8 = 14\u00b0/o von den oben erw\u00e4hnten Mittelzahlen ab.\nBei den 130 Proben Conrad\u2019s4 zeigten 20 eine Dichte von unter 1,029; 99 waren zwischen 1,029 bis 1,033 und 12 \u00fcber 1,033; gleich einer Abweichung von 24%.\nMeymott Tidy\u2019s18 Untersuchungen erstrecken sich auf 20 Frauenmilchen mit einer Dichte von 1,027\u20141,034 und dem Gesammtmittel von 1,030. Das Gesammtmittel Ver-nois und Becquerel\u2019s17 ist 1,032. Bei 150 Frauenmilchproben, die ich zu verschiedenen Zeiten ausf\u00fchrte, schwankte das specifische Gewicht zwischen 1,026 bis 1,035 und zwar lagen zwischen 1,028 und 1,034 70% der beobachteten Proben. Das specifische Gewicht sinkt, wie schon erw\u00e4hnt,","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"17\nmit der zunehmenden Entleerung der Dr\u00fcse, so dass man aus em und derselben Dr\u00fcse leicht Milchproben von 1,034 bis. 1,028 ziehen kann.\nSomit ergibt sich, dass die Dichtbestimm\u00fcng der Frauenmilch bei nicht gar zu grossen Abweichungen von keinem entscheidenden Werthe f\u00f6r die G\u00fcte ist, da man unm\u00f6glich die Dr\u00fcse jedesmal ausmelken kann, um vom Ganzen das Mittel zu nehmen, wie dieses f\u00fcr die Kuhmilch geschieht und f\u00fcr die Markt-Polizei derselben von so grosser Bedeud\u00fcng wird. Conrad h\u00e4lt die Dichtebestimmung f\u00fcr eine geeignete. Frauenmilchprobe, die chemische Analyse aber \u00abnur theilweise maassgebend\u00bb (S. 7). Beweisgr\u00fcnde f\u00fchrt er leider nicht an.\u2019\nDie obigen Differenzen in der Dichte der Frauenmilch haben haupts\u00e4chlich ihren Grund in dem procentischen Fettgehalt ; wie gross dieselben sein k\u00f6nnen zwischen dem spec. Gewicht und Fettgehalt beweisen die Zahlen Conrad\u2019s, welcher z. B. f\u00fcr ein gleiches specifisches Gewicht von f,028 1,66%, 2,99% und sogar 4,40% Fett fand. . Es w\u00e4re sehr interessant, die Thatsache der Fettzunahme beim Melken auf\u2019 experimentell-anatomischem Wege zu erforschen; vielleicht liesse sich der einfache physikalische Vorgang der Aufrahmung nachweisen. Man k\u00f6nnte sich denken, dass die Milch bei ihrem Verweilen in den Reserve- und Ausf\u00fchrungskan\u00e4len allm\u00e4hlig aufrahme. Bei dem Melken w\u00fcrde dann die fett-\u00e4rmere Milch zun\u00e4chst ausfliessen, ohne den gr\u00f6ssten Theif der Fettk\u00fcgelchen an den oberen Wandungen der Kan\u00e4le 1 mitzureissen. Erst bei einem gewissen Zeitpunkte werden sich n die Can\u00e4lw\u00e4nde n\u00e4hern und dann wird die durchstr\u00f6mende Milchfl\u00fcssigkeit nach und nach die Milchk\u00fcgelchen mitreissen ; die austretende Milch wird also fettreicher werden. \u00abDiese Thatsachen haben nichts Auffallendes mehr, sagt schon Dr: Simon8 S. 64, wenn man annimmt, dass die Milch auch in den Br\u00fcsten ihren Rahm absetzt \u2014 was bei der Frauenmilch wegen der Gr\u00f6sse ihrer Butterk\u00fcgelchen um so schneller geschieht \u2014 insofern sie nur lange genug darin verweilt* So klei n auch die Kan\u00e4le und H\u00f6hlen der Dr\u00fcsen sein m\u00f6gen, so ist die M\u00f6glichkeit einer solchen Absonderung des Rahms\nZeitschrift f. phytiol. Chemie, V.\tf","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nnicht abzusprechen. Die fetten Theile h\u00e4ngen sich an die inneren Wandungen der Dr\u00fcsen und H\u00f6hlen und die d\u00fcnne Fl\u00fcssigkeit f\u00fcllt die R\u00e4ume derselben aus. Es wird daher beim \u00c4ussaugen zuerst die d\u00fcnne Milch erhalten werden und wenn, diese zum Theil entfernt ist, reissen sich erst die fetten Theile los.\u00bb ^\nDie zur Bestimmung des specifischen Gewichtes vorgeschlagenen verkleinerten Lactodensimeter von Quevenne und Bouchardat (II. S. 163) und namentlich von Conrad halte ich f\u00fcr sehr praktisch bei diesen Bestimmungen, wenn man solcher bedarf zu besonderen Zwecken. Die nach Conrad\u2019s Vorschrift angefertigten R\u00f6hrchen scheinen mir ein wenig zu eng zu sein, denn es machen sich Adh\u00e4sionswirkungen zwischen ihnen und dem Lactodensimeter bemerkbar und k\u00f6nnen diese leicht Fehler hervorrufen. Auch muss man sehr vorsichtig mit dem anf\u00e4nglichen Einsenken sein, denn ein zu tiefes Eintauchen ruft hier gr\u00f6ssere Fehlerquellen hervor als bei der gew\u00f6hnlichen Quevenne\u2019schen Spindel.\nDie Milchk\u00fcgelchen.\nSch\u00fcttelt man Frauenmilch mit dem gleichen Volum Aether einige Zeit und l\u00e4sst die beiden Fl\u00fcssigkeiten, sich nachher wieder trennen, so hat die untere Fl\u00fcssigkeit ihre Undurchsichtigkeit verloren. Dieser Versuch ist von weitgehender Beweiskraft. Die Milchk\u00fcgelchen werden zum gr\u00f6ssten Theil von Aether fortgenommen, sie k\u00f6nnen also kein Stroma besitzen, wie dieses f\u00fcr die Milchk\u00fcgelchen der Kuhmilch f\u00fcr bewiesen gilt11. F\u00fchrt man denselben Aether-Sch\u00fcttelversuch mit Kuhmilch aus, so verliert diese ihre Undurchsichtigkeit nicht im Mindesten. Ein Theil des Aethers dringt ein in das Milchk\u00fcgelchen-Stroma und vergr\u00f6ssert es so auf das zwei- bis dreifache. Eine Vereinigung der einzelnen \u00e4therischen Tr\u00f6pfchen, wie bei der Frauenmilch, kann des Stroma\u2019s wegen nicht stattfinden, sie werden gesch\u00fctzt vom letzteren und k\u00f6nnen sich ungehindert in Suspension erhalten. Erst bei Zusatz von Alkalien l\u00f6st sich dieses Stroma allm\u00e4blig auf und die \u00e4therische Fettl\u00f6sung kann sich vereinigen.\n- I","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Sehr interessant ist die mikroskopische Verfolgung dieses Vorganges. L\u00e4sst man das Gemenge von Frauenmilch und Aether nach dem Sch\u00fctteln ruhig einige Zeit stehen, so bilden sich drei deutlich begrenzte Schichten. Eine obere \u2014 die \u00e4therische Fettl\u00f6sung, eine untere \u2014 die Milchfl\u00fcssigkeit, in der sich nur hier und da noch ein mit Aether geschw\u00e4ngertes Milchk\u00fcgelchen entdecken l\u00e4sst und eine dritte mittlere an den Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen der beiden ersten. Hier hat sich der kleine Theil der Milchk\u00fcgelchen gesammelt, welcher mit Stroma versehen ist. Anders bei der Kuhmilch. Bei dieser erblickt man unter dem Mikroskope in der unteren w\u00e4sserigen Schicht zahlreiche, nur gr\u00f6ssere, Milchk\u00fcgelchen. L\u00e4sst man einen kleinen Tropfen dieser Fl\u00fcssigkeit auf einem Objectglase verdunsten, so verfl\u00fcchtigt sich der aufgesaugte Aether wieder,aus den Milchk\u00fcgelchen und diese zeigen dann niemals v\u00f6llig runde Gestalten. Schon wenn man diese Fl\u00fcssigkeit ohne Verdunstung des Aethers unter dem Mikroskop untersucht, so lassen die Milchk\u00fcgelchen am Rande unter dem Deckgl\u00e4schen ein best\u00e4ndiges Schrumpfen erkennen, hervorgerufen durch den Aetherverlust. Beweis geuug, dass in der Kuhmilch die gr\u00f6ssere Anzahl der Milchk\u00fcgelchen aus.nicht freien Fetttr\u00f6pfchen besteht.\nDie Gr\u00f6sse und Anzahl der Milchk\u00fcgelchen hielt man bisher f\u00fcr ein Hauptkriterium der G\u00fcte der Frauenmilch. Man hat deshalb in letzter Zeit das Z\u00e4hlen derselben zur practischen Analyse vorgeschlagen. B ou chut21 glaubte zwischen der Anzahl der Butterk\u00fcgelchen und dem Buttergehalte eine bestimmte Relation gefunden zu haben. In einem Cubicmillimeter betrug nach seinen Untersuchungen die Anzahl der Milchk\u00fcgelchen:\n5 mal\t200 \u2014\t400,000\n14 \u00bb\t400 \u2014\t600,000\n20 *\t600 \u2014 800,000\n24 \u00bb\t800 \u2014 1,000,000\n06 \u00bb\t1 \u2014 2,000,000\n27 t .\t2\t\u2014 4,000,000\n2 \u00bb\t4\t\u2014 5,000,000","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nDiese Tabelle ist von grosser Wichtigkeit, denn sie zeigt, in wie ausserordentlich feiner Verkeilung sich die Butter in der Milch befindet. Enth\u00e4lt z. B. ein Cubicmilli-meter Frauenmilch 2,427,000 Milchk\u00fcgelchen wie in einer Probe gefunden, so sind in einem Liter dieser Mich 242 Milliarden, 700 Millionen Milchk\u00fcgelchen. Die Zahlen jedoch, welche Bouchut mittheilt f\u00fcr die Relation zwischen Anzahl und Buttergewicht sind zur Analyse nicht scharf genug:\n\tMilchkflgelchen pro Cubmtr.\tDichte.\tButter im Lit\n1\t1,102,500\t1,022\t24 gr/\n2\t1,182,000\t1,021\t21\n3\t1,925,500\t1,030\t26\n4\t2,105,000\t1,028\t29\n5\t2,205,000\t1,032\t37\n6\t2,305,000\t1,030\t35\n7\t2,400,000\t1,030\t37\n8\t2,407,000\t1,033\t34\n9\t2,692,000 .\t1,030\t29\n10\t3,760,000\t1,030\t34\nDer besseren Uebersicht wegen habe ich die Zahlen Bouchut\u2019s umgerechnet auf eine Einheit von 1 gr. Butter\npro Liter. Es ergibt sich dann f\u00fcr\t\nNr. 1\t45,938 Milchk\u00fcgelchen\n2\t56,286\t\u00bb\n3\t74,060\t\u00bb\n4\t72,586\t\u00bb\n5\t59,595\t\u00bb\n6\t65,857\t\u00bb\n7\t64,865\t\u00bb\n8\t70,794\t\u00bb\n9\t92,828\t\u00bb\n10\t108,824\t\u00bb\nSolche Variationen d\u00fcrfen sich in einer analytischen\t\nMethode f\u00fcr die Praxis nicht finden *). Eine Relation zwischen\t\n\u2018) Anmerkung. Bouchut spricht sich folgendermassen \u00fcber\t\nseine Methode aus:\tSi le nombre des globules diminue dans une pro-\nportion consid\u00e9rable,\tla densit\u00e9 s\u2019abaisse dans la m\u00f4me proportion et la","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"21\nAnzahl der Milchk\u00fcgelchen und specifischen Gewicht ist ebenfalls nicht vorhanden, wenn sich bei gleichem specifischen Gewicht von 1,030 einmal 3,700,000 ein anderes nur 1,925,000 in der als Einheit angenommenen Milchm\u00eange'befinden.\nF lei sch mann* h\u00e4lt wie schon vor ihm Donn\u00e91*' und Devergie18 die Anzahl und Gr\u00f6sse, der Milchk\u00fcgelchen f\u00fcr sehr gewichtige Umst\u00e4nde bei der Beurtheilung der G\u00fcte. Die Anzahl der K\u00fcgelchen z\u00e4hlt Fleischmann nicht genau, sondern sch\u00e4tzt sie approximativ ab. Da nun selbst bei genauem Z\u00e4hlen keine Vergleichszahlen zu erhalten waren zwischen den erw\u00e4hnten Factoren, so ist leicht einzusehen, welchen Irrth\u00fcmern eine Methode ausgesetzt ist, die auch dieses gar unterl\u00e4sst, il Die Gr\u00f6s&eschwahkungen (in gewissen Grenzen) der Milchk\u00fcgelchen der Frauenmilch sind jedenfalls f\u00fcr die Verdaulichkeit von geringer Bedeutung, da jene meistens freie Fetttr\u00f6pfchen bilden; anders muss es sein f\u00fcr K\u00fcgelchen, welche ein Stroma besitzen, wie z. BL- die der Kuhmilch.\nDeutsch8 kommt bei seinen mikroskopischen Untersuchungen zu dem richtigen Resultate, \u00abdass man durch den mikroskopischen Befund der Milch wohl schwerlich in die Lage gesetzt werden d\u00fcrfte, \u00fcber die G\u00fcte der Milch ein positives Urtheil abgeben zu k\u00f6nnen.*\nAuch A h 1 f e 1 dT ist der Meinung : \u00ab Wie weit die mikroskopische Untersuchung der Milch einen Schluss auf ihre N\u00e4hrkraft abgibt, ist noch nicht endg\u00fcltig festgestefit. Auch die Resultate von F l ei sch m a nn\u2019s Untersuchungen k\u00f6nnen unseren Glauben \u00fcber die Mangelhaftigkeit dieser Art der\nUntersuchung nicht umstossen.\u00bb\n\u2014 - , \u2666\nquantit\u00e9 de beurre diminue \u00e9galement. Mais il Taut .-pour cela que la\nvariation du chiffre des globules soit assez forte. De petites diff\u00e9rences\nne se traduisent pas par des modifications tr\u00e8s-profondes de l\u00e0 densit\u00e9\net du poids de beurre. On ne peut compter qu\u2019\u00e0 un ou deux degr\u00e9s\nde diff\u00e9rence pour la densit\u00e9 et autant (? R) pour la quantit\u00e9 ds beurre. ^ \u2019\u25a0* * ,\nQuoique ces \u00e9valuations n'aient pas une pr\u00e9cision absolue, elles\nn'en constituent pas moins un r\u00e9sultat, approchant assez de la v\u00e9rit\u00e9 pour qu'on en doive tenir compte. Hygi\u00e8ne de h p. enfance 172.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nSchon die gleichm\u00e4ssige Probenahme bei solchen Untersuchungen ist mit bedeutenden [Schwierigkeiten verkn\u00f6pft. Bouchardat und Quevenne sagen (S. 160) mit Recht: Wenn man eine Analyse oder sonst eine Untersuchung der Frauenmilch ausf\u00fchren mus, so wirft sich Einem vor Allem die sehr wichtige Frage auf, zu welcher Zeit muss man die zu untersuchende Probe aus der Dr\u00fcse entnehmen? Diese Schwierigkeit findet man nicht bei den Milchen der K\u00fche und Ziegen, weil diese Thi\u00e8re aus Gewohnheit ihre Gesammt-milch immer zu einer bestimmten Stunde liefern. F\u00fcr die Frau sind diese Umst\u00e4nde ganz andere; zun\u00e4chst findet man solche, deren Milch sehr schwer fliesst beim Dr\u00fccken oder k\u00fcnstlichen Saugen, ferner muss man sich fast immer zu verstehen wissen mit einer geringen Menge, ohne das volt-st\u00e4ndige Ausmelken vorzunehmen; man ist also beinahe immer gezwungen seine Versuche mit einem Theile auszuf\u00fchren. Es ist daher unerl\u00e4sslich die Bedingungen genau anzugeben, welche man f\u00fcr die Probenahme f\u00fcr n\u00f6thig erachtet. Man k\u00f6nnte ohne diese die gr\u00f6ssten Irrth\u00fcmer begehen bei den Deductionen, welche man aus der Analyse oder der Untersuchung macht. Die Wichtigkeit dieser Behauptung wird deutlich werden, wenn man die Gehaltsunterschiede der verschiedenen Portionen eines einmaligen Melkens in Betracht zieht (S. 74). Man findet, dass z. B. die erstgemolkene Portion einer Milch bei der lactoskopischen Untersuchung 155 .ergab, bei 5,5 pro mille Butter, w\u00e4hrend die. letzte Portion lactoskopisch 92 anzeigte, bei 11,5 pro mille Buttei!\nFleischmann sucht den heiklen Punkt in der Probenahme zu umgehen, indem er anf\u00fchrt, die einzige Vorsicht, die man hierbei anzuwenden hat, ist, dass man jene Milch zur Untersuchung nimmt, welche ausfliesst, wenn die Sekretion im vollen Gang ist; also weder die ersten noch die letzten Tropfen. Doch ist dieser Vorschlag nur ein Palliativ.\nHabe ich nun im Vorhergehenden nachzuweisen gesucht, dass durch die mikroskopische Untersuchung schwerlich ein genauer Nachweis \u00fcber die G\u00fcte derselben geliefert werden k\u00f6nne, so ist und bleibt sie dennoch ein sehr wichtiges Mittel,","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"23\nConrad behauptet mit Recht auf Grund seiner Studien: Die mikroskopische Untersuchung der Frauenmilch gibt uns, wenn sie mit den n\u00f6thigen Gautelen vorgenommen wird, Aufschluss \u00fcber Beimengung fremder geformter Bestandtheile, so von Blut, Eiter, Colostrumk\u00f6rperchen,; Epithelzelleh, Detritus, \u00fcber regelmassige Vertheilung und Form der'Milchk\u00fcgelchen (Conglomerate, evidendes Ueberwiegen der einen oder anderen Form derselben) und desshalb ist sie, aber nur in Verbindung mit anderen Milchproben, f\u00fcr den Praktiker von unbestreitbar grossem Werthe und wir sind ganz mit Fleischmann einverstanden, wenn er sagt, dass derjenige Arzt, der mit der mikroskopischen Untersuchung der Frauenmilch einmal vertraut ist, dasselbe jedesmal gerne zu Rathe ziehen wird.\nDie chemische Beschaffenheit der Frauenmilch.\nAus den bisherigen Analysen geht zur Gen\u00fcge hervor, dass in den Mengenverh\u00e4ltnissen der Bestandtheile sich grosse Differenzen finden zwischen der Frauenmilch im Vergleiche mit den Milchen anderer Thiere. Es ist leicht erkl\u00e4rlich, dass das junge Kalb, welches gleich nach der Geburt laufen muss, einer Milch bedarf, die durch Reichthum an plastischer Materie geeignet ist zur Bildung seiner Muskeln. Das Kind im Gegentheil, welches nicht n\u00f6thig hat, seine Kr\u00e4fte so fr\u00fchzeitig auf die Probe zu stellen, welches also durch diese Unth\u00e4tigkeit einer W\u00e4rmequelle beraubt ist, empfangt eine Milch \u00e4rmer an Eiweiss, aber reicher an verbrennbaren Materien, Butter und Zucker (B ou chut.). Dabei zeigt die Schw\u00e4che und Durchsichtigkeit der Magenschleimh\u00e4ute und eine Untersuchung des Verdauungscanals, dass die Verdauung bei dem neugeborenen Menschen sich nur auf solche Nahrungsmittel erstrecken kann, welche vom Mageh oder DaVm-canal weder Kraft noch Aufwand zu ihrer Verarbeitung bed\u00fcrfen (Dr. B r \u00f6 c h a r d). Ist es daher. erstaunlich, dass man bei den bisherigen Versuchen mit der k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung auf so grosse Widerst\u00e4nde stiess, wenn man sich um diese wichtigen Factoren nicht im Mindesten k\u00fcmmerte? Man gab und gibt den Kindern Kuhmilch* mit Wasser ver-","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nd\u00fcnnt, in der irrthumlichen Meinung, sie erhielten so die Zusammensetzung der Frauenmilch. Gelingen dann solche falsche Versuche nicht, wie vorauszusehen war, so wird die Methode der k\u00fcnstlichen Ern\u00e4hrung sogleich im Allgemeinen als falsch proscribirt!\nDie Angaben \u00fcber die Eiweisstoffe der Frauenmilch sind sehr verschieden-, es wird desshalb n\u00f6thig sein zun\u00e4chst eine kurze Uebersicht der bereits vorhandenen Beobachtungen voranzuschicken. Die wesentlichste Eigenth\u00fcmlichkeit der Frauenmilch besteht nach Berzelius* darin, dass das in derselben aufgel\u00f6ste Casein mit den S\u00e4uren l\u00f6sliche Verbindungen bildet, weshalb also diese Milch durch S\u00e4uren nicht coagulirt wird. Nach Dr. Simon2 ist das Casein nach v\u00f6lligem Eintrocknen in Wasser leicht l\u00f6slich. Seine Verbindungen mit S\u00e4uren sind in weit gr\u00f6sserer Menge in Wasser l\u00f6slich. Es coagulirt schwierig durch Lab aus einem Kalbsmagen, was jedoch von dem freien Alkali herr\u00fchrt, nach dessen S\u00e4ttigung es ebenso, wie das aus Kuhmilch coagulirt. Aber Simon hat die Bemerkung gemacht, dass die innere Haut des Magens eines bald nach der Geburt gestorbenen Kindes die Frauenmilch sein- stark coagulirt, aber unbedeutend oder gar nicht auf Kuhmilch wirkte. F\u00fcgt man nach M. Bouchardat und Th. Quevenne (S. 150) zu Frauenmilch eine geringe Menge Essig- oder Chlorwasserstoffs\u00e4ure und erhitzt dann zum Kochen, so treten nicht dieselben Erscheinungen ein, wie im gleichen Falle bei der Kuhmilch. Man sieht niemals grosse Flocken in einer klaren Fl\u00fcssigkeit schwimmen; wenn sich solche \u00fcberhaupt bilden, (es handelt sich nur um solche, die f\u00fcr das blosse Auge sichtbar sind) so sind sie sehr klein und zeigen sich nur vereinzelt in der Fl\u00fcssigkeit. Gew\u00f6hnlich wird die Frauenmilch unter dieser doppelten Einwirkung der S\u00e4ure und der W\u00e4rme etwas matt-weisser und nur das Mikroskop zeigt die Coagulation an; man sieht, dass eine mehr oder weniger, grosse Anzahl von Fettk\u00fcgelchen sich vereinigt haben. In den von diesen frei-gelassenen Zwischenr\u00e4umen erblickt man, wenn das Gesichtsfeld mit gr\u00f6sster Aufmerksamkeit durchforscht wird, sehr","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"25\nkleine dunkle Punkte, welche sich oftmals um die Fett- . k\u00fcgelchen herum anh\u00e4ufen und dort sehr feine punktirte Wolken bilden. Oft ereignet es sich sogar, dass man selbst nach der doppelten Einwirkung nicht nur mit bloss\u00e8m Auge keine Flocken sieht, sondern selbst nicht mit dem Mikroskop, und dennoch ist sicher, dass das Gasein coagulirt ist. Unterwirft man n\u00e4mlich das nach dem Filtriren erhaltene: Serum von Neuem der Einwirkung von S\u00e4ure und W\u00e4rme, so tr\u00fcbt es sich nicht. Ein solches findet statt, wenn inan reines Frauenmilchserum, durch Filtration erhalten, unter S\u00e4urezusatz aufkocht. Es ist dieser \u00fcberhaupt der einfachste, bequemste und beweisendste Weg, um die Coagulirbarkeit der Frauenmilch durch W\u00e4rme unter S\u00e4urezusatz zu zeigen. Das normale Serum tr\u00fcbt sich hierbei immer unter Bildung von Flocken. Nach diesen Resultaten wird klar, weshalb Meggenhofen1 geglaubt hatte, dass nur einige Milehen coagulirbar seien durch Essig- und Salzs\u00e4ure und weshalb man zu der Annahme gelangte, der Haupteh\u00e4rakterzug der Frauenmilch bestehe darin, dass das Casein l\u00f6sliche Verbindungen mit den S\u00e4uren liefere, durch diese also nicht gefallt werden k\u00f6nne. Im selben Umfange kann ich die Beobachtungen der beiden Verfasser \u00fcber die Einwirkung der Satze best\u00e4tigen. Wenn man Frauenmilch s\u00e4ttigt mit schwefelsaurem Magnesium, so verdickt sie sich nicht merklich und man kann unter dem Mikroskop keine Andeutung von F\u00e4llung erkennen, obgleich eine solche unfehlbar eingetreten sein muss, wie wir sogleich sehen werden ; der Niederschlag ist in diesem Falle nur verdeckt durch Fettk\u00fcgelchen. S\u00e4ttigt man n\u00e4mlich das abfiltrirte Serum mit schwefelsaurem Magnesium, so sieht man die Fl\u00fcssigkeit allm\u00e4hlich ihre Durchsichtigkeit verlieren. Nach zwei bis drei Stunden bilden sich selbst Flocken in ziemlicher Anzahl. Diese erscheinen unter dem Mikroskop sehr fein granulirt. Die Fl\u00fcssigkeit, von Neuem filtrirt, anges\u00e4uert mit Essigs\u00e4ure und zum Kochen erhitzt, wird nur allm\u00e4hlig opalescirend ohne Flocken zu bilden. H\u00e4ngt nun diese geringere Wirkung der Agentien ab von einer Verschiedenheit in der Natur der Eiweissstofife\nj \u2022 \u25a0\t\u2022 ' ' \u25a0\t. .","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\noder liegt er nur darin begr\u00fcndet, dass die Eiweissstoffe sich in der Frauenmilch nur in geringer Menge befinden?\u00bb\nAuf- diesem Wege war also wenig Aussicht zu einem bestimmten Resultate zu gelangen. Erst nach mehreren anderweitigen Versuchen, welche ich angestellt hatte zum Erweise, die Frauenmilch enthalte nur verdaute Eiweissstoffe und die s\u00e4mmtlich, da sich diese Annahme sp\u00e4ter als unrichtig erwies, fehlgeschlagen waren, fand ich in dem Alkohol ein f\u00fcr die sp\u00e4tere Untersuchung der Eiweissstoffe geeignetes F\u00e4llungsmittel. F\u00fcr die obige Ansicht, die Frauenmilch enthalte nur verdaute Eiweissstoffe, sprach die Thatsache, dass diese Milch so grosse Mengen v\u00f6llig freier Fettk\u00fcgelchen enth\u00e4lt. Ihr Stroma glaubte ich durch Fermentwirkung schon w\u00e4hrend der Milchbildung zerst\u00f6rt. Auch die gr\u00f6ssere Gestalt der Frauenmilchk\u00fcgelchen im Vergleiche mit denen der Kuhmilch liesse sich damit in Zusammenhang bringen. Nur ein gewichtiger Punkt widerstrebte der obigen Ansicht, n\u00e4mlich die Alkalinit\u00e4t der Frauenmilch.\nEin Vorzug, welcher durch die F\u00e4llung mit Alkohol an sich schon erzielt wird, ist der, dass man die erhaltbaren kleinen Mengen Frauenmilch conserviren kann und so sp\u00e4ter eine gr\u00f6ssere Menge Material zur Verf\u00fcgung hat. Man vereinigt also nach Bestimmung des specifischen Gewichtes und der Reaction, nach der mikroskopischen Untersuchung u. s. w. die s\u00e4mmtlichen (unver\u00e4ndert gebliebenen) Reste der Frauenmilch und fallt sie, nach sorgf\u00e4ltiger Neutralisation mit sehr verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure, mit der ein- bis zweifachen Menge Alkohol. Es bildet sich hierbei ein weisser volumin\u00f6ser Niederschlag. Diesen filtrirte ich, sobald eine gen\u00fcgende Menge vorhanden war, durch ein oder mehrere nicht zu gr\u00f6sst Filter ab und wusch mit 50% kaltem Alkohol aus. Alle Waschfl\u00fcssigkeiten wurden gesammelt und vereinigt.\nA. Der noch auf dem Filter befindliche Niederschlag wurde dann mit starkem Alkohol, zur Wasserentziehung, behandelt und nachher in einem Kolben mit Aether und etwas absolutem Alkohol entfettet. Nachdem alsdann der Aether wieder durch verd\u00fcnnten Alkohol verdr\u00e4ngt worden war,","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"27\nzeigte dieser K\u00f6rper folgende Eigenschaften: Er reagirt mit Wasser angefeuchtet nur schwach sauer; in Wasser vertheilt quillt er l\u00f6sungsartig auf, in verd\u00fcnnten Sauren und fixen Alkalien ist er leicht l\u00f6slich, in verd\u00fcnntem Ammoniak l\u00f6st er sich nicht vollst\u00e4ndig, die Fl\u00fcssigkeit erscheint tr\u00fcbe. In st\u00e4rkeren Alkalien l\u00f6st er sich leicht und l\u00e4sst nach einiger Zeit Flocken von phosphorsaurem Kalk fallen. Mit zwei-procentiger Natronlauge und einigen Tropfen Bleiacetat zum Kochen erhitzt, zeigt er starke Schwarzf\u00e4rbung. Seine Asche (Calcium und Phosphorsaure, Spuren von Eisen) reagirt schwach alkalisch. In 45% Alkohol aufgeschlemmt und zum Sieden erw\u00e4rmt, ballt er sich zu groben Flocken zusammen (coagu-lirt). Die heissfiltrirte fast neutrale L\u00f6sung enth\u00e4lt nur \u00e4usserst geringe Mengen von Protalbstoffen gel\u00f6st, denn beim starken Abk\u00fchlen zeigt sie nur eine schwache Opalescenz und die Fl\u00fcssigkeit hinterl\u00e4sst beim wiederholten Abdampfen mit starkem Alkohol und einem Tropfen Essigs\u00e4ure in einer weissen Porcellanschaale einen sehr geringen gelblich gef\u00e4rbten R\u00fcckstand1). Dieser K\u00f6rper ist also nach den von Danilewsky aufgestellten Normalen ein Albumin mit geringen Beimengungen von verschiedenen Protalbstoffen. Sein Verhalten zu Ammoniak deutet^ auf Beimengungen hin, weshalb ich ihn zun\u00e4chst mit 30% (auf % pro mille mit \u00c7hlorWasserstoff anges\u00e4uertem) Alkohol so lange behandelte, als dieser noch etwas aufnahm. Im abfiltrirten salzsauren Auszuge Hess sich durch Ammoniak eine schwache - F\u00e4llung erhalten, welche sich erwies als Kalkphosphat. Ausserdem hatte der saure Weingeist eine geringe Menge Albumin in sich aufgenommen. Nach Entfernung der freien Kalkphosphate wurde das Albumin in verd\u00fcnntem Ammoniak gel\u00f6st und filtrirt, da die L\u00f6sung nicht v\u00f6llig klar war. Auf dem Filter blieb\nnach dem Auswaschen eine geringe Menge eines Eiweiss-\n'1\t* *\n*) Anmerkung. Nach einer brieflichen Mittheilurgbeobachtete\nHerr Prof. Danilewsky orange und selbst rosa gef\u00e4rbte R\u00fcckst\u00e4nde. Diese Beobachtung ist \u00e4usserst interessant. Hier war also die geringe Menge ProtalbstofTe schon zu Protalborangin und Protalbrosein uroge-wandelt worden, welche sich nicht einmal in der Kuhmilch finden. Vielleicht ist die Ursache in der Alkalinit\u00e4t der Frauenmilch zu suchen;","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nStoffes zur\u00fcck ; nach dem Auswaschen mit Wasser war dieser unl\u00f6slich in verd\u00fcnnten S\u00e4uren und Alkalien, schwer l\u00f6slich in concentrirten und hinterliess eine alkalische Asche. Wie ich schon oben angab, l\u00f6sen sich bei der Aetherbehandlung nicht alle Milchk\u00fcgelchen der Frauenmilch, es war also vorauszusehen, dass die geringe Quantit\u00e4t des Stromaalbumins hier Zur\u00fcckbleiben w\u00fcrde. Auch die geringe Menge Eisen, welche die Frauenmilch enth\u00e4lt, war in der Asche dieses unl\u00f6slichen R\u00fcckstandes nachzuweisen, w\u00e4hrend das Albumin nn Filtrate nicht eisenhaltig ist. Das albuminhaltige Filtrat wurde vorsichtig mit Salzs\u00e4ure neutralist und durch Alkohol gefallt. Ohne Alkoholzusatz ist die F\u00e4llung schwierig, der entstehende Niederschlag fein gallertig, also sehr schwer fil-trirbar. Nach dem Abfiltriren wurde das Albumin mit 45% Alkohol ausgekocht, zur Entfernung der wenigen Protalb-stoffe, und schliesslich mit Alkohol und Aether getrocknet. Es enth\u00e4lt zwischen 1,4 un i 1,5% Asche und 1,2 bis 1,3% Schwefel: f\u00fcr die Analysen war die Substanz bei 110\u00ae getrocknet. Das chemische Verhalten dieses Albumins ist \u00e4hnlich dem fr\u00fcher beschriebenen Caseoalbumin der Kuhmilch11.\nB. Die obenerw\u00e4hnten Waschfl\u00fcssigkeiten wurden im VVasserbade destillirt und eingeengt; es scheidet sich hierbei eine geringe Menge Kalkphosphat in feinen Flocken aus. Unterbleibt jedoch die anfangs erw\u00e4hnte Neutralisation, so f\u00e4llt hier neben dem Kalkphosphat das in L\u00f6sung gebliebene Albumin ; die Flocken zeigen dann mit zweiprocentiger Natronlauge und essigsaurem Blei gekocht Schw\u00e4rzung. In der von den Flocken abfiltrirten L\u00f6sung bewirkt Alkohol keinen Niederschlag, die Millon\u2019sche Reaction war aber noch vorhanden. Durch F\u00e4llung mit essigsaurem Blei in schwach essigsaurer L\u00f6sung und nachherige Zersetzung mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure, in der fr\u00fcher bei der Kuhmilch angegebenen Weise, konnte ich eine geringe Quantit\u00e4t eines Peptons gewinnen. Nach Entfernung desselben zeigte die Fl\u00fcssigkeit keine Millon'sche Reaction mehr.\nDer Milchzucker der Frauenmilch gleicht in seinem\nchemischen Verhalten dem Kuhmilchzucker, er ist frei von","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"in heissem Alkohol l\u00f6slichen Zuckerarten. Aus der obigen Fl\u00fcssigkeit gewinnt man ihn in bekannter Weise durch mehrfache Alkoholfallung zur Entfernung, der Extractivstoffe.\nAls Resultat obiger Untersuchung ergibt sich nun:\n1)\tDie Milchk\u00fcgelchen der Frauenmilch sind zum gr\u00f6ssten Theil freie Fettk\u00fcgelchen;\n2)\tDie Frauenmilch enth\u00e4lt kein Casein, sondern nur ein Albumin mit geringen Beimengungen von Protalbstoffen und Pepton, wie sich solche schon im Blute finden1*. Damit h\u00e4ngt zusammen die alkalische Beschaffenheit\nder Frauenmilch. Erst wenn die Protalbstoffe in gr\u00f6sserer Menge auftreten, verliert die Milch ihre Alkalinit\u00e4t und wird amphigen, wie z. B. die Kuhmilch.\nIn diesen beiden Punkten weicht die innere Beschaffenheit weit ab von der Kuhmilch, in welcher die Protalbstoffe in grosser Menge enthalten sind. Erw\u00e4gt man ferner die fast best\u00e4ndige saure Reaction und leichte S\u00e4urungsfaHigkeit der Kuhmilch im Gegens\u00e4tze zur steten Alkalinit\u00e4t und schweren S\u00e4uerung der Frauenmilch, auch das Ueberwiegen des Zuckers \u00fcber das Eiweiss in der letzteren, so w\u00e4chst damit noch die Verschiedenheit beider Mildien, welche als solche in ihrem physikalischen Verhalten den Medizinern l\u00e4ngst bekannt war.\nDem Kinde wird also in der Muttermilch, wie oben auf Grund anatomischer Verh\u00e4ltnisse gefordert, eine Nahrung gegeben, welche durch S\u00e4uren und Lab nicht derartig ver\u00e4ndert wird bei der [Verdauung, dass sie auf die zarten Verdauungsorgane st\u00f6rend wirken k\u00f6nnte. Dagegen muss dieses eintreten, wenn man einem Kinde Kuhmilch auch in der \u00fcblichen Verd\u00fcnnung reicht. Will man daher die Muttermilch ersetzen durch thierische Milch, so muss man mit dieser zun\u00e4chst solche Ver\u00e4nderungen vornehmen, dass' sie in ihrem chemischen Verhalten mit jener m\u00f6glichst gleichwerthig gemacht werde. Die L\u00f6sung dieser Aufgabe W\u00e4re dem Vereinten Bem\u00fchen der Aerzte und Chemiker auf das Dringendste zu empfehlen.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nVerzeichniss der benutzten Literatur.\n2.\n3.\n4.\n5.\n8.\n9.\n10.\n11.\n1. Heggenhofen. Digs, inaug. sistens indigationem lactis muliebris chemicam. Frankfurt 1826.\nSimen.. Die Frauenmilch nach ihrem chemischen und physiolo-gischen Verhalten. Berlin 1838. Verlag von Albert F\u00f6rstner. Notiz in Wagner's Handw\u00f6rterh. d. Physiologie. II. 464.\nWildenatein. Analyse der Frauenmilch. Journal f\u00fcr praktische Chemie 1853. 58, 28.\nDr. F. Conrad. Untersuchung der Frauenmilch. Bern 1880. Benno Martiny. Die Milch. Danzig 1871.\n6. Fleischmann. Oesterr. Jahrb\u00fccher f\u00fcr P\u00e2diatrik, VII. Jahrg. 1870, 71, 72, 106\u2014107, 167\u2014184. Referatentheil 5, 6.\n7* Ahlfeld. Ueber Ern\u00e4hrung des S\u00e4uglings an der Mutterbrust. Leipzig 1878, 45.\nDentoeh. Jahrbuch d. Kinderheilkunde. Leipzig 1876. 9. 309\u2014318. Beriolins. Lehrbuch der Chemie. Bd. VII.\nA. Dantlewsky. Berichte d. russischen chem. Gesellschaft 1880. 12. 3 und 4.\nA. Danilewsky und P. Radenhaosen. Petersen's Forschungen Heft 9.\t6 \u2019\n12.\tN. Gerber und P. Radenhansen. Petersen\u2019s Forsch. Heft 7.\n13.\tF. Ney. Die Kuhmilch in der Kinderstube. M\u00fcnchen, Verlair von\nFinsterlein 1881.\n14.\tBouehardat et Qnevenue. Du lait. Paris 1857.\n15.\tDonn\u00e9 Du lait et en particulier de celui des nourrices, Paris 1837,\n\u2014 Cours et atlas de microscopie, Paris 1614. Notiz in Comptes rendus, 17, Paris 1843.\n\u2014 Conseils aux m\u00e8res. Sixi\u00e8me \u00e9dition, Paris 1880.\nBlot. Annales de gyn\u00e9cologie. Paris. T. 6, 449, 1875.\nVernois et Becquerel. Comptes rendus, 36, 1853.\n18. Devergle. M\u00e9moire de l'Acad\u00e9mie royale de m\u00e9decine 1843. T. 10. Notiz in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern 45, 3\u00ab5.\nMadame Br\u00e8s. De l\u2019allaitement. Th\u00e8se, Paris 1875,\nDr. Brochard. De l'allaitement maternel. Paris 1868.\nBoiekit. Annales de gyn\u00e9cologie. Paris, 7. 455, 1877.\n\u2014 Gazette des h\u00f4pitaux 9. 10, 1878.\n\u2014 Hygi\u00e8ne de la premi\u00e8re enfance, Paris 1879.\nBulletin de la soci\u00e9t\u00e9 protectrice de l'enfance. Paris.\nMeymott Tidy. On human milk. Clin, lectures and reports of the London Hospital. IV. 1867\u201468. Notiz in Henle\u2019s Zeitschrift 1869, 35. 269.\nDr. Biedert* Die Kinderern\u00e4hrung im S\u00e4uglingsalter* Stuttgart 1880.\n16.\n17.\n19.\n20. 21.\n22.\n23.\n24.","page":30}],"identifier":"lit16397","issued":"1881","language":"de","pages":"13-30","startpages":"13","title":"Die Frauenmilch","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:26:54.832062+00:00"}