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{"created":"2022-01-31T12:27:33.389439+00:00","id":"lit16398","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Lunin, N.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 5: 31-39","fulltext":[{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Bedeutung der anorganischen Salze f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Thieres.\nVon N. Lualn.\n(Per Redaction zagegangen am 26. November 1680);\nDie Bedeutung der anorganischen Salze f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Thieres ist eine wesentlich andere, als die der organischen Nahrungsstoffe. Die organischen Nahrungsstoffe dienen dem Organismus als Kraftquelle ; es werden mit ihnen dem Thierk\u00f6rper chemische Spannkr\u00e4fte zugef\u00fchrt, welche bei der Spaltung und Oxydation derselben in diejenigen Formen der lebendigen Kraft sich umsetzen, welche alle Functionen des Thieres hervorbringen. Die organischen Nahrungsstoffe dienen also dem Thierk\u00f6rper gerade durch ilir\u00e9 Zersetzung. Die Nothwendigkeit ihrer fortw\u00e4hrenden Erneuerung ist daher nicht blos ein Erfahrungssatz; sie ist auch a priori unmittelbar einleuchtend. Ganz anders verh\u00e4lt es sich mit den anorganischen Salzen. Diese werden schon in der h\u00f6chsten Oxydaiionsstufe in den K\u00f6rper eingef\u00fchrt, k\u00f6nnen also einer weiteren Oxydation nicht mehr unterliegen, sie k\u00f6nnen in keiner Weise abgenutzt und unbrauchbar werden. Es ist daher a priori nicht einzusehen, weshalb sie einer fortw\u00e4hrenden Erneuerung bed\u00fcrften. Es ist sehr wohl denkbar, dass der ausgewachsene1) Organismus, wenn ihm nur die organischen Nahrungsstoffe zugef\u00fchrt werden, im Stande sei, den einmal vorhandenen Vorrath an anorganischen\n*) Ist der Organismus im Wachsthum begriffen, so bedarf er nat\u00fcrlich der anorganischen Stoffe zum Aufbau seines Knochenger\u00fcstes etc. und in dieser Beziehung hat Liebig Recht, wenn er sagt, dass \u00abNahrung ohne Salze f\u00fcr den Ern\u00e4hrungszweck ebenso gleichg\u00fcltig sei, als wenn die Tliiere Steine genossen hatten.\u00bb","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"Salzen zur\u00fcckzuhalten und die normale Zusammensetzung der Gewebe zu bewahren. Jedenfalls d\u00fcrfte man erwarten, dass, wenn er auch allm\u00e4hlich von seinen Salzen einen kleinen Theil verliert, er doch sehr lange Zeit mit dem einmal vorhandenen Vorrath ausk\u00f6mmen werde.\nSicher entscheiden l\u00e4sst sich diese Frage nur auf experimentellem Wege. Bisher sind derartige Versuche nur einmal ausgef\u00fchrt worden von Forster1). Forster f\u00fctterte Hunde und Tauben mit Fett, St\u00e4rkemehl und Fleischr\u00fcckst\u00e4nden, die bei der Bereitung des Liebig\u2019schen Fleischextraktes gewonnen wurden und welche er vorher mehrere Male mit heissem Wasser ausgelaugt hatte. Diese Versuche ergaben das auffallende Resultat, dass die Thiere sehr rasch zu Grunde gingen, wie es scheint rascher8), als bei v\u00f6lliger Nahrungsentziehung. Daraus zog Forster den Schluss: \u00abDer im Uebrigen in Stoffgleichgewicht sich befindende thie-rische Organismus bedarf zur seiner Erhaltung der Zufuhr gewisser Salze; sinkt die Zufuhr unter eine gewisse Grenze oder wird sie g\u00e4nzlich aufgehoben, so gibt der K\u00f6rper Salze ab und geht daran zu Grunde.\u00bb\nVon Dr. G. Bunge wurde in der Zeitschrift f\u00fcr Biologie Band X, Seite 130 aber darauf aufmerksam gemacht, dass F\u00f6rster bei der Erkl\u00e4rung seiner Versuche einen wesentlichen Umstand ganz unber\u00fccksichtigt gelassen: Die Bildung von freier Schwefels\u00e4ure, aus dem Schwefel des Eiweiss.\nDas Eiweiss enth\u00e4lt ein bis zwei Prozent Schwefel; bei der Zersetzung und \u00d6iydation des Eiweiss geht dieser\n\u2018) F\u00f6rster. Zeitschrift f\u00fcr Biologie Bd. IX. Versuche \u00fcber die Bedeutung der Aschenbestandtheile in der Nahrung.\n*) Der eine von den Forste r\u2019sehen Versuchshunden, von 26,77 kg K\u00f6rpergewicht, musste am 34. Tage anderes Futter erhalten, da er zn matt und schwach geworden war und sein Ende in den n\u00e4chsten Tagen bevorzustehen schien. Der 2. Hund, von 30 kg. K\u00f6rpergewicht, musste aus demselben Grunde am 24. Versnchstage get\u00f6dtet werden. C. P. Falk (Beitr\u00e4ge zur Physiologie etc. Stuttgart 1875) gibt an, dass ein Hund bei ihm zwei Monate obuc Nahrung lebte und Franz Hotirtann (Zeitschrift f\u00fcr Biologie Bd. VIII, S. 154) beobachtete an mehreren Hunden den Hungertod erst nach 40 Tagen.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"da\nSchwefel zum gr\u00f6ssten Theil in Schwefels\u00e4ure \u00fcber. Unter normalen Verh\u00e4ltnissen wird die Schwefels\u00e4ure \u00e0n die basischen Salze (kohlensaures, pflanzensaures, basisch phosphorsaures Alkali, Alkalialbuminat), welche jede Nahrung enth\u00e4lt, gebunden. Sind aber, wie in den Forster\u2019schen Versuchen, diese basischen Salze der Nahrung ausgelaugt, so m\u00fcssen wir a priori erwarten, dass die Schwefels\u00e4ure In dem Masse, als sie sich bildet, dem Gewebe des Organismus die basischen Bestandteile entzieht. Diese Ver\u00e4nderung der normalen Zusammensetzung der Gewebe m\u00fcsste als; wahrscheinlichste Ursache des raschen Zugrundegehens der Forster\u2019schen Versuchstiere erscheinen.\nDie Richtigkeit dieser aphoristischen Erkl\u00e4rung auf experimentellem Wege zu pr\u00fcfen, wurde mir von Dr. G. Bunge proponirt.\nAls Versuchsthier w\u00e4hlte ich die Maus. Bei Versuchen, an M\u00e4usen hat man den Vorteil zu gleicher Zeit an vielen experimentiren zu k\u00f6nnen, da bei ihrer Kleinheit die Beschaffung des n\u00f6thigen Futterquantums keine Schwierigkeiten verursacht. Benutzt wurden nat\u00fcrlich nur ganz ausgewachsene M\u00e4use. Sie wurden einzeln in aus stark verzinntem Draht gefertigten K\u00e4figen, gehalten, die einen Boden aus matt geschliffenem Glas hatten, von dem man sie zur Reinigung leicht abheben konnte. Zugleich waren die Th\u00f6ren so angebracht, dass es jedesmal ohne Schwierigkeiten gelang, die M\u00e4use aus einem K\u00e4fig in den anderen hin\u00fcberzulassen.\nDas Futter, das aus coagulirter und dann gut ausgewaschener Milch und Rohrzucker bestand, wurde den M\u00e4usen in kleinen Glasgefassen gereicht. Zum Trinken erhielten sie destillirtes Wasser.\nDas Futter wurde auf folgende Weise dargestellt: Die Milch wird auf das anderthalb bis zweifache ihres Volumens mit Wasser verd\u00fcnnt und dann so viel Essigs\u00e4ure hinzugef\u00fcgt, bis man eine deutlich saure Reaction bekommt. Die Milch gerinnt dann ganz feinflockig. Der Niederschlag wird anfangs zweimal mit essigs\u00e4urehaltigetil Wasser, dann etwa zw\u00f6lf- bis f\u00fcnfzehnmal mit destil-\nZeitechrift f. phyniol. Chemie V.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nlirtem Wasser durch Decantiren ausgewaschen. Dieses Goagulum besteht aus Casein und Fett ungef\u00e4hr zu gleichen Theilen und enth\u00e4lt nach mehrfachen Bestimmungen an Verschiedenen Pr\u00e4paraten blos 0,05 bis 0,08 \u00b0/o Asche. Die Substanz, die zur Bestimmung der Asche diente, wurde erst bei 120\u00b0 C. getrocknet. Die unmittelbaren Ergebnisse der Aschenbestimmungen waren folgende :\ngrm.\t*C.\tAsche\t#/o.\n10,7262 der bei 120 getr. Subst. ergaben 0,0069 also 0,065\n10,1992\t*\t120\t\u00bb\t\u00bb\t0,0066\t\u00bb 0,064\n9,53\t\u00bb\t120\t\u00bb\t\u00bb\t0,0049\t\u00bb 0,052\n7,4988\t\u00bb\t120\t\u00bb\t\u00bb 0,0062 \u00bb 0,08\n2,5124\t\u00bb\t120\t\u00bb\t\u00bb\t0,0017\t\u00bb 0,07\nVerd\u00fcnnt man die Milch zu stark mit Wasser, wie es Hoppe-Seyler zur Bestimmung des Casein angibt, oder setzt man blos so viel Essigs\u00e4ure hinzu, um den Neutralisationspunkt zu treffen, so gerinnt die Milch in grossen Flocken, die sich sehr schwer aus-waschen lassen. Wenn diese Nahrung auch nicht ganz aschenfrei ist, so enth\u00e4lt sie doch bedeutend weniger Asche als das Nahrungsgemisch, dessen Forster sich bediente. Der Aschengehalt seiner Fleischr\u00fcckst\u00e4nde betrug 0,8 \u00b0/o, also zehnmal mehr als derjenige des Milch-coagulums in meinen Versuchen. Als Kohlehydrat wurde Zucker in Form von Rohrzucker gegeben, der auf seine Asche gepr\u00fcft ganz unw\u00e4gbare Mengen davon ergab.\nAls Schlafst\u00e4tte wurde den M\u00e4usen Watte1) in einem gr\u00f6sseren Glassch\u00e4lchen in den K\u00e4fig gestellt. Die K\u00e4fige standen an einem ruhigen Orte von gleichm\u00e4ssiger Zimmer-\n') Als WaUe benutzte ich die sogenannte \u00abhygroscopische Watte\u00bb, die vor dem Gebrauch erst mit salpettrs\u00e4urehaltigem Wasser, dann mit destillirtem Wasser, so lange ausgewaschen wurde bis keine Spur von saurer Reaction aufzuweisen war. Die so behandelte Watte enthielt 0,05*/\u2022 Asche. Uebrigens wurde die Watte von den M\u00e4usen nicht gefressen. Nur in einem Falle wurde bei der Section eine erhebliche Menge Watte im Magen gefunden, in allen \u00fcbrigen F\u00e4llen entweder gar nicht oder nur Spuren.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"35\nTemperatur und wurden t\u00e4glich gewaschen. Ebenso wurde die Watte, sobald sie etwas verunreinigt war, gewechselt. Unter solchen Verh\u00e4ltnissen k\u00f6nnen die M\u00e4use bei geeignetem Futter sehr lange leben. So lebten z. B. zwei M\u00e4use, die nur mit Milch gefuttert wurden 2% Monate in der Gefangenschaft und wurden, als ich meine Versuche beendigte, , in.ganz gesundem Zustande in Freiheit gesetzt.\nVon vier M\u00e4usen, die blos destillirtes Wasser erhielten, lebten zwei je drei Tage und zwei je vier Tage. F\u00fcnf M\u00e4use mit der angegebenen fast aschenfreien Nahrung gef\u00fcttert lebten 11, 13, 14, 15, 21 Tage.\nNachdem wir nun constatirt hatten, wie lange ungef\u00e4hr die M\u00e4use mit unserer aschenarmen Nahrung zu leben im Stande waren, machten wir uns daran, die Wirkung der Schwefels\u00e4ure, zu pr\u00fcfen. Der Schwefelgehalt des Casein wurde auf 1,5% angenommen und so viel absolut reines kohlensaures Natron zur Nahrung hinzugef\u00fcgt, dass auf ein Aequivalent Schwefel ein Aequivalent Natrium kam* dass also, falls auch aller Schwefel in Schwefels\u00e4ure sich umwandeln sollte, nur das saure Salz, nicht aber freie Schwefel-s\u00e4ure sich bilden k\u00f6nne.\t*\nSechs M\u00e4use mit dieser Nahrung gef\u00fcttert lebten 16, 23, 24, 27, 30, 36 Tage.\nVergleichen wir nun diese Zahlen mit den vorhergehenden, so fallt die l\u00e4ngere Lebensdauer dieser mit kohlensaurem Natron gef\u00fctterten M\u00e4use sofort auf.\nNun konnte der Einwand gemacht werden : Die Thiere lebten l\u00e4nger nicht in Folge der Neutralisation der Schwefels\u00e4ure, sondern, weil sie \u00fcberhaupt einen Aschenbestandtheil zur Nahrung erhielten. Um diesen Einwand zu entkr\u00e4ften, gab ich jetzt sieben M\u00e4usen zu ihrem Futter ganz dieselbe Menge Natrium; dieses Mal aber als Chlornatrium, also als neutrales Salz, welches keine S\u00e4ure mehr zu binden vermag. Jetzt erhielten die M\u00e4use zwei Aschenbestandtheile: Natrium und Chlor, mussten also, falls unsere Theorie falsch w\u00e4re, damit l\u00e4nger leben, als mit einem Aschenbestandtheil, dem Natrium allein.","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zahlen die sieh bei dieser Versuchsreihe ergaben waren 6, 10, 11, 15, 16, 17, 20.\nDie M\u00e4use lebten also mit Ghlprnatrium, mit zwei Aschenbestandtheilen, k\u00fcrzere Zeit, als mit einem Aschen-bestandtheil und nicht l\u00e4nger als bei der F\u00fctterung mit aschenfreier Nahrung. Die Ursache des raschen Todes scheint also die Wirkung der freien Schwefels\u00e4ure zu sein.\nBei Zuf\u00fcgung des kohlensauren Natron, war die Lebensdauer doppelt so lang, als ohne diesen Zusatz, aber immer noch auffallend Kurz. Daher sollten folgende Versuche entscheiden, ob dieThiere mit derselben Nahrung unter Beif\u00fcgung einer k\u00fcnstlichen Salzraischung leben k\u00f6nnten. Zur Herstellung dieser Sahmischung benutzte ich die Durchschnittszahlen, die Dr. 6* Bunge1) in seinen Analysen der Milch gefunden hatte. Um allen Anforderungen der Salzmischung zu gen\u00fcgen, wurde noch etwas Fluorcalcium hinzugef\u00fcgt. Bei der Berechnung der zuzusetzenden Aschenmenge, richtete ich mich nach den Durchschnittswerthen der verschiedenen Milchanalysen, welche Gorup-Besanez in seinem Lehrbuch der physiologischen Chemie zusammengestellt hat. Die Durchschnittszahl betrug aut 100 gr. Trockensubstanz 4 gr. Asche.\nMit dieser so bereiteten Nahrung f\u00fctterte ich 6 M\u00e4use und erhielt folgende Zahlen: 20, 23, 23, 29, 30, 31 Tage.\nDiese Thatsache, dass die M\u00e4use trotz aller Aschen-bestandtheile nicht l\u00e4nger zu leben im Stande waren, als mit dem kohlensauren Natron allein, best\u00e4rkte mich noch mehr in dem Argwohn ; die Lebensbedingungen und die Einf\u00f6rmigkeit \u2022) der Nahrung seien den M\u00e4usen nicht zutr\u00e4glich und dieses allein gen\u00fcge, um die Todesursache abzugeben. Es blieb mir also nur der Versuch \u00fcbrig, den M\u00e4usen unter denselben Lebensbedingungen die unver\u00e4nderte Milch zu geben, um zu sehen, ob sie mit diesem Nahrungsmittel zu leben im Stande w\u00e4ren oder nicht.\n*) Der Kali, Natron und Chlorgehalt der Milch etc. von 6. Bunge.\n\u25a0) Man k\u00f6nnte vermuthen, die Thiere h\u00e4tten die Aufnahme der einformiiren Nahrung verweigert. \u2014 Aber sie frassen thats\u00e4chlich bis zntetit und die Sectionen ergaben, dass der Magen fast immer Speise enthielt; nur in seltenen F\u00e4llen war der Magen leer.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"87\nZu diesem Behufe f\u00fctterte ich anfangs eine Anzahl M\u00e4use nur mit frischer Milch. Die Milch gerinnt aber bei Zimmertemperatur in den kleinen Gef\u00e4ssen sehr schnell, wozu noch die Verunreinigung derselben durch die M\u00e4use hinzukommt und alle M\u00e4use starben mir in wenigen Tagen, Ob nun die Todesursache in der Milchs\u00e4ure lag, die im Verh\u00e4ltnis zum K\u00f6rpergewicht in zu grossen Mengen zugef\u00f6hrt wurde, oder in irgendeinem anderen Umstande will ich fur\u2019s erste unentschieden lassen. Um dem Sauerwerden der Milch vorzu-beugen, dickte ich dieselbe auf dem Dampfbade fast bis zur Trockene ein und f\u00fctterte mit dieser eingetrockneten Milch die M\u00e4use.\nVon drei Thiercn, die damit gef\u00fcttert wurden, starb eines nach 47 Tagen, zeigte aber * bei der Section (die Anzeichen einer Darmverschlingung; die beiden anderen lebten in der Gefangenschaft zwei und einen halben Monat, nahmen an K\u00f6rperumfang bedeutend zu, blieben stets munter Und wurden endlich, als ich meine Versuche einstellte, vollkommen munter, gesund und in sehr gutem Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde in Freiheit gesetzt.\nDie M\u00e4use konnten also unter diesen Lebensbedingiing\u00e8n bei geeigneter Nahrung sehr wohl bestehen; da sie nui) aber, wie die obigen Versuche lehren, mit Albuminaten, Fett, Zucker, Salzen und Wasser nicht zu leben vermochten, so folgt daraus, dass in der Milch ausser dem Gasein, Fett, Milchzucker und den Salzen noch andere Stoffe vorhanden sein m\u00fcssen, welche f\u00fcr die Ern\u00e4hrung unentbehrlich sind. Diesen Stoffen nachzusp\u00fcren und ihre Bedeutung f\u00fcr die Ern\u00e4hrung zu erforschen, w\u00e4re eine Untersuchung von hohem Interesse.\nDie organischen Phosphorverbindungen waren, wie nach den L\u00f6slichkeitsverh\u00e4ltnissen des Lecithin's und Nuclein's zu erwarten stand, nicht vollst\u00e4ndig ausgelaugt ; denn eine quantitative Bestimmungder Phosphors\u00e4ure in 6,5 grm. Trockensubstanz ergab 0,005 grm. Phosphors\u00e4ure, also 0,076%. Der Procentgehalt der Gesammtasche schwankte aber zwischen 0,05 und 0,08% ; also m\u00fcssen ausser den phosphorsauren Salzen noch","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\norganische Phosphorverbindungen vorhanden gewesen sein. Die Bestimmung der Phosphors\u00e4ure geschah durch Ein\u00e4schern mit Salpeter, Ausfallen mit molybd\u00e4nsaurem Ammon, L\u00f6sen in Ammoniak und wieder Ausf\u00e4llen mit Magnesiamixtur.\nDie Todesursache der M\u00e4use, die alle Salze erhalten hatten, kann vielleicht auch darin gesucht werden, dass die normalen Verbindungen der anorganischen Bestandtheile mit den organischen durch das Coaguliren und Auslaugen zerst\u00f6rt waren. M\u00f6glicher Weise darf auch der Milchzucker nicht durch den Rohrzucker ersetzt werden. \u2014 Versuche in dieser Richtung sind jedenfalls w\u00fcnschenswerth.\nZur Gontrolirung der Richtigkeit der Theorie \u00fcber die alkalienentziehende Wirkung der Schwefels\u00e4ure stellte ich noch eine Reihe von Versuchen an, in denen alles genau ebenso blieb, wie in den fr\u00fcheren Versuchen, nur dass statt des kohlensauren Natron und des Chlornatrium die \u00e4quivalenten Mengen von kohlensaurem Kali und Ghlorkalium angewandt wurden.\nMit kohlensaurem Kali erhielt ich folgende Zahlen: 16, 18, 24, 25, 18, 32, 35 und mit Ghlorkalium 7, 13, 13, 14, 10,13.\nDiese Zahlen best\u00e4tigen wiederum unsere Voraussetzung ; anch hier lebten die Thiere mit einem Aschenbestandtheil l\u00e4nger als mit zweien.\nHierbei m\u00f6chte ich darauf aufmerksam machen, dass diese Resultate im Widerspruche stehen zur Ansicht Kemmerich\u2019s (Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, Bd.II, S. 79), welcher den Kalisalzen eine gr\u00f6ssere Bedeutung bei der Ern\u00e4hrung zuschreibt als den Natronsalzen.\nMan k\u00f6nnte diese Versuche auch so anstellen, dass man statt des kohlensauren Natron und Kali sich eines anderen K\u00f6rpers bediente, der die Eigenschaften einer starken Base besitzt und sich dem thierischen Organismus gegen\u00fcber ganz indifferent verh\u00e4lt. Ein solcher Stoff w\u00e4re z. B. das kohlensaure Ammon oder das Kreatinin, welches bekanntlich im Thierk\u00f6rper nicht zersetzt wird. Es w\u00e4re jedenfalls zu w\u00fcnschen diese Versuche mit dieser Modification zu wiederholen.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"39\nDie bisherigen Versuche waren so angestellt, dass die Schwefels\u00e4ure nur mit einem Aequivalent Natrium neutralist wurde. Durch die folgenden Versuche sollte daher entschieden werden, wie die Thiere sich verhalten w\u00fcrden, wenn man der Nahrung mehr kohlensaures Natron zusetzt. Bei dieser Versuchsreihe wurde doppelt so viel kohlensaures Natron zur Nahrung hinzugef\u00fcgt als in den Versuchen auf Seite 5 und es ergaben sich folgende Zahlen :\nMit kohlensaurem Natron 11, 12, 13, 15, 18, 21 und mit Chlornatrium 6, 11, 5, 15, 15.\nDass diese Thiere schneller starben, als die in der Versuchsreihe auf Seite 5, mag wohl daraus sich erkl\u00e4ren, dass das Natronsalz durch Massen Wirkung die anderen Salze aus dem Gewebe verdr\u00e4ngt hatte. Steigerte man die zugesetzte Menge des Natronsalzes noch mehr, so gingen die Thiere noch rascher zu Grunde.\nEs scheint mir, dass die mitgetheilten Versuche auch auf die Frage nach der Entstehung des Harnstoffes aus dem kohlensauren Ammon einiges Licht werfen. Wird kohlensaures Ammon in den Organismus der S\u00e4ugethiere eingef\u00fchrt, so wird es in Harnstoff umgewandelt. Daraus folgt aber noch nicht, dass auch unter normalen Verh\u00e4ltnissen das kohlensaure Ammon die Vorstufe des Harnstoffs sei. W\u00e4re dieses der Fall, w\u00fcrden die Albuminate im Thierk\u00f6rper in derselben Weise zersetzt, wie ausserhalb des Organismus bei der Verwesung, so dass die Hauptmasse des Stickstoffs aus dem Zersetzungsprozesse in Form von Ammoniak hervorginge und erst nachtr\u00e4glich in Harnstoff umgewandelt w\u00fcrde, so m\u00fcsste f\u00fcr die S\u00e4ttigung der Schwefels\u00e4ure stets* ein gen\u00fcgendes Material im Organismus vorhanden sein und es w\u00e4re nicht zu verstehen, wie in den Obigen Versuchen die kohlensauren Alkalien zur Verl\u00e4ngerung des Lebens haben beitragen k\u00f6nnen. Die obigen Versuche scheinen daf\u00fcr zu sprechen, dass entweder der Harnstoff als .neutrale Verbindung aus dem Eiweissmolek\u00fcl abgespalten wird, oder dass die Bildung des kohlensaurem Ammon und der Schwefels\u00e4ure nicht an demselben Orte im Organismus vor sich geht.","page":39}],"identifier":"lit16398","issued":"1881","language":"de","pages":"31-39","startpages":"31","title":"Ueber die Bedeutung der anorganischen Salze f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Thieres","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:27:33.389445+00:00"}