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{"created":"2022-01-31T12:32:26.583639+00:00","id":"lit16408","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Danilewsky, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 5: 158-184","fulltext":[{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"Myosin, Mine Darstellung, Eigenschaften, Umwandlung in Syntonin und R\u00fcckbildung aus demselben.\nVon A. Danilewsky.\n(Der Redaktion zugegangen am 30. Januar 1881).\nSeitdem W. K\u00fchne1) das Myosin entdeckt, und seine Darstellung und Eigenschaften beschrieben hat, ist dieser K\u00f6rper nicht oft genug Gegenstand einer Untersuchung gewesen. Das ist umsomehr zu bedauern, als er einengrossen und wesentlichen Bestandtheil des Muskelgewebes ausmacht, und zweifellos einen der Tr\u00e4ger der wichtigsten physikalischchemischen Proces.se des lebenden Muskels vorstellt.\nIm Folgenden ist ein Versuch gemacht worden, diesen K\u00f6rper einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen, um seine chemische Natur gegen\u00fcber anderen Eiweissstoffen, seine Umwandlungen und seine Bildungsweise wenigstens theihveise aufziikl\u00e4ren.\nWas seine Darstellung betrifft, so ist die von W. K\u00fchne angegebene und sp\u00e4ter von Hoppe-Sey 1er3) verbesserte Kochsalzmethode eine ganz brauchbare, doch ist es noch besser, statt Kochsalz eine Salmiakl\u00f6sung anzuwenden. Salmiak zeigt f\u00fcr Myosin ein viel gr\u00f6sseres L\u00f6sungsverm\u00f6gen als Kochsalz, dem entsprechend sind beim Salmiak die l\u00f6senden Concentrationsgrenzen viel weiter als beim Kochsalz. Myosin wird von einer Salmiakl\u00f6sung von 7, 8\u201420\u00b0/o und dar\u00fcber leicht gel\u00f6st. Das Eintr\u00e4gen von trockenem Salmiak scheidet nur einen ganz kleinen Theil aus, dagegen wird Myosin aus\n') W: K\u00fchne, Physiologische Chemie, Leipzig 1868.\n*) F. Hoppe-Seyler, Handbuch physiologisch- u. pathologischchemischer Analyse.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"159\nseinen Salmiakl\u00f6sungen durch Kochsalzst\u00fccke wie gew\u00f6hnlich ausgefallt. Aus den Muskeln wird Myosin durch Salmiak viel rascher und vollst\u00e4ndiger ausg\u00eblaugt als durch Kochsalz.\nSeine Darstellung l\u00e4uft also auf Folgendes aus: Das fein zerhackte und vollst\u00e4ndig mit Wasser ausgelaugte fett* und sehnenfreies Fleisch (am besten wenig gef\u00e4rbtes, also vorn Kalb, Kaninchen, Huhn, Frosch) wird schwach \u00e4\u00fcsge-presst, mit 10\u201420% Salmiakl\u00f6sung anger\u00fchrt und mehrere Stunden ruhig stehen gelassen. Nach dem Colire\u00c4 l\u00e4sst sich die Fl\u00fcssigkeit durch Papier gut filtriren. Man erh\u00e4lt eine dicke, nicht fadenziehende, opalescirende Fl\u00fcssigkeit, deren schwach saure Reaktion auf Lakmus lediglich vom Salmiak abh\u00e4ngt.\t,\nDie bis jetzt vom Entdecker selbst, von Hoppe-Seyler und Weyl1) bekannt gemachten Eigenschaften des Myosins beziehen sich nur auf seine L\u00f6sungs- und F\u00e4llungsverh\u00e4ltnisse und geben gar keinen Einblick in seine chemische Beschaffenheit. Dessen ungeachtet sind die von den genannten Autoren\u2019 gemachten Angaben so f\u00fcr Myosin charakteristisch, dass man dasselbe mit keinem anderen den \u00abGlobulinen\u00bb nicht angeh\u00f6rigeu Eiweissk\u00f6rper verwechseln kann. Wir wissen danach, dass Myosin eine leicht ver\u00e4nderliche Substanz ist, dass es durch schwache W\u00e4rme, durch Trocknen, selbst durch viel Wasser (Weyl) seine L\u00f6slichkeit in neutralen Salzl\u00f6sungen einb\u00fcsst, dass es durch verd\u00fcnnte Minerals\u00e4uren, schnell in Syntonin \u00fcbergef\u00fchrt wird. Als die sch\u00e4rfsten Merkmale des Myosins m\u00fcssen seine L\u00f6slichkeit in Salzl\u00f6sungen (Gl Na und Gl NHi), seine F\u00e4llbarkeit durch Wasser und Kochsalzst\u00fccke angesehen werden.\nZu diesen vielfach best\u00e4tigten Angaben kann ich nun *mf Grund meiner Erfahrungen neue Thatsachen zu seiner Charakteristik anf\u00fchren; dasselbe werde ich auch f\u00fcr Syntonin und andere Stoffe thun k\u00f6nnen. Wir fangen aber mit Myosin an.\nI. Myosin. Hat man sich mittelst 12\u201415% Salmiak-l\u00f6sung aus fein zerkleinerten und gut von Blut befreiten\n*) Zeitschrift f. physiologische Chemie, Bd. I. S. 72.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nMuskeln eine dicke, opalescirende aber klare L\u00f6sung des Myosins dargestellt, und tropft man sie in ein hohes Gelass mit destillirtem Wasser, so werden die Tropfen tr\u00fcblich und zerfallen bald. An ihrer Stelle findet sich im Wasser ein \u00e4usserst feines, zartes Gerinnsel, welches langsam den Boden des Gelasses gewinnt. Giesst man das \u00fcberstehende Wasser weg, und sp\u00fclt das Gerinnsel mit sehr wenig Wasser nach, so zeigt es die Eigenschaften des normalen Myosins.\nJe weniger man Salmiakl\u00f6sung f\u00fcr die gleiche Menge Muskelsubstanz angewendet hat, desto dickfl\u00fcssiger ist die Myosinl\u00f6sung und desto zusammenh\u00e4ngender und fester erscheint das Gerinnsel auf Wasserzusatz. Die Salmiakl\u00f6sung des Myosins wird bei 42\u201443\u00b0 etwas tr\u00fcblich, bei 45\u201450\u00b0 stark tr\u00fcbe und bei 55\u00b0 wird die Substanz flockig ausgeschieden. Je concentrirter die angewandte Salmiakl\u00f6sung, bei desto niedrigerer Temperatur erfolgt die Tr\u00fcbung und Ausscheidung, jedoch nie unter 40\u00b0. Das rasch mit nicht zu viel Wasser durch Decantation ausgewaschene Gerinnsel zeigt nun folgende Eigenschaften.\n1. Es bindet Mineral s\u00e4ur en. Wird das Myosingerinnsel in wenig Wasser vertheilt, zu dem Gemisch unter Umr\u00fchren tropfenweise Vio normaler Salzs\u00e4ure zugesetzt und nach jeden 1 -5 Tropfen die Fl\u00fcssigkeit mittelst Tropaeolin 00l) auf einer Porzellanfl\u00e4che gepr\u00fcft, so sieht man, dass eine grosse Menge der S\u00e4ure vom Myosin unter gleichzeitiger Aufl\u00f6sung gebunden und durch Tropaeolin als freie S\u00e4ure nicht mehr angezeigt wird. Macht man parallel einen Versuch mit gleicher Menge Wasser anstatt Myosinmischung so zeigen die ersten S\u00e4uretropfen die Reaktion der freien S\u00e4ure auf Tropaeolin. Setzt man die Salzs\u00e4ure hinzu bis Tropaeolin einen kleinen Ueberschuss, d. h. freie S\u00e4ure anzugeben anfangt, verdampft die L\u00f6sung und trocknet den R\u00fcckstand bei 100\u00b0 bis zu constantem Gewicht, so findet man in der Substanz eine grosse Menge Chlor. Dasselbe Resultat wird erhalten, wenn Myosin aus den Muskeln mit irgend einer anderen S\u00e4ure als Salzs\u00e4ure ausgezogen war, durch Neutralisation\n*) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften 1880, Nr. 51.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"161\nder S\u00e4ure mit Soda gefallt, mit Wasser ein wenig gewaschen und dann wie oben mit Salzs\u00e4ure behandelt wird.\nJ -) Myosin enth\u00e4lt Ca, Mg und Phosphors\u00e4ure. Aeschert man m\u00f6glichst wenig mit Wasser behandeltes Myosin-gerinnsel ein, so zeigt die Asche eine alkalische Reaktion. Der w\u00e4sserige Auszug der Asche enth\u00e4lt nur CaO, keine Spur Magnesium und Phosphors\u00e4ure. Der unl\u00f6slich gebliebene R\u00fcckstand der Asche enth\u00e4lt Calciumphosphat, Magnesium-Phosphat und schwefelsauren Kalk. Die Schwefels\u00e4ure der Asche muss von dem Schwefel des Myosins herstammen. Charakteristisch f\u00fcr Myosin ist das Vorkommen des mit Unorganischen Elementen nicht verbundenen Calcium. Weiter unten werden genauere Thatsachen dar\u00fcber angef\u00fchrt werden\n3)\tStarke Basen werden vom Myosin nicht gebunden. Ich konnte mit Trop\u00e6olin 000 Nr. I1), welches freie l\u00f6sliche Metallhydroxyde anzeigt, keine sichere Bindung dieser Basen durch Myosin constatiren. Ich kann aber nicht verschweigen, dass eine kleine Menge Natronlauge, welche zu yosin zugesetzt und dasselbe eben nur aufgel\u00f6st hat, nicht so scharf von Trop\u00e6olin angezeigt wird, wie dieselbe Menge Natronlauge in einem entsprechenden Volum Wasser. Da aber andere lackmusr\u00f6thende Eiweissstoffe wie z. B. Casein das Natron so binden, dass es Trop\u00e6olin gar nicht ver\u00e4ndert, und darum das Natron mit Casein zu einem Salz verbunden anzunehmen ist, so ist es sicher, dass im Falle die Base v\u00fcm Myosin wirklich gebunden wird, dieses auf eine, andere Art, als beim Casein geschieht. Das Verhalten beider K\u00f6rper zu Lackmus f\u00fchrt zu demselben Resultat, da Casein Lackmus stark r\u00f6thet, Myosin aber gar nicht.\n4)\tWird Myosin mit 50% Alkohol gekocht und heiss\nlltrirt, so wird- das Filtrat durch sehr starke Abk\u00fchlung nicht getr\u00fcbt.\t.\n5)\tWird eine concentrate Salzl\u00f6sung des Myosins durch Erhitzen coagulirt, so enth\u00e4lt die klar abgesetzte Fl\u00fcssigkeit eine ansehnliche Menge Calcium. Wird eine salzsaure Myosin* l\u00f6sung mit Natronlauge gef\u00e4llt, der feuchte Niederschlag f\u00fcr\n) Centralblatt f. d. medicini eben Wissenschaften 1880, Nr. 61. Zeitschrift f. physiologische Chemie V.\t\u2019","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nsich erhitzt und stark coagulirt, so enth\u00e4lt die Fl\u00fcssigkeit stets Calcium.\n6) Myosin wird leicht, schnell und vollst\u00e4ndig durch anges\u00e4uerte Pepsinl\u00f6sung, dagegen langsam und unvollst\u00e4ndig durch alkalische Trypsinl\u00f6sung peptonisirt. F\u00fcr Eieralbumin oder f\u00fcr Casein ist der Satz umgekehrt g\u00fcltig.\nF\u00fcr manche Versuche ist die Salzdarstellung^methode des Myosins unbequem, denn, wie schon W e y 1 *) gezeigt hat, wird das mit Wasser ausgef\u00e4llte Myosin durch Auswaschen in Salzen unl\u00f6slich, was auf einer weiter unten zu besprechenden Umwandlung beruht. Es gibt eine andere nicht minder einfache Darstellungsmethode, welche von diesem Uebel freier ist und in Folgendem besteht.\nMan meint und man gibt gew\u00f6hnlich in Lehrb\u00fcchern an, dass Myosin durch verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure rasch in Syntonin \u00fcbergef\u00fchrt wird. Nur Iloppe-Seyler1) machte die Beobachtung, dass diese Umwandlung keine zu schnelle ist, indem er bemerkt, dass wenn man eine nicht zu lange gestandene salzsaure Myosinl\u00f6sung durch Neutralisation fallt, im Niederschlag unver\u00e4ndertes Myosin wieder erhalten wird. Beide Angaben sind richtig, jede in ganz bestimmten Grenzen und Bedingungen.\nWir haben oben gesehen, dass Myosin Salzs\u00e4ure bindet lind zu gleicher Zeit in L\u00f6sung \u00fcbergeht. Diese Angabe muss jetzt in der Weise vervollst\u00e4ndigt werden, dass eine gegebene Menge in W\u00e4sser vertheiltes Myosin, zu welcher man tropfenweise unter Umr\u00fchren verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure zuf\u00fcgt, sich schon dann vollst\u00e4ndig aufl\u00f6st, wenn noch nicht die ganze verbindbare Menge S\u00e4ure zugesetzt war. Ich habe gefunden, dass ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte dieser S\u00e4ure gen\u00fcgt, um die ganze Menge Myosin in L\u00f6sung zu halten. Eine solche Myosinl\u00f6sung mit zur S\u00e4ttigung unzureichender Salzs\u00e4uremenge kann wochenlang bei gew\u00f6hnlicher Temperatur stehen bleiben, ohne dass das Myosin seine normalen Eigenschaften verliert. Ja noch mehr, diese L\u00f6sung kann sogar bis 30\u201435\u00b0 G. eine Stunde und l\u00e4nger erhitzt werden, ohne Ver\u00e4nderung des Myosins.\n') Loc. cit.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"163\nMan stellt sich eine solche Myosinl\u00f6sung dar, indem man die blutfreie, fein zerkleinerte Muskelmasse mit wenig Wasser\nanr\u00fchrt, in zwei ungef\u00e4hr gleiche Theile theilt, und zu der einen verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure unter Umr\u00fchren so lange zusetzt, bis Tiop\u00e6olin 00 eine nicht mehr mit der Zeit verschwindende Reaktion der freien Minerals\u00e4ure anzeigt. Jetzt werden beide Fleischpartien zusammengemischt, die Masse gut umger\u00fchrt, stehen gelassen, colirt und filtrirt.\nHat man in den H\u00e4nden eine Myosinl\u00f6sung sogar' mit einem- kleinen Ueberschuss der Salzs\u00e4ure, so ist f\u00fcr sie die Beobachtung Hoppe-Seyler\u2019s massgebend. ; Ist aber der S\u00e4ure\u00fcberschuss gross, und besonders ausserdem die Temperatur etwas erh\u00f6ht, so geht die Umwandlung in Syntonin rasch von Statten.\nDie Myosinl\u00f6sung mit unzureichender Salzs\u00e4ure wird durch Neutralisation der S\u00e4ure mit Natronlauge, Soda- oder Kalkwasser gef\u00e4llt.\n*\nIst die L\u00f6sung sehr concentrirt, so fallt Myosin in durchscheinenden, gallertartigen Klumpen, welche innwendig hartn\u00e4ckig eine gewisse Menge der sauren L\u00f6surig enthalten, so dass ungeachtet der vollst\u00e4ndigen Ausf\u00e4llung diese Klumpen Lakmuspapier gut r\u00f6then. Um neutrales Myosin zu erhalten, muss man darum nicht zu concentrirte saure L\u00f6sungen in Arbeit nehmen. Andererseits \u00c4iuss man sich auch gegen zu verd\u00fcnnte saure L\u00f6sungen in Acht nehmen, dehn die,grosse Wassermenge kann ver\u00e4ndernd auf das ausgeschiedene Myosin einwirken. Man muss aber nie vergessen, dass wie die Umwandlung in Syntonin, so auch die Ver\u00e4nderung durch Wasser stets mit Verlust der L\u00f6slichkeit in Kochsalz- oder Salmiakl\u00f6sungen einhergeht. Man hat also in diesem L\u00f6sungsver-h\u00e4ltniss ein ganz sicheres Pr\u00fcfungsmittel um den Myosinzustand der neutralen Substanz zu constatiren.\nAlle von mir oben angegebenen charakteristischen Eigenschaften des Myosins aus Salmiakl\u00f6sung beziehen sich in derselben Weise auch auf Myosin aus Salzs\u00e4ttrel\u00f6sung. \u25a0\nDiese beiden L\u00f6sungsmittel ziehen das Myosin aus der Muskelmasse so schnell und bei wiederholter Behandlung mit","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nerneuerten Mengen' so vollst\u00e4ndig aus, ohne die \u00fcbrigen Bestandtheile der blutfreien Muskeln zu ver\u00e4ndern, dass sie ohne Zweifel zu quantitativen Bestimmungen des Myosins in den Muskeln Anwendung finden werden. F\u00fcr diesen Zweck muss nur die ver\u00e4ndernde Einwirkung des Wassers auf Myosin ber\u00fccksichtigt werden, welche auch auf das noch im Muskel-b\u00fciulel sich befindenden Myosin zu Stande kommen kann. Um dieser Ver\u00e4nderung, welche \u00fcberhaupt nur sehr langsam und von sehr grossen Wassermengen hervorgebracht wird, vorzubeugen, muss man, nachdem das meiste Blut entfernt ist, die grossen Wassermassen durch wiederholtes schwaches Auspressen des mit wenig Wasser anger\u00fchrten feinen Muskelbreies zu ersetzen suchen.\nDa die S\u00e4urebindung durch Myosin so charakteristisch ist und da die von mir angegebenen Erkennungsmitlel dieser Bindung bei einiger Uebung und Gewohnheit best\u00e4ndig und scharf genug sind, so habe ich die gebundenen S\u00e4uremengen mehrmals quantitativ bestimmt. Eine unbekannte Menge von feuchtem, frisch gef\u00e4lltem, durch Fliesspapierlager von dem gr\u00f6ssten Theil des Wassers rasch befreitem, neutral reagi-rendem und in Salmiak l\u00f6slichem Myosin wird in wenig Wasser vertheilt und eine */io normale Ghlorwasserstoffs\u00e4ure aus einer B\u00fcrette unter Umr\u00fchren so lange in die Mischung eingetragen bis die Trop\u00e6olinfleckc 00 auf Porcellan einen nicht mehr verschwindenden Ueberschuss der S\u00e4ure anzeigen. Die saure L\u00f6sung wild verdampft, bei 100\u2014105\u00b0 G. bis zu constantem Gewicht getrocknet, gewogen, verascht und die Asche wieder gewogen. Die auf diese Weise erhaltenen Zahlen haben nun Folgendes ergeben.\n(Tabelle I. auf folgender Seite.)\nDie angef\u00fchrten Zahlen zeigen manches Interessante, was weitere Forschung verdient. Ich habe keinen Grund, die grossen Unterschiede der S\u00e4ttigungscapasit\u00e4t der Myosine verschiedener Thierc als einen Bestimmungsfehler anzusehen und glaube vielmehr, dass die angedeuteten Unterschiede zwischen verschiedenen Myosinen wirklich existiren k\u00f6nnen.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"165\nTabelle I.\nNr.\tSubstanz und ihre Quelle. i\t[ Ihre Menge -f- Salz- i s\u00e4ure bei 100\u2014105\u00b0i Gels.\tO a \u2022 mm n X 9) \u00bb \u2022 X u\t\u2022 . \u00a9, O' c c s \u00ab _> .V 2\tjs x \u00ab 3\t<n K \u00ab< y V S-\u00bb \u25a0\t\u00bb Eigenschaften der Salze.\n1.\tMyosin aus Oehsenlleisch mit Salzs\u00e4ure darge-stellt.\t2,7372\t4,08\t1,37\tSchwach alkalisch. Der Wasse.rauszug gibt Ca und keine\n2\tDasselbe.\t2,9507\t3,41\t.0,50\tSpur von Mg an. Dieselben.\n3.\tDasselbe.\t1,3916\t4,00\t0,75-\tDieselben.\n4.\tDasselbe. *\t2,1945\t3,86\t0,60\tWie oben.\n5.\tDasselbe.\t0,7734\t3,80\t0,55\tWie oben.\n6.\tMyosin aus Oehsenlleisch m. Salmiakl\u00f6sung dargestellt.\t1.9233\t3,56\t\t\n7.\tMyosin aus Kalbfleisch mit Salzs\u00e4ure dargestellt.\t1,3966\t4,8V\t1.30\tWie oben.\n8.\tMyosin aus Kaninchenfleisch mit Salzs\u00e4ure dargestellt.\t5,8200\t3,12\t1,14\tWie oben.\nDie stark gegl\u00fchte Myosinasche enth\u00e4lt stets etwas Calciumoxyd, welches vom Wasser aufgenommen wird. Teil habe dreimal diese Menge Calciumoxyd bestimmt, indem ich es mit sehr verd\u00fcnnter, kalter Essigs\u00e4ure aus der Asche extrahirte und auf gew\u00f6hnliche Weise zuletzt als Calciumoxyd wog. Es wurde erhalten 0,12; 0,10; 0,14% CaO vom My\u00f6sin-gewicht. Das genauere Studium der Myosinasche hat aber gezeigt, dass stets ein Theil seines Calcium durch die beim Verbrennen sich bildende Schwefels\u00e4ure gebunden wird, Um einen richtigeren Ueberblick \u00fcber die unorganischen Bestandteile des Myosins zu gewinnen, habe ich die ietztero in einer gr\u00f6sseren Myosinmenge bestimmt, indem ich das abgewogene Myosin in einer schwachen L\u00f6sung von chemisch reiner Soda unter Erw\u00e4rmen aufquellen liess/wieder trocknete und erst dann verbrannte.\nEs wurden 13,9370 gr. salzsaures Myosin bei 100 -105\u00b0C. getrocknet in Arbeit genommen. Aus einer anderen kleineren","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nPortion wurden 0,93% Asche erhalten. In der Asche der grossen Portion wurden Calcium, Phosphors\u00e4ure und Magnesium bestimmt und gefunden:\nCa \u2014 0,06547 gr. ; PO4 \u2014 0,04248 gr. ; Mg \u2014 0,0100 gr.\nCa \u2014 0,47% ;\tP04 \u2014 0,30%; Mg-0,07%.\nUm die gegenseitigen Beziehungen dieser Elemente im Myosin zu interpretiren, muss man unbedingt folgende Beobachtungen ber\u00fccksichtigen.\nEs ist schon oben angegeben worden, dass Myosin bei seiner Coagulation durch die Hitze Calcium verliert, welches in die Fl\u00fcssigkeit \u00fcbergeht. Ich konnte in dieser Fl\u00fcssigkeit neben Calcium nie sicher Magnesium nachweisen, welches aber in der Asche des Coagulums vorhanden ist. Diese Asche ist stets neutral und gibt dem Wasser nichts ab. Dagegen ist die Asche des Myosins, sogar des salzsauren Myosins immer eine schwach alkalische und gibt im Wasser Calcium ab. Man ist dadurch gezwungen, anzunehmen, dass ein Theil (wenigstens) des Calcium im Molek\u00fcl nicht mit der unorganischen S\u00e4ure, (resp. Phosphors\u00e4ure) verbunden ist, dagegen scheint das Magnesium vollst\u00e4ndig an diese S\u00e4ure gekn\u00fcpft zu sein. Berechnet man nach diesem Prinzip die gefundenen Zahlen, so findet man, dass zur S\u00e4ttigung der ganzen Menge Phosphors\u00e4ure das s\u00e4mmtliche Magnesium und 0,0100 gr. von der vorhandenen Calciummenge erforderlich sind, und dass 0,0556 gr. Calcium = 0,39% frei f\u00fcr anderweitige Bindungen \u00fcbrig bleiben.\nDieses quantitative Resultat stimmt also sehr sch\u00f6n mit den oben beschriebenen Erscheinungen der Abspaltung von Calcium bei gewissen Umwandlungen des Myosins.\nBemerkung. Die Summe der drei bestimmten unorganischen Myosinhestandtheile ist etwas kleiner als die von demselben Pr\u00e4parat gelieferte Asche ; man muss aber nicht vergessen, dass diese Asche einen Zuwachs durch die gebildete und an Calcium gebundene Schwefels\u00e4ure erlitten hat.\nDie ungemein leichte Abtrennung dieses Calciumtheiles, selbst durch viel Wasser, durch eine Temperatur, welche kaum 70# erreicht, ja wie es scheint durch Wasserverlust","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"t\n167\nbeim langen Liegen des feuchten Myosins auf Fliesspapier und vielleicht auch durch Pressen des feuchten Myosins, spricht daf\u00fcr, dass das Calcium oder vielmehr das Calciumoxyd an irgend, welche organische Atomgruppen des Molek\u00fcls, welche die Rolle sehr schwacher S\u00e4uren spielen,- gebunden ist. (Vielleicht sind es gerade diese Gruppen, welche ihr Calciumoxyd gegen Natriumoxyd beim Behandeln des Myosin mit dem letzteren, austauschen und dadurch die Wirkung der zugesetzten Natronlauge auf Trop\u00e6olin 000 Nr. 1. etwas schw\u00e4chen? S. oben.) Ueber die m\u00f6gliche ErkeUntniss dieser das Calciumoxyd bindenden Atomgruppen wird weiter unter die Rede sein.\t*\nII. Syntonin. Obwohl dieser K\u00f6rper genug studirt ist, so glaube ich doch in Folgendem einige neue chemische Z\u00fcge in ihm gefunden zu haben, welche zu seiner besseren Charakteristik dienen k\u00f6nnen.\n1)\tSyntonin bindet bei gew\u00f6hnlicher Temperatur S\u00e4uren. Die kleinste Menge der S\u00e4ure, welche es in gequollenen Zustand \u00fcberf\u00fchrt, verursacht eine R\u00f6thung des Lakmus. Nur Trop\u00e6olin 00 gibt die gebundene und die \u00fcbersch\u00fcssige Menge S\u00e4ure an. Zu seiner L\u00f6sung gen\u00fcgt ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte der zur S\u00e4ttigung nothwendigen S\u00e4ure (CIH).\n2)\tSyntonin enth\u00e4lt zwischen 0,5 und 0,7 % unorganische Elemente, welche aus Calcium, Magnesium und Phosphors\u00e4ure bestehen. Die von Syntonin beim Verbrennen gebildete Asche ist stets neutral und gibt dem Wasser nichts \u00e0br\n3)\tSalmiakl\u00f6sung zwischen 10\u201420% l\u00f6st Syntonin gar nicht. Er quillt darin sogar nicht auf und setzt sich bald zu Boden. Mischungen von Myosin und Syntonin k\u00f6nnen durch sehr concentrirt\u00e9 Salmiakl\u00f6sung in der Weise getrennt werden, dass Myosin in L\u00f6sung geht und Syntonin mit der Zeit bei ganz ruhigem Stehen in einem hohen Gef\u00e4sse langsam zu Boden fallt.\n4)\tF\u00fcr die Frage, ob Syntonin Alkalien bindet, .gilt dasselbe was bei Myosin gesagt wurde.\t;\nSyntonin wird sehr leicht aus Myosin gebildet, aber dazu m\u00fcssen ganz bestimmte Bedingungen zugegen sein* welche","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\ndie Quantit\u00e4t der S\u00e4ure und die Temperatur betreffen. Ich habe schon oben erw\u00e4hnt, dass Myosin in f\u00fcr seine S\u00e4ttigung unzureichender Salzs\u00e4ure gel\u00f6st wochenlang bei Zimmertemperatur ohne Ver\u00e4nderung stehen bleiben kann. Es ist aber nicht der Fall, wenn man eine solche L\u00f6sung erw\u00e4rmt. Erw\u00e4rmt man eine salzsaure Myosinl\u00f6sung mit der H\u00e4lfte der zur S\u00e4ttigung nothwendigen S\u00e4ure bei 30\u00b0 eine Stunde lang, so zeigt die vorsichtig durch Neutralisation ausgeschiedene Substanz alle normalen Myosinmerkmale, haupts\u00e4chlich l\u00f6st sie sich vollst\u00e4ndig und schnell in 12\u201420% Salmiakl\u00f6sung, ohne nach mehreren Stunden irgend welche Fl\u00f6ckchen oder eine Tr\u00fcbung erscheinen zu lassen. Unterh\u00e4lt man die Erw\u00e4rmung der salzsaurcn Myosinl\u00f6sung eine Stunde bei 40\u00b0 C., so findet man im Neutralisationspr\u00e4cipitate eine ganz kleine Menge Syntonin, welches in der Salmiakl\u00f6sung des unver\u00e4ndert gebliebenen Myosins eine Tr\u00fcbung verursacht und sehr l\u00e4ngssam in sehr zarten Flocken zu Boden sinkt. Bei 45\u00b0 C. wird mehr Syntonin gebildet. Bei 50\u00b0 C. findet man mehr Syntonin als Myosin. Bei 55\u00b0 G. habe ich nur noch sehr wenig Myosin angetroffen.\nUntersucht man die Asche von dem gebildeten Syntonin und noch zur\u00fcckgebliebenen Myosin, so ist die des ersteren neutral, die des zweiten schwach alkalisch und gibt an Wasser Calciumoxyd ab.\nMan muss also die Temperatur 40\u201445\u00b0 G. als eine kritische f\u00fcr die Bindungsweise des Calcium im Myosinmolek\u00fcl ansehen, oberhalb welcher diese Verbindung in Gegenwart von sogar gebundener Salzs\u00e4ure nicht stabil wird.\nDiese Umwandlung des Myosins geht viel rascher vor sich bei 40\u201450\u00b0 C., wenn man einen kleinen Ueberschuss der Salzs\u00e4ure \u00fcber die S\u00e4ttigung des Myosins in L\u00f6sung bringt. Da Myosin bei seinem Uebergang in Syntonin sicher Calcium verliert, so lag es auf der Hand anzunehmen, dass ein Theil der Salzs\u00e4ure damit in Verbindung tritt. Ist dieses wirklich der Fall, so m\u00fcsste man diese Bindung der S\u00e4ure durch Calcium des Myosins mit Trop\u00e6olin verfolgen k\u00f6nnen. Dies gelingt in der That auf folgende Weise. Man nehme ungef\u00e4hr","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"169\neinen halben Liter einer massig concentrirten salzsauren Myosinl\u00f6sung mit so viel S\u00e4ure, dass Trop\u00e6oiin nur eben schwach verdunkelt wird und erhitze es 5--10 Minuten auf 35\u20144\u00b0\u00b0. Pr\u00fcft man jetzt einen abgek\u00fchlten Tropfen der Fl\u00fcssigkeit mit Tropaeolin, so giebt dieses keinen Ueberschuss der S\u00e4ure an, d. h. es wird nicht verdunkelt. F\u00fcgt man jetzt nochmals S\u00e4ure hinzu bis Tropaeolin wieder einen Ueberschuss angiht, erw\u00e4rmt von Neuem und pr\u00fcft wieder, so ist auch dieser Ueberschuss verschluckt und so weiter bis man beim vierten sechsten Male findet, dass der Ueberschuss zuerst langsamer und endlich gar nicht mehr verschwindet. Untersucht man parallel mit Trop\u00e6olinpr\u00fcfung das Neutralisations-pr\u00e4cipitat kleiner Fl\u00fcssigkeitsproben mit Salmiakl\u00f6sung, so bemeikt man allm\u00e4hlichen Zuwachs der Menge des Syntonin, welches zuletzt allein verhanden ist, denn die Fl\u00fcssigkeit \u00fcbet den in einer Salmiakl\u00f6sung zu Boden gefallenen Syntonin-' flocken erscheint wasserklar und enth\u00e4lt- nur Spuren von organischer Substanz.\nEs war von Interesse zu wissen, wie gross dieser Syntonin bildende Ueberschuss der Salzs\u00e4ure sein kann. F\u00fcr diesen Zweck habe ich eine grosse Menge Myosin aus Ochsenfleisch mit Salzs\u00e4ure sorgf\u00e4ltig ges\u00e4ttigt. Von der fUtrirten Fl\u00fcssigkeit wurden 1) 50 Gc. abgemessen, in welchen die Quantit\u00e4t der Substanz bei 100\u2014105\u00b0 bestimmt wurde und 2) 500 \u00c7c., in welchen durch wiederholten Zusatz von Vto norm. Salzs\u00e4ure das Myosin vollst\u00e4ndig in Syntonin \u00fcbergef\u00fchrt. wurde. Mit einer dritten Portion feuchten Myosins wurde die von ihm. gebundene Menge Salzs\u00e4ure bestimmt. Nach den Angaben sub 1) wurde die Substanzmenge in 500 Cc. Myosinl\u00f6suhg berechnet. Es sind folgende Zahlen erhalten worden :\na)\tMyosin bindet 4,0% C1H.\nb)\t500 Cc. L\u00f6sung enthielten 6,3740 grm. salzsaures Myosin mit 0,2550 gr. Gl H.\nc)\t6,3740 gr. salzsaures Myosin haben beim Uebergang in Syntonin 0,0380 gr. C1H verbraucht, welche auf Myosin\nbezogen, 0,62% und auf die Salzs\u00e4ure des salzsauren Myosins bezogen 16,8% ausmacht.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nWie gesagt, lag es auf der Hand, anzunehmen, dass dieser Syntonin bildende S\u00e4ure\u00fcberschuss dem Myosin das Calcium raubt, ob es aber nur dieses thut, war ganz unbestimmt. Die gefundenen Zahlen aber lassen sich sehr gut zu einer Aufkl\u00e4rung dieser Frage folgenderweise benutzen.\nAus der oben beim Myosin angef\u00fchrten sehr sorgf\u00e4ltig gemachten Aschenanalyse wissen wir, dass Myosin 0,39% Calcium lose, an organische Atomgruppen gebunden enth\u00e4lt. Die Syntonin bildende Salzs\u00e4ure macht 0,62% des Myosins aus und entspricht 0,60% Chlor. Nun aber fordern 0,39 gr. Calcium zu ihrer S\u00e4ttigung 0,69 % Chlor.\nWill man nicht pedantisch mit dergleichen Versuchen umgehen, so muss man f\u00fcr bewiesen halten, dass die Syntonin bildende S\u00e4uremenge gerade zum Ab spalten des lose gebundenen Calcium des Myosin verbraucht wird.\nDie Bestimmungen der S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t des Syntonins mit Salzs\u00e4ure geben folgende Zahlen:\nTabelle II.\nNr.\tS \u00fcbst an z.\tSalzsaures Syntonin bei 100\u2014105\u00b0.\tSalzs\u00e4ure in \u00b0/o.\tAsche in \u00b0/o.\tCl H im salzsaurem Myosin, aus welchem Syntonin dargestellt wurde.\n1.\tSyntonin aus Ochsenfleisch. Aus Myosin Nr. 1 der Tabelle.\t1,8535\t3,50\t0,75 neutral.\t4,08%\n2.\tSyntonin aus Kalbfleisch. Aus Myosin Nr. 7 der Tabelle.\t1,6249\t4,36\t0,57 neutral.\t4,87%\n3.\tSyntonin aus Kaninchenfleisch. Aus Myosin Nr. 8 der Tabelle.\t2,7907\t' 2,80\t0,60 neutral.\t3,12%\n'Die Tabelle zeigt eine interessante Thatsache, n\u00e4mlich, dass Syntonin stets eine etwas kleinere S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t zeigt, als das Myosin aus welchem es herstammt.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nEs war in physiologischer Hinsicht wichtig zu wissen, ob in den Muskeln Syntonin vorgebildet vorhanden ist, oder ob nur Myosin dort vorkommt. Man k\u00f6nnte zur Entscheidung dieser Frage zwei Mittel anwenden: erstens die Unl\u00f6slichkeit des Syntonins in Salmiakl\u00f6sung; da Syntonin nicht minder in f\u00fcr seine S\u00e4ttigung unzureichender Salzs\u00e4uremenge l\u00f6slich ist als Myosin, so musste es sich falls es im Fleische zugegen ist, in ungen\u00fcgender Salzs\u00e4uremenge mit dem Myosin auf-losen und durch Neutralisation ausgefallt, sogleich durch Salmiakl\u00f6sung angezeigt werden. Mehrfache Versuche beweisen aber, dass, ausser Spuren, welche von Salmiakl\u00f6sung nicht angezeigt werden, im Fleische vorgebildetes Syntonin sich nicht vorfindet, denn die Neutral isationspr\u00e4cipitate der frac-tionirt dargestellten salzsauren Ausz\u00fcge aus sorgf\u00e4ltig zerkleinertem und ausgewaschenem Fleische l\u00f6sen sich leicht und vollst\u00e4ndig in Salmiakfl\u00fcssigkeit auf.\nDas zweite Mittel gr\u00fcndete sich auf die kleinere S\u00e4tti-gungscapacit\u00e4t des Syntonins. W\u00e4re letzteres im salzsauren Auszuge des Fleisches vorhanden, so m\u00fcsste Myosin, das mit Salmiak aus dem Fleische extrahirt War, eine gr\u00f6ssere Sattigungscapacit\u00e4t zeigen als das Myosin des. salzsauren. Auszuges. Die Zahlen der Tabelle I liefern aber ein negatives Resultat. Beide Mittel f\u00fchren also zu dem Schluss, dass frische, aber abgestorbene Muskeln kein Syntonin vorr\u00e4thig enthalten. Dieser Schluss kann begreiflich nicht ohne Weiteres auf den lebendigen Muskel in seinen verschiedenen physiologischen Zust\u00e4nden bezogen werden.\nIII- Unl\u00f6slich gewordenes Myosin und Syn--tbnin. Wir haben oben gesehen, dass, wenn Myosin sein lose gebundenes Calcium an Salzs\u00e4ure abgibt, es in Syntonin verwandelt wird. Das Abspalten dieses Calciums scheint f\u00fcr diese Umwandlung massgebend zu sein. Allein es gibt noch ein Mittel dieses Calcium abzuspalten, und das Produkt dieses Vorganges ist kein Syntonin. Das Mittel besteht in der bekannten (Weyl, loc. cit.) Einwirkung von viel destillirtem Wasser auf Myosin, welches aus Salmiakl\u00f6sung mit Wasser oder aus salzsaurer L\u00f6sung durch Neutralisation ausgeschieden","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nwar. Um in beiden F\u00e4llen das Calcium vollst\u00e4ndiger abzuspalten, m\u00fcssen die Bodens\u00e4tze nicht auf dem Filter, sondern nur durch Decantation mit viel Wasser behandelt werden. Pr\u00fcft man von Zeit zu Zeit kleine Proben mit Salmiakl\u00f6sung und mit 0,1 % Salzs\u00e4ure, so sieht man, dass Myosin allm\u00e4lig und zuerst seine L\u00f6slichkeit in Salmiak verliert, aber noch ein wenig darin aufquillt und glasartig wird, dann wird auch diese Eigenschaft allm\u00e4lig verloren, noch sp\u00e4ter verschwindet die leichte L\u00f6slichkeit in Salzs\u00e4ure und es hinterbleibt nur noch eine glasartige Aufquellung in dieser S\u00e4ure. Verbrennt man jetzt die Substanz, so hinterl\u00e4sst sie eine neutrale Asche, welche wenig Calcium, mehr Magnesium und Phosphors\u00e4ure enth\u00e4lt. Die Substanz ist unl\u00f6slich in Kalkvvasser. Sie ist kein Syntonin, und differirt vom Myosin in mehr Hinsichten als Syntonin (siehe weiter unten Tabelle III) Es muss also Myosin bei dem Uebergange in den unl\u00f6slichen Zustand durch Wassereinwirkung mehr Ver\u00e4nderungen erlitten haben, als blosse Calciumabspaltung. Eine dieser Ver\u00e4nderungen l\u00e4sst sich sogleich anzeigen. Das unl\u00f6slich gewordene Myosin, wenn es auch in Salzs\u00e4ure bei gew\u00f6hnlicher Temperatur unl\u00f6slich ist, bindet doch diese S\u00e4ure in gequollenem Zustande (wie dies auch z. B. Blutfibrin thut). Seine S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t ist aber kleiner als die des Syntonins. So z. B. band Myosin 4,08% C1H, Syntonin aus diesem Myosin band 3,50% C1H und das unl\u00f6slich gewordene Myosin (0,5722 gr. salzsaure Substanz) enthielt nur 2,93% C1H. Basen werden von ihm nicht gebunden. Weyl, (loc. cit.) der diesen K\u00f6rper beobachtet hat, nennt ihn kurzweg coagulirtes Albumin, das ist aber unrichtig, wie wir weiter unten sehen werden.\nEs ist lange bekannt, dass feuchtes Syntonin beim Liegen unter Wasser oder auf dem Filter mit Wasser gewaschen, allm\u00e4lig seine L\u00f6slichkeit in Salzs\u00e4ure und in Kalkwasser verliert. Die Tabelle III (weiter unten) zeigt, dass Syntonin dabei Ver\u00e4nderungen im Molek\u00fcl erlitten hat. Die S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t hat sich vermindert, denn 1,1442 gr. salzsaurer Substanz enthielten nur 2,52% Cl H, w\u00e4hrend Syntonin, sein Mutterstoff, 3,50% Salzs\u00e4ure band.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"173\nDieser K\u00f6rper l\u00f6st sich allm\u00e4lig in 0,l */o Natronlauge auf. Wird er sogleich oder nach ein Paar Stunden durch Neutralisation gefallt, so zeigt er dieselben Eigenschaften wie vorher. Wird aber die alkalische L\u00f6sung bei 35\u201445 \u2022 eine halbe bis eine Stunde gehalten und dann gef\u00e4llt, so erh\u00e4lt man einen K\u00f6rper mit allen Eigenschaften des normalen Syntonins.\nIV. Genauere Betrachtung der chemischen Vorg\u00e4nge bei den Verwandlungen des Myosins. Die erste Aufgabe besteht darin, aufzukl\u00e4ren sp weit wie es m\u00f6glich ist, auf welche Art und Weise das Myosinmolek\u00fcl die Salzs\u00e4ure und Calcium gebunden enth\u00e4lt.\nWas die S\u00e4ure betrifft, so zerfallt die Frage in die,< ob . sie mit dem unorganischen oder mit dem organischen fheil des Molek\u00fcls verbunden ist und in die, mit welchen Atomgruppen sie sich in unmittelbarer Verbindung befindet.\nZu der oben erw\u00e4hnten Trop\u00e4olinerscheirmng, welche das Verschwinden der zu Myosin zugesetzten freien S\u00e4ure angiebt, k\u00f6nnen noch einige Beobachtungen, welche die Bindung der Salzs\u00e4ure \u00fcberhaupt beweisen, hinzugef\u00fcgt werden.\nMacht man eine salzsaure Myosinl\u00f6sung mit zur S\u00e4ttigung unzureichender S\u00e4uremenge, so wird Lakmuspapier nur auf der Stelle ger\u00f6thet, welche eben von der Substanz bedeckt ist. Wird nach Trop\u00e4olinanweisung ein Ueberschuss der S\u00e4ure hinzugesetzt, so wird die ganze nasse Stelle ger\u00f6thet\nWird eine salzsaure Myosinl\u00f6sung ohne S\u00e4ure\u00fcberschuss bis zur Trockne verdampft und bei 100\u2018 C. selbst mehrere Tage erhitzt, so hinterbleibt eine durchscheinende schwach gelbliche Masse, welche viel Chlor einschliesst. Enthalt aber die saure Myosinl\u00f6sung einen Ueberschuss der Saure, also eine Quantit\u00e4t der ungebundenen S\u00e4ure, so wird die Substanz beim Trockenwerden braun bis schwarz.\nDa das Myosin lose gebundenes Calcium enth\u00e4lt, so konnte man von vornherein sich vorstellen, das die Salzsaure mit Calcium in Verbindung tritt. Obwohl schon manche oben erw\u00e4hnte Beobachtungen dem widersprechen, so-*\u00ab1\nich doch alle \u00fcbrigen dagegen sprechenden Thats\u00e4chen hier anf\u00fchren.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nW\u00e4re diese Vorstellung richtig, so k\u00f6nnte eine Myosinl\u00f6sung die nach Trop\u00e4olinangabe keine freie S\u00e4ure enth\u00e4lt, weder eine stark saure Reaction auf Lakmus zeigen, noch durch Kalkwasser unter Verschwinden der sauren Reaction gef\u00e4llt werden. Eine salzsaure Myosinl\u00f6sung wird aber bei gew\u00f6hnlicher Temperatur sogar von Marmorst\u00f6cken (unter \u00f6fterem Umr\u00fchren) bis zu vollst\u00e4ndiger Ausscheidung der Substanz und Verschwinden der sauren Reaction zerlegt.\nEndlich aber ist die Calciummenge im Molek\u00fcl, wie wir dies bei der Syntoninbildung sahen, nur so gross, dass es ungef\u00e4hr 16\u201417 \u00b0/o der vom Myosin gebundenen Salzs\u00e4ure s\u00e4ttigen k\u00f6nnte, und wenn dies der Fall wird, so kann das gebildete Chlorcalcium nicht mit dem Molecul in Verbindung bleiben.\nNach alledem unterliegt es keinem Zweifel, dass die vom Myosin gebundene Salzs\u00e4ure sich mit dem organischen Theil des Moleculs verbindet, es bleibt nur zu erforschen, durch welche Atomgruppen sie unmittelbar festgehalten wird.\nDie oben beschriebene Art und Weise der Syntoninbildung vermittelst des Syntonin bildenden Salzs\u00e4ure\u00fcberschusses zeigt an, dass bei gew\u00f6hnlicher. Temperatur oder sogar bei schwacher Erw\u00e4rmung die vom Myosin gebundene Salzs\u00e4ure nicht mit dem Calcium des Molec\u00fcls Zusammenkommen kann. Das Calcium aber ist ja \u00e4usserst lose im Molec\u00fcl gebunden zu denken , da schon reines Wasser es abspalten kann. Man ist also dadurch gezwungen, anzunehmen, dass eben die Salzs\u00e4ure es ist, welche ziemlich kr\u00e4ftig durch gewisse Atomgruppen angezogen wird. Dieses kann aber nur durch eine Atomgruppe herbeigef\u00fchrt werden, welche selbst gen\u00fcgend starke basische Eigenschaften besitzt. Durch diese und noch andere \u00e4hnliche Betrachtungen bin ich zu der Vermuthung gef\u00fchrt worden, dass die S\u00e4ure durch amido-artige Atomgruppen des Molec\u00fcls gebunden wird. War diese Vorstellung richtig, so hoffte ich, dass sie sich durch eine Doppelverbindung mit Platinchlorid besser beweisen Hesse. Es war mir schon aus Erfahrung bekannt, dass die Platinverbindungen der verschiedenen Eiweissk\u00f6rper sich nur sehr\nIX","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\nschwer darstellen lassen, indem immer Spur\u00ebn von Platin und Salzs\u00e4ure ins Waschwasser \u00fcbergehen. Ich musste daher von vornherein auf die Werthe von Platin und Chlor in Bezug auf das Myosinmolec\u00fcl verzichten und nur die Atomverh\u00e4ltnisse beider unorganischen Elemente im Auge halten. Um aber in dieser Hinsicht ein beweiskr\u00e4ftigeres Resultat zu erlangen, habe ich parallel mit Myosin eine Doppelplatinchloridverbindung unter sonst gleichen Bedingungen auch mit einem solchen Eiweissstoff dargestellt, welcher bei gew\u00f6hnlicher Temperatur gar keine Salzs\u00e4ure bindet Dazu ist sehr Albumin \u00df1) geeignet, welches frisch bereitet, sich leicht ohne jegliche Erw\u00e4rmung in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure l\u00f6st.\nZu den salzsauren L\u00f6sungen des Myosins (mit einem Ueberschuss der S\u00e4ure) und des Albumins \u00df setze ich Platinchloridl\u00f6sung im Ueberschusse zu und wasche den gelben Niederschlag durch Decantation zuerst mit Wasser dann aber mit verd\u00fcnntem Weingeist (30\u201450\u00b0/o) so lange, bis die Waschfl\u00fcssigkeiten nur Spuren von Platin und Salzs\u00e4ure aufnehmen. Die getrockneten und gewogenen Niederschl\u00e4ge werden mit chlorfreier Natronlauge aufgequ\u00f6llen und verbrannt.\nPlatin und Chlorbestimmungen haben nun Folgendes ergeben:\nI.\t2,0912 gr. Myosinplatinchloridverbindung bei 100-105\u00b0 getrocknet, gaben:\n0,1979 gr. Ptatin = 9,46 \u00b0/o und ;\n0,1548 gr. Chlor = 7,26\u00b0/o.\nDas Atomverh\u00e4ltniss beider zu einander stellt sich wie Pti,o zu CI4,8 heraus.\nII.\t2,1454 gr. Albuminplatinchlorid Verbindung bei 100 bis 105\u00b0 getrocknet, gaben:\n0,1806 gr. Platin = 8,46 \u00f6/0 und\n0,0289 gr. Chlor = 1,30%.\nDas Atomverh\u00e4ltniss beider zu einander ist Pt i ^ zu CU *8.\n*) Seine Bereitung, siehe Moniteur scientifique universel, octobre 1880, und Centralblatt f. d. medicin. Wissenschaften 1080, Nr. 4t,","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nDer Unterschied ist \u00e9clatant in der That, und wenn man ber\u00fccksichtigt, dass Myosin im Stande ist, wenn auch in kleinerem Maasstabe, Platin ohne Chlor (wie dies im Albumin geschieht) festzuhalten (vielleicht an der Stelle des durch den Ueberschuss der S\u00e4ure abgerissenen Calcium) und dass also ein Theil des fixirten Platins sich auf diese Weise im Molec\u00fcl vorfindet, so wird es mehr als blos wahrscheinlich, dass die analysirte Verbindung des salzsauren Myosins mit Plalinchlorld das ganze Chlor und den gr\u00f6ssten Theil des Platins im Zustande einer Amidoplatinchloridverbindung enth\u00e4lt.\nEs wird also h\u00f6chst wahrscheinlich, dass Myosin (und auch alle seine s\u00e4urebindenden Abk\u00f6mmlinge) so zu sagen, offene Amidogruppen oder ihre Derivate im Molec\u00fcl enth\u00e4lt, durch welche sie mit Minerals\u00e4uren Verbindungen einzugehen verm\u00f6gen.\nSchwerer und unsicherer geht es mit der Aufkl\u00e4rung der Verbindungsart des Calciums im Myosin, doch f\u00fchre ich hier Alles das vor, was ich beobachtet habe. W\u00e4re Calcium im Myosin durch Carboxylgruppen festgehalten, so m\u00fcsste Syntonin ausgepr\u00e4gt saure Eigenschaften zeigen, wie z. B. Casein, oder wie die von mir beschriebenen sauren Protalb-stoffe1), welche eben unter Abspaltung (unter anderem) von Calcium aus indifferentem Eieralbumin entstehen. Syntonin zeigt aber gar keine sauren Eigenschaften. Man muss also annehmen, dass das Calcium durch solche Atomgruppen festgehalten wird, welche nur ganz schwach saure Eigenschaften \u00e4ussern k\u00f6nnen. Um ihre Natur ann\u00e4hernd zu bestimmen, m\u00fcssen wir m\u00f6glichst genau und in mannigfaltiger Hinsicht diejenigen Eigenschaften des Myosins und seiner Umwand-lungspr\u00f6dukte kennen lernen, welche die Gegenwart von bekannten, oder wenn auch unbekannten, aber bestimmten Atomgruppen im Molec\u00fcl angeben. So z. B. m\u00fcssen die Millon\u2019sche, die Biuret-und die Pettenkofer\u2019sche Reaction, welche von ganz bestimmten, wenn auch der Constitution\n*) Moniteur k>c. cit., u. Journal d. russischen chemischen Gesellschaft 1879, Nr. 3 und 4.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"177\nnach unbekannten Atomgruppen des EiweUsmotec\u00fcls abUngen, studirt werden. Zu solchen cardinalen Eiweissreactionen muss\nich eine neue hinzuf\u00fcgen, welche im Weiteren uns einige Dienste leisten wird.\nNachdem ich dielnosilgruppe vom Albumin ibgespalten,1) habe ich gefunden, dass in manchen Eiweissst\u00f6ffen die Gegenwart dieser Atomgruppe sich durch die f\u00fcr sie so charakteristische Scherer\u2019sche Reaction ohne Weiteres nachweisen l\u00e4sst, wenn auch nicht so scharf, als z. B. in dem von mir abgespaltenen krystallinischen Produkte. Nur m\u00fcssen dabei einige Vorsichtsmassregeln ausgef\u00fchrt werden.?)\nNun hat sich aus vielen Versuchen ergeben, dass Myosin eine schwache, aber deutlich erkennbare Inositreaction liefert. Syntonin erzeugt sie noch etwas deutlicher. Dagegen mit-dem calciumfreien unl\u00f6slich gewordenen Myosin ist diese Reaction gar nicht zu erhalten. Man muss sich aber nicht' zu der Annahme verleiten lassen, dass bei dieser Umwandlung des Myosins die Inositgruppe abgespalten wird. Das ist ganz und gar unrichtig, denn erw\u00e4rmt man dieses unl\u00f6slich gewordene Product mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure oder mit 0,1 \u2022/\u2022 Natronlauge, so zeigt das Neutralisationspr\u00e4cipitat aus diesen L\u00f6sungen die Inositreaction von Neuem wie Myosin. Man ist also gen\u00f6thigt, die Thatsache des Verschwinden\u00bb der Inositreaction beim Unl\u00f6slichwerden des Myosin anders zu erkl\u00e4ren. Die Inositgruppe bleibt sicherlich im Molec\u00fcl, sie\no\tBerichte d- deutsch, chem. Gesellschaft in Berlin. Jahrg. 1880..\nHeit Nr. 18.\n*) Man nehme sehr wenig trockene Substanz etwa fc-8 mohn-grosse K\u00f6rnchen, erhitze sie unter Aufl\u00f6sung mit einigen . Tropfen con-centnrter Salpeters\u00e4ure auf einem Platindeckel fast bis zur Trockne \u00fcbergiesse den Rest mit 6-8-10 Tropfen m\u00e4ssig concentrirter Chlor\u2019 calciumlusung, setze hinzu ein Paar Tropfen Ammoniak und verdampfe \u00fcber einem ganz kleinen Feuer zur Trockne. Manchmal bemerkt man \u00abhon jetzt rosarothe Flecke. Ist dies nicht der Fall, so Weiche man den R\u00fcckstand durch Wasserdampf oder durch Hauchen auf und trockne sehr vorsichtig ohne Schaum hervorzubringen nochmals, und wenn n\u00f6thjg wiederhole man das Aufweichen und Trocknen zum dritten Male. Im Falle die Substanz die Inositreaction zu geben Obig ist, so keramt sie durch diese Wiederholungen besser zum Vorschein.\t\u00bb.\nZeitschrift f. physiologische Chemie V.\tf 12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nwird nur, so zu sagen, unsichtbar, unnachweisbar durch eine f\u00fcr sie charakteristische Reaction.\" Die allerwahrscheinlichste Erkl\u00e4rung f\u00fcr dieses Latentwerden der Atomgruppe besteht in der Annahme, dass sie im Momente der Myosinumwandlung sich mit einer anderen Atomgruppe verbindet und auf diese Weise dem Nachweis entgeht. Gleichzeitig mit diesem Latent-werden der Inositgruppe unterliegt das Myosin zweien uns schon bekannten Ver\u00e4nderungen, n\u00e4mlich 1) ein kleiner Theil seiner s\u00e4urebindenden Amidogruppen werden auch latent, werden ges\u00e4ttigt, denn das unl\u00f6slich gewordene Myosin bindet bedeutend weniger S\u00e4ure als Myosin selbst, 2) es verliert sein lose gebundenes Calcium.\nDa die alkoholischen Atomgruppen des Inosits sich wie bekannt, mit Basen lose verbinden k\u00f6nnen, so wird es sehr wahrscheinlich, dass das Calcium im Myosin eben durch die Inositgruppe festgehalten wird, welche sich im Momente der Abspaltung des Calciums mit einem \u00e4quivalenten Theil der Amidogruppen verbindet und auf diese Weise der directen Nachweisung entgeht. Diese Hypothese wird dadurch unterst\u00fctzt, dass das Abspalten des lose gebundenen Calcium bei Syntoninbildung nicht vom Verschwinden der Inositgruppe begleitet wird, denn dieses Abspalten des Calciums geschieht zu einer Zeit wo die Amidogruppen durch die kr\u00e4ftige Salzs\u00e4ure ges\u00e4ttigt sind. Dagegen geht die Bildung des unl\u00f6slichen Myosins in Gegenwart von Amidogruppen mit freien basischen Affinit\u00e4ten von statten.\nWir haben also so weit, so sicher wie dieses auf dem uns besch\u00e4ftigendem Felde beim jetzigen Zustande unserer Kenntnisse m\u00f6glich war, uns die Umwandlungen des Myosins zu erkl\u00e4ren gesucht. K\u00fcnftigen Forschungen muss es obliegen, die gegebenen Hypothesen zu erweitern, besser zu beweisen, oder durch richtigere zu ersetzen.\nVergleicht man, wie oben angedeutet war, noch andere cardinale Reactionen der Eiweissk\u00f6rper mit Myosin und seinen Umwandlungsproducten, so findet man, dass manche Ver\u00e4nderungen sich dabei auch noch in anderen Atomgruppen ausser den oben abgehandelten, vollziehen. Da aber die Natur","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"179\ndieser Atomgruppen uns ganz und gar unbekannt bleibt, so will ich die beobachteten Ver\u00e4nderungen ohne jede Betrachtung blos angeben. Zur besseren Uebersicht gebe ich sie alle in tabellarischer Form. Es versteht sich von selbst, dass die vergleichenden Reactionen mit den K\u00f6rpern unter m\u00f6glichst gleichen Bedingungen anzustellen sind.\n'S\nP P O'\n.3 -\n5 T? > 3\nt\u00bb\n\u00ab 2\n\u2022f >,\u00a3 A\n' >a -,\n\u00e4S c\n35\nU N\n' 3\nU *9\n. .\n\u00a9\nCO \u00ab>\n\u25a0\u00d6 :\n\u00ab S :","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"V. R\u00fcckbildung des Myosins aus seinen Um-wandlungsproducten und Bildung myosinoider K\u00f6rper aus anderen Eiweissstoffen. Die Tabelle III zeigt, dass Syntonin in zwei Punkten vom Myosin differirt, in der Gr\u00f6sse der S\u00e4ttigungscapacit\u00e4t und in dem .Gehalte an lose gebundenem Calcium. Diese zwei intramolec\u00fcl\u00e4ren Ver\u00e4nderungen gen\u00fcgen um dem Molec\u00fcl neue Eigenschaften beizulegen oder vielmehr einige charakteristische Eigenschaften dem Myosin zu rauben wie z. B. seine leichte L\u00f6slichkeit in Kochsalz- oder Salmiakfl\u00fcssigkeiten. Es schien mir, dass der Verlust des Calciums mehr zu der Syntoninbildung beitr\u00e4gt, als das Latentwerden eines kleinen Theiles der Amidogruppen oder noch andere m\u00f6gliche, mir bis jetzt unbekannte Ver\u00e4nderungen im Myosin. Diese Voraussetzung bewog mich, eine R\u00fcckbildung des Myosins aus Syntonin zu versuchen. Die Hauptaufgabe bestand darin, dass man Calciumoxyd in das Syntonin einf\u00fchrte. Zuerst habe ich Syntonin in Kalkwasser aufgel\u00f6st und nach mehrst\u00fcndigem Stehen neutra-lisirt. Bei verschiedenartigen Variirungen dieser einfachen Versuche hat sich ergeben, dass wirklich ein Theil des Syn-tonins in Myosin \u00fcberzugehen scheint, denn das Neutralisations-pr\u00e4cipitat l\u00f6st sich theilweise inl5% Salmiakl\u00f6sung auf, der andere Theil aber setzt sich mehr oder weniger schnell in zarten Flocken zu Boden. Dazu muss die alkalische Syntonin-l\u00f6sung nur mit schwachen S\u00e4uren, also z. B. mit sehr verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure nur so lange behandelt werden, bis in der Fl\u00fcssigkeit eine gut ausgebildete Ausscheidung erscheint, was immer bei noch ganz schwacher, aber deutlicher alkalischer Reaction geschieht. F\u00fcgt man die S\u00e4ure bis zu neutraler oder bis zu h\u00f6chst schwach saurer Reaction hinzu, so ist der Niederschlag im Salmiak ganz wie Syntonin vollkommen unl\u00f6slich. Der K\u00f6rper scheint also das von ihm gebundene Calcium leicht verlieren zu k\u00f6nnen und ihn sogar an wenig Wasser beim Liegen abzugeben. Um diese Wasserwirkung m\u00f6glichst zu elinviniren, habe ich den Versuch folgenderweise abge\u00e4ndert. In die klare Kalkwasserl\u00f6sung des Syntonins trage ich trockenes Salmiakpulver fast bis zur","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"181\nS\u00e4ttigung ein, filtrire durch ein Faltenfilter und neiitralisire die alkalische, opalescirende, dicke L\u00f6sung mit sehr verd\u00fcnnter Salz- oder besser Essigs\u00e4ure bis violettes Lakmuspapier keine Spur von alkalischer Reaction mehr angibt. Blaues Papier wird ziemlich stark ger\u00f6thet, was von Salmiak herr\u00fchrt. Wenn ein ganz kleiner Ueberschuss von Essigs\u00e4ure eingetragen wird, so schadet dies nicht sehr, wohl aber der der Salzs\u00e4ure. Hat man aber genau das Kalkvvasser neutralisirt, so bleibt die Fl\u00fcssigkeit dick, klar, schwach opalescirend und verh\u00e4lt sich vollst\u00e4ndig so wie eine frisch bereitete My\u00f6sin-salmiakl\u00f6sung. Tropft man sie in viel destill. Wasser, so werden die Tropfen in eine weisse, sich verbreitende Tr\u00fcbung verwandelt. Ist die Salmiakl\u00f6sung in Bezug auf ihren organischen Theil concentrirt (man nehme am Besten nur so viel Kalkwasser als zur L\u00f6sung des Syntonins gerade n\u00f6thig ist, bei gew\u00f6hnlicher Temperatur) so bildeten sich im Wasser nach einiger Zeit zarte Gerinnsel, gerade so wie sie auch natives Myosin erzeugt. Diese Gerinnsel l\u00f6sen sich\u00bb wenn ganz frisch gebildet, in Salmiak auf, sp\u00e4ter unvollst\u00e4ndiger und endlich gar nicht mehr. Tr\u00e4gt man in die concentrirte Salmiakl\u00f6sung Kochsalzst\u00fccke ein, so wird der K\u00f6rper um diese St\u00fccke herum gef\u00e4llt. Diese F\u00e4llung, wenn frisch, l\u00f6st sich beim vorsichtigen Wasserzusatz wieder auf. Erw\u00e4rmt man die Salmiakl\u00f6sung vorsichtig in einem Probierglas mit eingesetztem Thermometer, so beobachtet man, dass bet 38 bis 42\u00b0 G. in der Fl\u00fcssigkeit eine . Tr\u00fcbung sich auszubilden anfangt, welche bei 42\u201445\u00b0 sehr stark wird und bei 50* sich in grosse Flocken verwandelt. Je. weniger die L\u00f6sung in Bezug auf Salmiak concentrirt ist und haupts\u00e4chlich je weniger sie essigsauren Kalk enth\u00e4lt, desto besser vertr\u00e4gt sie die Erw\u00e4rmung und desto mehr n\u00e4hert sie sich einer normalen Salmiak-Myosinl\u00f6sung, welche bei 42\u201445\u00b0 sich tr\u00fcbt und bei 50\u201455\u00b0 eine Ausf\u00e4llung gibt.\nNeutralisirt man die noch alkalische Salmi\u00e4kl\u00f6sung genau bis zum Verschwinden der alkalischen Reaction auf rothera Papier, mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure und f\u00e4llt das Product mit wenig Wasser, sammelt es auf Fliesspajrier, trocknet und","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nverbrennt ohne das bei der Coagulation ausgetretene Wasser zu verlieren, so erh\u00e4lt man eine schwach alkalisch reagirende Asche, deren w\u00e4sseriger Auszug Calciumoxyd enth\u00e4lt. Das bei der Coagulation austretende Wasser enth\u00e4lt auch Calcium und zeigt wenn nicht zu verd\u00fcnnt, eine, ganz schwach alkalische Reaction.\nMan sieht aus der gegebenen Auseinandersetzung, dass die Salmiakl\u00f6sung einen wirklichen Myosink\u00f6rper enth\u00e4lt. Das ist soweit sicher, wie wir das native Myosin selbst kennen. Ich muss noch hinzuf\u00fcgen, dass diese Umwandlung des Syn-tonins in Myosin in 20 Minuten (versteht sich in kleiner Quantit\u00e4t) ausgef\u00fchrt werden kann und sehr sch\u00f6n f\u00fcr Vorlesungsdemonstration benutzt werden kann.\nIch habe oben erw\u00e4hnt, dass das in Kalkwasser unl\u00f6slich gewordene Syntonin nach dem Erw\u00e4rmen auf 35\u201445\u00ae mit 0,1% Natronlauge zur\u00fcck in gew\u00f6hnliches Syntonin \u00fcbergef\u00fchrt wird. Wenigstens kehren ihm wieder zur\u00fcck nicht nur die L\u00f6slichkeit in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure und Kalkwasser, sondern auch die normale Intensit\u00e4t der Millon\u2019schen,Biuret-und Pettenkofer\u2019sehen Reaction. Jetzt muss ich noch angeben, dass dieses so hergestellte Syntonin sich wie das normale Syntonin in Myosin. verwandeln l\u00e4sst.\nDa das unl\u00f6slich gewordene Myosin zu normalem Myosin sich (ausser Calciumverlust) nach der Tabelle III gerade so verh\u00e4lt, wie unl\u00f6sliches Syntonin zu normalem Syntonin, so lag es auf der Hand zu erwarten, dass Erw\u00e4rmen mit 0,1 bis 0,2% Natronlauge bei 40\u201445* C. im Stande sein w\u00fcrde, auch hier diejenigen Gruppenzust\u00e4nde im Molec\u00fcl aufzuheben, welche das Unl\u00f6slichwerden des Myosins bestimmen. Dies gelingt auch in der That. Da Calcium fehlt, so zeigt das Neutralisationsprodukt der alkalischen L\u00f6sung alle Eigenschaften des normalen Syntonins. Dieses letzte Product kann sodann ganz wie Syntonin in Myosin umgewandelt werden.\nAnmerkung. Das Unl\u00f6slichwerden des Myosins und Syntonins mit dem Latent-, Unsichtbarwerden einiger Atomgruppen und das Wiedererscheineh der L\u00f6slichkeit und dieser Atomgruppen lassen sich durch die Annahme einer durch Debydratationsvorgang verursachte gegen-","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"183\nseifige Bindung der betreffenden Atomgruppen und einer bei dem Einwirken der warmen Lauge bewerkstelligte Hydratation, welche eine Aufl\u00f6sung der gegenseiten Atomgruppenbindungen verursacht, erkl\u00e4ren* Myosin und Syntonin sind nicht die einzigen Eiweissk\u00f6rper, welche Salzs\u00e4ure oder Oberhaupt S\u00e4uren bei gew\u00f6hnlicher Temperatur binden k\u00f6nnen. Diese Eigenschaft zeigen alle sogenannten \u00abAcidalbumine\u00bb d h. Producte der Einwirkung heisser verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure auf verschiedene Eiweissk\u00f6rper. Alle diese Producte zeigen die F\u00e4higkeit sich, Wenn sie frisch gef\u00e4llt sind, in Kalkwasser klar aufzul\u00f6sen. Da die Bindung der Salzs\u00e4ure durch sie auf dieselbe Art geschieht wie bei Myosin (die quantitativen Beweise daf\u00fcr werden von mir bei einer anderen Gelegenheit mitgetheilt werden) und da diese K\u00f6rper eine schwache Inositreaction geben, so habe ich erwartet, dass sie sich durch dieselbe Manipulation wie oben beschrieben in myosin\u00e4hnliche K\u00f6rper verwandeln lassen w\u00fcrden. Das ist auch wirklich der Fall. Das Product dieser myosinhildenden Behandlung zeigt alle normalen Myosineigenschaften. Es gibt aber: auch manche Unterschiede von nativem Myosin, was von vomeh\u00e9rein zu erwarten war. Die Unterschiede bestehen in der schwereren L\u00f6slichkeit der myosinoiden Substanzen in Kochsalzl\u00f6sungen, in der Unl\u00f6slichkeit des durch 'Kochsalzst\u00fccke erzeugten Coagulum in wenig Wasser lind in fr\u00fchzeitiger Ausscheidung beim Erw\u00e4rmen ihrer Satmiakl\u00f6sungen (schon bei 33\u201435\u00b0 Tr\u00fcbung, bei 40\u00ae eine flockige Ausf\u00e4llung).\nDie hier niedergelegten Beobachtungen, welche die Natur des Myosins etwas mehr als es bis jetzt gelang, aufgekl\u00e4rt haben, m\u00fcssen auch bessere Gr\u00fcnde zum Erforschen einer bis jetzt noch ziemlich unklaren Erscheinung, der Todtenstarre, bei welcher Myosin zweifellos sehr betheiligt ist, liefern. Ich habe diese Frage experimentell noch nicht ber\u00fchrt, do\u00e7h erlaube ich mir auf Grund oben mitgetheilter Thatsachen einige Bemerkungen dar\u00fcber zu machen. Es ist kaum m\u00f6glich, dass Myosin bei der Todtenstarre jii seine unl\u00f6sliche Modification \u00fcbergehe, denn es w\u00e4re unm\u00f6glich zu begreifen, wie diese. Modification bei der freiwilligen Aufl\u00f6sung der Todtenstarre wieder nicht mir das Calcium, sondert! auch alle seine normalen Gruppenzust\u00e4nde wieder gewinnt* Viel leichter w\u00e4re, nur das verlorene Calcium zu gewinnen, wenn man voraussetzte, dass bei der Todtenstarre Myosin in Syntonin \u00fcbergeht und dadurch in dem salzhaltigen Muskelserum unl\u00f6slich wird. Ist diese Vorstellung richtig, so m\u00fcssten die","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\ngut todtenstarr gewordenen Muskeln dem Salmiak gar kein oder nur sehr wenig Myosin abgeben, was nicht schwer experimentell zu erforschen w\u00e4re. Ist aber eine solche Ver-muthung unrichtig, so muss man annehmen, dass Myosin noch anderer Verwandlungen, welche wir noch nicht kennen, f\u00e4hig ist.\nGenf, im Januar 1881.","page":184}],"identifier":"lit16408","issued":"1881","language":"de","pages":"158-184","startpages":"158","title":"Myosin, seine Darstellung, Eigenschaften, Umwandlung in Syntonin und R\u00fcckbildung aus demselben","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:32:26.583645+00:00"}